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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Achtes Buch
[Spaltenumbruch] der seiner Reise am Wege läge/ den er aber auf
die Seite zu räumen sich nicht überwünden
könte. Thußnelden war dieser tunckele Ein-
wurff zwar etwas nachdencklich; iedoch hatte
sie ihre Unterredung schon so vertiefft: daß sie
nicht vorbey konte nach diesem Hindernüße zu
fragen. Herrmann färbte sich hierüber/ und
antwortete nach einem kurtzen Stillschweigen
und Seuffzer: Vollkommenste Thußnelda/
mein blosses Stillschweigen ist schon Redner
genung meines Schmertzens/ iedoch begreifft
es in dem/ daß ich nichts sage/ bey weitem nicht
alles/ was meine Seele in ihr empfindet. Thuß-
nelda stellte sich; als wenn sie seine Meynung
gar nicht verstünde/ und antwortete: Es wäre
unschwer zu ermessen: daß das Schweigen kei-
nen richtigen Abdruck der Gedanckenab geben
könte; nach dem so gar die Sprache ein unvoll-
kommenes Nachgemählde des Gemüthes wä-
re. Sie glaubte wol: daß nichts schlechtes sei-
ne Entschlüssung hemmete; alleine solchen Hel-
den müsten auch Klippen aus dem Wege tre-
ten. Alle Unterfangungen in Zentner-Sa-
chen dörfften ein Loth Vermässenheit; und die
Rathschläge wären zuweilen denselben Ge-
wächsen gleich zu halten/ die man nicht müste
lassen reiff werden. Denn wie diese mit ihrer
Säuerkeit den angenehmsten Geschmack mach-
ten; also schlügen frühe und unreiffe Schlüsse
offt glückseliger aus/ als die man gleichsam durch
allzusor gfältige Ausbrütung verärgerte. Her-
tzog Herrmann fieng hierauff mit einem freu-
digen Gesichte an: Er würde sich niemahls un-
terwunden haben ihr mit eröffneter Hindernüs
seine innerliche Wunden zu entdecken; wenn
sie nicht der Vermässenheit selbst das Wort ge-
redet; und ihm dardurch zwar seine Beschwer-
de nicht zu erleichtern; iedoch seiner innerli-
chen Glut durch diese Ausrauchung ein wenig
Lufft zu machen Anlaß gegeben hätte. Sein
Anliegen wäre dieses grosse: daß er von einer so
vollkommenen Fürstin so viel; an ihm selbst a-
[Spaltenumbruch] ber so wenig Vergnügen findete; welches hin-
gegen ihr einlges Belieben an ihm geben könte.
Gleichwol aber hielte er diese seine Regung ihm
mehr für eine Ehre/ als für ein Leiden; weil er
dardurch den Ruhm erlangte: daß er fähig wä-
re nichts minder eine so grosse Pein auszuste-
hen; als nichts anders/ denn die gröste Voll-
kommenheit lieb zu gewinnen. Thußnelde
röthete über diesen letzten Worten ihre ohne diß
denen frischen Morgen-Rosen gleiche Wan-
gen/ und versetzte ihm lächelnde: Sie wüste gar
wol ihre Gebrechen/ und die Art so höflicher
Fürsten; welche meistentheils ihrer gemeinsten
Verbindligkeit den Nahmen einer so hefftigen
Liebesregung gäben; in Meynung: daß das
Frauen-Zimmer sich nichts minder/ als ein-
fältige Kinder an den Schalen der Sachen zu
belustigen pflegte. Sie nehme es inzwischen
entweder für einen Schertz auf; oder vergnüg-
te sich mit der blossen Wolgewogenheit eines so
vollkommenen Fürsten. Herrmann versetzte:
Es wäre nichts minder eine Art der empfind-
lichsten Grausamkeit einen Krancken überre-
den: daß er gesund sey; und das hefftigste Feuer
der Liebe einen zu Wasser machen wollen; als
eine Verdoppelung der Pein; wenn man diese
gewaltsame Gl[u]t in der Höle des Hertzens zu
erstecken trachtete. Mit dem letztern hätte er
sich zeither fast zu tode gequälet; daher hoffte er:
ihre Gütigkeit würde nicht verhängen: daß die
Entdeckung seiner inbrünstigsten Liebe ihm nur
deßwegen den Lebens-Athem erhalten hätte;
wormit er durch ihre Unbarmhertzigkeit in eus-
serste Verzweifelung versetzt würde. Jhm wäre
nicht unbekandt: daß die Liebe nichts minder
als Epheu ohne einige Wartung das gröste
Wachsthum erlangte; ja daß sie eben so durch
Verachtung wie glüende Steine durch ange-
spritztes Wasser mehr erhitzet würden; aber
seine Liebe überstiege ohne diß die Grösse aller
andern/ und seine Seele wäre geschickter ein-
geäschert/ als mehr angezündet zu werden.

Dem

Achtes Buch
[Spaltenumbruch] der ſeiner Reiſe am Wege laͤge/ den er aber auf
die Seite zu raͤumen ſich nicht uͤberwuͤnden
koͤnte. Thußnelden war dieſer tunckele Ein-
wurff zwar etwas nachdencklich; iedoch hatte
ſie ihre Unterredung ſchon ſo vertiefft: daß ſie
nicht vorbey konte nach dieſem Hindernuͤße zu
fragen. Herrmann faͤrbte ſich hieruͤber/ und
antwortete nach einem kurtzen Stillſchweigen
und Seuffzer: Vollkommenſte Thußnelda/
mein bloſſes Stillſchweigen iſt ſchon Redner
genung meines Schmertzens/ iedoch begreifft
es in dem/ daß ich nichts ſage/ bey weitem nicht
alles/ was meine Seele in ihr empfindet. Thuß-
nelda ſtellte ſich; als wenn ſie ſeine Meynung
gar nicht verſtuͤnde/ und antwortete: Es waͤre
unſchwer zu ermeſſen: daß das Schweigen kei-
nen richtigen Abdruck der Gedanckenab geben
koͤnte; nach dem ſo gar die Sprache ein unvoll-
kommenes Nachgemaͤhlde des Gemuͤthes waͤ-
re. Sie glaubte wol: daß nichts ſchlechtes ſei-
ne Entſchluͤſſung hemmete; alleine ſolchen Hel-
den muͤſten auch Klippen aus dem Wege tre-
ten. Alle Unterfangungen in Zentner-Sa-
chen doͤrfften ein Loth Vermaͤſſenheit; und die
Rathſchlaͤge waͤren zuweilen denſelben Ge-
waͤchſen gleich zu halten/ die man nicht muͤſte
laſſen reiff werden. Denn wie dieſe mit ihrer
Saͤuerkeit den angenehmſten Geſchmack mach-
ten; alſo ſchluͤgen fruͤhe und unreiffe Schluͤſſe
offt gluͤckſeliger aus/ als die man gleichſam duꝛch
allzuſor gfaͤltige Ausbruͤtung veraͤrgerte. Her-
tzog Herrmann fieng hierauff mit einem freu-
digen Geſichte an: Er wuͤrde ſich niemahls un-
terwunden haben ihr mit eroͤffneter Hindernuͤs
ſeine innerliche Wunden zu entdecken; wenn
ſie nicht der Vermaͤſſenheit ſelbſt das Wort ge-
redet; und ihm dardurch zwar ſeine Beſchwer-
de nicht zu erleichtern; iedoch ſeiner innerli-
chen Glut durch dieſe Ausrauchung ein wenig
Lufft zu machen Anlaß gegeben haͤtte. Sein
Anliegen waͤre dieſes groſſe: daß er von einer ſo
vollkommenen Fuͤrſtin ſo viel; an ihm ſelbſt a-
[Spaltenumbruch] ber ſo wenig Vergnuͤgen findete; welches hin-
gegen ihr einlges Belieben an ihm geben koͤnte.
Gleichwol aber hielte er dieſe ſeine Regung ihm
mehr fuͤr eine Ehre/ als fuͤr ein Leiden; weil er
dardurch den Ruhm erlangte: daß er faͤhig waͤ-
re nichts minder eine ſo groſſe Pein auszuſte-
hen; als nichts anders/ denn die groͤſte Voll-
kommenheit lieb zu gewinnen. Thußnelde
roͤthete uͤber dieſen letzten Worten ihre ohne diß
denen friſchen Morgen-Roſen gleiche Wan-
gen/ und verſetzte ihm laͤchelnde: Sie wuͤſte gar
wol ihre Gebrechen/ und die Art ſo hoͤflicher
Fuͤrſten; welche meiſtentheils ihrer gemeinſten
Verbindligkeit den Nahmen einer ſo hefftigen
Liebesregung gaͤben; in Meynung: daß das
Frauen-Zimmer ſich nichts minder/ als ein-
faͤltige Kinder an den Schalen der Sachen zu
beluſtigen pflegte. Sie nehme es inzwiſchen
entweder fuͤr einen Schertz auf; oder vergnuͤg-
te ſich mit der bloſſen Wolgewogenheit eines ſo
vollkommenen Fuͤrſten. Herrmann verſetzte:
Es waͤre nichts minder eine Art der empfind-
lichſten Grauſamkeit einen Krancken uͤberre-
den: daß er geſund ſey; und das hefftigſte Feuer
der Liebe einen zu Waſſer machen wollen; als
eine Verdoppelung der Pein; wenn man dieſe
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erſtecken trachtete. Mit dem letztern haͤtte er
ſich zeither faſt zu tode gequaͤlet; daher hoffte er:
ihre Guͤtigkeit wuͤrde nicht verhaͤngen: daß die
Entdeckung ſeiner inbruͤnſtigſten Liebe ihm nur
deßwegen den Lebens-Athem erhalten haͤtte;
wormit er durch ihre Unbarmhertzigkeit in euſ-
ſerſte Verzweifelung verſetzt wuͤrde. Jhm waͤre
nicht unbekandt: daß die Liebe nichts minder
als Epheu ohne einige Wartung das groͤſte
Wachsthum erlangte; ja daß ſie eben ſo durch
Verachtung wie gluͤende Steine durch ange-
ſpritztes Waſſer mehr erhitzet wuͤrden; aber
ſeine Liebe uͤberſtiege ohne diß die Groͤſſe aller
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[1246[1248]/1312] Achtes Buch der ſeiner Reiſe am Wege laͤge/ den er aber auf die Seite zu raͤumen ſich nicht uͤberwuͤnden koͤnte. Thußnelden war dieſer tunckele Ein- wurff zwar etwas nachdencklich; iedoch hatte ſie ihre Unterredung ſchon ſo vertiefft: daß ſie nicht vorbey konte nach dieſem Hindernuͤße zu fragen. Herrmann faͤrbte ſich hieruͤber/ und antwortete nach einem kurtzen Stillſchweigen und Seuffzer: Vollkommenſte Thußnelda/ mein bloſſes Stillſchweigen iſt ſchon Redner genung meines Schmertzens/ iedoch begreifft es in dem/ daß ich nichts ſage/ bey weitem nicht alles/ was meine Seele in ihr empfindet. Thuß- nelda ſtellte ſich; als wenn ſie ſeine Meynung gar nicht verſtuͤnde/ und antwortete: Es waͤre unſchwer zu ermeſſen: daß das Schweigen kei- nen richtigen Abdruck der Gedanckenab geben koͤnte; nach dem ſo gar die Sprache ein unvoll- kommenes Nachgemaͤhlde des Gemuͤthes waͤ- re. Sie glaubte wol: daß nichts ſchlechtes ſei- ne Entſchluͤſſung hemmete; alleine ſolchen Hel- den muͤſten auch Klippen aus dem Wege tre- ten. Alle Unterfangungen in Zentner-Sa- chen doͤrfften ein Loth Vermaͤſſenheit; und die Rathſchlaͤge waͤren zuweilen denſelben Ge- waͤchſen gleich zu halten/ die man nicht muͤſte laſſen reiff werden. Denn wie dieſe mit ihrer Saͤuerkeit den angenehmſten Geſchmack mach- ten; alſo ſchluͤgen fruͤhe und unreiffe Schluͤſſe offt gluͤckſeliger aus/ als die man gleichſam duꝛch allzuſor gfaͤltige Ausbruͤtung veraͤrgerte. Her- tzog Herrmann fieng hierauff mit einem freu- digen Geſichte an: Er wuͤrde ſich niemahls un- terwunden haben ihr mit eroͤffneter Hindernuͤs ſeine innerliche Wunden zu entdecken; wenn ſie nicht der Vermaͤſſenheit ſelbſt das Wort ge- redet; und ihm dardurch zwar ſeine Beſchwer- de nicht zu erleichtern; iedoch ſeiner innerli- chen Glut durch dieſe Ausrauchung ein wenig Lufft zu machen Anlaß gegeben haͤtte. Sein Anliegen waͤre dieſes groſſe: daß er von einer ſo vollkommenen Fuͤrſtin ſo viel; an ihm ſelbſt a- ber ſo wenig Vergnuͤgen findete; welches hin- gegen ihr einlges Belieben an ihm geben koͤnte. Gleichwol aber hielte er dieſe ſeine Regung ihm mehr fuͤr eine Ehre/ als fuͤr ein Leiden; weil er dardurch den Ruhm erlangte: daß er faͤhig waͤ- re nichts minder eine ſo groſſe Pein auszuſte- hen; als nichts anders/ denn die groͤſte Voll- kommenheit lieb zu gewinnen. Thußnelde roͤthete uͤber dieſen letzten Worten ihre ohne diß denen friſchen Morgen-Roſen gleiche Wan- gen/ und verſetzte ihm laͤchelnde: Sie wuͤſte gar wol ihre Gebrechen/ und die Art ſo hoͤflicher Fuͤrſten; welche meiſtentheils ihrer gemeinſten Verbindligkeit den Nahmen einer ſo hefftigen Liebesregung gaͤben; in Meynung: daß das Frauen-Zimmer ſich nichts minder/ als ein- faͤltige Kinder an den Schalen der Sachen zu beluſtigen pflegte. Sie nehme es inzwiſchen entweder fuͤr einen Schertz auf; oder vergnuͤg- te ſich mit der bloſſen Wolgewogenheit eines ſo vollkommenen Fuͤrſten. Herrmann verſetzte: Es waͤre nichts minder eine Art der empfind- lichſten Grauſamkeit einen Krancken uͤberre- den: daß er geſund ſey; und das hefftigſte Feuer der Liebe einen zu Waſſer machen wollen; als eine Verdoppelung der Pein; wenn man dieſe gewaltſame Glut in der Hoͤle des Hertzens zu erſtecken trachtete. Mit dem letztern haͤtte er ſich zeither faſt zu tode gequaͤlet; daher hoffte er: ihre Guͤtigkeit wuͤrde nicht verhaͤngen: daß die Entdeckung ſeiner inbruͤnſtigſten Liebe ihm nur deßwegen den Lebens-Athem erhalten haͤtte; wormit er durch ihre Unbarmhertzigkeit in euſ- ſerſte Verzweifelung verſetzt wuͤrde. Jhm waͤre nicht unbekandt: daß die Liebe nichts minder als Epheu ohne einige Wartung das groͤſte Wachsthum erlangte; ja daß ſie eben ſo durch Verachtung wie gluͤende Steine durch ange- ſpritztes Waſſer mehr erhitzet wuͤrden; aber ſeine Liebe uͤberſtiege ohne diß die Groͤſſe aller andern/ und ſeine Seele waͤre geſchickter ein- geaͤſchert/ als mehr angezuͤndet zu werden. Dem

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 1246[1248]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1312>, abgerufen am 23.11.2024.