Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Achtes Buch [Spaltenumbruch]
und mühte sich ihnen es bevor zu thun. Wiewolauch ohne diß von Alters her der Deutschen schönster Purper-Rock/ Schild und Spieß der Jugend erste Zierrathen waren; sie auch nichts minder als die Celtiberier ein tapfferes Pferd höher als ihr eigenes Blut hielten; so brachte doch Hertzog Herrmann über diß auf: daß der Adel zu Hochzeiten und allen andern Freuden- Versamlungen gerüstet erschien/ um hierdurch nicht allein der einreissenden Kleider-Pracht (die selten für Frost und Hitze dienet/ den Feind nicht verwundet; aber ihn wol zum Angrieffe und Beute reitzet) zu steuern/ sondern auch ie- den zu Handthierung der Waffen zu gewöh- nen. Er höhnte die sich eines Wagens bedie- nenden Männer; und also lernte ein ieder rei- ten. Kein Feyer ließ er ohne Kriegs-Ubungen vollbringen/ und hiermit ward das Gefechte eines iedweden Cheruskers Handwerck. Jns Läger dorffte man keine niedliche Speise brin- gen/ die harten nicht einst kosten/ kein unge- waffnetes Weib sich darinnen blicken lassen. Dem Heere ließ er keine Wagen/ ausser die das grosse Geschütz führten/ nachziehen; sondern ieder Kriegs-Mann muste sein unentpehrliches Geräthe und Kost tragen. Alle andere Spiele und Kurtzweilen verwandelte er in Waffen- Ubung; alle seine Geschencke und Gaben wa- ren entweder schöne Pferde/ oder blinckende Waffen; Und sein gantzes Gebiete im Frieden kriegerisch; welcher sonst die Waffen verrostern/ und die frischesten Gemüther welck werden läst. Er befestigte den Gottesdienst durch das Beyspiel seiner eigenen Frömmigkeit; und vertraute mehr auf Göttlichen Beystand; als auf den zerbrechlichen Fürsten-Stab. Er war bey seinem sechs und zwantzig-jährigen Alter ein vollkommener Meister über seine Gemüths- Regungen; wolwissende: daß wer ein Fürst ü- ber andere seyn will/ es müsse vorher über sich seyn; welches letztere schwerer ist/ als das erste; weil dieses nur ein Sieg eusserlicher Stärcke/ [Spaltenumbruch] jenes aber der Vernunfft über das Gemüthe; und ein Thun von grösserer Wichtigkeit ist. Sintemahl die Schwachheit unzeitiger Ge- müthsregungen einen Fürsten um sein gantzes Vermögen bringt/ das in seinem einigen An- sehen besteht. Alle Sachen betrachtete er in ih- rem wahrhaften Wesen/ nicht aber in ihren blän- denden Schatten. Kein Zorn bemächtigte sich seiner Vernunfft/ keine Mißgunst seines Her- tzens; und daher sagte er in lachendem Muthe denen Fehlenden die Warheit; und denen/ die was rühmliches ausübten/ gab er noch einen Sporn sich in grösseres Ansehen zu bringen. Er beschämte die Verleumdungen durch Verach- tung und tapffere Thaten; wiewol er in allem Thun so behutsam verfuhr: daß selbtes nicht zweyerley/ und also eine böse Auslegung ver- trug. Denn Fürsten werden nicht nur eigene/ sondern auch so gar fremde Fehler wie dem Mohnden Finsternüsse; welche doch nicht sein eigener/ sondern des Mohnden Schatten sind/ zugeeignet/ ja auff ein Haar und einen Augen- blick nachgerechnet. Hingegen wendete er al- les Vermögen an/ den Nahmen eines guten Landes-Fürsten zu bekommen. Kein Schlaff war ihm zu süsse/ keine Lufft zu rau/ keine Kälte zu strenge/ keine Hitze beschwerlich die Reichs- Geschäffte zu verschieben; wenn es gleich öhne Verminderung seiner Gesundheit und ohne Gefahr seines Lebens nicht auszurichten war. Denn er hielt ihm anständiger sich nach Art ei- nes Schwantz-Gestirns mit herrlichem Glan- tze einzuäschern; als eine todte Kohle in der Er- de unverweßlich zu bleiben. Gleicher Gestalt verdeckte er auffs sorgfältigste die Blössen seiner Staats-Diener/ und die Schwäche seines Reiches; weil ihm unverborgen war: daß wie der Mittel-Punct bey einer gerade stehenden Seule; also das eusserliche Ansehen bey grossen Herrschafften die einige Ursache ihres so festen Standes sey; Herentgegen ein schon seitwerts sich neigendes Riesen-Bild auch mit einem Fin- ger;
Achtes Buch [Spaltenumbruch]
und muͤhte ſich ihnen es bevor zu thun. Wiewolauch ohne diß von Alters her der Deutſchen ſchoͤnſter Purper-Rock/ Schild und Spieß der Jugend erſte Zierrathen waren; ſie auch nichts minder als die Celtiberier ein tapfferes Pferd hoͤher als ihr eigenes Blut hielten; ſo brachte doch Hertzog Herrmann uͤber diß auf: daß der Adel zu Hochzeiten und allen andern Freuden- Verſamlungen geruͤſtet erſchien/ um hierdurch nicht allein der einreiſſenden Kleider-Pracht (die ſelten fuͤr Froſt und Hitze dienet/ den Feind nicht verwundet; aber ihn wol zum Angrieffe und Beute reitzet) zu ſteuern/ ſondern auch ie- den zu Handthierung der Waffen zu gewoͤh- nen. Er hoͤhnte die ſich eines Wagens bedie- nenden Maͤnner; und alſo lernte ein ieder rei- ten. Kein Feyer ließ er ohne Kriegs-Ubungen vollbringen/ und hiermit ward das Gefechte eines iedweden Cheruskers Handwerck. Jns Laͤger dorffte man keine niedliche Speiſe brin- gen/ die harten nicht einſt koſten/ kein unge- waffnetes Weib ſich darinnen blicken laſſen. Dem Heere ließ er keine Wagen/ auſſer die das groſſe Geſchuͤtz fuͤhrten/ nachziehen; ſondern ieder Kriegs-Mann muſte ſein unentpehrliches Geraͤthe und Koſt tragen. Alle andere Spiele und Kurtzweilen verwandelte er in Waffen- Ubung; alle ſeine Geſchencke und Gaben wa- ren entweder ſchoͤne Pferde/ oder blinckende Waffen; Und ſein gantzes Gebiete im Frieden kriegeriſch; welcher ſonſt die Waffen verroſtern/ und die friſcheſten Gemuͤther welck werden laͤſt. Er befeſtigte den Gottesdienſt durch das Beyſpiel ſeiner eigenen Froͤmmigkeit; und vertraute mehr auf Goͤttlichen Beyſtand; als auf den zerbrechlichen Fuͤrſten-Stab. Er war bey ſeinem ſechs und zwantzig-jaͤhrigen Alter ein vollkommener Meiſter uͤber ſeine Gemuͤths- Regungen; wolwiſſende: daß wer ein Fuͤrſt uͤ- ber andere ſeyn will/ es muͤſſe vorher uͤber ſich ſeyn; welches letztere ſchwerer iſt/ als das erſte; weil dieſes nur ein Sieg euſſerlicher Staͤrcke/ [Spaltenumbruch] jenes aber der Vernunfft uͤber das Gemuͤthe; und ein Thun von groͤſſerer Wichtigkeit iſt. Sintemahl die Schwachheit unzeitiger Ge- muͤthsregungen einen Fuͤrſten um ſein gantzes Vermoͤgen bringt/ das in ſeinem einigen An- ſehen beſteht. Alle Sachen betrachtete er in ih- rem wahrhaftẽ Weſen/ nicht aber in ihren blaͤn- denden Schatten. Kein Zorn bemaͤchtigte ſich ſeiner Vernunfft/ keine Mißgunſt ſeines Her- tzens; und daher ſagte er in lachendem Muthe denen Fehlenden die Warheit; und denen/ die was ruͤhmliches ausuͤbten/ gab er noch einen Sporn ſich in groͤſſeres Anſehen zu bringen. Er beſchaͤmte die Verleumdungen durch Verach- tung und tapffere Thaten; wiewol er in allem Thun ſo behutſam verfuhr: daß ſelbtes nicht zweyerley/ und alſo eine boͤſe Auslegung ver- trug. Denn Fuͤrſten werden nicht nur eigene/ ſondern auch ſo gar fremde Fehler wie dem Mohnden Finſternuͤſſe; welche doch nicht ſein eigener/ ſondern des Mohnden Schatten ſind/ zugeeignet/ ja auff ein Haar und einen Augen- blick nachgerechnet. Hingegen wendete er al- les Vermoͤgen an/ den Nahmen eines guten Landes-Fuͤrſten zu bekommen. Kein Schlaff war ihm zu ſuͤſſe/ keine Lufft zu rau/ keine Kaͤlte zu ſtrenge/ keine Hitze beſchwerlich die Reichs- Geſchaͤffte zu verſchieben; wenn es gleich oͤhne Verminderung ſeiner Geſundheit und ohne Gefahr ſeines Lebens nicht auszurichten war. Denn er hielt ihm anſtaͤndiger ſich nach Art ei- nes Schwantz-Geſtirns mit herrlichem Glan- tze einzuaͤſchern; als eine todte Kohle in der Er- de unverweßlich zu bleiben. Gleicher Geſtalt verdeckte er auffs ſorgfaͤltigſte die Bloͤſſen ſeiner Staats-Diener/ und die Schwaͤche ſeines Reiches; weil ihm unverborgen war: daß wie der Mittel-Punct bey einer gerade ſtehenden Seule; alſo das euſſerliche Anſehen bey groſſen Herrſchafften die einige Urſache ihres ſo feſten Standes ſey; Herentgegen ein ſchon ſeitwerts ſich neigendes Rieſen-Bild auch mit einem Fin- ger;
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Achtes Buch
und muͤhte ſich ihnen es bevor zu thun. Wiewol
auch ohne diß von Alters her der Deutſchen
ſchoͤnſter Purper-Rock/ Schild und Spieß der
Jugend erſte Zierrathen waren; ſie auch nichts
minder als die Celtiberier ein tapfferes Pferd
hoͤher als ihr eigenes Blut hielten; ſo brachte
doch Hertzog Herrmann uͤber diß auf: daß der
Adel zu Hochzeiten und allen andern Freuden-
Verſamlungen geruͤſtet erſchien/ um hierdurch
nicht allein der einreiſſenden Kleider-Pracht
(die ſelten fuͤr Froſt und Hitze dienet/ den Feind
nicht verwundet; aber ihn wol zum Angrieffe
und Beute reitzet) zu ſteuern/ ſondern auch ie-
den zu Handthierung der Waffen zu gewoͤh-
nen. Er hoͤhnte die ſich eines Wagens bedie-
nenden Maͤnner; und alſo lernte ein ieder rei-
ten. Kein Feyer ließ er ohne Kriegs-Ubungen
vollbringen/ und hiermit ward das Gefechte
eines iedweden Cheruskers Handwerck. Jns
Laͤger dorffte man keine niedliche Speiſe brin-
gen/ die harten nicht einſt koſten/ kein unge-
waffnetes Weib ſich darinnen blicken laſſen.
Dem Heere ließ er keine Wagen/ auſſer die das
groſſe Geſchuͤtz fuͤhrten/ nachziehen; ſondern
ieder Kriegs-Mann muſte ſein unentpehrliches
Geraͤthe und Koſt tragen. Alle andere Spiele
und Kurtzweilen verwandelte er in Waffen-
Ubung; alle ſeine Geſchencke und Gaben wa-
ren entweder ſchoͤne Pferde/ oder blinckende
Waffen; Und ſein gantzes Gebiete im Frieden
kriegeriſch; welcher ſonſt die Waffen verroſtern/
und die friſcheſten Gemuͤther welck werden
laͤſt. Er befeſtigte den Gottesdienſt durch das
Beyſpiel ſeiner eigenen Froͤmmigkeit; und
vertraute mehr auf Goͤttlichen Beyſtand; als
auf den zerbrechlichen Fuͤrſten-Stab. Er war
bey ſeinem ſechs und zwantzig-jaͤhrigen Alter
ein vollkommener Meiſter uͤber ſeine Gemuͤths-
Regungen; wolwiſſende: daß wer ein Fuͤrſt uͤ-
ber andere ſeyn will/ es muͤſſe vorher uͤber ſich
ſeyn; welches letztere ſchwerer iſt/ als das erſte;
weil dieſes nur ein Sieg euſſerlicher Staͤrcke/
jenes aber der Vernunfft uͤber das Gemuͤthe;
und ein Thun von groͤſſerer Wichtigkeit iſt.
Sintemahl die Schwachheit unzeitiger Ge-
muͤthsregungen einen Fuͤrſten um ſein gantzes
Vermoͤgen bringt/ das in ſeinem einigen An-
ſehen beſteht. Alle Sachen betrachtete er in ih-
rem wahrhaftẽ Weſen/ nicht aber in ihren blaͤn-
denden Schatten. Kein Zorn bemaͤchtigte ſich
ſeiner Vernunfft/ keine Mißgunſt ſeines Her-
tzens; und daher ſagte er in lachendem Muthe
denen Fehlenden die Warheit; und denen/ die
was ruͤhmliches ausuͤbten/ gab er noch einen
Sporn ſich in groͤſſeres Anſehen zu bringen. Er
beſchaͤmte die Verleumdungen durch Verach-
tung und tapffere Thaten; wiewol er in allem
Thun ſo behutſam verfuhr: daß ſelbtes nicht
zweyerley/ und alſo eine boͤſe Auslegung ver-
trug. Denn Fuͤrſten werden nicht nur eigene/
ſondern auch ſo gar fremde Fehler wie dem
Mohnden Finſternuͤſſe; welche doch nicht ſein
eigener/ ſondern des Mohnden Schatten ſind/
zugeeignet/ ja auff ein Haar und einen Augen-
blick nachgerechnet. Hingegen wendete er al-
les Vermoͤgen an/ den Nahmen eines guten
Landes-Fuͤrſten zu bekommen. Kein Schlaff
war ihm zu ſuͤſſe/ keine Lufft zu rau/ keine Kaͤlte
zu ſtrenge/ keine Hitze beſchwerlich die Reichs-
Geſchaͤffte zu verſchieben; wenn es gleich oͤhne
Verminderung ſeiner Geſundheit und ohne
Gefahr ſeines Lebens nicht auszurichten war.
Denn er hielt ihm anſtaͤndiger ſich nach Art ei-
nes Schwantz-Geſtirns mit herrlichem Glan-
tze einzuaͤſchern; als eine todte Kohle in der Er-
de unverweßlich zu bleiben. Gleicher Geſtalt
verdeckte er auffs ſorgfaͤltigſte die Bloͤſſen ſeiner
Staats-Diener/ und die Schwaͤche ſeines
Reiches; weil ihm unverborgen war: daß wie
der Mittel-Punct bey einer gerade ſtehenden
Seule; alſo das euſſerliche Anſehen bey groſſen
Herrſchafften die einige Urſache ihres ſo feſten
Standes ſey; Herentgegen ein ſchon ſeitwerts
ſich neigendes Rieſen-Bild auch mit einem Fin-
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Zitationshilfe: | Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 1262[1264]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1328>, abgerufen am 17.07.2024. |