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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Achtes Buch
[Spaltenumbruch] ge/ welcher zwey Meilen lang biß zu dem See
der Diana ausgetragen hätte/ von der Zeit aber
als einem Scharffrichter nichts minder über die
Felsen/ als andere Herrligkeiten durch ein Erd-
beben wäre verfället worden. Weil nun Dä-
dalus an diesem Orte nicht nur sein Leben ru-
hig verführet/ sondern auch beschlossen; (wor-
bey er ihnen denn das vom Dädalus ihm selbst
gebaute Grabmaal zeigte) hätte er vorher dem
Schutz-Gotte dieses Eylandes das am Ufer
des Meeres in Stein gehauene Altar erbauet;
welches die Einwohner so hoch/ als die Troja-
ner das vom Himmel gefallene Bild der Mi-
nerva/ und die Stadt Pesinunt das eben so ü-
berkommene Bild Cybelens hielten; er auch
von ihnen deßwegen dahin zum Priester be-
stellt wäre/ und iederman festiglich gläubte: daß
kein Mensch in diesem Gebäue sich einiger
Feindseligkeit unterfangen könte. Hertzog
Herrmann lächelte über diesem letztern; und
sagte unvermerckt zu Thußnelden: Wenn er
an Segesthens so erfreuliche Erklärung ge-
dächte/ müste er mit diesem Priester und den
Corsen schier eines Glaubens werden. Dero-
gestalt brachten sie mit höchster Vergnügung/
weil sie in ihrem Schiffe alle Nothdurfft und
Erfrischungen bey der Hand hatten/ biß in
den siebenden Tag zu; da sie denn nach em-
pfangenen Segen von diesem guthertzigen
Priester Abschied nahmen; welchem sie aber
vergebens einige Geschencke einnöthigten/ und
von ihm zur Antwort kriegten: daß Wolthaten
bezahlt zu nehmen eben so thöricht wäre/ als
den Preiß des Geldes durch Einmischung ge-
ringer Schlacken zu vergeringern. Hierauff
setzten sie mit einem sanfften Sud-Ostwinde ih-
re Reise zwischen dem Eylande Capraria und
dem heiligen' Vorgebürge/ als der eussersten
Nord-Spitze vor Corsica nach Gallien ohne ei-
nigen fernern Anstoß fort.

Sie kamen den siebenden Tag durch des
Marius aus dem Rhodan ins Meer gemach-
[Spaltenumbruch] ten Graben in der Stadt/ die von dem daselbst
erbauten Tempel der Ephesischen Diana den
Nahmen führt/ glücklich an; stiegen im Hasen
aus/ und reiseten zu Lande durch Gallien ge-
rade auf Mayntz zu; da sie denn von denen Rö-
mischen Stadthaltern/ als welchen nicht unbe-
wust war: wie hoch Segesthes beym August
angesehen wäre/ allenthalben wol unterhalten
wurden. Wie sie nach Mayntz kamen/ erhielt
Hertzog Herrmann/ welcher zwar durch Gal-
lien unkentbar gereist/ nunmehr aber vom Se-
gesthes seinem Schweher-Vater entdeckt wor-
den war/ von diesem daselbst hin den Tag vor-
her angekommenen Sentius Saturnin die
Nachricht: daß der Kayser ihn befehlicht hätte/
ihm nicht alleine zum Besitz seiner väterlichen
Länder beförderlich zu seyn; sondern auch mit
ihm hinfort verträuliche Nachbarschafft zu
pflegen. Wie sehr diß nun diesen Fürsten ver-
gnügte/ so bekümmert erfuhr er den Tag her-
nach aus einem vertrauten Schreiben: daß
Tiberius durch Livien beym Kayser ausge-
söhnt/ er auch bereit in Deutschland zu kom-
men unterweges wäre/ und in zehen Tagen
erwartet würde. Weßwegen Saturnin vom
August Befehl erhielt/ alle Kriegs-Völcker in
Gallien zusammen zu ziehen; wormit der mit
Segesthen wieder die Chautzen abgeredete
Feldzug so viel früher bewerckstelliget/ und die-
se streitbaren Völcker unvermuthet überfal-
len werden möchten. Bey welcher Beschaffen-
heit er nicht für rathsam hielt seinen Tod-Feind
Tiberius zu Mayntz zu erwarten; sondern er
eilte unter einem wichtigen Vorgeben nach
Hause/ nehmlich: daß er seine ohne Haupt
gleichsam in der Jrre gehende Cherusker von
aller Verleitung benachbarter Völcker zurück
hielte. Daher ihn denn nicht allein Satur-
nin mit einer ansehnlichen Reuterey biß auff
seine Landes-Gräntze begleiten ließ; sondern
die Fürstin Thußnelde kriegte auch Verlaub
mit denen Chaßuariern nach Teckelnburg/ als

dem

Achtes Buch
[Spaltenumbruch] ge/ welcher zwey Meilen lang biß zu dem See
der Diana ausgetragen haͤtte/ von der Zeit aber
als einem Scharffrichter nichts minder uͤber die
Felſen/ als andere Herrligkeiten durch ein Erd-
beben waͤre verfaͤllet worden. Weil nun Daͤ-
dalus an dieſem Orte nicht nur ſein Leben ru-
hig verfuͤhret/ ſondern auch beſchloſſen; (wor-
bey er ihnen denn das vom Daͤdalus ihm ſelbſt
gebaute Grabmaal zeigte) haͤtte er vorher dem
Schutz-Gotte dieſes Eylandes das am Ufer
des Meeres in Stein gehauene Altar erbauet;
welches die Einwohner ſo hoch/ als die Troja-
ner das vom Himmel gefallene Bild der Mi-
nerva/ und die Stadt Peſinunt das eben ſo uͤ-
berkommene Bild Cybelens hielten; er auch
von ihnen deßwegen dahin zum Prieſter be-
ſtellt waͤre/ und iederman feſtiglich glaͤubte: daß
kein Menſch in dieſem Gebaͤue ſich einiger
Feindſeligkeit unterfangen koͤnte. Hertzog
Herrmann laͤchelte uͤber dieſem letztern; und
ſagte unvermerckt zu Thußnelden: Wenn er
an Segeſthens ſo erfreuliche Erklaͤrung ge-
daͤchte/ muͤſte er mit dieſem Prieſter und den
Corſen ſchier eines Glaubens werden. Dero-
geſtalt brachten ſie mit hoͤchſter Vergnuͤgung/
weil ſie in ihrem Schiffe alle Nothdurfft und
Erfriſchungen bey der Hand hatten/ biß in
den ſiebenden Tag zu; da ſie denn nach em-
pfangenen Segen von dieſem guthertzigen
Prieſter Abſchied nahmen; welchem ſie aber
vergebens einige Geſchencke einnoͤthigten/ und
von ihm zur Antwort kriegten: daß Wolthaten
bezahlt zu nehmen eben ſo thoͤricht waͤre/ als
den Preiß des Geldes durch Einmiſchung ge-
ringer Schlacken zu vergeringern. Hierauff
ſetzten ſie mit einem ſanfften Sud-Oſtwinde ih-
re Reiſe zwiſchen dem Eylande Capraria und
dem heiligen’ Vorgebuͤrge/ als der euſſerſten
Nord-Spitze vor Corſica nach Gallien ohne ei-
nigen fernern Anſtoß fort.

Sie kamen den ſiebenden Tag durch des
Marius aus dem Rhodan ins Meer gemach-
[Spaltenumbruch] ten Graben in der Stadt/ die von dem daſelbſt
erbauten Tempel der Epheſiſchen Diana den
Nahmen fuͤhrt/ gluͤcklich an; ſtiegen im Haſen
aus/ und reiſeten zu Lande durch Gallien ge-
rade auf Mayntz zu; da ſie denn von denen Roͤ-
miſchen Stadthaltern/ als welchen nicht unbe-
wuſt war: wie hoch Segeſthes beym Auguſt
angeſehen waͤre/ allenthalben wol unterhalten
wurden. Wie ſie nach Mayntz kamen/ erhielt
Hertzog Herrmann/ welcher zwar durch Gal-
lien unkentbar gereiſt/ nunmehr aber vom Se-
geſthes ſeinem Schweher-Vater entdeckt wor-
den war/ von dieſem daſelbſt hin den Tag vor-
her angekommenen Sentius Saturnin die
Nachricht: daß der Kayſer ihn befehlicht haͤtte/
ihm nicht alleine zum Beſitz ſeiner vaͤterlichen
Laͤnder befoͤrderlich zu ſeyn; ſondern auch mit
ihm hinfort vertraͤuliche Nachbarſchafft zu
pflegen. Wie ſehr diß nun dieſen Fuͤrſten ver-
gnuͤgte/ ſo bekuͤmmert erfuhr er den Tag her-
nach aus einem vertrauten Schreiben: daß
Tiberius durch Livien beym Kayſer ausge-
ſoͤhnt/ er auch bereit in Deutſchland zu kom-
men unterweges waͤre/ und in zehen Tagen
erwartet wuͤrde. Weßwegen Saturnin vom
Auguſt Befehl erhielt/ alle Kriegs-Voͤlcker in
Gallien zuſammen zu ziehen; wormit der mit
Segeſthen wieder die Chautzen abgeredete
Feldzug ſo viel fruͤher bewerckſtelliget/ und die-
ſe ſtreitbaren Voͤlcker unvermuthet uͤberfal-
len werden moͤchten. Bey welcher Beſchaffen-
heit er nicht fuͤr rathſam hielt ſeinen Tod-Feind
Tiberius zu Mayntz zu erwarten; ſondern er
eilte unter einem wichtigen Vorgeben nach
Hauſe/ nehmlich: daß er ſeine ohne Haupt
gleichſam in der Jrre gehende Cherusker von
aller Verleitung benachbarter Voͤlcker zuruͤck
hielte. Daher ihn denn nicht allein Satur-
nin mit einer anſehnlichen Reuterey biß auff
ſeine Landes-Graͤntze begleiten ließ; ſondern
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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 1260[1262]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1326>, abgerufen am 23.11.2024.