Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Achtes Buch [Spaltenumbruch]
güldener Berge heraus gestriechen; iedoch nichtszu erhalten vermocht; sondern nur von Segi- mern zur Antwort bekommen: daß er lieber sei- nen Sohn in Band und Eisen/ als sein Va- terland dienstbar wissen; auch ehe sterben/ als sein Land von der Gnade eines Ausländers be- sitzen wolte. Zu letzt hätte Tiberius in einem Schreiben ihm noch angeboten: daß/ wenn er nur ruhig bleiben/ und denen Caninefaten und Attuariern keine Hülffe leisten wolte; der Kay- ser ihm wieder die Quaden unter seine Bot- mäßigkeit lieffern/ und den Vannius seines Reiches entsetzen wolte. Uber Erbrechung dieses Schreibens wäre Hertzog Segimer au- genblicklich über einen Hauffen gefallen/ hätte im gantzen Leibe eine übernatürliche Hitze be- kommen; also: daß sein Verstand alsofort wäre verwirret/ und nach dreyen Stunden/ unge- achtet aller Artzney-Mittel/ sein Helden-Geist aus dem Gefängnüsse des sterblichen Leibes zu grossem Betrübnüs gantz Deutschlands befrey- et worden. Daher man nicht anders schlüssen könte/ denn daß dieser Brieff mit einem flü- genden und überaus hefftigen Giffte müsse seyn angestäubt gewest. Er hätte zwar inzwischen/ als nechster Anverwandter/ statt seiner bey den Cheruskern ein und andere gute Anstalt ma- chen/ und denen bedrängten Deutschen mit ze- hen tausend Cheruskern Beystand leisten wol- len; allein dem erstern hätten sich etliche herrsch- süchtige Köpffe entgegen gesetzt/ die grosse Macht des Tiberius aber die Bructerer und Cherusker über die Weser zu weichen; wie auch Segodun und die Cattenburg zu verlassen. Al- so stünden nun die Cherusker in höchster Be- kümmernüs und Verwirrung; wüsten sich auch auff keinen andern Ancker/ als alleine auf ihn/ als ihre noch einige Hoffnung/ zu verlassen. Hertzog Herrmann ward über solcher Todes- Art seines Volckes und dem Nothstande seines Volckes so wehmüthig: daß ihm etliche Thrä- nen auf Jngviomers Brieff fielen. Sintemahl [Spaltenumbruch] doch auch die Helden nicht Hertzen aus Ertzt/ und Augen aus Diamant haben. Vom Kayser Urlaub zu nehmen/ schiene nach der zwischen den Römern und Cheruskern auffs neue entstandener Feindschafft so viel mehr gefährlich; ins geheim zu entweichen wäre nicht allein ein undanckbares Mißtrauen/ sondern schiene auch seinem Treu und Glau- ben abbrüchig zu seyn; welches die redli- chen Deutschen ihrem Leben weit vorsetzten. Weil nun Hertzog Herrmann bald anfangs/ als er gefangen einbracht ward/ dem Kayser sein Wort: ohne seinen Willen nir gendshin zu ent- weichen/ gegeben/ August aber den Fürsten Herrmann dessen nie ausdrücklich erlassen hat- te; standen ihm diese erhebliche Bedencken al- lerdinges im Wege seinen Vortheil zu ersehen; und sich aus des Kaysers Gewalt zu ziehen. Denn ob wol denen festgesetzten Gefangenen das Recht der Flucht in alle Wege zustehet; lei- det doch diß einen Absatz; wenn ein Gefange- ner mit nichts gewaltsamen/ sondern allein mit seinem Angelöbnüs zu bleiben beschrenckt wird. Ob nun wol Hertzog Herrmanns gantzer Zu- stand samt seiner Gefangenschafft durch seine in Armenien geleistete Kriegs-Dienste/ und sei- ne zu Rom erworbene Würden verändert zu seyn schien/ hielt er doch die Hoheit der Fürsten an ihr selbst für unveränderlich; und ihr Wort so hoch: daß desselbten Beobachtung keinen spitzfindigen Absatz vertrüge; und ein Fürst Treu und Glauben zu halten verbunden sey; wo gleich einem Niedrigen über die Schnure zu hauen übersehen werden könte. Denn wenn Treue und Auffrichtigkeit gleich in der gantzen Welt verschwinde; solte sie doch in den Hertzen eines Fürsten ihre Wohnstatt behalten. Diese Bedencken hielt er auffs neue seiner geliebten Thußnelde für/ welche denn entweder ihrer Wichtigkeit halber/ oder weil das in ihren Her- tzen sich ielänger ie mehr vergrössernde Liebes- Feuer an seiner annehmlichen Anwesenheit abzu-
Achtes Buch [Spaltenumbruch]
guͤldener Beꝛge heraus geſtriechen; iedoch nichtszu erhalten vermocht; ſondern nur von Segi- mern zur Antwort bekommen: daß er lieber ſei- nen Sohn in Band und Eiſen/ als ſein Va- terland dienſtbar wiſſen; auch ehe ſterben/ als ſein Land von der Gnade eines Auslaͤnders be- ſitzen wolte. Zu letzt haͤtte Tiberius in einem Schreiben ihm noch angeboten: daß/ wenn er nur ruhig bleiben/ und denen Caninefaten und Attuariern keine Huͤlffe leiſten wolte; der Kay- ſer ihm wieder die Quaden unter ſeine Bot- maͤßigkeit lieffern/ und den Vannius ſeines Reiches entſetzen wolte. Uber Erbrechung dieſes Schreibens waͤre Hertzog Segimer au- genblicklich uͤber einen Hauffen gefallen/ haͤtte im gantzen Leibe eine uͤbernatuͤrliche Hitze be- kommen; alſo: daß ſein Verſtand alſofort waͤre verwirret/ und nach dreyen Stunden/ unge- achtet aller Artzney-Mittel/ ſein Helden-Geiſt aus dem Gefaͤngnuͤſſe des ſterblichen Leibes zu groſſem Betruͤbnuͤs gantz Deutſchlands befrey- et worden. Daher man nicht anders ſchluͤſſen koͤnte/ denn daß dieſer Brieff mit einem fluͤ- genden und uͤberaus hefftigen Giffte muͤſſe ſeyn angeſtaͤubt geweſt. Er haͤtte zwar inzwiſchen/ als nechſter Anverwandter/ ſtatt ſeiner bey den Cheruskern ein und andere gute Anſtalt ma- chen/ und denen bedraͤngten Deutſchen mit ze- hen tauſend Cheruskern Beyſtand leiſten wol- len; allein dem erſtern haͤtten ſich etliche herꝛſch- ſuͤchtige Koͤpffe entgegen geſetzt/ die groſſe Macht des Tiberius aber die Bructerer und Cherusker uͤber die Weſer zu weichen; wie auch Segodun und die Cattenburg zu verlaſſen. Al- ſo ſtuͤnden nun die Cherusker in hoͤchſter Be- kuͤmmernuͤs und Verwirrung; wuͤſten ſich auch auff keinen andern Ancker/ als alleine auf ihn/ als ihre noch einige Hoffnung/ zu verlaſſen. Hertzog Herrmann ward uͤber ſolcher Todes- Art ſeines Volckes und dem Nothſtande ſeines Volckes ſo wehmuͤthig: daß ihm etliche Thraͤ- nen auf Jngviomers Brieff fielen. Sintemahl [Spaltenumbruch] doch auch die Helden nicht Hertzen aus Ertzt/ und Augen aus Diamant haben. Vom Kayſer Urlaub zu nehmen/ ſchiene nach der zwiſchen den Roͤmern und Cheruskern auffs neue entſtandener Feindſchafft ſo viel mehr gefaͤhrlich; ins geheim zu entweichen waͤre nicht allein ein undanckbares Mißtrauen/ ſondern ſchiene auch ſeinem Treu und Glau- ben abbruͤchig zu ſeyn; welches die redli- chen Deutſchen ihrem Leben weit vorſetzten. Weil nun Hertzog Herrmann bald anfangs/ als er gefangen einbracht ward/ dem Kayſer ſein Wort: ohne ſeinen Willen nir gendshin zu ent- weichen/ gegeben/ Auguſt aber den Fuͤrſten Herrmann deſſen nie ausdruͤcklich erlaſſen hat- te; ſtanden ihm dieſe erhebliche Bedencken al- lerdinges im Wege ſeinen Vortheil zu erſehen; und ſich aus des Kayſers Gewalt zu ziehen. Denn ob wol denen feſtgeſetzten Gefangenen das Recht der Flucht in alle Wege zuſtehet; lei- det doch diß einen Abſatz; wenn ein Gefange- ner mit nichts gewaltſamen/ ſondern allein mit ſeinem Angeloͤbnuͤs zu bleiben beſchrenckt wird. Ob nun wol Hertzog Herrmanns gantzer Zu- ſtand ſamt ſeiner Gefangenſchafft durch ſeine in Armenien geleiſtete Kriegs-Dienſte/ und ſei- ne zu Rom erworbene Wuͤrden veraͤndert zu ſeyn ſchien/ hielt er doch die Hoheit der Fuͤrſten an ihr ſelbſt fuͤr unveraͤnderlich; und ihr Wort ſo hoch: daß deſſelbten Beobachtung keinen ſpitzfindigen Abſatz vertruͤge; und ein Fuͤrſt Treu und Glauben zu halten verbunden ſey; wo gleich einem Niedrigen uͤber die Schnure zu hauen uͤberſehen werden koͤnte. Denn wenn Treue und Auffrichtigkeit gleich in der gantzen Welt verſchwinde; ſolte ſie doch in den Hertzen eines Fuͤrſten ihre Wohnſtatt behalten. Dieſe Bedencken hielt er auffs neue ſeiner geliebten Thußnelde fuͤr/ welche denn entweder ihrer Wichtigkeit halber/ oder weil das in ihren Her- tzen ſich ielaͤnger ie mehr vergroͤſſernde Liebes- Feuer an ſeiner annehmlichen Anweſenheit abzu-
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Achtes Buch
guͤldener Beꝛge heraus geſtriechen; iedoch nichts
zu erhalten vermocht; ſondern nur von Segi-
mern zur Antwort bekommen: daß er lieber ſei-
nen Sohn in Band und Eiſen/ als ſein Va-
terland dienſtbar wiſſen; auch ehe ſterben/ als
ſein Land von der Gnade eines Auslaͤnders be-
ſitzen wolte. Zu letzt haͤtte Tiberius in einem
Schreiben ihm noch angeboten: daß/ wenn er
nur ruhig bleiben/ und denen Caninefaten und
Attuariern keine Huͤlffe leiſten wolte; der Kay-
ſer ihm wieder die Quaden unter ſeine Bot-
maͤßigkeit lieffern/ und den Vannius ſeines
Reiches entſetzen wolte. Uber Erbrechung
dieſes Schreibens waͤre Hertzog Segimer au-
genblicklich uͤber einen Hauffen gefallen/ haͤtte
im gantzen Leibe eine uͤbernatuͤrliche Hitze be-
kommen; alſo: daß ſein Verſtand alſofort waͤre
verwirret/ und nach dreyen Stunden/ unge-
achtet aller Artzney-Mittel/ ſein Helden-Geiſt
aus dem Gefaͤngnuͤſſe des ſterblichen Leibes zu
groſſem Betruͤbnuͤs gantz Deutſchlands befrey-
et worden. Daher man nicht anders ſchluͤſſen
koͤnte/ denn daß dieſer Brieff mit einem fluͤ-
genden und uͤberaus hefftigen Giffte muͤſſe ſeyn
angeſtaͤubt geweſt. Er haͤtte zwar inzwiſchen/
als nechſter Anverwandter/ ſtatt ſeiner bey den
Cheruskern ein und andere gute Anſtalt ma-
chen/ und denen bedraͤngten Deutſchen mit ze-
hen tauſend Cheruskern Beyſtand leiſten wol-
len; allein dem erſtern haͤtten ſich etliche herꝛſch-
ſuͤchtige Koͤpffe entgegen geſetzt/ die groſſe
Macht des Tiberius aber die Bructerer und
Cherusker uͤber die Weſer zu weichen; wie auch
Segodun und die Cattenburg zu verlaſſen. Al-
ſo ſtuͤnden nun die Cherusker in hoͤchſter Be-
kuͤmmernuͤs und Verwirrung; wuͤſten ſich auch
auff keinen andern Ancker/ als alleine auf ihn/
als ihre noch einige Hoffnung/ zu verlaſſen.
Hertzog Herrmann ward uͤber ſolcher Todes-
Art ſeines Volckes und dem Nothſtande ſeines
Volckes ſo wehmuͤthig: daß ihm etliche Thraͤ-
nen auf Jngviomers Brieff fielen. Sintemahl
doch auch die Helden nicht Hertzen aus Ertzt/
und Augen aus Diamant haben. Vom
Kayſer Urlaub zu nehmen/ ſchiene nach der
zwiſchen den Roͤmern und Cheruskern auffs
neue entſtandener Feindſchafft ſo viel mehr
gefaͤhrlich; ins geheim zu entweichen waͤre
nicht allein ein undanckbares Mißtrauen/
ſondern ſchiene auch ſeinem Treu und Glau-
ben abbruͤchig zu ſeyn; welches die redli-
chen Deutſchen ihrem Leben weit vorſetzten.
Weil nun Hertzog Herrmann bald anfangs/
als er gefangen einbracht ward/ dem Kayſer ſein
Wort: ohne ſeinen Willen nir gendshin zu ent-
weichen/ gegeben/ Auguſt aber den Fuͤrſten
Herrmann deſſen nie ausdruͤcklich erlaſſen hat-
te; ſtanden ihm dieſe erhebliche Bedencken al-
lerdinges im Wege ſeinen Vortheil zu erſehen;
und ſich aus des Kayſers Gewalt zu ziehen.
Denn ob wol denen feſtgeſetzten Gefangenen
das Recht der Flucht in alle Wege zuſtehet; lei-
det doch diß einen Abſatz; wenn ein Gefange-
ner mit nichts gewaltſamen/ ſondern allein mit
ſeinem Angeloͤbnuͤs zu bleiben beſchrenckt wird.
Ob nun wol Hertzog Herrmanns gantzer Zu-
ſtand ſamt ſeiner Gefangenſchafft durch ſeine
in Armenien geleiſtete Kriegs-Dienſte/ und ſei-
ne zu Rom erworbene Wuͤrden veraͤndert zu
ſeyn ſchien/ hielt er doch die Hoheit der Fuͤrſten
an ihr ſelbſt fuͤr unveraͤnderlich; und ihr Wort
ſo hoch: daß deſſelbten Beobachtung keinen
ſpitzfindigen Abſatz vertruͤge; und ein Fuͤrſt
Treu und Glauben zu halten verbunden ſey;
wo gleich einem Niedrigen uͤber die Schnure
zu hauen uͤberſehen werden koͤnte. Denn wenn
Treue und Auffrichtigkeit gleich in der gantzen
Welt verſchwinde; ſolte ſie doch in den Hertzen
eines Fuͤrſten ihre Wohnſtatt behalten. Dieſe
Bedencken hielt er auffs neue ſeiner geliebten
Thußnelde fuͤr/ welche denn entweder ihrer
Wichtigkeit halber/ oder weil das in ihren Her-
tzen ſich ielaͤnger ie mehr vergroͤſſernde Liebes-
Feuer an ſeiner annehmlichen Anweſenheit
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Zitationshilfe: | Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 1248[1250]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1314>, abgerufen am 17.07.2024. |