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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Achtes Buch
[Spaltenumbruch] Leute zu seyn; oder: daß das Verhängnüs nicht
solche Wunderdeutungen in eine mehr leßbare
Schreib-Art den Menschen zum besten ver-
wandeln könte/ bedüncken lassen. Allzu genaue
Scharffsichtigkeit in überirrdischen Dingen
würde zur Blindheit/ und Unglaube zum Fall-
Brete. Denn weil das Verhängnüs allezeit
seine verborgene/ das Glücke seine absondere
Ursache hätte/ müste man sich nicht zu sehr auff
das Absehen der Vernunfft/ und die Klugheit
scheinbarer Rathschläge stämmen. Das Ver-
hängnüs wäre die weiseste Richtschnur; und
das Glücke die vorsichtigste Wegweiserin un-
sers Thuns; die wo man weder vor/ noch hinter
sich gewüst/ durch Felß und Wellen eine Aus-
flucht eröffnete. Dahingegen unsere Anschläge
querwegs lieffen/ und die gewissesten Dinge
krebs gängig würden; weil jene die Vermessen-
heit menschlicher Rathschläge auffs grausamste
zu straffen ihr für Ehre/ und das Verhängnüs
der wachsamsten Sorgfalt überlegen zu seyn für
ihre Eigenschafft hielte. Diese Strengigkeit
solte Thußnelde/ da sie ihr Glück und die vä-
terliche Gewogenheit nicht mit Füssen von sich
stossen wolte/ wol erwegen; und an dem Könige
Marbod behertzigen: daß in der Welt niemand
so elende wäre/ der nicht am Himmel seinen
Glücks-Stern stehen hätte; am Herrmann a-
ber: daß die Thorheit selbten offt verkennte; oder
die Hartnäckigkeit mehr mahls das regnende
Sieben-Gestirne mit der heiteren Venus ver-
wechselte; oder gar einen Jrrwisch für einen
Leit-Stern erkiesete. Weil nun einen blinden
auff seinem Jrrwege zu lassen eben so unverant-
wortlich als eigene Thorheit wäre; müste er/ als
Vater/ end- und ernstlich befehlen ihr Ge-
müthe zum Gehorsam; und ihr Vorhaben zu
der nur wenig Tage auffschieblichen Hochzeit
zubereiten. Die biß in die innerste Seele be-
stürtzte und halb-verzweiffelte Thußnelde ant-
wortete Segesthen nun nicht mehr mit vo-
riger Demuth; weil das Gewölcke ihrer Be-
[Spaltenumbruch] stürtzung das Licht ihrer Vernunfft mercklich
vertunckelte: Jch bin schon bereitet zu sterben;
meine Lebens-Zeit aber ist mir viel zu enge: daß
ich mich einen Königs-Mörder zu ehlichen ge-
schickt machen könte. Jch wil sterben; ehe ich
eine Eydbrüchige gegen den tugendhafftesten
Hertzog der Cherusker; und eine Magd eines
Wütterichs seyn wil. Jch wil sterben/ und mit
meinen von aller andern Schuld reinen Hän-
den nur wieder mich Grausamkeit üben lassen/
wormit ich sie zu keinem Werckzeuge der Un-
treue brauchen dörffe. Seiner Freyheit sich
enteussern ist viehisch; sie ihm aber nehmen las-
sen/ knechtisch. Wer sich des Lebens halber
zum Sclaven machen läst; versteht nicht: daß
die Dienstbarkeit ein todtes Wimmern/ kein Le-
ben sey. Wer nicht für Ruhm schätzt sein Leben
zu verschwenden um die Tugend nicht ein zubüs-
sen; hat weder Ehre noch Leben in sich. Daher
werde ich ehe auf hören Segesthens Tochter/ als
Hertzog Herrmanns Braut und Liebste zu seyn.
Mich ver gnüget schon: daß es rühmlicher ist
eines solchen Heldens Gemahlin zu werden
würdig/ als es würcklich seyn; ja/ daß es besser
ist durch den Tod seine Braut zu seyn aufhören;
als durch Ehlichung eines andern sich unwür-
dig machen im Leben seine Braut zu seyn. Se-
gesthes ward über diesen letzten Worten so erbit-
tert: daß er den Degen zückte/ und Thußneldens
Vater zu seyn ver gessen hätte; wenn nicht die
aus dem Neben-Gemache hervortretende Für-
stin Erdmuth ihm in die Armen gefallen/ und
durch ihre Leitseligkeit diese trübe Wolcke zer-
trieben hätte. Gleich wol rieß er sich voller Zorn
aus dem Zimmer; und erwartete mit Ungedult
Marbods in dem Seinigen; welcher endlich
kam und erzehlte: daß Silius an des Kaysers
Genehmhabung der zwischen ihm und Thuß-
nelden angezielten Eh nicht zweiffelte; weil er
bald anfangs des Tiberius Heyraths-Werbung
zu wieder gewest wäre; und die Staats-Klug-
heit für rathsamer hielte mit seinem Unvergnü-

gen

Achtes Buch
[Spaltenumbruch] Leute zu ſeyn; oder: daß das Verhaͤngnuͤs nicht
ſolche Wunderdeutungen in eine mehr leßbare
Schreib-Art den Menſchen zum beſten ver-
wandeln koͤnte/ beduͤncken laſſen. Allzu genaue
Scharffſichtigkeit in uͤberirrdiſchen Dingen
wuͤrde zur Blindheit/ und Unglaube zum Fall-
Brete. Denn weil das Verhaͤngnuͤs allezeit
ſeine verborgene/ das Gluͤcke ſeine abſondere
Urſache haͤtte/ muͤſte man ſich nicht zu ſehr auff
das Abſehen der Vernunfft/ und die Klugheit
ſcheinbarer Rathſchlaͤge ſtaͤmmen. Das Ver-
haͤngnuͤs waͤre die weiſeſte Richtſchnur; und
das Gluͤcke die vorſichtigſte Wegweiſerin un-
ſers Thuns; die wo man weder vor/ noch hinter
ſich gewuͤſt/ durch Felß und Wellen eine Aus-
flucht eroͤffnete. Dahingegen unſere Anſchlaͤge
querwegs lieffen/ und die gewiſſeſten Dinge
krebs gaͤngig wuͤrden; weil jene die Vermeſſen-
heit menſchlicher Rathſchlaͤge auffs grauſamſte
zu ſtraffen ihr fuͤr Ehre/ und das Verhaͤngnuͤs
der wachſamſten Sorgfalt uͤberlegen zu ſeyn fuͤr
ihre Eigenſchafft hielte. Dieſe Strengigkeit
ſolte Thußnelde/ da ſie ihr Gluͤck und die vaͤ-
terliche Gewogenheit nicht mit Fuͤſſen von ſich
ſtoſſen wolte/ wol erwegen; und an dem Koͤnige
Marbod behertzigen: daß in der Welt niemand
ſo elende waͤre/ der nicht am Himmel ſeinen
Gluͤcks-Stern ſtehen haͤtte; am Herrmann a-
ber: daß die Thorheit ſelbten offt verkennte; oder
die Hartnaͤckigkeit mehr mahls das regnende
Sieben-Geſtirne mit der heiteren Venus ver-
wechſelte; oder gar einen Jrrwiſch fuͤr einen
Leit-Stern erkieſete. Weil nun einen blinden
auff ſeinem Jrrwege zu laſſen eben ſo unverant-
wortlich als eigene Thorheit waͤre; muͤſte er/ als
Vater/ end- und ernſtlich befehlen ihr Ge-
muͤthe zum Gehorſam; und ihr Vorhaben zu
der nur wenig Tage auffſchieblichen Hochzeit
zubereiten. Die biß in die innerſte Seele be-
ſtuͤrtzte und halb-verzweiffelte Thußnelde ant-
wortete Segeſthen nun nicht mehr mit vo-
riger Demuth; weil das Gewoͤlcke ihrer Be-
[Spaltenumbruch] ſtuͤrtzung das Licht ihrer Vernunfft mercklich
vertunckelte: Jch bin ſchon bereitet zu ſterben;
meine Lebens-Zeit aber iſt mir viel zu enge: daß
ich mich einen Koͤnigs-Moͤrder zu ehlichen ge-
ſchickt machen koͤnte. Jch wil ſterben; ehe ich
eine Eydbruͤchige gegen den tugendhaffteſten
Hertzog der Cherusker; und eine Magd eines
Wuͤtterichs ſeyn wil. Jch wil ſterben/ und mit
meinen von aller andern Schuld reinen Haͤn-
den nur wieder mich Grauſamkeit uͤben laſſen/
wormit ich ſie zu keinem Werckzeuge der Un-
treue brauchen doͤrffe. Seiner Freyheit ſich
enteuſſern iſt viehiſch; ſie ihm aber nehmen laſ-
ſen/ knechtiſch. Wer ſich des Lebens halber
zum Sclaven machen laͤſt; verſteht nicht: daß
die Dienſtbarkeit ein todtes Wimmern/ kein Le-
ben ſey. Wer nicht fuͤr Ruhm ſchaͤtzt ſein Leben
zu verſchwenden um die Tugend nicht ein zubuͤſ-
ſen; hat weder Ehre noch Leben in ſich. Daher
werde ich ehe auf hoͤren Segeſthens Tochter/ als
Hertzog Herrmanns Braut und Liebſte zu ſeyn.
Mich ver gnuͤget ſchon: daß es ruͤhmlicher iſt
eines ſolchen Heldens Gemahlin zu werden
wuͤrdig/ als es wuͤrcklich ſeyn; ja/ daß es beſſer
iſt durch den Tod ſeine Braut zu ſeyn aufhoͤren;
als durch Ehlichung eines andern ſich unwuͤr-
dig machen im Leben ſeine Braut zu ſeyn. Se-
geſthes ward uͤber dieſen letzten Worten ſo erbit-
tert: daß er den Degen zuͤckte/ und Thußneldens
Vater zu ſeyn ver geſſen haͤtte; wenn nicht die
aus dem Neben-Gemache hervortretende Fuͤr-
ſtin Erdmuth ihm in die Armen gefallen/ und
durch ihre Leitſeligkeit dieſe truͤbe Wolcke zer-
trieben haͤtte. Gleich wol rieß er ſich voller Zorn
aus dem Zimmer; und erwartete mit Ungedult
Marbods in dem Seinigen; welcher endlich
kam und erzehlte: daß Silius an des Kayſers
Genehmhabung der zwiſchen ihm und Thuß-
nelden angezielten Eh nicht zweiffelte; weil er
bald anfangs des Tiberius Heyraths-Weꝛbung
zu wieder geweſt waͤre; und die Staats-Klug-
heit fuͤr rathſamer hielte mit ſeinem Unvergnuͤ-

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 1286[1288]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1352>, abgerufen am 23.11.2024.