Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Arminius und Thußnelda. [Spaltenumbruch]
dem Hertzoglichen Sitze abzureisen. Sege-sthes alleine blieb zurücke/ um mit dem Tibe- rius den bevorstehenden Feldzug abzureden. Jnzwischen kam Hertzog Herrmann zwar und U u u u u u u 3
Arminius und Thußnelda. [Spaltenumbruch]
dem Hertzoglichen Sitze abzureiſen. Sege-ſthes alleine blieb zuruͤcke/ um mit dem Tibe- rius den bevorſtehenden Feldzug abzureden. Jnzwiſchen kam Hertzog Herrmann zwar und U u u u u u u 3
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Arminius und Thußnelda.
dem Hertzoglichen Sitze abzureiſen. Sege-
ſthes alleine blieb zuruͤcke/ um mit dem Tibe-
rius den bevorſtehenden Feldzug abzureden.
Jnzwiſchen kam Hertzog Herrmann zwar
in wenig Tagen auff ſeine Graͤntzen; aber das
auch den Wind an Geſchwindigkeit uͤbertref-
fende Geſchrey war ihm ſchon zuvor kommen;
und hatte ſeinen Vetter Jngviomer den tapfern
Fuͤrſten der Bructerer/ als ſeinen bißher gewe-
ſenen Stadthalter mit einer anſehnlichen An-
zahl des Cheruskiſchen Adels ermuntert/ ihm
biß an den Eder-Strom entgegen zu ziehen.
Auf der Graͤntze aber begegnete ihm bey na-
he das halbe Land; weil ſein bloſſer Nahme
auch dieſelben/ welche bey denen verwirrten
Zeiten fuͤr Bekuͤmmernuͤs gantz verzagt oder
gar todt geweſt waren/ gleichſam auffs neue
lebhafft machte. Sintemahl nicht nur Unter-
thanen ihnen von einem neuen Fuͤrſten eben ſo
groſſe Hoffnung machen/ als die Schiff-Leute
von einem gluͤcklichen Geſtirne; ja ſie bilden
ihnen von dieſer neuaufgehenden Sonnen ein:
daß er beſſer als der abgelebte Fuͤrſt ſeyn wer-
de/ wie gut er es gleich gemacht hat; ſondern
die in der Fremde ausgeuͤbten Helden-Thaten
hatten auch zu ſo groſſer Hoffnung einen be-
wehrten Grund gelegt. Alſo ward er zwiſchen
dem Gedraͤnge des frolockenden Volckes nach
Deutſchburg begleitet; gleich als wenn er die
entfremdete Gluͤckſeligkeit Deutſchlands wie-
der nach Hauſe braͤchte. Ja keine Cheruski-
ſche Seele lebte/ welche nicht zeither dieſen tapf-
fern Fuͤrſten zu haben/ nunmehr aber lange zu
behalten ſeuffzeten. Jedoch war diß bey Her-
fuͤrbrechung eines ſo wunderwuͤrdigen Fuͤr-
ſtens nicht zu verwundern. Sintemahl iede
Neuigkeit ein Licht iſt/ welches vieler Augen an
ſich zeucht und ſie verblaͤndet. Denn weil der
Menſch fuͤr ſich ſelbſt ſterblich/ die Sterblig-
keit aber abſcheulich iſt/ kriegt er fuͤr allen ver-
alternden/ was ſich zum Untergange neigt/ ein
Grauen/ und hengt ſich an das/ was von ſeiner
friſchen Geburt zu wachſen anfaͤngt. Weil
nun der erſte Anſprung entweder der Jrrweg
oder die rechte Bahn des gantzen Lebens/ fuͤr-
nehmlich aber der Anfang im Herrſchen denen
gefaͤhrlichſten Fehltritten unterworffen iſt; raff-
te Hertzog Herrmann alle Gemuͤths-Kraͤfften
zuſammen in ſeinem Thun die rechte Maaß zu
halten/ und auf kein falſches Ziel abzukommen.
Wie er nun die Geſchichte voriger Zeiten/ in-
ſonderheit aber die Deutſchen im Kopffe hatte;
alſo erforſchte er fuͤr allen Dingen von Jngvio-
mern den gegenwaͤrtigen Zuſtand ſeines Lan-
des/ die Neigungen des Adels/ das Vermoͤgen
des Volckes/ die Buͤndnuͤße und Kraͤfften der
Nachbarn/ um aus dieſer beyder mehrmahli-
gen Erfolg/ nicht aber aus einer einzelen Be-
gebenheit und einem blinden Gluͤcks-Falle
von allen kuͤnfftigen Faͤllen vernuͤnfftig zu ur-
theilen. So bald er ihm hatte huldigen laſ-
ſen; beehrte er die alten Bunds-Genoſſen des
Cheruskiſchen Hauſes mit Geſandſchafften/
fuͤrnehmlich aber trug er denen Catten/ welche
ins gemein denen Cheruskern uͤber Achſel ge-
weſt waren/ ſeine Freundſchafft fuͤr/ und legte
ihnen fuͤr Augen: daß nichts als dieſer Voͤlcker
Mißhelligkeit fremder Macht in Deutſchland
Thuͤr und Thor aufgeſperret haͤtte. Er be-
ſchenckte die treuen Diener ſeines Vaters; be-
kraͤfftigte ſeiner Vorfahren Geſetze/ und er-
freute wolverdiente mit Freyheiten. Er ent-
ſchlug ſich mit fleißigſter Auffſicht aller Neuig-
keiten; ob zwar ſonſt neue Fuͤrſten ins gemein
fuͤr alber halten in die Fußſtapffen voriger Herꝛ-
ſcher zu treten; ob ſie ſchon ihre eigene Eltern
geweſt. Gleichwol aber vergnuͤgte er ſich nicht
mit den Siegs-Fahnen ſeiner ruͤhmlichen Ah-
nen; ſondern wie er ihm ehe zu ſterben fuͤrſetzte/
als etwas ihrer Tugend unaͤhnliches und ih-
rem Ruhme verkleinerliches zu beginnen; alſo
hielt er ihr gelaſſenes Ziel fuͤr ſeinen Anſprung/
und
U u u u u u u 3
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Zitationshilfe: | Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 1261[1263]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1327>, abgerufen am 17.07.2024. |