Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Achtes Buch [Spaltenumbruch]
und von dem Weine so viel freyern Gemütheszu seyn vermeinte/ bey der Hand/ führte ihn an ein Fenster des Schlosses/ daraus man bey na- he das halbe Königreich der vertriebenen Bo- jen übersehen konte. Hierauff lobete er Sege- sthens hohe Ankunfft/ seine unver geltbare Freundschafft/ die er den Römern geleistet hät- te; und daß er ihm für sie ein neues Bündnüs zu wege zu bringen so sehr angelegen seyn liesse. Alleine ihn bedünckten schon seine Wolthaten grösser zu seyn/ als sie ihm vom Kayser ver golten werden könten. Wenn man aber diese so hoch brächte/ würden sie ins gemein mit Haß beloh- net/ oder gar als Laster verdammet. Diese schädliche Würckung wäre den Römern nichts seltzames/ als welche mehrmahls ihre eigene Er- halter ins Elend gejagt/ oder gar von Felsen gestürtzt hätten. Oder/ wenn sie es am besten meinten/ zahlten sie ihre grösten Gläubiger mit einem Eich- oder Lorber-Zweige; mit ei- nem gemahlten Rocke/ oder einem beinernen Stabe. Denn in ihren Schatz-Cammern wä- re diß ihr gröstes Haupt-Gut: daß sie einer Hand voll Rauch einen unschätzbaren Werth zueigneten. Fürnehmlich aber schienen sie es mit dem Segesthes derogestalt zu spielen; wel- chem sie die deutsche Feld-Herrschafft mit so grossen Betheuerungen versprochen/ mit so leichtem Undanck hinterhalten; ja den ihm so abholden Herrmann zeither gleichsam auff den Händen getragen/ und dem Segesthes zum Gegen-Gewichte gemacht hätten. Er hin- gegen könte den Quadischen König Vannius zu einem Beyspiel seines danckbaren Gemü- thes der gantzen Welt fürstellen. Sie wären beyde Deutschen; diesen aber möchte man mehr Gutes zutrauen/ wenn man mit ihnen kriegte/ als den Römern/ wenn man schon ihr Bunds- Genosse wäre. Weil der Römer Freundschafft nun so verdächtig/ ihre Treue so ungewiß/ und ihr Absehn so veränderlich wäre; stünde er billich an sich durch Bündnüße mit dem Kayser/ son- [Spaltenumbruch] derlich aber mit dem gefährlichen Tiberius zu vertieffen; er würde auch bereit den Silius und Stertinius gar schlecht abgefertigt haben; wenn er nicht Segesthen/ als einem deutschen Für- sten/ bessere Begegnung/ als den Römern/ die vorhin ihr feindselig Gemüthe gegen die Marckmänner hätten blicken lassen/ schuldig wäre. Diesemnach wäre er zwar geneigt mit den Römern in Ruhe/ nicht aber ihnen durch Bindnüs verbunden zu leben; welches letztere er mit dem Segesthes und seinen deutschen Bunds-Genossen auffs festeste zu schlüssen er- böthig wäre; ihn versichernde/ daß er sein Haupt nicht sanffte legen wolte/ biß Segesthes in dem übrigen Deutschlande zum Feldherrn er- koren; und dardurch ihr Vaterland in Ein- tracht/ und ausser der Ausländer Gefahr/ sein Fürstliches Hauß aber in den alten Glantz ver- setzet seyn würde. Segesthes solte hierbey ver- nünfftig unterscheiden: daß man von guten Worten sich nicht sättige; denn sie bestünden in einem blossen Athem; und von Höfligkeit nicht lebte; denn sie wäre ein zierlicher Betrug. Mit dem scheinbarsten Lichte bländete man das Geflügel/ welches man berücken wolte. Daher wäre es zwar böse einem nicht gute Worte ge- ben; wenn schon die Wercke nicht böse wären; aber es wäre viel ärger: daß gegen ihn die Rö- mer keine böse Worte ausliessen; ihm aber auch nichts gutes thäten. Das beste hingegen wä- ren rechtschaffene Wercke/ wenn man nicht viel Werckes oder Großsprechens davon machte. Dieses letztere versicherte er ihn auf Deutschen Treu und Glauben; und hiermit tranck er Segesthen eine Kristallen-Schale mit Weine zu; diese Betheuerung beysetzende: daß er in diesem Glase ihm sein halbes Hertze und seine vollkommene Freundschafft überliefferte. Se- gesthes/ dem diese Gemüths-Ausschüttung dienliches Wasser auff seine Mühle war/ hörte den König mit grosser Vergnügung/ und nahm sie an mit aller Ehrerbietung; ja mit einer er- freuten
Achtes Buch [Spaltenumbruch]
und von dem Weine ſo viel freyern Gemuͤtheszu ſeyn vermeinte/ bey der Hand/ fuͤhrte ihn an ein Fenſter des Schloſſes/ daraus man bey na- he das halbe Koͤnigreich der vertriebenen Bo- jen uͤberſehen konte. Hierauff lobete er Sege- ſthens hohe Ankunfft/ ſeine unver geltbare Freundſchafft/ die er den Roͤmern geleiſtet haͤt- te; und daß er ihm fuͤr ſie ein neues Buͤndnuͤs zu wege zu bringen ſo ſehr angelegen ſeyn lieſſe. Alleine ihn beduͤnckten ſchon ſeine Wolthaten groͤſſer zu ſeyn/ als ſie ihm vom Kayſer ver golten werden koͤnten. Wenn man aber dieſe ſo hoch braͤchte/ wuͤrden ſie ins gemein mit Haß beloh- net/ oder gar als Laſter verdammet. Dieſe ſchaͤdliche Wuͤrckung waͤre den Roͤmern nichts ſeltzames/ als welche mehrmahls ihre eigene Er- halter ins Elend gejagt/ oder gar von Felſen geſtuͤrtzt haͤtten. Oder/ wenn ſie es am beſten meinten/ zahlten ſie ihre groͤſten Glaͤubiger mit einem Eich- oder Lorber-Zweige; mit ei- nem gemahlten Rocke/ oder einem beinernen Stabe. Denn in ihren Schatz-Cammern waͤ- re diß ihr groͤſtes Haupt-Gut: daß ſie einer Hand voll Rauch einen unſchaͤtzbaren Werth zueigneten. Fuͤrnehmlich aber ſchienen ſie es mit dem Segeſthes derogeſtalt zu ſpielen; wel- chem ſie die deutſche Feld-Herrſchafft mit ſo groſſen Betheuerungen verſprochen/ mit ſo leichtem Undanck hinterhalten; ja den ihm ſo abholden Herrmann zeither gleichſam auff den Haͤnden getragen/ und dem Segeſthes zum Gegen-Gewichte gemacht haͤtten. Er hin- gegen koͤnte den Quadiſchen Koͤnig Vannius zu einem Beyſpiel ſeines danckbaren Gemuͤ- thes der gantzen Welt fuͤrſtellen. Sie waͤren beyde Deutſchen; dieſen aber moͤchte man mehr Gutes zutrauen/ wenn man mit ihnen kriegte/ als den Roͤmern/ wenn man ſchon ihr Bunds- Genoſſe waͤre. Weil der Roͤmer Freundſchafft nun ſo verdaͤchtig/ ihre Treue ſo ungewiß/ und ihr Abſehn ſo veraͤnderlich waͤre; ſtuͤnde er billich an ſich durch Buͤndnuͤße mit dem Kayſer/ ſon- [Spaltenumbruch] derlich aber mit dem gefaͤhrlichen Tiberius zu vertieffen; er wuͤrde auch bereit den Silius und Stertinius gar ſchlecht abgefertigt haben; weñ er nicht Segeſthen/ als einem deutſchen Fuͤr- ſten/ beſſere Begegnung/ als den Roͤmern/ die vorhin ihr feindſelig Gemuͤthe gegen die Marckmaͤnner haͤtten blicken laſſen/ ſchuldig waͤre. Dieſemnach waͤre er zwar geneigt mit den Roͤmern in Ruhe/ nicht aber ihnen durch Bindnuͤs verbunden zu leben; welches letztere er mit dem Segeſthes und ſeinen deutſchen Bunds-Genoſſen auffs feſteſte zu ſchluͤſſen er- boͤthig waͤre; ihn verſichernde/ daß er ſein Haupt nicht ſanffte legen wolte/ biß Segeſthes in dem uͤbrigen Deutſchlande zum Feldherrn er- koren; und dardurch ihr Vaterland in Ein- tracht/ und auſſer der Auslaͤnder Gefahr/ ſein Fuͤrſtliches Hauß aber in den alten Glantz ver- ſetzet ſeyn wuͤrde. Segeſthes ſolte hierbey ver- nuͤnfftig unterſcheiden: daß man von guten Worten ſich nicht ſaͤttige; denn ſie beſtuͤnden in einem bloſſen Athem; und von Hoͤfligkeit nicht lebte; denn ſie waͤre ein zierlicher Betrug. Mit dem ſcheinbarſten Lichte blaͤndete man das Gefluͤgel/ welches man beruͤcken wolte. Daher waͤre es zwar boͤſe einem nicht gute Worte ge- ben; wenn ſchon die Wercke nicht boͤſe waͤren; aber es waͤre viel aͤrger: daß gegen ihn die Roͤ- mer keine boͤſe Worte auslieſſen; ihm aber auch nichts gutes thaͤten. Das beſte hingegen waͤ- ren rechtſchaffene Wercke/ wenn man nicht viel Werckes oder Großſprechens davon machte. Dieſes letztere verſicherte er ihn auf Deutſchen Treu und Glauben; und hiermit tranck er Segeſthen eine Kriſtallen-Schale mit Weine zu; dieſe Betheuerung beyſetzende: daß er in dieſem Glaſe ihm ſein halbes Hertze und ſeine vollkommene Freundſchafft uͤberliefferte. Se- geſthes/ dem dieſe Gemuͤths-Ausſchuͤttung dienliches Waſſer auff ſeine Muͤhle war/ hoͤrte den Koͤnig mit groſſer Vergnuͤgung/ und nahm ſie an mit aller Ehrerbietung; ja mit einer er- freuten
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Achtes Buch
und von dem Weine ſo viel freyern Gemuͤthes
zu ſeyn vermeinte/ bey der Hand/ fuͤhrte ihn an
ein Fenſter des Schloſſes/ daraus man bey na-
he das halbe Koͤnigreich der vertriebenen Bo-
jen uͤberſehen konte. Hierauff lobete er Sege-
ſthens hohe Ankunfft/ ſeine unver geltbare
Freundſchafft/ die er den Roͤmern geleiſtet haͤt-
te; und daß er ihm fuͤr ſie ein neues Buͤndnuͤs
zu wege zu bringen ſo ſehr angelegen ſeyn lieſſe.
Alleine ihn beduͤnckten ſchon ſeine Wolthaten
groͤſſer zu ſeyn/ als ſie ihm vom Kayſer ver golten
werden koͤnten. Wenn man aber dieſe ſo hoch
braͤchte/ wuͤrden ſie ins gemein mit Haß beloh-
net/ oder gar als Laſter verdammet. Dieſe
ſchaͤdliche Wuͤrckung waͤre den Roͤmern nichts
ſeltzames/ als welche mehrmahls ihre eigene Er-
halter ins Elend gejagt/ oder gar von Felſen
geſtuͤrtzt haͤtten. Oder/ wenn ſie es am beſten
meinten/ zahlten ſie ihre groͤſten Glaͤubiger
mit einem Eich- oder Lorber-Zweige; mit ei-
nem gemahlten Rocke/ oder einem beinernen
Stabe. Denn in ihren Schatz-Cammern waͤ-
re diß ihr groͤſtes Haupt-Gut: daß ſie einer
Hand voll Rauch einen unſchaͤtzbaren Werth
zueigneten. Fuͤrnehmlich aber ſchienen ſie es
mit dem Segeſthes derogeſtalt zu ſpielen; wel-
chem ſie die deutſche Feld-Herrſchafft mit ſo
groſſen Betheuerungen verſprochen/ mit ſo
leichtem Undanck hinterhalten; ja den ihm ſo
abholden Herrmann zeither gleichſam auff den
Haͤnden getragen/ und dem Segeſthes zum
Gegen-Gewichte gemacht haͤtten. Er hin-
gegen koͤnte den Quadiſchen Koͤnig Vannius
zu einem Beyſpiel ſeines danckbaren Gemuͤ-
thes der gantzen Welt fuͤrſtellen. Sie waͤren
beyde Deutſchen; dieſen aber moͤchte man mehr
Gutes zutrauen/ wenn man mit ihnen kriegte/
als den Roͤmern/ wenn man ſchon ihr Bunds-
Genoſſe waͤre. Weil der Roͤmer Freundſchafft
nun ſo verdaͤchtig/ ihre Treue ſo ungewiß/ und
ihr Abſehn ſo veraͤnderlich waͤre; ſtuͤnde er billich
an ſich durch Buͤndnuͤße mit dem Kayſer/ ſon-
derlich aber mit dem gefaͤhrlichen Tiberius zu
vertieffen; er wuͤrde auch bereit den Silius und
Stertinius gar ſchlecht abgefertigt haben; weñ
er nicht Segeſthen/ als einem deutſchen Fuͤr-
ſten/ beſſere Begegnung/ als den Roͤmern/ die
vorhin ihr feindſelig Gemuͤthe gegen die
Marckmaͤnner haͤtten blicken laſſen/ ſchuldig
waͤre. Dieſemnach waͤre er zwar geneigt mit
den Roͤmern in Ruhe/ nicht aber ihnen durch
Bindnuͤs verbunden zu leben; welches letztere
er mit dem Segeſthes und ſeinen deutſchen
Bunds-Genoſſen auffs feſteſte zu ſchluͤſſen er-
boͤthig waͤre; ihn verſichernde/ daß er ſein
Haupt nicht ſanffte legen wolte/ biß Segeſthes
in dem uͤbrigen Deutſchlande zum Feldherrn er-
koren; und dardurch ihr Vaterland in Ein-
tracht/ und auſſer der Auslaͤnder Gefahr/ ſein
Fuͤrſtliches Hauß aber in den alten Glantz ver-
ſetzet ſeyn wuͤrde. Segeſthes ſolte hierbey ver-
nuͤnfftig unterſcheiden: daß man von guten
Worten ſich nicht ſaͤttige; denn ſie beſtuͤnden
in einem bloſſen Athem; und von Hoͤfligkeit
nicht lebte; denn ſie waͤre ein zierlicher Betrug.
Mit dem ſcheinbarſten Lichte blaͤndete man das
Gefluͤgel/ welches man beruͤcken wolte. Daher
waͤre es zwar boͤſe einem nicht gute Worte ge-
ben; wenn ſchon die Wercke nicht boͤſe waͤren;
aber es waͤre viel aͤrger: daß gegen ihn die Roͤ-
mer keine boͤſe Worte auslieſſen; ihm aber auch
nichts gutes thaͤten. Das beſte hingegen waͤ-
ren rechtſchaffene Wercke/ wenn man nicht viel
Werckes oder Großſprechens davon machte.
Dieſes letztere verſicherte er ihn auf Deutſchen
Treu und Glauben; und hiermit tranck er
Segeſthen eine Kriſtallen-Schale mit Weine
zu; dieſe Betheuerung beyſetzende: daß er in
dieſem Glaſe ihm ſein halbes Hertze und ſeine
vollkommene Freundſchafft uͤberliefferte. Se-
geſthes/ dem dieſe Gemuͤths-Ausſchuͤttung
dienliches Waſſer auff ſeine Muͤhle war/ hoͤrte
den Koͤnig mit groſſer Vergnuͤgung/ und nahm
ſie an mit aller Ehrerbietung; ja mit einer er-
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Zitationshilfe: | Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 1282[1284]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1348>, abgerufen am 17.07.2024. |