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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] abzukühlen verlangte/ ihre erstere Meynung
verließ und seiner Gedancken ward: daß er noch
zu Rom bleiben/ und seinem Vetter Jngviomer
inzwischen die Beobachtung seiner Länder an-
vertrauen solte. Wie denn auch der Kayser ihm
nach etlichen Tagen selbst den Tod seines Va-
ters vermeldete; und andeutete: Er möchte zu
Rom bleiben/ biß Tiberius zurück käme/ und er
den wahren Zustand Deutschlands vernähme/
also deßhalben mit ihm ein sicheres Abkommen
treffen könte.

Hertzog Herrmann theilte bey dieser Be-
schaffenheit gleichsam sein Hertze; in dem die ei-
ne Helffte sich an der Gewogenheit Thußnel-
dens erquickte/ die andere aber sich über dem
Nothstande seiner Unterthanen schier zu Tode
grämete. Hierüber kam Tiberius und Se-
gesthes nach Rom; bey welchem letztern sich
Hertzog Herrmann durch seine unver gleichliche
Leibes- und Gemüths-Gaben; insonderheit a-
ber durch die Erklärung: daß er bey so verwirr-
tem Zustande Deutschlands Segesthen/ als ei-
nem Fürsten des Cheruskischen Hauses/ die
Feldhauptmannschafft für allen Fremden von
Hertzen gönnte/ derogestalt einliebte: daß er ihm
nicht nur versprach beym Kayser sein Wort aufs
beste zu reden/ und die Herrschafft über seine vä-
terliche Länder zu wege zu bringen; sondern
auch hernach/ als August Segesthen noch zuvor
kam/ und vermerckte: wie er den um ihn so sehr
verdienten Hertzog Herrmann allerdings zum
Besitzer der Cheruskischen Länder wissen wolte/
ihm seine Tochter Thußnelda zu mehrer Befe-
stigung ihrer alten Freundschafft zu vermählen
antrug. Und dieses zwar geschahe eben selbi-
gen Tag/ als August ihm andeutete: daß er mit
Segesthen zu Beherrschung seines Erbtheils
nunmehr in Deutschland verreisen möchte; und/
wenn er denen Feinden der Römer keinen Bey-
stand leistete/ als er von ihm sich keines Weges
versähe; wäre Sentius Saturnin noch befeh-
licht ihm wieder alle Cheruskische Feinde hülff-
[Spaltenumbruch] bar zu seyn. Hertzog Herrmann/ wie groß sein
Gemüthe gleich war/ vermochte diese zweyfache
Glückseligkeit kaum zu begreiffen; Sintemahl
er Thußneldens Besitzthum weit höher/ als die
Beherrschung der gantzen Welt schätzte. Thuß-
nelda ward ebenfalls von Segesthen über der
angezielten Heyrath vernommen; welche denn
dem Willen ihres Vaters zu gehorsamen ohne
einige Bedingung sich erklärte; weil sie hier-
durch nichts minder die höchste Vergnügligkeit
der Welt; und wornach ihre Seele zeither in ge-
heim geseuffzet hatte/ zu überkommen hoffte.

Alleine/ wie ins gemein eine grosse Windstil-
le ein Vorbothe eines grossen Ungewitters ist;
also ward der diese zwey Verliebten anblickende
Sonnenschein bald in eine schwartze Betrübnüs-
Wolcke verwandelt. Gleich als wenn das Ver-
hängnüs auch denen tugendhafftesten Gemü-
thern nicht zutraute: daß selbte nicht bey unun-
terbrochener Glückseligkeit solten in Wollüste
versenckt/ und wie der zärteste Alabaster von so
vielen Thau - Tropffen anlachender Anmuth
flüßig gemacht werden; oder weil es vor hatte
durch den Vorschmack so vieler Bitterkeiten die
letztere Annehmligkeit so viel mehr zu verzuckern.
Tiberius kriegte in dem Tempel der Venus/
welchen Pompejus über seinen Schauplatz ge-
bauet hatte/ die schöne Fürstin Thußnelda das
erste mahl zu Gesichte. Dieser Anblick verwirrte
anfangs seine Augen: daß sie nicht zu unterschei-
den wusten: ob sie einen Menschen/ oder die Göt-
tin solchen Heiligthums erkieseten; bald hierauf
aber nahm er sein Gemüthe derogestalt ein: daß
er sich für geendigtem Opffer entfernen/ Lirien
aber bekennen muste: daß er ausser Thußnelden
kein Frauenzimmer nimmermehr seines Bey-
schlaffs/ weniger seiner Liebe/ am wenigsten sei-
nes Ehbettes würdigen wolte. Von welcher
Heftigkeit der Liebe Tiberius so gar erkranckte/
sonderlich/ als sich mit ihr die Eyversucht ver-
einbarte/ und Tiberius durch seine Kundschaff-
ter die Heimligkeit erforschte: daß Thußnelda

schon
Erster Theil. T t t t t t t

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] abzukuͤhlen verlangte/ ihre erſtere Meynung
verließ und ſeiner Gedancken ward: daß er noch
zu Rom bleiben/ und ſeinem Vetter Jngviomer
inzwiſchen die Beobachtung ſeiner Laͤnder an-
vertrauen ſolte. Wie denn auch der Kayſer ihm
nach etlichen Tagen ſelbſt den Tod ſeines Va-
ters vermeldete; und andeutete: Er moͤchte zu
Rom bleiben/ biß Tiberius zuruͤck kaͤme/ und er
den wahren Zuſtand Deutſchlands vernaͤhme/
alſo deßhalben mit ihm ein ſicheres Abkommen
treffen koͤnte.

Hertzog Herrmann theilte bey dieſer Be-
ſchaffenheit gleichſam ſein Hertze; in dem die ei-
ne Helffte ſich an der Gewogenheit Thußnel-
dens erquickte/ die andere aber ſich uͤber dem
Nothſtande ſeiner Unterthanen ſchier zu Tode
graͤmete. Hieruͤber kam Tiberius und Se-
geſthes nach Rom; bey welchem letztern ſich
Hertzog Herrmann durch ſeine unver gleichliche
Leibes- und Gemuͤths-Gaben; inſonderheit a-
ber durch die Erklaͤrung: daß er bey ſo verwirr-
tem Zuſtande Deutſchlands Segeſthen/ als ei-
nem Fuͤrſten des Cheruskiſchen Hauſes/ die
Feldhauptmannſchafft fuͤr allen Fremden von
Hertzen goͤnnte/ derogeſtalt einliebte: daß er ihm
nicht nur verſprach beym Kayſer ſein Wort aufs
beſte zu reden/ und die Herrſchafft uͤber ſeine vaͤ-
terliche Laͤnder zu wege zu bringen; ſondern
auch hernach/ als Auguſt Segeſthen noch zuvor
kam/ und vermerckte: wie er den um ihn ſo ſehr
verdienten Hertzog Herrmann allerdings zum
Beſitzer der Cheruskiſchen Laͤnder wiſſen wolte/
ihm ſeine Tochter Thußnelda zu mehrer Befe-
ſtigung ihrer alten Freundſchafft zu vermaͤhlen
antrug. Und dieſes zwar geſchahe eben ſelbi-
gen Tag/ als Auguſt ihm andeutete: daß er mit
Segeſthen zu Beherrſchung ſeines Erbtheils
nunmehr in Deutſchland verreiſen moͤchte; und/
wenn er denen Feinden der Roͤmer keinen Bey-
ſtand leiſtete/ als er von ihm ſich keines Weges
verſaͤhe; waͤre Sentius Saturnin noch befeh-
licht ihm wieder alle Cheruskiſche Feinde huͤlff-
[Spaltenumbruch] bar zu ſeyn. Hertzog Herrmann/ wie groß ſein
Gemuͤthe gleich war/ vermochte dieſe zweyfache
Gluͤckſeligkeit kaum zu begreiffen; Sintemahl
er Thußneldens Beſitzthum weit hoͤher/ als die
Beherrſchung der gantzen Welt ſchaͤtzte. Thuß-
nelda ward ebenfalls von Segeſthen uͤber der
angezielten Heyrath vernommen; welche denn
dem Willen ihres Vaters zu gehorſamen ohne
einige Bedingung ſich erklaͤrte; weil ſie hier-
durch nichts minder die hoͤchſte Vergnuͤgligkeit
der Welt; und wornach ihre Seele zeither in ge-
heim geſeuffzet hatte/ zu uͤberkommen hoffte.

Alleine/ wie ins gemein eine groſſe Windſtil-
le ein Vorbothe eines groſſen Ungewitters iſt;
alſo ward der dieſe zwey Verliebten anblickende
Soñenſchein bald in eine ſchwartze Betruͤbnuͤs-
Wolcke verwandelt. Gleich als wenn das Ver-
haͤngnuͤs auch denen tugendhaffteſten Gemuͤ-
thern nicht zutraute: daß ſelbte nicht bey unun-
terbrochener Gluͤckſeligkeit ſolten in Wolluͤſte
verſenckt/ und wie der zaͤrteſte Alabaſter von ſo
vielen Thau - Tropffen anlachender Anmuth
fluͤßig gemacht werden; oder weil es vor hatte
durch den Vorſchmack ſo vieler Bitterkeiten die
letztere Añehmligkeit ſo viel mehr zu verzuckern.
Tiberius kriegte in dem Tempel der Venus/
welchen Pompejus uͤber ſeinen Schauplatz ge-
bauet hatte/ die ſchoͤne Fuͤrſtin Thußnelda das
erſte mahl zu Geſichte. Dieſer Anblick verwirꝛte
anfangs ſeine Augen: daß ſie nicht zu unterſchei-
den wuſten: ob ſie einen Menſchen/ oder die Goͤt-
tin ſolchen Heiligthums erkieſeten; bald hierauf
aber nahm er ſein Gemuͤthe derogeſtalt ein: daß
er ſich fuͤr geendigtem Opffer entfernen/ Lirien
aber bekennen muſte: daß er auſſer Thußnelden
kein Frauenzimmer nimmermehr ſeines Bey-
ſchlaffs/ weniger ſeiner Liebe/ am wenigſten ſei-
nes Ehbettes wuͤrdigen wolte. Von welcher
Heftigkeit der Liebe Tiberius ſo gar erkranckte/
ſonderlich/ als ſich mit ihr die Eyverſucht ver-
einbarte/ und Tiberius durch ſeine Kundſchaff-
ter die Heimligkeit erforſchte: daß Thußnelda

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Erſter Theil. T t t t t t t
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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 1249[1251]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1315>, abgerufen am 23.11.2024.