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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] Tiberius an dem Fluße Werre geschenckte/ oder
als ein ihm vielmehr durch Erbgangs-Recht zu-
gefallene Stücke Landes bey bevorstehendem
Römisch- und Marckmännischen Kriege in bes-
sere Verwahrung zu nehmen/ und bey dieser
Gelegenheit seinen Bruder Segimer begleite-
te. Es ist unschwer zu ermässen/ was diese Zu-
sammen kunfft beyden für Gemüthsänderung
gegeben; welche sich so viel mehr vermehrte; als
Segesthes sie beyde starr ansahe/ bald erblaste/
bald sich wieder färbte; endlich zum Segimer
anfieng: Mein Bruder/ wenn ich nicht vom
Könige Marbod eigenhändige Nachricht hät-
te: daß meine Tochter vom Blitz erschlagen
wäre; solte ich mir einbilden hier so unverhofft
mein Kind/ als du deine Braut zu finden. Thuß-
nelde dieses hörende/ drehte sich mit dem Pferde
um/ und gab dem Pferde die Sporne sich zu
flüchten. Segesthes wolte ihr folgen; Hertzog
Herrmann aber wiedersetzte sich ihm mit ge-
waffneter Hand; aber es waren in einem Au-
genblicke wol zwantzig Schwerdter über dem
Cheruskischen Hertzoge und seinen ihm beyste-
henden Rittern. Die Fürstin Rhamis dieses
sehende/ fieng erbärmlich an zu wehklagen/ und
den Hertzog Segimer zu beschweren: Er möch-
te diese tapffere Ritter/ welche sie für einer
Stunde aus den Händen der grausamsten
Räuber errettet hätten/ nicht so undanckbar auf-
opffern lassen. Segimer ritt also darzwischen/
und mahnete seinen Bruder von solcher Ge-
walt-That ab. Segesthes aber antwortete:
Kennestu nicht den Räuber meiner Tochter
Herrmann? Dieser versetzte: O du undanckba-
rer Guckuck; ist das der Lohn: daß ich dir
zweymahl das Leben errettet/ und deine tugend-
haffte Tochter noch für wenig Tagen aus dem
Rachen des Todes gerissen habe? Dessen unge-
achtet; fuhr Segesthes nicht nur selbst in seiner
Gewalt-That fort; sondern befahl auch seinem
gantzen Hauffen sich des Cheruskischen Her-
tzogs als seines Tod-Feindes zu bemächtigen.
[Spaltenumbruch] Segimer ward hierüber nicht wenig erbittert;
und setzte sich dem Segesthes selbst entgegen/
also: daß beyde Hauffen mit darüber in ein blu-
tiges Gefechte geriethen; und sich allerseits son-
der eigentliche Erkiesung: wer Feind oder
Freund wäre/ einander erwürgten. Massen
denn/ ungeachtet die Fürstin Rhamis/ wie auch
die zurückkommende Thußnelde/ und zwar um
so viel mehr von denen Chaßuariern erkennt zu
werden/ mit entblösten Brüsten sich zwischen
die Streitenden einmischten/ und nach dem
Beyspiel der Sabinischen Frauen beyder Zorn
und Blutstürtzung zu unterbrechen bemühten;
nahm doch ihre Verbitterung keine Kühlung
an; weil Segesthes die Seinigen auf den Her-
tzog Herrmann bedreulich anfrischte/ Segimer
aber den Erlöser seiner Braut Hülff-loß zu las-
sen für die schimpflichste Kleinmüthigkeit hielt.
Also fochten Hertzog Herrmann und Segimer
zwar als zwey Löwen; aber nach dem der letzte
in den rechten Arm verwundet ward: daß er
den Degen nicht mehr brauchen konte/ dem er-
sten sein Pferd getödtet/ ihm auch wol sieben
Wunden angebracht wurden/ über diß Sege-
sthens Hauffen wol dreymahl des Segimers ü-
berlegen war/ wurden die drey Cheruskischen/
und nicht wenig Dulgibinische Ritter erlegt/ die
wenigen übrigen in die Flucht bracht; und Her-
tzog Herrmann blieb ohnmächtig auf dem Pla-
tze liegen. Worüber Thußnelde sich über ihn
streckende ein so klägliches Geschrey anfieng:
daß es alle Menschen/ ausser den Segesthes; ja
einen Stein zum Erbarmnüs hätte bewegen
mögen. Ob nun wol Segimer und Rhamis
dem Segesthes mit harten Worten seiner ver-
übten Grausamkeit halber zusetzten/ Thußnel-
de auch ihrem Vater das Gewissen rührte und
einhielt: Wie Hertzog Herrmann sie aus der
Elbe und dem Tode errettet hätte; ließ er sich
doch das minste bewegen; sondern/ weil die un-
vernünftigen Gemüths-Regungen ihre eigene
Blindheit für fremde Flecken/ und Schielenden

auch

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] Tiberius an dem Fluße Werre geſchenckte/ oder
als ein ihm vielmehr durch Erbgangs-Recht zu-
gefallene Stuͤcke Landes bey bevorſtehendem
Roͤmiſch- und Marckmaͤnniſchen Kriege in beſ-
ſere Verwahrung zu nehmen/ und bey dieſer
Gelegenheit ſeinen Bruder Segimer begleite-
te. Es iſt unſchwer zu ermaͤſſen/ was dieſe Zu-
ſammen kunfft beyden fuͤr Gemuͤthsaͤnderung
gegeben; welche ſich ſo viel mehr vermehrte; als
Segeſthes ſie beyde ſtarr anſahe/ bald erblaſte/
bald ſich wieder faͤrbte; endlich zum Segimer
anfieng: Mein Bruder/ wenn ich nicht vom
Koͤnige Marbod eigenhaͤndige Nachricht haͤt-
te: daß meine Tochter vom Blitz erſchlagen
waͤre; ſolte ich mir einbilden hier ſo unverhofft
mein Kind/ als du deine Braut zu finden. Thuß-
nelde dieſes hoͤrende/ drehte ſich mit dem Pferde
um/ und gab dem Pferde die Sporne ſich zu
fluͤchten. Segeſthes wolte ihr folgen; Hertzog
Herrmann aber wiederſetzte ſich ihm mit ge-
waffneter Hand; aber es waren in einem Au-
genblicke wol zwantzig Schwerdter uͤber dem
Cheruskiſchen Hertzoge und ſeinen ihm beyſte-
henden Rittern. Die Fuͤrſtin Rhamis dieſes
ſehende/ fieng erbaͤrmlich an zu wehklagen/ und
den Hertzog Segimer zu beſchweren: Er moͤch-
te dieſe tapffere Ritter/ welche ſie fuͤr einer
Stunde aus den Haͤnden der grauſamſten
Raͤubeꝛ errettet haͤtten/ nicht ſo undanckbar auf-
opffern laſſen. Segimer ritt alſo darzwiſchen/
und mahnete ſeinen Bruder von ſolcher Ge-
walt-That ab. Segeſthes aber antwortete:
Kenneſtu nicht den Raͤuber meiner Tochter
Herrmann? Dieſer verſetzte: O du undanckba-
rer Guckuck; iſt das der Lohn: daß ich dir
zweymahl das Leben errettet/ und deine tugend-
haffte Tochter noch fuͤr wenig Tagen aus dem
Rachen des Todes geriſſen habe? Deſſen unge-
achtet; fuhr Segeſthes nicht nur ſelbſt in ſeiner
Gewalt-That fort; ſondern befahl auch ſeinem
gantzen Hauffen ſich des Cheruskiſchen Her-
tzogs als ſeines Tod-Feindes zu bemaͤchtigen.
[Spaltenumbruch] Segimer ward hieruͤber nicht wenig erbittert;
und ſetzte ſich dem Segeſthes ſelbſt entgegen/
alſo: daß beyde Hauffen mit daruͤber in ein blu-
tiges Gefechte geriethen; und ſich allerſeits ſon-
der eigentliche Erkieſung: wer Feind oder
Freund waͤre/ einander erwuͤrgten. Maſſen
denn/ ungeachtet die Fuͤrſtin Rhamis/ wie auch
die zuruͤckkommende Thußnelde/ und zwar um
ſo viel mehr von denen Chaßuariern erkennt zu
werden/ mit entbloͤſten Bruͤſten ſich zwiſchen
die Streitenden einmiſchten/ und nach dem
Beyſpiel der Sabiniſchen Frauen beyder Zorn
und Blutſtuͤrtzung zu unterbrechen bemuͤhten;
nahm doch ihre Verbitterung keine Kuͤhlung
an; weil Segeſthes die Seinigen auf den Her-
tzog Herrmann bedreulich anfriſchte/ Segimer
aber den Erloͤſer ſeiner Braut Huͤlff-loß zu laſ-
ſen fuͤr die ſchimpflichſte Kleinmuͤthigkeit hielt.
Alſo fochten Hertzog Herrmann und Segimer
zwar als zwey Loͤwen; aber nach dem der letzte
in den rechten Arm verwundet ward: daß er
den Degen nicht mehr brauchen konte/ dem er-
ſten ſein Pferd getoͤdtet/ ihm auch wol ſieben
Wunden angebracht wurden/ uͤber diß Sege-
ſthens Hauffen wol dreymahl des Segimers uͤ-
berlegen war/ wurden die drey Cheruskiſchen/
und nicht wenig Dulgibiniſche Ritter erlegt/ die
wenigen uͤbrigen in die Flucht bracht; und Her-
tzog Herrmann blieb ohnmaͤchtig auf dem Pla-
tze liegen. Woruͤber Thußnelde ſich uͤber ihn
ſtreckende ein ſo klaͤgliches Geſchrey anfieng:
daß es alle Menſchen/ auſſer den Segeſthes; ja
einen Stein zum Erbarmnuͤs haͤtte bewegen
moͤgen. Ob nun wol Segimer und Rhamis
dem Segeſthes mit harten Worten ſeiner ver-
uͤbten Grauſamkeit halber zuſetzten/ Thußnel-
de auch ihrem Vater das Gewiſſen ruͤhrte und
einhielt: Wie Hertzog Herrmann ſie aus der
Elbe und dem Tode errettet haͤtte; ließ er ſich
doch das minſte bewegen; ſondern/ weil die un-
vernuͤnftigen Gemuͤths-Regungen ihre eigene
Blindheit fuͤr fremde Flecken/ und Schielenden

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 1295[1297]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1361>, abgerufen am 06.05.2024.