Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Arminius und Thußnelda. [Spaltenumbruch]
Thußnelda Segesthen: daß Herrmann ihr ge-striger Erlöser/ dieser Alte aber ihr gutthätiger Bewirther wäre. Segesthen giengen die Augen über/ und sein Hertze ward hierdurch deroge- stalt bewegt: daß er gegen den Fürsten Herr- mann von freyen Stücken anhob: Er würde nunmehr gewahr: daß es höchste Unvernunfft wäre ihm fürsetzen durch menschliches Absehen des Verhängnüsses Ziel zu verrücken. Diesem- nach er zwar seinen Fehler nicht umstehen kön- te: daß er mit denen Gedancken seine Tochter dem Tiberius zu vermählen/ schwanger gegan- gen wäre. Nach dem aber er und seine Toch- ter nunmehr ihm Leben und Freyheit zu dan- cken genöthiget würden; wolte er dem durch das Mittel obliegender Vergeltung ihn leiten- dem Himmel gehorsamen; und also seine un- wiederruffliche Einwilligung zu seiner und Thußneldens Heyrath hiermit ertheilen; die- sem fremden Wolthäter aber inzwischen sich zu einem zwar dieser Orten unvermögenden doch danckbaren Schuldner verbinden. Wie nun Herrmann und Thußnelde dieser annehmlich- sten Erklärung halber Segesthens Hand mit tieffster Demüthigung küsten; also verband dieser Alte Segesthen und den andern Kran- cken abermahls ihre Wunden; brachte es auch dahin: daß Segesthes den dritten Tag sich in den im Mittel dieses Wunder-Gebäues be- findlichen Garten um frische Lufft zu schöpffen bringen ließ; darinnen beyde Verliebte mit de- nen süssesten Unterredungen/ theils unter sich selbst/ theils mit ihrem eyßgrauen Wirthe ih- nen die Zeit verkürtzten. Welcher in Anwesen- heit des sorgfältigen Segesthens erwehnte: daß er des an dem Ufer des Meeres stehenden Schutz-Altares gewiedmeter Priester wäre/ und in dieser Einsamkeit theils wegen der die- sem Orte zugeeigneter Heiligkeit/ theils wegen seiner Armuth in diesem sonst gefährlichen Or- te zwar sorgfältig lebte; weil er nur von denen auf dem Gebürge erkletterten Wurtzeln sich [Spaltenumbruch] unterhielte; iedoch zwischen diesem Mangel der höchsten Vergnügung genüsse. Sintemahl man doch in dieser Welt auch bey dem schein- barsten Wolstande sich mehr in wenigerm Elen- de/ als in vollkommener Glückseligkeit auff ent- hielte. Beydes so wol das Altar/ als dieses ver- borgene Gebäue wäre ein Gemächte des Dä- dalus. Denn nach dem er/ wie beym Minos in Creta/ nach erbautem Jrrgarten; also bey dem Könige Cocalus in Sicilien nach viel verfer- tigten Kunst-Stücken in Ungnade verfallen; hätte er sich von Agrigent in dieses damals noch unbewohnte/ und ziemliche Jahre hernach al- lererst von einer Ligurischen Hirtin Corsa durch Anleitung eines überschwimmenden Ochsen aus gespürte und besetzte Eyland geflüchtet; und der Nachwelt zum Gedächtnüs/ dem Cocalus aber zu Hohne dieses Gebäue ausgehauen; als welches nicht nur an Festigkeit das von ihm bey der Stadt Camikum in Sicilien erbaute Schloß überträffe; in dem ein einiger Mann mit Herablassung eines leicht wieder durch ge- wisse Kunst-Räder in dem engen Eingange aufheblichen Felsens aller Welt Gewalt auff- halten könte; sondern an Liebligkeit der kalten und warmen Brunnen/ die in dem Garten in wunderwürdige Marmel-Kessel eingefast wa- ren/ wie nichts minder der edlen Garten- Früchte den Sicilischen Bau wegstäche. Jn- sonderheit war nicht allein denckwürdig zu schauen/ sondern kam auch denen Kranckenden überaus zu statten/ die in einem Felß vom Dä- dalus gehauene Schweiß-Höle; in welcher sich noch viel gesündere warme aus der Erden em- por steigende Dünste versamleten; und denen darinnen Schwitzenden die geschwächten Le- bens-Geister erquickten; als welche in dem Selimutischen Gebiete Siciliens sich in die vom Dädalus vorher bereitete Höle versamleten/ und einen allzustarck rüchenden Schweffel mit sich führten. Endlich zeigte er ihnen auch ein Thür-Gerüste zu einem unterirrdischen Gan- ge/ U u u u u u u 2
Arminius und Thußnelda. [Spaltenumbruch]
Thußnelda Segeſthen: daß Herrmann ihr ge-ſtriger Erloͤſer/ dieſer Alte aber ihr gutthaͤtiger Bewirther waͤre. Segeſthen giengen die Augen uͤber/ und ſein Hertze ward hierdurch deroge- ſtalt bewegt: daß er gegen den Fuͤrſten Herr- mann von freyen Stuͤcken anhob: Er wuͤrde nunmehr gewahr: daß es hoͤchſte Unvernunfft waͤre ihm fuͤrſetzen durch menſchliches Abſehen des Verhaͤngnuͤſſes Ziel zu verruͤcken. Dieſem- nach er zwar ſeinen Fehler nicht umſtehen koͤn- te: daß er mit denen Gedancken ſeine Tochter dem Tiberius zu vermaͤhlen/ ſchwanger gegan- gen waͤre. Nach dem aber er und ſeine Toch- ter nunmehr ihm Leben und Freyheit zu dan- cken genoͤthiget wuͤrden; wolte er dem durch das Mittel obliegender Vergeltung ihn leiten- dem Himmel gehorſamen; und alſo ſeine un- wiederruffliche Einwilligung zu ſeiner und Thußneldens Heyrath hiermit ertheilen; die- ſem fremden Wolthaͤter aber inzwiſchen ſich zu einem zwar dieſer Orten unvermoͤgenden doch danckbaren Schuldner verbinden. Wie nun Herrmann und Thußnelde dieſer annehmlich- ſten Erklaͤrung halber Segeſthens Hand mit tieffſter Demuͤthigung kuͤſten; alſo verband dieſer Alte Segeſthen und den andern Kran- cken abermahls ihre Wunden; brachte es auch dahin: daß Segeſthes den dritten Tag ſich in den im Mittel dieſes Wunder-Gebaͤues be- findlichen Garten um friſche Lufft zu ſchoͤpffen bringen ließ; darinnen beyde Verliebte mit de- nen ſuͤſſeſten Unterredungen/ theils unter ſich ſelbſt/ theils mit ihrem eyßgrauen Wirthe ih- nen die Zeit verkuͤrtzten. Welcher in Anweſen- heit des ſorgfaͤltigen Segeſthens erwehnte: daß er des an dem Ufer des Meeres ſtehenden Schutz-Altares gewiedmeter Prieſter waͤre/ und in dieſer Einſamkeit theils wegen der die- ſem Orte zugeeigneter Heiligkeit/ theils wegen ſeiner Armuth in dieſem ſonſt gefaͤhrlichen Or- te zwar ſorgfaͤltig lebte; weil er nur von denen auf dem Gebuͤrge erkletterten Wurtzeln ſich [Spaltenumbruch] unterhielte; iedoch zwiſchen dieſem Mangel der hoͤchſten Vergnuͤgung genuͤſſe. Sintemahl man doch in dieſer Welt auch bey dem ſchein- barſten Wolſtande ſich mehr in wenigerm Elen- de/ als in vollkommener Gluͤckſeligkeit auff ent- hielte. Beydes ſo wol das Altar/ als dieſes ver- borgene Gebaͤue waͤre ein Gemaͤchte des Daͤ- dalus. Denn nach dem er/ wie beym Minos in Creta/ nach erbautem Jrrgarten; alſo bey dem Koͤnige Cocalus in Sicilien nach viel verfer- tigten Kunſt-Stuͤcken in Ungnade verfallen; haͤtte er ſich von Agrigent in dieſes damals noch unbewohnte/ und ziemliche Jahre hernach al- lererſt von einer Liguriſchen Hirtin Corſa durch Anleitung eines uͤberſchwimmenden Ochſen aus geſpuͤrte und beſetzte Eyland gefluͤchtet; und der Nachwelt zum Gedaͤchtnuͤs/ dem Cocalus aber zu Hohne dieſes Gebaͤue ausgehauen; als welches nicht nur an Feſtigkeit das von ihm bey der Stadt Camikum in Sicilien erbaute Schloß uͤbertraͤffe; in dem ein einiger Mann mit Herablaſſung eines leicht wieder durch ge- wiſſe Kunſt-Raͤder in dem engen Eingange aufheblichen Felſens aller Welt Gewalt auff- halten koͤnte; ſondern an Liebligkeit der kalten und warmen Brunnen/ die in dem Garten in wunderwuͤrdige Marmel-Keſſel eingefaſt wa- ren/ wie nichts minder der edlen Garten- Fruͤchte den Siciliſchen Bau wegſtaͤche. Jn- ſonderheit war nicht allein denckwuͤrdig zu ſchauen/ ſondern kam auch denen Kranckenden uͤberaus zu ſtatten/ die in einem Felß vom Daͤ- dalus gehauene Schweiß-Hoͤle; in welcher ſich noch viel geſuͤndere warme aus der Erden em- por ſteigende Duͤnſte verſamleten; und denen darinnen Schwitzenden die geſchwaͤchten Le- bens-Geiſter erquickten; als welche in dem Selimutiſchen Gebiete Siciliens ſich in die vom Daͤdalus vorher bereitete Hoͤle verſamletẽ/ und einen allzuſtarck ruͤchenden Schweffel mit ſich fuͤhrten. Endlich zeigte er ihnen auch ein Thuͤr-Geruͤſte zu einem unterirrdiſchen Gan- ge/ U u u u u u u 2
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Arminius und Thußnelda.
Thußnelda Segeſthen: daß Herrmann ihr ge-
ſtriger Erloͤſer/ dieſer Alte aber ihr gutthaͤtiger
Bewirther waͤre. Segeſthen giengen die Augen
uͤber/ und ſein Hertze ward hierdurch deroge-
ſtalt bewegt: daß er gegen den Fuͤrſten Herr-
mann von freyen Stuͤcken anhob: Er wuͤrde
nunmehr gewahr: daß es hoͤchſte Unvernunfft
waͤre ihm fuͤrſetzen durch menſchliches Abſehen
des Verhaͤngnuͤſſes Ziel zu verruͤcken. Dieſem-
nach er zwar ſeinen Fehler nicht umſtehen koͤn-
te: daß er mit denen Gedancken ſeine Tochter
dem Tiberius zu vermaͤhlen/ ſchwanger gegan-
gen waͤre. Nach dem aber er und ſeine Toch-
ter nunmehr ihm Leben und Freyheit zu dan-
cken genoͤthiget wuͤrden; wolte er dem durch
das Mittel obliegender Vergeltung ihn leiten-
dem Himmel gehorſamen; und alſo ſeine un-
wiederruffliche Einwilligung zu ſeiner und
Thußneldens Heyrath hiermit ertheilen; die-
ſem fremden Wolthaͤter aber inzwiſchen ſich zu
einem zwar dieſer Orten unvermoͤgenden doch
danckbaren Schuldner verbinden. Wie nun
Herrmann und Thußnelde dieſer annehmlich-
ſten Erklaͤrung halber Segeſthens Hand mit
tieffſter Demuͤthigung kuͤſten; alſo verband
dieſer Alte Segeſthen und den andern Kran-
cken abermahls ihre Wunden; brachte es auch
dahin: daß Segeſthes den dritten Tag ſich in
den im Mittel dieſes Wunder-Gebaͤues be-
findlichen Garten um friſche Lufft zu ſchoͤpffen
bringen ließ; darinnen beyde Verliebte mit de-
nen ſuͤſſeſten Unterredungen/ theils unter ſich
ſelbſt/ theils mit ihrem eyßgrauen Wirthe ih-
nen die Zeit verkuͤrtzten. Welcher in Anweſen-
heit des ſorgfaͤltigen Segeſthens erwehnte: daß
er des an dem Ufer des Meeres ſtehenden
Schutz-Altares gewiedmeter Prieſter waͤre/
und in dieſer Einſamkeit theils wegen der die-
ſem Orte zugeeigneter Heiligkeit/ theils wegen
ſeiner Armuth in dieſem ſonſt gefaͤhrlichen Or-
te zwar ſorgfaͤltig lebte; weil er nur von denen
auf dem Gebuͤrge erkletterten Wurtzeln ſich
unterhielte; iedoch zwiſchen dieſem Mangel der
hoͤchſten Vergnuͤgung genuͤſſe. Sintemahl
man doch in dieſer Welt auch bey dem ſchein-
barſten Wolſtande ſich mehr in wenigerm Elen-
de/ als in vollkommener Gluͤckſeligkeit auff ent-
hielte. Beydes ſo wol das Altar/ als dieſes ver-
borgene Gebaͤue waͤre ein Gemaͤchte des Daͤ-
dalus. Denn nach dem er/ wie beym Minos in
Creta/ nach erbautem Jrrgarten; alſo bey dem
Koͤnige Cocalus in Sicilien nach viel verfer-
tigten Kunſt-Stuͤcken in Ungnade verfallen;
haͤtte er ſich von Agrigent in dieſes damals noch
unbewohnte/ und ziemliche Jahre hernach al-
lererſt von einer Liguriſchen Hirtin Corſa durch
Anleitung eines uͤberſchwimmenden Ochſen
aus geſpuͤrte und beſetzte Eyland gefluͤchtet; und
der Nachwelt zum Gedaͤchtnuͤs/ dem Cocalus
aber zu Hohne dieſes Gebaͤue ausgehauen; als
welches nicht nur an Feſtigkeit das von ihm bey
der Stadt Camikum in Sicilien erbaute
Schloß uͤbertraͤffe; in dem ein einiger Mann
mit Herablaſſung eines leicht wieder durch ge-
wiſſe Kunſt-Raͤder in dem engen Eingange
aufheblichen Felſens aller Welt Gewalt auff-
halten koͤnte; ſondern an Liebligkeit der kalten
und warmen Brunnen/ die in dem Garten in
wunderwuͤrdige Marmel-Keſſel eingefaſt wa-
ren/ wie nichts minder der edlen Garten-
Fruͤchte den Siciliſchen Bau wegſtaͤche. Jn-
ſonderheit war nicht allein denckwuͤrdig zu
ſchauen/ ſondern kam auch denen Kranckenden
uͤberaus zu ſtatten/ die in einem Felß vom Daͤ-
dalus gehauene Schweiß-Hoͤle; in welcher ſich
noch viel geſuͤndere warme aus der Erden em-
por ſteigende Duͤnſte verſamleten; und denen
darinnen Schwitzenden die geſchwaͤchten Le-
bens-Geiſter erquickten; als welche in dem
Selimutiſchen Gebiete Siciliens ſich in die
vom Daͤdalus vorher bereitete Hoͤle verſamletẽ/
und einen allzuſtarck ruͤchenden Schweffel mit
ſich fuͤhrten. Endlich zeigte er ihnen auch ein
Thuͤr-Geruͤſte zu einem unterirrdiſchen Gan-
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Zitationshilfe: | Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 1259[1261]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1325>, abgerufen am 17.07.2024. |