Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

Bild:
<< vorherige Seite

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] gen ein vortheilhafftig Bindnüs erlangen; als
mit seiner Ergetzligkeit ihm einen mächtigen
Feind erwecken. Heyrathen wären Vermäh-
lungen der Bürger/ Bündnüße aber der Für-
sten. Stertinius hingegen/ als ein Schoß-
Kind des Tiberius/ hätte hierüber viel Schwe-
rigkeiten erreget/ und dieses Werck sehr weit
geworffen. Nichts desto weniger hätte er ihm
rund ausgesaget: daß/ weil Thußnelde dem Ti-
berius niemahls ihr Wort gegeben/ hätte er kein
Recht/ weniger aber ein solches zu ihr/ wie der
Vater und das Verhäng nüs; ja seine eigene
Königliche Macht und der würckliche Besitz
Thußneldens ihm zueignete. Also müste er
geschehen lassen/ was Tiberius für Empfind-
ligkeit zu Rom hierüber schöpffen möchte; wie
hingegen dieser ihm nicht wehren könte; was
er in seinem Gebiete für gut befindete. Jedoch
wolte er nicht gerne mit den Römern zerfallen;
weil doch die Freundschafft zwischen denselben
am beständigsten wäre/ die ihre Kräfften noch
nie gegen einander versucht hätten. Segesthes
hingegen erschreckte den Marbod überaus; als
er ihm Thußneldens beharrliche Wiedersetzlig-
keit/ und den Vorsatz ehe zu sterben/ als den
Hertzog Herrmann zu lassen eröffnete; und zu-
gleich einrieth selbter durch enge Bestrickung
sich so viel mehr zu versichern/ und durch Schär-
fe andere Gedancken in Kopff zu bringen.
Sintemahl doch der Zwang das beste Versiche-
rungs-Mittel wäre; und ein zweiffelhaffter
Zweck ehe durch eusserste Entschlüssung/ als
mitlere Rathschläge erreichet würde. König
Marbod aber/ welcher behertzigte: daß all zu
grosse Schärffe nur eine Gebährerin der Ver-
zweiffelung/ und eine Stieff-Mutter der Liebe
fey/ wolte sich so bald hierzu nicht entschlüssen/
sondern setzte Segesthens Meynung entgegen:
daß ihre Wiedersetzligkeit zwar dem Hertzog
Herrmann und seinen Verleitungen/ Thuß-
nelden aber selbst eben so wenig beyzumässen
sey/ als der Salbey die Tödligkeit/ welcher heil-
[Spaltenumbruch] same Blätter die Kröte vergifftet hat. Und weil
der Eigenschafft der Liebe nichts mehr/ als die
Würckungen des Hasses/ nehmlich Gewalt
und Grausamkeit zu wieder; die unzerbrechli-
chen Felsen/ welche Hammer und Feuer nicht
nachgeben/ vom linden Regen ausgewaschen/
und durch ein hanfenes Seil abgenützt werden;
traute er ihm durch gelinde Mittel mehr/ als
durch Hefftigkeit auszurichten. Denn das
weibliche Geschlechte wäre nicht nur so schön;
son dern entzündete auch das männliche wie das
Feuer; ja es vermöchte Länder und Städte ein-
zuäschern; Daher müste man auch mit selbtem
so behutsam/ als mit der Flamme umgehen. Es
hätte nichts minder Rauch als Licht; dieses
leuchtete denen Behutsamen/ jener aber schlüge
denen Unvorsichtigen in die Augen/ und preste
ihnen Thränen aus. Jenen wäre Glut und
Liebe eine lebhaffte Wärmde/ diesen eine töd-
tende Einäscherung. Massen denn auch Kö-
nig Marbod die Anstalt machte: daß folgen-
den Tag fünff und zwantzig Ritter im Namen
der Marckmänner und anderer zwischen der
Elbe und Weichsel ihm gehorchender Völcker
Thußnelden eine Königliche Krone und vier
und zwantzig Fürsten-Hüte zu ihren Füssen
legten/ sie anflehende: daß sie ihre Frau und
Beherrscher in zu wer den solche nicht verschmä-
hen möchte. Thußnelde hörte diese Gesand-
schafft zwar mit bestürtztem Gemüthe/ und sahe
diese Geschencke mit einem verächtlichen Auge
an; beantwortete sie aber mit einem freundli-
chen Munde: Sie wäre nicht aus der Lehre
derselben gramhafften Weltweisen; welche
Kron und Zepter als ein verdammliches Ding
von sich stiessen/ und in einem geflickten Bett-
lers-Mantel oder Wein-Fasse ihre Ehrsüch-
tige Demuth versteckten; sondern sie schätzte die
Ehre so vielen Völckern fürzustehen für eine
danck würdige Gabe des Verhängnüßes/ ja für
eine halbe Vergötterung; weil Fürsten gleich-
sam ein Mittel-Ding zwischen GOtt und den

Menschen

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] gen ein vortheilhafftig Bindnuͤs erlangen; als
mit ſeiner Ergetzligkeit ihm einen maͤchtigen
Feind erwecken. Heyrathen waͤren Vermaͤh-
lungen der Buͤrger/ Buͤndnuͤße aber der Fuͤr-
ſten. Stertinius hingegen/ als ein Schoß-
Kind des Tiberius/ haͤtte hieruͤber viel Schwe-
rigkeiten erreget/ und dieſes Werck ſehr weit
geworffen. Nichts deſto weniger haͤtte er ihm
rund ausgeſaget: daß/ weil Thußnelde dem Ti-
berius niemahls ihr Wort gegeben/ haͤtte er kein
Recht/ weniger aber ein ſolches zu ihr/ wie der
Vater und das Verhaͤng nuͤs; ja ſeine eigene
Koͤnigliche Macht und der wuͤrckliche Beſitz
Thußneldens ihm zueignete. Alſo muͤſte er
geſchehen laſſen/ was Tiberius fuͤr Empfind-
ligkeit zu Rom hieruͤber ſchoͤpffen moͤchte; wie
hingegen dieſer ihm nicht wehren koͤnte; was
er in ſeinem Gebiete fuͤr gut befindete. Jedoch
wolte er nicht gerne mit den Roͤmern zerfallen;
weil doch die Freundſchafft zwiſchen denſelben
am beſtaͤndigſten waͤre/ die ihre Kraͤfften noch
nie gegen einander verſucht haͤtten. Segeſthes
hingegen erſchreckte den Marbod uͤberaus; als
er ihm Thußneldens beharrliche Wiederſetzlig-
keit/ und den Vorſatz ehe zu ſterben/ als den
Hertzog Herrmann zu laſſen eroͤffnete; und zu-
gleich einrieth ſelbter durch enge Beſtrickung
ſich ſo viel mehr zu verſichern/ und durch Schaͤr-
fe andere Gedancken in Kopff zu bringen.
Sintemahl doch der Zwang das beſte Verſiche-
rungs-Mittel waͤre; und ein zweiffelhaffter
Zweck ehe durch euſſerſte Entſchluͤſſung/ als
mitlere Rathſchlaͤge erreichet wuͤrde. Koͤnig
Marbod aber/ welcher behertzigte: daß all zu
groſſe Schaͤrffe nur eine Gebaͤhrerin der Ver-
zweiffelung/ und eine Stieff-Mutter der Liebe
fey/ wolte ſich ſo bald hierzu nicht entſchluͤſſen/
ſondern ſetzte Segeſthens Meynung entgegen:
daß ihre Wiederſetzligkeit zwar dem Hertzog
Herrmann und ſeinen Verleitungen/ Thuß-
nelden aber ſelbſt eben ſo wenig beyzumaͤſſen
ſey/ als der Salbey die Toͤdligkeit/ welcher heil-
[Spaltenumbruch] ſame Blaͤtter die Kroͤte vergifftet hat. Und weil
der Eigenſchafft der Liebe nichts mehr/ als die
Wuͤrckungen des Haſſes/ nehmlich Gewalt
und Grauſamkeit zu wieder; die unzerbrechli-
chen Felſen/ welche Hammer und Feuer nicht
nachgeben/ vom linden Regen ausgewaſchen/
und durch ein hanfenes Seil abgenuͤtzt werden;
traute er ihm durch gelinde Mittel mehr/ als
durch Hefftigkeit auszurichten. Denn das
weibliche Geſchlechte waͤre nicht nur ſo ſchoͤn;
ſon dern entzuͤndete auch das maͤnnliche wie das
Feuer; ja es vermoͤchte Laͤnder und Staͤdte ein-
zuaͤſchern; Daher muͤſte man auch mit ſelbtem
ſo behutſam/ als mit der Flamme umgehen. Es
haͤtte nichts minder Rauch als Licht; dieſes
leuchtete denen Behutſamen/ jener aber ſchluͤge
denen Unvorſichtigen in die Augen/ und preſte
ihnen Thraͤnen aus. Jenen waͤre Glut und
Liebe eine lebhaffte Waͤrmde/ dieſen eine toͤd-
tende Einaͤſcherung. Maſſen denn auch Koͤ-
nig Marbod die Anſtalt machte: daß folgen-
den Tag fuͤnff und zwantzig Ritter im Namen
der Marckmaͤnner und anderer zwiſchen der
Elbe und Weichſel ihm gehorchender Voͤlcker
Thußnelden eine Koͤnigliche Krone und vier
und zwantzig Fuͤrſten-Huͤte zu ihren Fuͤſſen
legten/ ſie anflehende: daß ſie ihre Frau und
Beherrſcher in zu weꝛ den ſolche nicht verſchmaͤ-
hen moͤchte. Thußnelde hoͤrte dieſe Geſand-
ſchafft zwar mit beſtuͤrtztem Gemuͤthe/ und ſahe
dieſe Geſchencke mit einem veraͤchtlichen Auge
an; beantwortete ſie aber mit einem freundli-
chen Munde: Sie waͤre nicht aus der Lehre
derſelben gramhafften Weltweiſen; welche
Kron und Zepter als ein verdammliches Ding
von ſich ſtieſſen/ und in einem geflickten Bett-
lers-Mantel oder Wein-Faſſe ihre Ehrſuͤch-
tige Demuth verſteckten; ſondern ſie ſchaͤtzte die
Ehre ſo vielen Voͤlckern fuͤrzuſtehen fuͤr eine
danck wuͤrdige Gabe des Verhaͤngnuͤßes/ ja fuͤr
eine halbe Vergoͤtterung; weil Fuͤrſten gleich-
ſam ein Mittel-Ding zwiſchen GOtt und den

Menſchen
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f1353" n="1287[1289]"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Arminius und Thußnelda.</hi></fw><lb/><cb/>
gen ein vortheilhafftig Bindnu&#x0364;s erlangen; als<lb/>
mit &#x017F;einer Ergetzligkeit ihm einen ma&#x0364;chtigen<lb/>
Feind erwecken. Heyrathen wa&#x0364;ren Verma&#x0364;h-<lb/>
lungen der Bu&#x0364;rger/ Bu&#x0364;ndnu&#x0364;ße aber der Fu&#x0364;r-<lb/>
&#x017F;ten. Stertinius hingegen/ als ein Schoß-<lb/>
Kind des Tiberius/ ha&#x0364;tte hieru&#x0364;ber viel Schwe-<lb/>
rigkeiten erreget/ und die&#x017F;es Werck &#x017F;ehr weit<lb/>
geworffen. Nichts de&#x017F;to weniger ha&#x0364;tte er ihm<lb/>
rund ausge&#x017F;aget: daß/ weil Thußnelde dem Ti-<lb/>
berius niemahls ihr Wort gegeben/ ha&#x0364;tte er kein<lb/>
Recht/ weniger aber ein &#x017F;olches zu ihr/ wie der<lb/>
Vater und das Verha&#x0364;ng nu&#x0364;s; ja &#x017F;eine eigene<lb/>
Ko&#x0364;nigliche Macht und der wu&#x0364;rckliche Be&#x017F;itz<lb/>
Thußneldens ihm zueignete. Al&#x017F;o mu&#x0364;&#x017F;te er<lb/>
ge&#x017F;chehen la&#x017F;&#x017F;en/ was Tiberius fu&#x0364;r Empfind-<lb/>
ligkeit zu Rom hieru&#x0364;ber &#x017F;cho&#x0364;pffen mo&#x0364;chte; wie<lb/>
hingegen die&#x017F;er ihm nicht wehren ko&#x0364;nte; was<lb/>
er in &#x017F;einem Gebiete fu&#x0364;r gut befindete. Jedoch<lb/>
wolte er nicht gerne mit den Ro&#x0364;mern zerfallen;<lb/>
weil doch die Freund&#x017F;chafft zwi&#x017F;chen den&#x017F;elben<lb/>
am be&#x017F;ta&#x0364;ndig&#x017F;ten wa&#x0364;re/ die ihre Kra&#x0364;fften noch<lb/>
nie gegen einander ver&#x017F;ucht ha&#x0364;tten. Sege&#x017F;thes<lb/>
hingegen er&#x017F;chreckte den Marbod u&#x0364;beraus; als<lb/>
er ihm Thußneldens beharrliche Wieder&#x017F;etzlig-<lb/>
keit/ und den Vor&#x017F;atz ehe zu &#x017F;terben/ als den<lb/>
Hertzog Herrmann zu la&#x017F;&#x017F;en ero&#x0364;ffnete; und zu-<lb/>
gleich einrieth &#x017F;elbter durch enge Be&#x017F;trickung<lb/>
&#x017F;ich &#x017F;o viel mehr zu ver&#x017F;ichern/ und durch Scha&#x0364;r-<lb/>
fe andere Gedancken in Kopff zu bringen.<lb/>
Sintemahl doch der Zwang das be&#x017F;te Ver&#x017F;iche-<lb/>
rungs-Mittel wa&#x0364;re; und ein zweiffelhaffter<lb/>
Zweck ehe durch eu&#x017F;&#x017F;er&#x017F;te Ent&#x017F;chlu&#x0364;&#x017F;&#x017F;ung/ als<lb/>
mitlere Rath&#x017F;chla&#x0364;ge erreichet wu&#x0364;rde. Ko&#x0364;nig<lb/>
Marbod aber/ welcher behertzigte: daß all zu<lb/>
gro&#x017F;&#x017F;e Scha&#x0364;rffe nur eine Geba&#x0364;hrerin der Ver-<lb/>
zweiffelung/ und eine Stieff-Mutter der Liebe<lb/>
fey/ wolte &#x017F;ich &#x017F;o bald hierzu nicht ent&#x017F;chlu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en/<lb/>
&#x017F;ondern &#x017F;etzte Sege&#x017F;thens Meynung entgegen:<lb/>
daß ihre Wieder&#x017F;etzligkeit zwar dem Hertzog<lb/>
Herrmann und &#x017F;einen Verleitungen/ Thuß-<lb/>
nelden aber &#x017F;elb&#x017F;t eben &#x017F;o wenig beyzuma&#x0364;&#x017F;&#x017F;en<lb/>
&#x017F;ey/ als der Salbey die To&#x0364;dligkeit/ welcher heil-<lb/><cb/>
&#x017F;ame Bla&#x0364;tter die Kro&#x0364;te vergifftet hat. Und weil<lb/>
der Eigen&#x017F;chafft der Liebe nichts mehr/ als die<lb/>
Wu&#x0364;rckungen des Ha&#x017F;&#x017F;es/ nehmlich Gewalt<lb/>
und Grau&#x017F;amkeit zu wieder; die unzerbrechli-<lb/>
chen Fel&#x017F;en/ welche Hammer und Feuer nicht<lb/>
nachgeben/ vom linden Regen ausgewa&#x017F;chen/<lb/>
und durch ein hanfenes Seil abgenu&#x0364;tzt werden;<lb/>
traute er ihm durch gelinde Mittel mehr/ als<lb/>
durch Hefftigkeit auszurichten. Denn das<lb/>
weibliche Ge&#x017F;chlechte wa&#x0364;re nicht nur &#x017F;o &#x017F;cho&#x0364;n;<lb/>
&#x017F;on dern entzu&#x0364;ndete auch das ma&#x0364;nnliche wie das<lb/>
Feuer; ja es vermo&#x0364;chte La&#x0364;nder und Sta&#x0364;dte ein-<lb/>
zua&#x0364;&#x017F;chern; Daher mu&#x0364;&#x017F;te man auch mit &#x017F;elbtem<lb/>
&#x017F;o behut&#x017F;am/ als mit der Flamme umgehen. Es<lb/>
ha&#x0364;tte nichts minder Rauch als Licht; die&#x017F;es<lb/>
leuchtete denen Behut&#x017F;amen/ jener aber &#x017F;chlu&#x0364;ge<lb/>
denen Unvor&#x017F;ichtigen in die Augen/ und pre&#x017F;te<lb/>
ihnen Thra&#x0364;nen aus. Jenen wa&#x0364;re Glut und<lb/>
Liebe eine lebhaffte Wa&#x0364;rmde/ die&#x017F;en eine to&#x0364;d-<lb/>
tende Eina&#x0364;&#x017F;cherung. Ma&#x017F;&#x017F;en denn auch Ko&#x0364;-<lb/>
nig Marbod die An&#x017F;talt machte: daß folgen-<lb/>
den Tag fu&#x0364;nff und zwantzig Ritter im Namen<lb/>
der Marckma&#x0364;nner und anderer zwi&#x017F;chen der<lb/>
Elbe und Weich&#x017F;el ihm gehorchender Vo&#x0364;lcker<lb/>
Thußnelden eine Ko&#x0364;nigliche Krone und vier<lb/>
und zwantzig Fu&#x0364;r&#x017F;ten-Hu&#x0364;te zu ihren Fu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en<lb/>
legten/ &#x017F;ie anflehende: daß &#x017F;ie ihre Frau und<lb/>
Beherr&#x017F;cher in zu we&#xA75B; den &#x017F;olche nicht ver&#x017F;chma&#x0364;-<lb/>
hen mo&#x0364;chte. Thußnelde ho&#x0364;rte die&#x017F;e Ge&#x017F;and-<lb/>
&#x017F;chafft zwar mit be&#x017F;tu&#x0364;rtztem Gemu&#x0364;the/ und &#x017F;ahe<lb/>
die&#x017F;e Ge&#x017F;chencke mit einem vera&#x0364;chtlichen Auge<lb/>
an; beantwortete &#x017F;ie aber mit einem freundli-<lb/>
chen Munde: Sie wa&#x0364;re nicht aus der Lehre<lb/>
der&#x017F;elben gramhafften Weltwei&#x017F;en; welche<lb/>
Kron und Zepter als ein verdammliches Ding<lb/>
von &#x017F;ich &#x017F;tie&#x017F;&#x017F;en/ und in einem geflickten Bett-<lb/>
lers-Mantel oder Wein-Fa&#x017F;&#x017F;e ihre Ehr&#x017F;u&#x0364;ch-<lb/>
tige Demuth ver&#x017F;teckten; &#x017F;ondern &#x017F;ie &#x017F;cha&#x0364;tzte die<lb/>
Ehre &#x017F;o vielen Vo&#x0364;lckern fu&#x0364;rzu&#x017F;tehen fu&#x0364;r eine<lb/>
danck wu&#x0364;rdige Gabe des Verha&#x0364;ngnu&#x0364;ßes/ ja fu&#x0364;r<lb/>
eine halbe Vergo&#x0364;tterung; weil Fu&#x0364;r&#x017F;ten gleich-<lb/>
&#x017F;am ein Mittel-Ding zwi&#x017F;chen GOtt und den<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Men&#x017F;chen</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[1287[1289]/1353] Arminius und Thußnelda. gen ein vortheilhafftig Bindnuͤs erlangen; als mit ſeiner Ergetzligkeit ihm einen maͤchtigen Feind erwecken. Heyrathen waͤren Vermaͤh- lungen der Buͤrger/ Buͤndnuͤße aber der Fuͤr- ſten. Stertinius hingegen/ als ein Schoß- Kind des Tiberius/ haͤtte hieruͤber viel Schwe- rigkeiten erreget/ und dieſes Werck ſehr weit geworffen. Nichts deſto weniger haͤtte er ihm rund ausgeſaget: daß/ weil Thußnelde dem Ti- berius niemahls ihr Wort gegeben/ haͤtte er kein Recht/ weniger aber ein ſolches zu ihr/ wie der Vater und das Verhaͤng nuͤs; ja ſeine eigene Koͤnigliche Macht und der wuͤrckliche Beſitz Thußneldens ihm zueignete. Alſo muͤſte er geſchehen laſſen/ was Tiberius fuͤr Empfind- ligkeit zu Rom hieruͤber ſchoͤpffen moͤchte; wie hingegen dieſer ihm nicht wehren koͤnte; was er in ſeinem Gebiete fuͤr gut befindete. Jedoch wolte er nicht gerne mit den Roͤmern zerfallen; weil doch die Freundſchafft zwiſchen denſelben am beſtaͤndigſten waͤre/ die ihre Kraͤfften noch nie gegen einander verſucht haͤtten. Segeſthes hingegen erſchreckte den Marbod uͤberaus; als er ihm Thußneldens beharrliche Wiederſetzlig- keit/ und den Vorſatz ehe zu ſterben/ als den Hertzog Herrmann zu laſſen eroͤffnete; und zu- gleich einrieth ſelbter durch enge Beſtrickung ſich ſo viel mehr zu verſichern/ und durch Schaͤr- fe andere Gedancken in Kopff zu bringen. Sintemahl doch der Zwang das beſte Verſiche- rungs-Mittel waͤre; und ein zweiffelhaffter Zweck ehe durch euſſerſte Entſchluͤſſung/ als mitlere Rathſchlaͤge erreichet wuͤrde. Koͤnig Marbod aber/ welcher behertzigte: daß all zu groſſe Schaͤrffe nur eine Gebaͤhrerin der Ver- zweiffelung/ und eine Stieff-Mutter der Liebe fey/ wolte ſich ſo bald hierzu nicht entſchluͤſſen/ ſondern ſetzte Segeſthens Meynung entgegen: daß ihre Wiederſetzligkeit zwar dem Hertzog Herrmann und ſeinen Verleitungen/ Thuß- nelden aber ſelbſt eben ſo wenig beyzumaͤſſen ſey/ als der Salbey die Toͤdligkeit/ welcher heil- ſame Blaͤtter die Kroͤte vergifftet hat. Und weil der Eigenſchafft der Liebe nichts mehr/ als die Wuͤrckungen des Haſſes/ nehmlich Gewalt und Grauſamkeit zu wieder; die unzerbrechli- chen Felſen/ welche Hammer und Feuer nicht nachgeben/ vom linden Regen ausgewaſchen/ und durch ein hanfenes Seil abgenuͤtzt werden; traute er ihm durch gelinde Mittel mehr/ als durch Hefftigkeit auszurichten. Denn das weibliche Geſchlechte waͤre nicht nur ſo ſchoͤn; ſon dern entzuͤndete auch das maͤnnliche wie das Feuer; ja es vermoͤchte Laͤnder und Staͤdte ein- zuaͤſchern; Daher muͤſte man auch mit ſelbtem ſo behutſam/ als mit der Flamme umgehen. Es haͤtte nichts minder Rauch als Licht; dieſes leuchtete denen Behutſamen/ jener aber ſchluͤge denen Unvorſichtigen in die Augen/ und preſte ihnen Thraͤnen aus. Jenen waͤre Glut und Liebe eine lebhaffte Waͤrmde/ dieſen eine toͤd- tende Einaͤſcherung. Maſſen denn auch Koͤ- nig Marbod die Anſtalt machte: daß folgen- den Tag fuͤnff und zwantzig Ritter im Namen der Marckmaͤnner und anderer zwiſchen der Elbe und Weichſel ihm gehorchender Voͤlcker Thußnelden eine Koͤnigliche Krone und vier und zwantzig Fuͤrſten-Huͤte zu ihren Fuͤſſen legten/ ſie anflehende: daß ſie ihre Frau und Beherrſcher in zu weꝛ den ſolche nicht verſchmaͤ- hen moͤchte. Thußnelde hoͤrte dieſe Geſand- ſchafft zwar mit beſtuͤrtztem Gemuͤthe/ und ſahe dieſe Geſchencke mit einem veraͤchtlichen Auge an; beantwortete ſie aber mit einem freundli- chen Munde: Sie waͤre nicht aus der Lehre derſelben gramhafften Weltweiſen; welche Kron und Zepter als ein verdammliches Ding von ſich ſtieſſen/ und in einem geflickten Bett- lers-Mantel oder Wein-Faſſe ihre Ehrſuͤch- tige Demuth verſteckten; ſondern ſie ſchaͤtzte die Ehre ſo vielen Voͤlckern fuͤrzuſtehen fuͤr eine danck wuͤrdige Gabe des Verhaͤngnuͤßes/ ja fuͤr eine halbe Vergoͤtterung; weil Fuͤrſten gleich- ſam ein Mittel-Ding zwiſchen GOtt und den Menſchen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1353
Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 1287[1289]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1353>, abgerufen am 06.05.2024.