Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Achtes Buch [Spaltenumbruch]
schon dem Fürsten Herrmann ihr Hertze geeig-net hatte. Daher Livia genöthigt ward ihm hierinnen hülffbare Hand zu leisten; ungeachtet sie alles ausländische Frauen-Zimmer für ihren allbereit zum Kayserthume bestimmten Sohn viel zu geringe/ oder doch ihrem Absehen nicht vorträglich/ ja den Kayser solcher Heyrath selbst wiedrig schätzte. Nach dem sie nun durch viel kräftige Vertröstungen seiner erstern Schwach- heit mercklich abgeholffen hatte; beredete sie mit dem Tiberius: daß er beym Fürsten Sege- sthes/ Livia bey Thußnelden ohne einigen Um- schweiff sein Wort anbringen solte; in Mey- nung: daß beyde dieses ungemeine Glücke mit beyden Händen umarmen würden. Weil ih- ren Gedancken nach der Pöfel nur nach Lie- be/ Fürsten aber nach ihrem Vortheil heyrathe- ten. Tiberius richtete durch seinen ersten Vor- trag bey dem Ehrsüchtigen Segesthes so viel aus: daß er ihm zu willfahren sich allerdings verknipffte/ wenn er anders sich seines dem Hertzog Herrmann bereit gegebenen Jaworts mit Ehren entbrechen könte. Dieses war der einige Rügel/ welcher nicht so bald aus dem Hertzen dieses von seiner Geburts-Art sonst ziemlich entfernten Deutschen wegschüben zu lassen möglich schien. Sintemahl doch die ver- änderten Gemüther nichts minder/ als die in fremde Länder versetzten Gewächse noch allezeit etwas von der Eigenschafft ihres Uhrsprungs behalten müsten. Alleine Segesthens hoch- müthige Gemahlin Sentia war nicht nur Meisterin über ihres Ehmanns Hertz; son dern auch über die Natur; brachte es also unter dem Schein: daß Vermöge der Römischen Gese- tze/ denen er sich in der Stadt Rom allerdings bequemen müste/ auch würcklich vollzogene Vermählungen aus geringern Ursachen auff- lößlich/ die Staats-Gesetze auch aller Ver- wandschafft; die Vergrösserung seines Ge- schlechtes allem andern Absehen überlegen wären; so weit: daß Segesthes den dritten [Spaltenumbruch] Tag seine Tochter dem Tiberius zu verlo- ben versprach. Viel anders aber lieff es auf Liviens Seiten ab. Denn Thußnelde setzte ihrer Heyraths-Werbung entgegen: daß des Tiberius wie anderer so grosser Leute Liebe ins gemein Schertz oder Versuchung wäre; und sie ihr von ihm so viel weniger Zuneigung ein- zubilden hätte; weil die liebreitzende Julia ihn zu vergnügen viel zu kalt gewest wäre; nach ih- rer Ehtrennung aber er ein Gelübde kein Weib mehr zu heyrathen gethan hätte. Diesemnach sie sich denn für seine Gemahlin zu geringe/ für sein Kebsweib zu vornehm schätzte. Als aber Livia mit grossen Betheuerungen sie seiner eh- lichen Liebe versicherte; schützte sie für: daß ih- rer beyder Vermählung ihrem Geschlechte nachtheilig/ dem Tiberius aber noch schädlicher seyn würde. Denn ihrer seits würde diese Ver- knipffung ihrem Vater/ welchen ohne diß seine Sentia allen Deutschen verdächtig machte/ den ärgsten Haß ihres Vaterlandes auff den Halß ziehen; Tiberius aber nichts minder als Antonius durch Cleopatrens Heyrath sich der Römischen Herrschafft verlustig machen. Sin- temahl die Römer nichts unleidlicher/ als frem- den Frauenzimmers Hoheit in Rom vertragen könten. Livia bemühte sich zwar eusserst ihr diese Bedencken auszureden/ und einzuhalten: wie Kayser Julius mit der Königin Cleopatra und Eunöe so verträulich gelebt/ August des König Cotisons Tochter zu heyrathen für gehabt hätte; insonderheit aber nunmehr des Römi- schen Kayserthums Verfassung so feste gesetzt wäre: daß kein Mensch das Hertze hätte des Kaysers Liebe oder anderes Thun zu recht- sertigen. Alleine Thußnelda sagte Livien rund heraus: daß sie dem Fürsten Herrmann bereit verlobt wäre; und also in ihrer Gewalt nicht stünde auch dem grösten Herrscher der Welt mit dem zu betheilen/ was sie schon diesem Helden mit ihres Vaters Willen zugeeignet hätte. Hiermit muste Livia für dißmahl abziehen. Wie sie
Achtes Buch [Spaltenumbruch]
ſchon dem Fuͤrſten Herrmann ihr Hertze geeig-net hatte. Daher Livia genoͤthigt ward ihm hierinnen huͤlffbare Hand zu leiſten; ungeachtet ſie alles auslaͤndiſche Frauen-Zimmer fuͤr ihren allbereit zum Kayſerthume beſtimmten Sohn viel zu geringe/ oder doch ihrem Abſehen nicht vortraͤglich/ ja den Kayſer ſolcher Heyrath ſelbſt wiedrig ſchaͤtzte. Nach dem ſie nun durch viel kraͤftige Vertroͤſtungen ſeiner erſteꝛn Schwach- heit mercklich abgeholffen hatte; beredete ſie mit dem Tiberius: daß er beym Fuͤrſten Sege- ſthes/ Livia bey Thußnelden ohne einigen Um- ſchweiff ſein Wort anbringen ſolte; in Mey- nung: daß beyde dieſes ungemeine Gluͤcke mit beyden Haͤnden umarmen wuͤrden. Weil ih- ren Gedancken nach der Poͤfel nur nach Lie- be/ Fuͤrſten aber nach ihrem Vortheil heyrathe- ten. Tiberius richtete durch ſeinen erſten Vor- trag bey dem Ehrſuͤchtigen Segeſthes ſo viel aus: daß er ihm zu willfahren ſich allerdings verknipffte/ wenn er anders ſich ſeines dem Hertzog Herrmann bereit gegebenen Jaworts mit Ehren entbrechen koͤnte. Dieſes war der einige Ruͤgel/ welcher nicht ſo bald aus dem Hertzen dieſes von ſeiner Geburts-Art ſonſt ziemlich entfernten Deutſchen wegſchuͤben zu laſſen moͤglich ſchien. Sintemahl doch die ver- aͤnderten Gemuͤther nichts minder/ als die in fremde Laͤnder verſetzten Gewaͤchſe noch allezeit etwas von der Eigenſchafft ihres Uhrſprungs behalten muͤſten. Alleine Segeſthens hoch- muͤthige Gemahlin Sentia war nicht nur Meiſterin uͤber ihres Ehmanns Hertz; ſon dern auch uͤber die Natur; brachte es alſo unter dem Schein: daß Vermoͤge der Roͤmiſchen Geſe- tze/ denen er ſich in der Stadt Rom allerdings bequemen muͤſte/ auch wuͤrcklich vollzogene Vermaͤhlungen aus geringern Urſachen auff- loͤßlich/ die Staats-Geſetze auch aller Ver- wandſchafft; die Vergroͤſſerung ſeines Ge- ſchlechtes allem andern Abſehen uͤberlegen waͤren; ſo weit: daß Segeſthes den dritten [Spaltenumbruch] Tag ſeine Tochter dem Tiberius zu verlo- ben verſprach. Viel anders aber lieff es auf Liviens Seiten ab. Denn Thußnelde ſetzte ihrer Heyraths-Werbung entgegen: daß des Tiberius wie anderer ſo groſſer Leute Liebe ins gemein Schertz oder Verſuchung waͤre; und ſie ihr von ihm ſo viel weniger Zuneigung ein- zubilden haͤtte; weil die liebreitzende Julia ihn zu vergnuͤgen viel zu kalt geweſt waͤre; nach ih- rer Ehtrennung aber er ein Geluͤbde kein Weib mehr zu heyrathen gethan haͤtte. Dieſemnach ſie ſich denn fuͤr ſeine Gemahlin zu geringe/ fuͤr ſein Kebsweib zu vornehm ſchaͤtzte. Als aber Livia mit groſſen Betheuerungen ſie ſeiner eh- lichen Liebe verſicherte; ſchuͤtzte ſie fuͤr: daß ih- rer beyder Vermaͤhlung ihrem Geſchlechte nachtheilig/ dem Tiberius aber noch ſchaͤdlicher ſeyn wuͤrde. Denn ihrer ſeits wuͤrde dieſe Ver- knipffung ihrem Vater/ welchen ohne diß ſeine Sentia allen Deutſchen verdaͤchtig machte/ den aͤrgſten Haß ihres Vaterlandes auff den Halß ziehen; Tiberius aber nichts minder als Antonius durch Cleopatrens Heyrath ſich der Roͤmiſchen Herrſchafft verluſtig machen. Sin- temahl die Roͤmer nichts unleidlicher/ als frem- den Frauenzimmers Hoheit in Rom vertragen koͤnten. Livia bemuͤhte ſich zwar euſſerſt ihr dieſe Bedencken auszureden/ und einzuhalten: wie Kayſer Julius mit der Koͤnigin Cleopatra und Eunoͤe ſo vertraͤulich gelebt/ Auguſt des Koͤnig Cotiſons Tochter zu heyrathen fuͤr gehabt haͤtte; inſonderheit aber nunmehr des Roͤmi- ſchen Kayſerthums Verfaſſung ſo feſte geſetzt waͤre: daß kein Menſch das Hertze haͤtte des Kayſers Liebe oder anderes Thun zu recht- ſertigen. Alleine Thußnelda ſagte Livien rund heraus: daß ſie dem Fuͤrſten Herrmann bereit verlobt waͤre; und alſo in ihrer Gewalt nicht ſtuͤnde auch dem groͤſten Herrſcher der Welt mit dem zu betheilen/ was ſie ſchon dieſem Helden mit ihres Vaters Willen zugeeignet haͤtte. Hiermit muſte Livia fuͤr dißmahl abziehen. Wie ſie
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Achtes Buch
ſchon dem Fuͤrſten Herrmann ihr Hertze geeig-
net hatte. Daher Livia genoͤthigt ward ihm
hierinnen huͤlffbare Hand zu leiſten; ungeachtet
ſie alles auslaͤndiſche Frauen-Zimmer fuͤr ihren
allbereit zum Kayſerthume beſtimmten Sohn
viel zu geringe/ oder doch ihrem Abſehen nicht
vortraͤglich/ ja den Kayſer ſolcher Heyrath ſelbſt
wiedrig ſchaͤtzte. Nach dem ſie nun durch viel
kraͤftige Vertroͤſtungen ſeiner erſteꝛn Schwach-
heit mercklich abgeholffen hatte; beredete ſie mit
dem Tiberius: daß er beym Fuͤrſten Sege-
ſthes/ Livia bey Thußnelden ohne einigen Um-
ſchweiff ſein Wort anbringen ſolte; in Mey-
nung: daß beyde dieſes ungemeine Gluͤcke mit
beyden Haͤnden umarmen wuͤrden. Weil ih-
ren Gedancken nach der Poͤfel nur nach Lie-
be/ Fuͤrſten aber nach ihrem Vortheil heyrathe-
ten. Tiberius richtete durch ſeinen erſten Vor-
trag bey dem Ehrſuͤchtigen Segeſthes ſo viel
aus: daß er ihm zu willfahren ſich allerdings
verknipffte/ wenn er anders ſich ſeines dem
Hertzog Herrmann bereit gegebenen Jaworts
mit Ehren entbrechen koͤnte. Dieſes war der
einige Ruͤgel/ welcher nicht ſo bald aus dem
Hertzen dieſes von ſeiner Geburts-Art ſonſt
ziemlich entfernten Deutſchen wegſchuͤben zu
laſſen moͤglich ſchien. Sintemahl doch die ver-
aͤnderten Gemuͤther nichts minder/ als die in
fremde Laͤnder verſetzten Gewaͤchſe noch allezeit
etwas von der Eigenſchafft ihres Uhrſprungs
behalten muͤſten. Alleine Segeſthens hoch-
muͤthige Gemahlin Sentia war nicht nur
Meiſterin uͤber ihres Ehmanns Hertz; ſon dern
auch uͤber die Natur; brachte es alſo unter dem
Schein: daß Vermoͤge der Roͤmiſchen Geſe-
tze/ denen er ſich in der Stadt Rom allerdings
bequemen muͤſte/ auch wuͤrcklich vollzogene
Vermaͤhlungen aus geringern Urſachen auff-
loͤßlich/ die Staats-Geſetze auch aller Ver-
wandſchafft; die Vergroͤſſerung ſeines Ge-
ſchlechtes allem andern Abſehen uͤberlegen
waͤren; ſo weit: daß Segeſthes den dritten
Tag ſeine Tochter dem Tiberius zu verlo-
ben verſprach. Viel anders aber lieff es auf
Liviens Seiten ab. Denn Thußnelde ſetzte
ihrer Heyraths-Werbung entgegen: daß des
Tiberius wie anderer ſo groſſer Leute Liebe ins
gemein Schertz oder Verſuchung waͤre; und
ſie ihr von ihm ſo viel weniger Zuneigung ein-
zubilden haͤtte; weil die liebreitzende Julia ihn
zu vergnuͤgen viel zu kalt geweſt waͤre; nach ih-
rer Ehtrennung aber er ein Geluͤbde kein Weib
mehr zu heyrathen gethan haͤtte. Dieſemnach
ſie ſich denn fuͤr ſeine Gemahlin zu geringe/ fuͤr
ſein Kebsweib zu vornehm ſchaͤtzte. Als aber
Livia mit groſſen Betheuerungen ſie ſeiner eh-
lichen Liebe verſicherte; ſchuͤtzte ſie fuͤr: daß ih-
rer beyder Vermaͤhlung ihrem Geſchlechte
nachtheilig/ dem Tiberius aber noch ſchaͤdlicher
ſeyn wuͤrde. Denn ihrer ſeits wuͤrde dieſe Ver-
knipffung ihrem Vater/ welchen ohne diß ſeine
Sentia allen Deutſchen verdaͤchtig machte/
den aͤrgſten Haß ihres Vaterlandes auff den
Halß ziehen; Tiberius aber nichts minder als
Antonius durch Cleopatrens Heyrath ſich der
Roͤmiſchen Herrſchafft verluſtig machen. Sin-
temahl die Roͤmer nichts unleidlicher/ als frem-
den Frauenzimmers Hoheit in Rom vertragen
koͤnten. Livia bemuͤhte ſich zwar euſſerſt ihr
dieſe Bedencken auszureden/ und einzuhalten:
wie Kayſer Julius mit der Koͤnigin Cleopatra
und Eunoͤe ſo vertraͤulich gelebt/ Auguſt des
Koͤnig Cotiſons Tochter zu heyrathen fuͤr gehabt
haͤtte; inſonderheit aber nunmehr des Roͤmi-
ſchen Kayſerthums Verfaſſung ſo feſte geſetzt
waͤre: daß kein Menſch das Hertze haͤtte des
Kayſers Liebe oder anderes Thun zu recht-
ſertigen. Alleine Thußnelda ſagte Livien rund
heraus: daß ſie dem Fuͤrſten Herrmann bereit
verlobt waͤre; und alſo in ihrer Gewalt nicht
ſtuͤnde auch dem groͤſten Herrſcher der Welt mit
dem zu betheilen/ was ſie ſchon dieſem Helden
mit ihres Vaters Willen zugeeignet haͤtte.
Hiermit muſte Livia fuͤr dißmahl abziehen. Wie
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