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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] fort: daß Tiberius sie zu dieser bösen That mit
Dräuen und Versprechungen angestifftet hät-
te. Worauff er ihm denn dieses Bekäntnüs
in einem nahe darbey gelegenen Fischer-Hause
schrifftlich ausfertigen muste; und damit sein
Leben errettete. Hertzog Herrmann war froh
über diesem glücklichen Ausschlage; insonder-
heit da der erforderte Wund-Artzt seiner zwey-
en Getreuen empfangene Wunden von keiner
Gefährligkeit zu seyn befand; er aber hierdurch
eine so wichtige Ursache erlangte beym Kayser
zu entschuldigen: daß er wegen eines so mächti-
gen Feindes/ als Tiberius wäre/ und der/ ver-
möge beygelegten Bekäntnüsses/ ihm so verrä-
therisch nachstellte/ nicht wieder nach Rom zu
kehren getrauet hätte. Sintemahl die Unschuld
selbst unter den Händen ihrer Feinde eine Ver-
brecherin würde; eines für Gefahr gewarnig-
ten Sicherheit aber ein Sterbens-würdiges
Laster wäre. Hierbey sagte er dem Kayser
Danck für so viel Gnade und Wolthaten; ihn
versichernde: daß/ so viel seine Ehre und die
Freyheit Deutschlands vertragen würde/ er ein
Freund Augustens und der Römer zu bleiben
gedächte. So bald Hertzog Herrmann dieses
Schreiben bestellt/ setzte er sich mit den Seinen
in ein nach Maßilien gleich abgehendes Jagt-
Schiff. Jnzwischen suchte Livia Thußnelden
in ihrer anhaltenden Leibes- oder vielmehr we-
gen Entfernung Hertzog Herrmanns sich ver-
grössernden Gemüths-Kranckheit heim; be-
zeugte gegen ihr das empfindlichste Mitleiden.
Und weil sie sonderlich über Hertz-Klopffen
klagte/ gab sie einer Cheruskischen Edel-Frau-
en/ welche Thußnelda bey sich hatte/ ein Gläß-
lein voll nach Ambra rüchenden Wassers; wel-
ches sie noch von dem berühmten Artzte Musa
bekommen hätte/ und Thußnelden wol zuschla-
gen würde. Diese treuhertzige Frau aber;
welcher Liviens Liebeswerbung nicht unbewust
war/ war so sorgfältig: daß sie Thußnelden kei-
ne Speise noch Artzney beybrachte/ die sie nicht
[Spaltenumbruch] vorher an ihr selbst versucht hatte. Als sie nun
auch von Liviens Ambra-Wasser nur drey
Tropffen in einem Löffel Wein gebraucht hat-
te/ ward sie im Haupte derogestalt verwirret:
daß sie dem Tiberius in den vom August der
Chalcidischen Minerva gewiedmeten Tempel
nachlieff/ und im Angesichte des Kaysers und
Liviens dem Tiberius um den Hals fiel/ ihm
wie eine Klette anhieng/ ihn küssete/ und mit
Noth von ihm loß zu machen und auf die Sei-
te zu bringen war. Nicht nur Livia/ welche
leicht den Uhrsprung dieser Wahnsinnigkeit
errathen konte; sondern auch Tiberius/ wel-
cher um das von einer berühmten Zauberin be-
reitete Wasser gute Wissenschafft hatte; sinte-
mahl er darzu einen Pusch seiner Haare und
das abgeschnittene von Nägeln hatte geben
müssen/ erschracken über diesem Zufalle dero ge-
stalt: daß der Kayser beyder Veränderung
dentlich warnahm/ und muthmaste: daß diß ei-
ne Würckung eines vielleicht für Thuß nelden
bereiteten Liebes-Tranckes wäre. Wie er denn
auch hernach von Thußnelden/ die hierüber
nicht nur eusserst bestürtzt/ sondern wegen ihres
gefährlichen Zustandes halb verzweiffelt ward/
erfuhr: daß die Streithorstin/ also hieß die
Frau/ nach Gebrauch dieses Wassers so wahn-
sinnig worden wäre. Welches Livien und den
Tiberius bey herfür blickendem Argwohne des
Kaysers so ferne verhitterte: daß jene von Thuß-
nelden mit empfindlichen Worten ihr Wasser
zurück fordern; dieser aber die Streithorstin als
ein unzüchtiges Weib anklagen; und in seinem
Hause/ wie hernach in gantz Rom/ die gewöhn-
lichen Empfang- und Gesegnungs-Küsse ver-
bieten ließ. Der Kayser schlug sich noch mit seinen
Gedancken; was er wegen des für Liebe halb
unsinnigen Tiberius entschlüssen solte; als ihm
des Herrmanns Schreiben wegen des vom
Tiberius angestiffteten Meuchel-Mords zu-
kam; das ihn denn derogestalt entrüstete: daß
er den zu Ostia gefangenen im Meere zu er-

säuffen/

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] fort: daß Tiberius ſie zu dieſer boͤſen That mit
Draͤuen und Verſprechungen angeſtifftet haͤt-
te. Worauff er ihm denn dieſes Bekaͤntnuͤs
in einem nahe darbey gelegenen Fiſcher-Hauſe
ſchrifftlich ausfertigen muſte; und damit ſein
Leben errettete. Hertzog Herrmann war froh
uͤber dieſem gluͤcklichen Ausſchlage; inſonder-
heit da der erforderte Wund-Artzt ſeiner zwey-
en Getreuen empfangene Wunden von keiner
Gefaͤhrligkeit zu ſeyn befand; er aber hierdurch
eine ſo wichtige Urſache erlangte beym Kayſer
zu entſchuldigen: daß er wegen eines ſo maͤchti-
gen Feindes/ als Tiberius waͤre/ und der/ ver-
moͤge beygelegten Bekaͤntnuͤſſes/ ihm ſo verraͤ-
theriſch nachſtellte/ nicht wieder nach Rom zu
kehren getrauet haͤtte. Sintemahl die Unſchuld
ſelbſt unter den Haͤnden ihrer Feinde eine Ver-
brecherin wuͤrde; eines fuͤr Gefahr gewarnig-
ten Sicherheit aber ein Sterbens-wuͤrdiges
Laſter waͤre. Hierbey ſagte er dem Kayſer
Danck fuͤr ſo viel Gnade und Wolthaten; ihn
verſichernde: daß/ ſo viel ſeine Ehre und die
Freyheit Deutſchlands vertragen wuͤrde/ er ein
Freund Auguſtens und der Roͤmer zu bleiben
gedaͤchte. So bald Hertzog Herrmann dieſes
Schreiben beſtellt/ ſetzte er ſich mit den Seinen
in ein nach Maßilien gleich abgehendes Jagt-
Schiff. Jnzwiſchen ſuchte Livia Thußnelden
in ihrer anhaltenden Leibes- oder vielmehr we-
gen Entfernung Hertzog Herrmanns ſich ver-
groͤſſernden Gemuͤths-Kranckheit heim; be-
zeugte gegen ihr das empfindlichſte Mitleiden.
Und weil ſie ſonderlich uͤber Hertz-Klopffen
klagte/ gab ſie einer Cheruskiſchen Edel-Frau-
en/ welche Thußnelda bey ſich hatte/ ein Glaͤß-
lein voll nach Ambra ruͤchenden Waſſers; wel-
ches ſie noch von dem beruͤhmten Artzte Muſa
bekommen haͤtte/ und Thußnelden wol zuſchla-
gen wuͤrde. Dieſe treuhertzige Frau aber;
welcher Liviens Liebeswerbung nicht unbewuſt
war/ war ſo ſorgfaͤltig: daß ſie Thußnelden kei-
ne Speiſe noch Artzney beybrachte/ die ſie nicht
[Spaltenumbruch] vorher an ihr ſelbſt verſucht hatte. Als ſie nun
auch von Liviens Ambra-Waſſer nur drey
Tropffen in einem Loͤffel Wein gebraucht hat-
te/ ward ſie im Haupte derogeſtalt verwirret:
daß ſie dem Tiberius in den vom Auguſt der
Chalcidiſchen Minerva gewiedmeten Tempel
nachlieff/ und im Angeſichte des Kayſers und
Liviens dem Tiberius um den Hals fiel/ ihm
wie eine Klette anhieng/ ihn kuͤſſete/ und mit
Noth von ihm loß zu machen und auf die Sei-
te zu bringen war. Nicht nur Livia/ welche
leicht den Uhrſprung dieſer Wahnſinnigkeit
errathen konte; ſondern auch Tiberius/ wel-
cher um das von einer beruͤhmten Zauberin be-
reitete Waſſer gute Wiſſenſchafft hatte; ſinte-
mahl er darzu einen Puſch ſeiner Haare und
das abgeſchnittene von Naͤgeln hatte geben
muͤſſen/ erſchracken uͤber dieſem Zufalle dero ge-
ſtalt: daß der Kayſer beyder Veraͤnderung
dentlich warnahm/ und muthmaſte: daß diß ei-
ne Wuͤrckung eines vielleicht fuͤr Thuß nelden
bereiteten Liebes-Tranckes waͤre. Wie er denn
auch hernach von Thußnelden/ die hieruͤber
nicht nur euſſerſt beſtuͤrtzt/ ſondern wegen ihres
gefaͤhrlichen Zuſtandes halb verzweiffelt ward/
erfuhr: daß die Streithorſtin/ alſo hieß die
Frau/ nach Gebrauch dieſes Waſſers ſo wahn-
ſinnig worden waͤre. Welches Livien und den
Tiberius bey herfuͤr blickendem Argwohne des
Kayſers ſo ferne verhitterte: daß jene von Thuß-
nelden mit empfindlichen Worten ihr Waſſer
zuruͤck fordern; dieſer aber die Streithorſtin als
ein unzuͤchtiges Weib anklagen; und in ſeinem
Hauſe/ wie hernach in gantz Rom/ die gewoͤhn-
lichen Empfang- und Geſegnungs-Kuͤſſe ver-
bietẽ ließ. Der Kayſer ſchlug ſich noch mit ſeinen
Gedancken; was er wegen des fuͤr Liebe halb
unſinnigen Tiberius entſchluͤſſen ſolte; als ihm
des Herrmanns Schreiben wegen des vom
Tiberius angeſtiffteten Meuchel-Mords zu-
kam; das ihn denn derogeſtalt entruͤſtete: daß
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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 1255[1257]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1321>, abgerufen am 23.11.2024.