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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Achtes Buch
[Spaltenumbruch] auch die vollkommensten Spiegel für schlimm
halten/ schüttete er wieder den Hertzog Herr-
mann und Thußnelden allerhand hefftige
Schelt-Worte aus; ja als Herrmann sich ein
wenig nur erholet/ ließ er Ketten bringen/ sie
beyde darmit belegen/ und auff einem Wagen
wegführen; seinem Bruder meldende: Er
möchte ihm seine Braut/ welche nichts minder/
als Thußnelde bey ihrer wolgemeinten Schei-
dung etliche/ wiewol nicht gefährliche Wun-
den bekommen hatte/ heim/ oder/ wohin es ihn
bedünckte/ führen. Denn nach dem er sich
seines Feindes angemast hätte/ verlangte er sei-
ner Gemeinschafft nicht mehr/ Segesthes kam
hierauff mit seinen Gefangenen nach Henne-
berg/ allwo er dem Fürsten Herrmann/ welcher
seiner Meynung nach ihm allein an Erlan-
gung der obersten Feldherrschafft im Wege
stand/ allem Vermuthen nach das Licht ausge-
lescht hätte/ weil doch die Feindschafft den Tod
des Verhaßten für den Hafen seiner Sicher-
heit/ und der Ehrgeitz die Einäscherung seiner
Neben-Sonne für seinen Leit-Stern hält/ wenn
er nicht ein Schreiben vom Tiberius daselbst
gefunden hätte/ welcher zu Damasia in Rhetien
sich auffhielt/ und an der Donau und Lech An-
stalt zum Kriege wieder den Marbod machte.
Darinnen beschwerte er sich über den Sege-
sthes: daß er seine ihm versprochene Tochter ei-
nem Feinde der Römer verlobet/ hierdurch
nicht allein zu ihrem so grausamen Tode und
Kränckung seines Gemüthes/ sondern auch dem
Kayser zu grossem Mißtrauen Ursach gegeben
hätte. Diesemnach solte er diese Scharte nun-
mehr durch einen ansehnlichen Vorschub an
Vorrath und Hülffs-Völckern auswetzen; und
sich derogestalt sehen lassen: daß der Kayser ihn
für einen Freund oder Feind zu unterscheiden/
und wegen der deutschen Feldherrschafft auff
sein oder des Fürsten Herrmanns Wageschale
das Gewichte zu legen wüste. Dieses Schrei-
ben hatte bey Segesthen einen solchen Nach-
[Spaltenumbruch] druck: daß er auff einmahl alle Hoffnungs-
Ancker verlohr; welche er auff die Grösse des
Marbods gegründet hatte. Jn dem der listige
Tiberius Segesthens Schwäche fürlängst hat-
te kennen lernen: daß es ihm nehmlich um die
Würde der Feldherrschafft zuthun wäre; und
kein unter das Eyß verschlossener Fisch so sehr
nach der Lufft/ als er nach diesem Winde
schnappte. Denn in Wahrheit die Kunst sich
eines fremden Willen zu bemächtigen beruhet
bloß allein an dem Erkäntnüße; mit was für
einer Handhabe ein Mensch zu fassen sey; und
daß man ihn an dem Seile zu sich leite/ daran
er selbst gerne gehet. Sintemahl doch keine
Sache ohne Hefft/ kein Mensch ohne eine be-
sondere Neigung ist; in dem einer die Ehre/ der
ander den Eigennutz/ der dritte die Wollust zu
seinem Abgotte hat; ja zuweilen das niedrigste
Absehen etlicher Leute erster Bewegungs-
Zirckel ist/ und der/ welcher diesen trifft/ den
Schlüssel zu der verschlossensten Menschen Her-
tzen/ und die Botmäßigkeit über ihren Willen
in seinen Händen hat. Bey so gestalten Sa-
chen schrieb Segesthes an Tiberius: daß ihn
keine besondere Gewogenheit zum Marbod;
sondern theils seine Ohnmacht ihm Thußnel-
den aus den Händen zu winden/ theils sein Ab-
sehen den Römern auch mit Enteusserung sei-
nes Kindes ein vortheilhafftiges Bündnüs zu
wege zu bringen/ ihm seine Tochter zu verlo-
ben gezwungen hätte. Es schiene aber der Him-
mel selbst an diesem Zwange keinen Gefallen
zu haben; weil er mit Donner und Blitz die
vermeintlich todte Thußnelde aus ihrem Ge-
fängnüße gerissen/ und seinen Feind den Für-
sten Herrmann zu einem Werckzeuge selbte sei-
ner väterlichen Gewalt einzulieffern gebraucht
hätte. Also wäre er nunmehr nicht allein wil-
lig und mächtig diese zwey zu des Tiberius
Liebe und Rache auszuantworten; und in dem
Marckmännischen Kriege sich nicht als einen
Bundsgenossen/ sondern als einen Römischen

Bürger

Achtes Buch
[Spaltenumbruch] auch die vollkommenſten Spiegel fuͤr ſchlimm
halten/ ſchuͤttete er wieder den Hertzog Herr-
mann und Thußnelden allerhand hefftige
Schelt-Worte aus; ja als Herrmann ſich ein
wenig nur erholet/ ließ er Ketten bringen/ ſie
beyde darmit belegen/ und auff einem Wagen
wegfuͤhren; ſeinem Bruder meldende: Er
moͤchte ihm ſeine Braut/ welche nichts minder/
als Thußnelde bey ihrer wolgemeinten Schei-
dung etliche/ wiewol nicht gefaͤhrliche Wun-
den bekommen hatte/ heim/ oder/ wohin es ihn
beduͤnckte/ fuͤhren. Denn nach dem er ſich
ſeines Feindes angemaſt haͤtte/ verlangte er ſei-
ner Gemeinſchafft nicht mehr/ Segeſthes kam
hierauff mit ſeinen Gefangenen nach Henne-
berg/ allwo er dem Fuͤrſten Herrmann/ welcher
ſeiner Meynung nach ihm allein an Erlan-
gung der oberſten Feldherrſchafft im Wege
ſtand/ allem Vermuthen nach das Licht ausge-
leſcht haͤtte/ weil doch die Feindſchafft den Tod
des Verhaßten fuͤr den Hafen ſeiner Sicher-
heit/ und der Ehrgeitz die Einaͤſcherung ſeiner
Neben-Sonne fuͤr ſeinen Leit-Stern haͤlt/ weñ
er nicht ein Schreiben vom Tiberius daſelbſt
gefunden haͤtte/ welcher zu Damaſia in Rhetien
ſich auffhielt/ und an der Donau und Lech An-
ſtalt zum Kriege wieder den Marbod machte.
Darinnen beſchwerte er ſich uͤber den Sege-
ſthes: daß er ſeine ihm verſprochene Tochter ei-
nem Feinde der Roͤmer verlobet/ hierdurch
nicht allein zu ihrem ſo grauſamen Tode und
Kraͤnckung ſeines Gemuͤthes/ ſondern auch dem
Kayſer zu groſſem Mißtrauen Urſach gegeben
haͤtte. Dieſemnach ſolte er dieſe Scharte nun-
mehr durch einen anſehnlichen Vorſchub an
Vorrath und Huͤlffs-Voͤlckern auswetzen; und
ſich derogeſtalt ſehen laſſen: daß der Kayſer ihn
fuͤr einen Freund oder Feind zu unterſcheiden/
und wegen der deutſchen Feldherrſchafft auff
ſein oder des Fuͤrſten Herrmanns Wageſchale
das Gewichte zu legen wuͤſte. Dieſes Schrei-
ben hatte bey Segeſthen einen ſolchen Nach-
[Spaltenumbruch] druck: daß er auff einmahl alle Hoffnungs-
Ancker verlohr; welche er auff die Groͤſſe des
Marbods gegruͤndet hatte. Jn dem der liſtige
Tiberius Segeſthens Schwaͤche fuͤrlaͤngſt hat-
te kennen lernen: daß es ihm nehmlich um die
Wuͤrde der Feldherrſchafft zuthun waͤre; und
kein unter das Eyß verſchloſſener Fiſch ſo ſehr
nach der Lufft/ als er nach dieſem Winde
ſchnappte. Denn in Wahrheit die Kunſt ſich
eines fremden Willen zu bemaͤchtigen beruhet
bloß allein an dem Erkaͤntnuͤße; mit was fuͤr
einer Handhabe ein Menſch zu faſſen ſey; und
daß man ihn an dem Seile zu ſich leite/ daran
er ſelbſt gerne gehet. Sintemahl doch keine
Sache ohne Hefft/ kein Menſch ohne eine be-
ſondere Neigung iſt; in dem einer die Ehre/ der
ander den Eigennutz/ der dritte die Wolluſt zu
ſeinem Abgotte hat; ja zuweilen das niedrigſte
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Zirckel iſt/ und der/ welcher dieſen trifft/ den
Schluͤſſel zu der verſchloſſenſtẽ Menſchen Her-
tzen/ und die Botmaͤßigkeit uͤber ihren Willen
in ſeinen Haͤnden hat. Bey ſo geſtalten Sa-
chen ſchrieb Segeſthes an Tiberius: daß ihn
keine beſondere Gewogenheit zum Marbod;
ſondern theils ſeine Ohnmacht ihm Thußnel-
den aus den Haͤnden zu winden/ theils ſein Ab-
ſehen den Roͤmern auch mit Enteuſſerung ſei-
nes Kindes ein vortheilhafftiges Buͤndnuͤs zu
wege zu bringen/ ihm ſeine Tochter zu verlo-
ben gezwungen haͤtte. Es ſchiene aber der Him-
mel ſelbſt an dieſem Zwange keinen Gefallen
zu haben; weil er mit Donner und Blitz die
vermeintlich todte Thußnelde aus ihrem Ge-
faͤngnuͤße geriſſen/ und ſeinen Feind den Fuͤr-
ſten Herrmann zu einem Werckzeuge ſelbte ſei-
ner vaͤterlichen Gewalt einzulieffern gebraucht
haͤtte. Alſo waͤre er nunmehr nicht allein wil-
lig und maͤchtig dieſe zwey zu des Tiberius
Liebe und Rache auszuantworten; und in dem
Marckmaͤnniſchen Kriege ſich nicht als einen
Bundsgenoſſen/ ſondern als einen Roͤmiſchen

Buͤrger
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[1296[1298]/1362] Achtes Buch auch die vollkommenſten Spiegel fuͤr ſchlimm halten/ ſchuͤttete er wieder den Hertzog Herr- mann und Thußnelden allerhand hefftige Schelt-Worte aus; ja als Herrmann ſich ein wenig nur erholet/ ließ er Ketten bringen/ ſie beyde darmit belegen/ und auff einem Wagen wegfuͤhren; ſeinem Bruder meldende: Er moͤchte ihm ſeine Braut/ welche nichts minder/ als Thußnelde bey ihrer wolgemeinten Schei- dung etliche/ wiewol nicht gefaͤhrliche Wun- den bekommen hatte/ heim/ oder/ wohin es ihn beduͤnckte/ fuͤhren. Denn nach dem er ſich ſeines Feindes angemaſt haͤtte/ verlangte er ſei- ner Gemeinſchafft nicht mehr/ Segeſthes kam hierauff mit ſeinen Gefangenen nach Henne- berg/ allwo er dem Fuͤrſten Herrmann/ welcher ſeiner Meynung nach ihm allein an Erlan- gung der oberſten Feldherrſchafft im Wege ſtand/ allem Vermuthen nach das Licht ausge- leſcht haͤtte/ weil doch die Feindſchafft den Tod des Verhaßten fuͤr den Hafen ſeiner Sicher- heit/ und der Ehrgeitz die Einaͤſcherung ſeiner Neben-Sonne fuͤr ſeinen Leit-Stern haͤlt/ weñ er nicht ein Schreiben vom Tiberius daſelbſt gefunden haͤtte/ welcher zu Damaſia in Rhetien ſich auffhielt/ und an der Donau und Lech An- ſtalt zum Kriege wieder den Marbod machte. Darinnen beſchwerte er ſich uͤber den Sege- ſthes: daß er ſeine ihm verſprochene Tochter ei- nem Feinde der Roͤmer verlobet/ hierdurch nicht allein zu ihrem ſo grauſamen Tode und Kraͤnckung ſeines Gemuͤthes/ ſondern auch dem Kayſer zu groſſem Mißtrauen Urſach gegeben haͤtte. Dieſemnach ſolte er dieſe Scharte nun- mehr durch einen anſehnlichen Vorſchub an Vorrath und Huͤlffs-Voͤlckern auswetzen; und ſich derogeſtalt ſehen laſſen: daß der Kayſer ihn fuͤr einen Freund oder Feind zu unterſcheiden/ und wegen der deutſchen Feldherrſchafft auff ſein oder des Fuͤrſten Herrmanns Wageſchale das Gewichte zu legen wuͤſte. Dieſes Schrei- ben hatte bey Segeſthen einen ſolchen Nach- druck: daß er auff einmahl alle Hoffnungs- Ancker verlohr; welche er auff die Groͤſſe des Marbods gegruͤndet hatte. Jn dem der liſtige Tiberius Segeſthens Schwaͤche fuͤrlaͤngſt hat- te kennen lernen: daß es ihm nehmlich um die Wuͤrde der Feldherrſchafft zuthun waͤre; und kein unter das Eyß verſchloſſener Fiſch ſo ſehr nach der Lufft/ als er nach dieſem Winde ſchnappte. Denn in Wahrheit die Kunſt ſich eines fremden Willen zu bemaͤchtigen beruhet bloß allein an dem Erkaͤntnuͤße; mit was fuͤr einer Handhabe ein Menſch zu faſſen ſey; und daß man ihn an dem Seile zu ſich leite/ daran er ſelbſt gerne gehet. Sintemahl doch keine Sache ohne Hefft/ kein Menſch ohne eine be- ſondere Neigung iſt; in dem einer die Ehre/ der ander den Eigennutz/ der dritte die Wolluſt zu ſeinem Abgotte hat; ja zuweilen das niedrigſte Abſehen etlicher Leute erſter Bewegungs- Zirckel iſt/ und der/ welcher dieſen trifft/ den Schluͤſſel zu der verſchloſſenſtẽ Menſchen Her- tzen/ und die Botmaͤßigkeit uͤber ihren Willen in ſeinen Haͤnden hat. Bey ſo geſtalten Sa- chen ſchrieb Segeſthes an Tiberius: daß ihn keine beſondere Gewogenheit zum Marbod; ſondern theils ſeine Ohnmacht ihm Thußnel- den aus den Haͤnden zu winden/ theils ſein Ab- ſehen den Roͤmern auch mit Enteuſſerung ſei- nes Kindes ein vortheilhafftiges Buͤndnuͤs zu wege zu bringen/ ihm ſeine Tochter zu verlo- ben gezwungen haͤtte. Es ſchiene aber der Him- mel ſelbſt an dieſem Zwange keinen Gefallen zu haben; weil er mit Donner und Blitz die vermeintlich todte Thußnelde aus ihrem Ge- faͤngnuͤße geriſſen/ und ſeinen Feind den Fuͤr- ſten Herrmann zu einem Werckzeuge ſelbte ſei- ner vaͤterlichen Gewalt einzulieffern gebraucht haͤtte. Alſo waͤre er nunmehr nicht allein wil- lig und maͤchtig dieſe zwey zu des Tiberius Liebe und Rache auszuantworten; und in dem Marckmaͤnniſchen Kriege ſich nicht als einen Bundsgenoſſen/ ſondern als einen Roͤmiſchen Buͤrger

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 1296[1298]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1362>, abgerufen am 27.11.2024.