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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Achtes Buch
[Spaltenumbruch] säuffen/ die übrigen Rottgesellen aufzusuchen;
und dem Tiberius befahl: daß er noch für Aben-
de aus Rom/ und biß auff fernere Verfügung
sich nach Capua begeben solte. Thußnelde krieg-
te noch selbigen Tag hiervon Wind/ und würck-
te diese ihre erfreuliche Zeitung mehr/ als alle
bißherige Artzneyen/ in dem sie des andern Ta-
ges schon so viel Kräfften hatte sich aus dem Bet-
te zu machen. Wormit auch der Kayser theils
Thusnelden aus fernerer Gefahr zu setzen/ und
dardurch bey denen Deutschen in keinen übeln
Nach klang verfallen; theils auch des Tiberius
mit ihr wieder sein anders Absehen angezielte
Heyrath unterbrechen möchte; ertheilte er dem
Fürsten Segesthes den dritten Tag seine Abfer-
tigung; und befahl ihm unter dem Scheine seines
Erlaubnüßes: daß er nach nunmehr genugsam
bewehrter Treue gegen die Römer seine Tochter
Thusnelde wieder mit in Deutschland nehmen
möchte. Livia/ welche von dem Abschied neh-
menden Tiberius noch auffs flehentlichste er-
sucht worden war/ ihn Thusneldens durch alle
eusserste Mittel fähig zu machen; erschrack hier-
über so sehr/ als wenn es um den Verlust ihrer
eigenen Buhlschafft zu thun wäre. Denn es
giebt so thörichte Mütter/ welche die Regungen
ihrer Söhne zweyfach in ihrem Hertzen fühlen/
und wieder die Natur sich in ihr eigen Ge-
schlechte verlieben. Weil sie sich nun nicht un-
terwinden dorffte dem hierinnen verdrüßlichen
Kayser einiges Wort einzureden/ bey Thus-
nelden aber nichts fruchtbarliches aus zurichten
getraute/ dachte sie auffs wenigste einen Nagel
in diesem Entwurffe zu befestigen/ und durch
Segesthens Verbindligkeit des Tiberius Liebe
und Hoffnung in gantzen zu erhalten. Nach dem
sie nun den Segesthes schon so weit aus genom-
men hatte: daß er durch nichts leichter/ als durch
den ihm fürgehaltenen Schatten der Ehre zu
bländen wäre/ stifftete sie den berühmten Stern-
seher Thrasyllus an/ Segesthen wahrzusagen:
daß er durch Hülffe des Tiberius der Deutschen
[Spaltenumbruch] Feldherr/ Thusnelde aber eine Römische Kay-
serin und Mutter vieler nachsolgenden Kayser
werden würde. Weil nun dieses Chaldeers
Worte bey nahe höher/ als des Apollo Wahr-
sagungen gehalten wurden; insonderheit aber
Tiberius ihm umständlich erzehlt hatte: wie alle
seine Andeutungen auf ein Haar eingetroffen/
er selbst zu Rhodus/ als er ihn wollen ins Meer
stürtzen/ sein ihm zuhängendes Unglücke aus
den Sternen wahr genommen; ja ihm bey Er-
sehung eines von ferne segelnden Schiffes an-
gedeutet hatte: daß selbtes ihm die von Livien zu
wege gebrachte Erlaub nüs wieder nach Rom
zu kehren mitbrächte; so nahm Segesthes auch
dieses betrüglichen Sternsehers erkaufften
Worte für einen unveränderlichen Schluß des
Verhäng nüßes auff. Sintemahl wol klügere
hierinnen geirret/ und nicht gewüst haben: daß
die dem Nothzwange der Gestirne beypflich-
tende und daraus wahrsagende Weißheit/ als
eine Närrin ins Krancken-Haus zu verdam-
men/ und mit eitel Niese-Wurtz zu speisen sey;
ja sich das menschliche Gemüthe in sein einge-
bildetes Glücke derogestalt verliebet: daß es
auch an sich selbst ungläubliche Sachen nicht
nur für möglich/ sondern für eine schon in Hän-
den habende Gewißheit annimmt. Massen
denn Segesthes durch seines Ehweibs Sentia
ehrsüchtige Rath gebungen/ und das Thrasyllus
Wahrsagung in seiner Hoffnung derogestalt
verhärtet ward: daß hernach weder Thusnel-
dens Thränen/ noch Hertzog Herrmanns
Wachsthum in Segesthens Hertzen des Tibe-
rius Heyrath/ noch Deutschlands auf den Herr-
mann fallende Wahl ihm die Hoffnung seines
Vaterlands Haupt zu werden/ benehmen kon-
te. Gleichwol nahm Segesthes und Thus-
nelde auff des Kaysers eigene Erinnerung den
zehenden Tag nach Hertzog Herrmanns Ab-
reise zu Rom Abschied; und segelte von Ostia
mit gutem Winde geraden Weges auf Galli-
en zu; allwo Segesthes in den Rhodan einzu-

lauffen/

Achtes Buch
[Spaltenumbruch] ſaͤuffen/ die uͤbrigen Rottgeſellen aufzuſuchen;
und dem Tiberius befahl: daß er noch fuͤr Aben-
de aus Rom/ und biß auff fernere Verfuͤgung
ſich nach Capua begeben ſolte. Thußnelde krieg-
te noch ſelbigen Tag hiervon Wind/ und wuͤrck-
te dieſe ihre erfreuliche Zeitung mehr/ als alle
bißherige Artzneyen/ in dem ſie des andern Ta-
ges ſchon ſo viel Kraͤfften hatte ſich aus dem Bet-
te zu machen. Wormit auch der Kayſer theils
Thusnelden aus fernerer Gefahr zu ſetzen/ und
dardurch bey denen Deutſchen in keinen uͤbeln
Nach klang verfallen; theils auch des Tiberius
mit ihr wieder ſein anders Abſehen angezielte
Heyrath unterbrechen moͤchte; ertheilte er dem
Fuͤrſten Segeſthes den dritten Tag ſeine Abfer-
tigung; uñ befahl ihm unter dem Scheine ſeines
Erlaubnuͤßes: daß er nach nunmehr genugſam
bewehrter Treue gegẽ die Roͤmer ſeine Tochter
Thusnelde wieder mit in Deutſchland nehmen
moͤchte. Livia/ welche von dem Abſchied neh-
menden Tiberius noch auffs flehentlichſte er-
ſucht worden war/ ihn Thusneldens durch alle
euſſerſte Mittel faͤhig zu machen; erſchrack hier-
uͤber ſo ſehr/ als wenn es um den Verluſt ihrer
eigenen Buhlſchafft zu thun waͤre. Denn es
giebt ſo thoͤrichte Muͤtter/ welche die Regungen
ihrer Soͤhne zweyfach in ihrem Hertzen fuͤhlen/
und wieder die Natur ſich in ihr eigen Ge-
ſchlechte verlieben. Weil ſie ſich nun nicht un-
terwinden dorffte dem hierinnen verdruͤßlichen
Kayſer einiges Wort einzureden/ bey Thus-
nelden aber nichts fruchtbarliches aus zurichten
getraute/ dachte ſie auffs wenigſte einen Nagel
in dieſem Entwurffe zu befeſtigen/ und durch
Segeſthens Verbindligkeit des Tiberius Liebe
und Hoffnung in gantzen zu erhalten. Nach dem
ſie nun den Segeſthes ſchon ſo weit aus genom-
men hatte: daß er durch nichts leichter/ als durch
den ihm fuͤrgehaltenen Schatten der Ehre zu
blaͤnden waͤꝛe/ ſtifftete ſie den beruͤhmten Steꝛn-
ſeher Thraſyllus an/ Segeſthen wahrzuſagen:
daß er durch Huͤlffe des Tiberius der Deutſchen
[Spaltenumbruch] Feldherr/ Thusnelde aber eine Roͤmiſche Kay-
ſerin und Mutter vieler nachſolgenden Kayſer
werden wuͤrde. Weil nun dieſes Chaldeers
Worte bey nahe hoͤher/ als des Apollo Wahr-
ſagungen gehalten wurden; inſonderheit aber
Tiberius ihm umſtaͤndlich erzehlt hatte: wie alle
ſeine Andeutungen auf ein Haar eingetroffen/
er ſelbſt zu Rhodus/ als er ihn wollen ins Meer
ſtuͤrtzen/ ſein ihm zuhaͤngendes Ungluͤcke aus
den Sternen wahr genommen; ja ihm bey Er-
ſehung eines von ferne ſegelnden Schiffes an-
gedeutet hatte: daß ſelbtes ihm die von Livien zu
wege gebrachte Erlaub nuͤs wieder nach Rom
zu kehren mitbraͤchte; ſo nahm Segeſthes auch
dieſes betruͤglichen Sternſehers erkaufften
Worte fuͤr einen unveraͤnderlichen Schluß des
Verhaͤng nuͤßes auff. Sintemahl wol kluͤgere
hierinnen geirret/ und nicht gewuͤſt haben: daß
die dem Nothzwange der Geſtirne beypflich-
tende und daraus wahrſagende Weißheit/ als
eine Naͤrrin ins Krancken-Haus zu verdam-
men/ und mit eitel Nieſe-Wurtz zu ſpeiſen ſey;
ja ſich das menſchliche Gemuͤthe in ſein einge-
bildetes Gluͤcke derogeſtalt verliebet: daß es
auch an ſich ſelbſt unglaͤubliche Sachen nicht
nur fuͤr moͤglich/ ſondern fuͤr eine ſchon in Haͤn-
den habende Gewißheit annimmt. Maſſen
denn Segeſthes durch ſeines Ehweibs Sentia
ehrſuͤchtige Rath gebungen/ und das Thraſyllus
Wahrſagung in ſeiner Hoffnung derogeſtalt
verhaͤrtet ward: daß hernach weder Thusnel-
dens Thraͤnen/ noch Hertzog Herrmanns
Wachsthum in Segeſthens Hertzen des Tibe-
rius Heyrath/ noch Deutſchlands auf den Herꝛ-
mann fallende Wahl ihm die Hoffnung ſeines
Vaterlands Haupt zu werden/ benehmen kon-
te. Gleichwol nahm Segeſthes und Thus-
nelde auff des Kayſers eigene Erinnerung den
zehenden Tag nach Hertzog Herrmanns Ab-
reiſe zu Rom Abſchied; und ſegelte von Oſtia
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[1256[1258]/1322] Achtes Buch ſaͤuffen/ die uͤbrigen Rottgeſellen aufzuſuchen; und dem Tiberius befahl: daß er noch fuͤr Aben- de aus Rom/ und biß auff fernere Verfuͤgung ſich nach Capua begeben ſolte. Thußnelde krieg- te noch ſelbigen Tag hiervon Wind/ und wuͤrck- te dieſe ihre erfreuliche Zeitung mehr/ als alle bißherige Artzneyen/ in dem ſie des andern Ta- ges ſchon ſo viel Kraͤfften hatte ſich aus dem Bet- te zu machen. Wormit auch der Kayſer theils Thusnelden aus fernerer Gefahr zu ſetzen/ und dardurch bey denen Deutſchen in keinen uͤbeln Nach klang verfallen; theils auch des Tiberius mit ihr wieder ſein anders Abſehen angezielte Heyrath unterbrechen moͤchte; ertheilte er dem Fuͤrſten Segeſthes den dritten Tag ſeine Abfer- tigung; uñ befahl ihm unter dem Scheine ſeines Erlaubnuͤßes: daß er nach nunmehr genugſam bewehrter Treue gegẽ die Roͤmer ſeine Tochter Thusnelde wieder mit in Deutſchland nehmen moͤchte. Livia/ welche von dem Abſchied neh- menden Tiberius noch auffs flehentlichſte er- ſucht worden war/ ihn Thusneldens durch alle euſſerſte Mittel faͤhig zu machen; erſchrack hier- uͤber ſo ſehr/ als wenn es um den Verluſt ihrer eigenen Buhlſchafft zu thun waͤre. Denn es giebt ſo thoͤrichte Muͤtter/ welche die Regungen ihrer Soͤhne zweyfach in ihrem Hertzen fuͤhlen/ und wieder die Natur ſich in ihr eigen Ge- ſchlechte verlieben. Weil ſie ſich nun nicht un- terwinden dorffte dem hierinnen verdruͤßlichen Kayſer einiges Wort einzureden/ bey Thus- nelden aber nichts fruchtbarliches aus zurichten getraute/ dachte ſie auffs wenigſte einen Nagel in dieſem Entwurffe zu befeſtigen/ und durch Segeſthens Verbindligkeit des Tiberius Liebe und Hoffnung in gantzen zu erhalten. Nach dem ſie nun den Segeſthes ſchon ſo weit aus genom- men hatte: daß er durch nichts leichter/ als durch den ihm fuͤrgehaltenen Schatten der Ehre zu blaͤnden waͤꝛe/ ſtifftete ſie den beruͤhmten Steꝛn- ſeher Thraſyllus an/ Segeſthen wahrzuſagen: daß er durch Huͤlffe des Tiberius der Deutſchen Feldherr/ Thusnelde aber eine Roͤmiſche Kay- ſerin und Mutter vieler nachſolgenden Kayſer werden wuͤrde. Weil nun dieſes Chaldeers Worte bey nahe hoͤher/ als des Apollo Wahr- ſagungen gehalten wurden; inſonderheit aber Tiberius ihm umſtaͤndlich erzehlt hatte: wie alle ſeine Andeutungen auf ein Haar eingetroffen/ er ſelbſt zu Rhodus/ als er ihn wollen ins Meer ſtuͤrtzen/ ſein ihm zuhaͤngendes Ungluͤcke aus den Sternen wahr genommen; ja ihm bey Er- ſehung eines von ferne ſegelnden Schiffes an- gedeutet hatte: daß ſelbtes ihm die von Livien zu wege gebrachte Erlaub nuͤs wieder nach Rom zu kehren mitbraͤchte; ſo nahm Segeſthes auch dieſes betruͤglichen Sternſehers erkaufften Worte fuͤr einen unveraͤnderlichen Schluß des Verhaͤng nuͤßes auff. Sintemahl wol kluͤgere hierinnen geirret/ und nicht gewuͤſt haben: daß die dem Nothzwange der Geſtirne beypflich- tende und daraus wahrſagende Weißheit/ als eine Naͤrrin ins Krancken-Haus zu verdam- men/ und mit eitel Nieſe-Wurtz zu ſpeiſen ſey; ja ſich das menſchliche Gemuͤthe in ſein einge- bildetes Gluͤcke derogeſtalt verliebet: daß es auch an ſich ſelbſt unglaͤubliche Sachen nicht nur fuͤr moͤglich/ ſondern fuͤr eine ſchon in Haͤn- den habende Gewißheit annimmt. Maſſen denn Segeſthes durch ſeines Ehweibs Sentia ehrſuͤchtige Rath gebungen/ und das Thraſyllus Wahrſagung in ſeiner Hoffnung derogeſtalt verhaͤrtet ward: daß hernach weder Thusnel- dens Thraͤnen/ noch Hertzog Herrmanns Wachsthum in Segeſthens Hertzen des Tibe- rius Heyrath/ noch Deutſchlands auf den Herꝛ- mann fallende Wahl ihm die Hoffnung ſeines Vaterlands Haupt zu werden/ benehmen kon- te. Gleichwol nahm Segeſthes und Thus- nelde auff des Kayſers eigene Erinnerung den zehenden Tag nach Hertzog Herrmanns Ab- reiſe zu Rom Abſchied; und ſegelte von Oſtia mit gutem Winde geraden Weges auf Galli- en zu; allwo Segeſthes in den Rhodan einzu- lauffen/

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 1256[1258]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1322>, abgerufen am 23.11.2024.