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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] und Abnehmung des Raubes gar wol begeg-
nen/ ja sie gestalten Sachen und anderer Völ-
cker Beyspiele nach gar tödten. Segesthens
angeführtes absondere Vater-Recht gienge ei-
ne eintzele Person an/ und käme wieder das all-
gemeine Recht der Fürsten und Völcker in kein
Ansehen. Wiewol jenes auch wieder Thuß-
nelden/ die bereit zu ihrem Verstande/ und für-
längst ausser seinem Hause und Brodte kom-
men wäre/ so genau nicht aus geübet/ noch ihr
einiger Heyraths-Zwang auf gedrungen wer-
den könte/ sonderlich/ weil Thußnelde nieman-
den in Segesthens Hauß eindringe/ dieser auch
ihr Gelübde gebilliget; Marbod aber noch für
Annehmung der Römischen Botschafft ihr und
darunter Thußnelden Schirm und Sicherheit
versprochen hätte. Beydes hörte König Mar-
bod zwar ausführlich an; aber bey der über
Thußneldens Zustande erwachsenden Berath-
schlagung hatte er seine eigene Vergnügung
zum vornehmsten Absehen. Weil nun Se-
gesthes sich bereit so weit heraus gelassen hatte:
daß Thußnelde sich einem ihm unbeliebigen Ey-
dame zu vermählen vorhätte/ hielt er das von
der Hertzogin Erdmuth angegebene Gelübde
der Keuschheit nichts minder/ als die schon ver-
rathene Standes-Niedrigkeit für einen blau-
en Dunst; führte derohalben den Fürsten Se-
gesthes in einen annehmlich en Spatziergang;
hielt ihm ein die Wichtigkeit der von der Catti-
schen Hertzogin angezogener Gründe; und wie
er Vermöge seines ihr ertheilten sichern Gelei-
tes auf allen Fall sie in den ersten Stand zu se-
tzen gezwungen werden würde. Weil er aber
ihm/ als einem so grossen Fürsten nicht gerne
weh thun/ noch der Römischen Gesandschafft
bey vorhabender neuen Bündnüs einigen Arg-
wohn seiner Abneigung verursachen wolte;
traute er es bey der Hertzogin zu vermitteln/
hielt es auch der Billigkeit zu seyn: daß Thuß-
nelde seiner Verwahrung biß zu Ausmachung
des Haupt-Streites überlassen würde. Er gebe
[Spaltenumbruch] ihm hiermit sein Königliches Wort: daß er
Thußnelden keinem/ welchen Segesthes zum
Eydame verschmehte/ ausfolgen lassen wolte.
Segesthes/ nach dem er etliche mahl im Gar-
ten nachsinnende auf- und abgegangen war/ er-
klärte sich Marbods Vorschlag anzunehmen;
und als er durch seine Tochter Adelgung eben
diß der Cattischen Hertzogin vortragen ließ; er-
hielt sie gleicher Gestalt ihre Genehmhabung;
weil sie Thußnelden nirgends/ als in der Ge-
walt ihres Vaters unsicherer zu seyn schätzte.
Marbod ward über dieser fast unvermutheten
Einwilligung höchst vergnügt; nahm also die
hierzu nicht unwillige Thußnelde in seine Ge-
wehr/ und in seiner Begleitung auff ein an
dem Fluße Caßurgis bey Marbods-Stadt
auf einem steilen Felsen liegendes Schloß;
welchem nicht nur die Römische Gesandschafft/
sondern auch die Cattische Hertzogin folgte.
Segesthes trug bey der Verhör im Nahmen
des Kaysers dem Könige ein Bündnüs zu Be-
schirmung ihrer Länder wieder alle künfftige
Feinde an; und fieng darbey an: daß Marbod
kein grösser Merckmaal seiner zu den Rö-
mern tragender Neigung an Tag geben kön-
te; als wenn er ihm als einem Römischen
Bunds Genossen seine Tochter/ und hier durch
zugleich dem Tiberius seine Braut ausfolgen
liesse. Marbod verordnete etliche seiner Rä-
the mit der Botschafft hierüber ausführlich zu
handeln. Jnzwischen reitzte er nichts desto we-
niger die Pannonier und Dalmatier mit Ver-
sicherung seiner Hülffe zum Aufstande wieder
die Römer an. Die Fürstin Thußnelde ließ
er inzwischen auffs herrlichste in der Gesell-
schafft seiner Tochter Adelgung bedienen; und
gegen Segesthen bezeigte er eine absondere
Gewogenheit. Nach dem er ihm eine fe-
ste Einbildung seiner Freundschafft nach
und nach eingepregt hatte; nahm Marbod
Segesthen einsmahls nach der Abend-
Mahlzeit/ als er ihn in gar guter Laune

und
Erster Theil. Z z z z z z z

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] und Abnehmung des Raubes gar wol begeg-
nen/ ja ſie geſtalten Sachen und anderer Voͤl-
cker Beyſpiele nach gar toͤdten. Segeſthens
angefuͤhrtes abſondere Vater-Recht gienge ei-
ne eintzele Perſon an/ und kaͤme wieder das all-
gemeine Recht der Fuͤrſten und Voͤlcker in kein
Anſehen. Wiewol jenes auch wieder Thuß-
nelden/ die bereit zu ihrem Verſtande/ und fuͤr-
laͤngſt auſſer ſeinem Hauſe und Brodte kom-
men waͤre/ ſo genau nicht aus geuͤbet/ noch ihr
einiger Heyraths-Zwang auf gedrungen wer-
den koͤnte/ ſonderlich/ weil Thußnelde nieman-
den in Segeſthens Hauß eindringe/ dieſer auch
ihr Geluͤbde gebilliget; Marbod aber noch fuͤr
Annehmung der Roͤmiſchen Botſchafft ihr und
darunter Thußnelden Schirm und Sicherheit
verſprochen haͤtte. Beydes hoͤrte Koͤnig Mar-
bod zwar ausfuͤhrlich an; aber bey der uͤber
Thußneldens Zuſtande erwachſenden Berath-
ſchlagung hatte er ſeine eigene Vergnuͤgung
zum vornehmſten Abſehen. Weil nun Se-
geſthes ſich bereit ſo weit heraus gelaſſen hatte:
daß Thußnelde ſich einem ihm unbeliebigen Ey-
dame zu vermaͤhlen vorhaͤtte/ hielt er das von
der Hertzogin Erdmuth angegebene Geluͤbde
der Keuſchheit nichts minder/ als die ſchon ver-
rathene Standes-Niedrigkeit fuͤr einen blau-
en Dunſt; fuͤhrte derohalben den Fuͤrſten Se-
geſthes in einen annehmlich en Spatziergang;
hielt ihm ein die Wichtigkeit der von der Catti-
ſchen Hertzogin angezogener Gruͤnde; und wie
er Vermoͤge ſeines ihr ertheilten ſichern Gelei-
tes auf allen Fall ſie in den erſten Stand zu ſe-
tzen gezwungen werden wuͤrde. Weil er aber
ihm/ als einem ſo groſſen Fuͤrſten nicht gerne
weh thun/ noch der Roͤmiſchen Geſandſchafft
bey vorhabender neuen Buͤndnuͤs einigen Arg-
wohn ſeiner Abneigung verurſachen wolte;
traute er es bey der Hertzogin zu vermitteln/
hielt es auch der Billigkeit zu ſeyn: daß Thuß-
nelde ſeiner Verwahrung biß zu Ausmachung
des Haupt-Streites uͤberlaſſen wuͤrde. Er gebe
[Spaltenumbruch] ihm hiermit ſein Koͤnigliches Wort: daß er
Thußnelden keinem/ welchen Segeſthes zum
Eydame verſchmehte/ ausfolgen laſſen wolte.
Segeſthes/ nach dem er etliche mahl im Gar-
ten nachſinnende auf- und abgegangen war/ er-
klaͤrte ſich Marbods Vorſchlag anzunehmen;
und als er durch ſeine Tochter Adelgung eben
diß der Cattiſchen Hertzogin vortragen ließ; er-
hielt ſie gleicher Geſtalt ihre Genehmhabung;
weil ſie Thußnelden nirgends/ als in der Ge-
walt ihres Vaters unſicherer zu ſeyn ſchaͤtzte.
Marbod ward uͤber dieſer faſt unvermutheten
Einwilligung hoͤchſt vergnuͤgt; nahm alſo die
hierzu nicht unwillige Thußnelde in ſeine Ge-
wehr/ und in ſeiner Begleitung auff ein an
dem Fluße Caßurgis bey Marbods-Stadt
auf einem ſteilen Felſen liegendes Schloß;
welchem nicht nur die Roͤmiſche Geſandſchafft/
ſondern auch die Cattiſche Hertzogin folgte.
Segeſthes trug bey der Verhoͤr im Nahmen
des Kayſers dem Koͤnige ein Buͤndnuͤs zu Be-
ſchirmung ihrer Laͤnder wieder alle kuͤnfftige
Feinde an; und fieng darbey an: daß Marbod
kein groͤſſer Merckmaal ſeiner zu den Roͤ-
mern tragender Neigung an Tag geben koͤn-
te; als wenn er ihm als einem Roͤmiſchen
Bunds Genoſſen ſeine Tochter/ und hier durch
zugleich dem Tiberius ſeine Braut ausfolgen
lieſſe. Marbod verordnete etliche ſeiner Raͤ-
the mit der Botſchafft hieruͤber ausfuͤhrlich zu
handeln. Jnzwiſchen reitzte er nichts deſto we-
niger die Pannonier und Dalmatier mit Ver-
ſicherung ſeiner Huͤlffe zum Aufſtande wieder
die Roͤmer an. Die Fuͤrſtin Thußnelde ließ
er inzwiſchen auffs herrlichſte in der Geſell-
ſchafft ſeiner Tochter Adelgung bedienen; und
gegen Segeſthen bezeigte er eine abſondere
Gewogenheit. Nach dem er ihm eine fe-
ſte Einbildung ſeiner Freundſchafft nach
und nach eingepregt hatte; nahm Marbod
Segeſthen einsmahls nach der Abend-
Mahlzeit/ als er ihn in gar guter Laune

und
Erſter Theil. Z z z z z z z
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[1281[1283]/1347] Arminius und Thußnelda. und Abnehmung des Raubes gar wol begeg- nen/ ja ſie geſtalten Sachen und anderer Voͤl- cker Beyſpiele nach gar toͤdten. Segeſthens angefuͤhrtes abſondere Vater-Recht gienge ei- ne eintzele Perſon an/ und kaͤme wieder das all- gemeine Recht der Fuͤrſten und Voͤlcker in kein Anſehen. Wiewol jenes auch wieder Thuß- nelden/ die bereit zu ihrem Verſtande/ und fuͤr- laͤngſt auſſer ſeinem Hauſe und Brodte kom- men waͤre/ ſo genau nicht aus geuͤbet/ noch ihr einiger Heyraths-Zwang auf gedrungen wer- den koͤnte/ ſonderlich/ weil Thußnelde nieman- den in Segeſthens Hauß eindringe/ dieſer auch ihr Geluͤbde gebilliget; Marbod aber noch fuͤr Annehmung der Roͤmiſchen Botſchafft ihr und darunter Thußnelden Schirm und Sicherheit verſprochen haͤtte. Beydes hoͤrte Koͤnig Mar- bod zwar ausfuͤhrlich an; aber bey der uͤber Thußneldens Zuſtande erwachſenden Berath- ſchlagung hatte er ſeine eigene Vergnuͤgung zum vornehmſten Abſehen. Weil nun Se- geſthes ſich bereit ſo weit heraus gelaſſen hatte: daß Thußnelde ſich einem ihm unbeliebigen Ey- dame zu vermaͤhlen vorhaͤtte/ hielt er das von der Hertzogin Erdmuth angegebene Geluͤbde der Keuſchheit nichts minder/ als die ſchon ver- rathene Standes-Niedrigkeit fuͤr einen blau- en Dunſt; fuͤhrte derohalben den Fuͤrſten Se- geſthes in einen annehmlich en Spatziergang; hielt ihm ein die Wichtigkeit der von der Catti- ſchen Hertzogin angezogener Gruͤnde; und wie er Vermoͤge ſeines ihr ertheilten ſichern Gelei- tes auf allen Fall ſie in den erſten Stand zu ſe- tzen gezwungen werden wuͤrde. Weil er aber ihm/ als einem ſo groſſen Fuͤrſten nicht gerne weh thun/ noch der Roͤmiſchen Geſandſchafft bey vorhabender neuen Buͤndnuͤs einigen Arg- wohn ſeiner Abneigung verurſachen wolte; traute er es bey der Hertzogin zu vermitteln/ hielt es auch der Billigkeit zu ſeyn: daß Thuß- nelde ſeiner Verwahrung biß zu Ausmachung des Haupt-Streites uͤberlaſſen wuͤrde. Er gebe ihm hiermit ſein Koͤnigliches Wort: daß er Thußnelden keinem/ welchen Segeſthes zum Eydame verſchmehte/ ausfolgen laſſen wolte. Segeſthes/ nach dem er etliche mahl im Gar- ten nachſinnende auf- und abgegangen war/ er- klaͤrte ſich Marbods Vorſchlag anzunehmen; und als er durch ſeine Tochter Adelgung eben diß der Cattiſchen Hertzogin vortragen ließ; er- hielt ſie gleicher Geſtalt ihre Genehmhabung; weil ſie Thußnelden nirgends/ als in der Ge- walt ihres Vaters unſicherer zu ſeyn ſchaͤtzte. Marbod ward uͤber dieſer faſt unvermutheten Einwilligung hoͤchſt vergnuͤgt; nahm alſo die hierzu nicht unwillige Thußnelde in ſeine Ge- wehr/ und in ſeiner Begleitung auff ein an dem Fluße Caßurgis bey Marbods-Stadt auf einem ſteilen Felſen liegendes Schloß; welchem nicht nur die Roͤmiſche Geſandſchafft/ ſondern auch die Cattiſche Hertzogin folgte. Segeſthes trug bey der Verhoͤr im Nahmen des Kayſers dem Koͤnige ein Buͤndnuͤs zu Be- ſchirmung ihrer Laͤnder wieder alle kuͤnfftige Feinde an; und fieng darbey an: daß Marbod kein groͤſſer Merckmaal ſeiner zu den Roͤ- mern tragender Neigung an Tag geben koͤn- te; als wenn er ihm als einem Roͤmiſchen Bunds Genoſſen ſeine Tochter/ und hier durch zugleich dem Tiberius ſeine Braut ausfolgen lieſſe. Marbod verordnete etliche ſeiner Raͤ- the mit der Botſchafft hieruͤber ausfuͤhrlich zu handeln. Jnzwiſchen reitzte er nichts deſto we- niger die Pannonier und Dalmatier mit Ver- ſicherung ſeiner Huͤlffe zum Aufſtande wieder die Roͤmer an. Die Fuͤrſtin Thußnelde ließ er inzwiſchen auffs herrlichſte in der Geſell- ſchafft ſeiner Tochter Adelgung bedienen; und gegen Segeſthen bezeigte er eine abſondere Gewogenheit. Nach dem er ihm eine fe- ſte Einbildung ſeiner Freundſchafft nach und nach eingepregt hatte; nahm Marbod Segeſthen einsmahls nach der Abend- Mahlzeit/ als er ihn in gar guter Laune und Erſter Theil. Z z z z z z z

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 1281[1283]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1347>, abgerufen am 27.11.2024.