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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Achtes Buch
[Spaltenumbruch] zu beschauen. Wie sie nun dahin kam/ fieng
sie mit wäßrichten Augen an: Großmüthiger
Herrmann und liebster Vetter; ich muß mich
bald anfangs dieses Titels gebrauchen; wormit
er theils so viel weniger über meiner Verträu-
ligkeit sich wundere; theils meiner Auffrichtig-
keit so viel mehr Glauben gebe. Jch bin Se-
gesthens Tochter; den das Verhängnüs Sa-
turnins Tochter Sentia zu heyrathen/ diese a-
ber ihn verleitet hat/ mich zu einer Römischen
Geißel zu machen. Wolte aber GOtt! ich
hätte mit ihr nur eine Stieff-Mutter; Deutsch-
land an ihm keinen Stieff-Vater bekommen!
Alleine leider lich erfahre: daß wenn das Ver-
hängnüs iemanden zu verterben beschlossen
hat/ läst es ihn anfangs von Vernunfft oder
gar von Sinnen kommen. Denn Segesthes;
welcher für die Freyheit Deutschlandes so viel
mahl sein Leben gewagt; so viel Blut verspri-
tzet/ lässet nunmehr allem Ansehen nach die
Hand sincken/ und hilfft sein Vaterland selbst
denen Römern dienstbar machen; gleich als
wenn er mit der Zeit nicht auch würde einen
Knecht der Römer abgeben müssen. Unsere
schlauen Feinde verleiten ihn mit Vertröstung
der Deutschen Feld-Hauptmannschafft; da er
doch erwegen solte/ mit was Unrecht solche dem
Fürsten Herrmann entzogen; und wie August
Segesthen hieran nichts/ als den Schatten
enträumen; das Hefft aber über das einmahl
überwundene Deutschland keinem andern aus-
händigen werde. Er lege nicht übel aus/ ver-
trauter Herrmann/ meine freymüthige Her-
tzens-Ausschüttung. Denn die Liebe des Va-
terlandes überwiegt die/ welche man den El-
tern schuldig ist. Ja zu bezeugen: daß ich sei-
nem Rechte mehr/ als dem Wachsthume mei-
nes Geschlechtes wol wolle; so werde ich ge-
zwungen ihm die traurige Zeitung zu bringen:
daß der einige Pfeiler der Deutschen Frey-
heit/ nehmlich sein Vater der hochverdiente
[Spaltenumbruch] Feldherr Segimer verfallen und todt sey. Jch
weiß wol: daß das Trauren einem frischen
Schmertze allerdings nicht unanständig sey;
aber das Heil des Vaterlandes/ die Erhaltung
seines Volcks/ und die Hoheit seines Standes
erfordern dißmahl von ihm trockene Au-
gen/ reiffen Rath/ und eine hertzhaffte Ent-
schlüssung. Jch bin ohne diß versichert: daß
diesen Verlust sein Geblüte zwar nicht gar un-
empfindlich/ sein grosses Gemüthe aber nicht
weibisch aufnehmen; weniger seine Klugheit es
gäntzlich in Wind schlagen; sondern die Sor-
ge dem Vaterlande zu helffen das kräfftigste
Hülffs-Mittel wieder dieses Betrübnüs seyn
werde. Hertzog Herrmann hörte Thußnel-
den mit unverwendeten Augen/ und unverän-
dertem Antlitze an; so lange sie redete. Als sie
aber beschloß; fiel er auff das eine Knie/ umar-
mete Thußneldens/ die diß zu verwehren ver-
gebens sich bemühte; und fieng an: Jch würde
den Tod meines Vaters nachdrücklicher zu be-
trauren haben; wenn das gütige Verhängnüs
diesen Verlust nicht durch das Geschäncke ei-
ner so vollkommenen Freundin ergäntzt/ und
Deutschland mit einer so grossen Schutz-Göt-
tin versorgt hätte. Die Noth und der Be-
fehl derselben; in welcher Hand das Verhäng-
nüs mein Glück und Unglück vertrauet hat/
erfordert freylich/ mein Bekümmernüs nicht
für eine todte Leiche/ sondern für die Erhaltung
des kranckenden Vaterlandes anzugewehren.
Aber die übermäßigen Wolthaten der Fürstin
Thußnelda verbinden mich so wol als Deutsch-
land/ nicht alle Kräfften dorthin und zu seinem
eigenen Besten; sondern zum minsten die Helf-
te zu einem unver geßlichen Danck-Maale ge-
gen sie als unsern Schutz-Stern anzuwenden;
dessen holden Anblick das scheiternde Vater-
land nichts minder/ als ich kluger Wegweisung
bedürfftig bin. Thußnelde/ welche ohne diß
diese nachdenckliche Demüthigung nicht gerne

ihr/

Achtes Buch
[Spaltenumbruch] zu beſchauen. Wie ſie nun dahin kam/ fieng
ſie mit waͤßrichten Augen an: Großmuͤthiger
Herrmann und liebſter Vetter; ich muß mich
bald anfangs dieſes Titels gebrauchen; wormit
er theils ſo viel weniger uͤber meiner Vertraͤu-
ligkeit ſich wundere; theils meiner Auffrichtig-
keit ſo viel mehr Glauben gebe. Jch bin Se-
geſthens Tochter; den das Verhaͤngnuͤs Sa-
turnins Tochter Sentia zu heyrathen/ dieſe a-
ber ihn verleitet hat/ mich zu einer Roͤmiſchen
Geißel zu machen. Wolte aber GOtt! ich
haͤtte mit ihr nur eine Stieff-Mutter; Deutſch-
land an ihm keinen Stieff-Vater bekommen!
Alleine leider lich erfahre: daß wenn das Ver-
haͤngnuͤs iemanden zu verterben beſchloſſen
hat/ laͤſt es ihn anfangs von Vernunfft oder
gar von Sinnen kommen. Denn Segeſthes;
welcher fuͤr die Freyheit Deutſchlandes ſo viel
mahl ſein Leben gewagt; ſo viel Blut verſpri-
tzet/ laͤſſet nunmehr allem Anſehen nach die
Hand ſincken/ und hilfft ſein Vaterland ſelbſt
denen Roͤmern dienſtbar machen; gleich als
wenn er mit der Zeit nicht auch wuͤrde einen
Knecht der Roͤmer abgeben muͤſſen. Unſere
ſchlauen Feinde verleiten ihn mit Vertroͤſtung
der Deutſchen Feld-Hauptmannſchafft; da er
doch erwegen ſolte/ mit was Unrecht ſolche dem
Fuͤrſten Herrmann entzogen; und wie Auguſt
Segeſthen hieran nichts/ als den Schatten
entraͤumen; das Hefft aber uͤber das einmahl
uͤberwundene Deutſchland keinem andern aus-
haͤndigen werde. Er lege nicht uͤbel aus/ ver-
trauter Herrmann/ meine freymuͤthige Her-
tzens-Ausſchuͤttung. Denn die Liebe des Va-
terlandes uͤberwiegt die/ welche man den El-
tern ſchuldig iſt. Ja zu bezeugen: daß ich ſei-
nem Rechte mehr/ als dem Wachsthume mei-
nes Geſchlechtes wol wolle; ſo werde ich ge-
zwungen ihm die traurige Zeitung zu bringen:
daß der einige Pfeiler der Deutſchen Frey-
heit/ nehmlich ſein Vater der hochverdiente
[Spaltenumbruch] Feldherr Segimer verfallen und todt ſey. Jch
weiß wol: daß das Trauren einem friſchen
Schmertze allerdings nicht unanſtaͤndig ſey;
aber das Heil des Vaterlandes/ die Erhaltung
ſeines Volcks/ und die Hoheit ſeines Standes
erfordern dißmahl von ihm trockene Au-
gen/ reiffen Rath/ und eine hertzhaffte Ent-
ſchluͤſſung. Jch bin ohne diß verſichert: daß
dieſen Verluſt ſein Gebluͤte zwar nicht gar un-
empfindlich/ ſein groſſes Gemuͤthe aber nicht
weibiſch aufnehmen; weniger ſeine Klugheit es
gaͤntzlich in Wind ſchlagen; ſondern die Sor-
ge dem Vaterlande zu helffen das kraͤfftigſte
Huͤlffs-Mittel wieder dieſes Betruͤbnuͤs ſeyn
werde. Hertzog Herrmann hoͤrte Thußnel-
den mit unverwendeten Augen/ und unveraͤn-
dertem Antlitze an; ſo lange ſie redete. Als ſie
aber beſchloß; fiel er auff das eine Knie/ umar-
mete Thußneldens/ die diß zu verwehren ver-
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den Tod meines Vaters nachdruͤcklicher zu be-
trauren haben; wenn das guͤtige Verhaͤngnuͤs
dieſen Verluſt nicht durch das Geſchaͤncke ei-
ner ſo vollkommenen Freundin ergaͤntzt/ und
Deutſchland mit einer ſo groſſen Schutz-Goͤt-
tin verſorgt haͤtte. Die Noth und der Be-
fehl derſelben; in welcher Hand das Verhaͤng-
nuͤs mein Gluͤck und Ungluͤck vertrauet hat/
erfordert freylich/ mein Bekuͤmmernuͤs nicht
fuͤr eine todte Leiche/ ſondern fuͤr die Erhaltung
des kranckenden Vaterlandes anzugewehren.
Aber die uͤbermaͤßigen Wolthaten der Fuͤrſtin
Thußnelda verbinden mich ſo wol als Deutſch-
land/ nicht alle Kraͤfften dorthin und zu ſeinem
eigenen Beſten; ſondern zum minſten die Helf-
te zu einem unver geßlichen Danck-Maale ge-
gen ſie als unſern Schutz-Stern anzuwenden;
deſſen holden Anblick das ſcheiternde Vater-
land nichts minder/ als ich kluger Wegweiſung
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dieſe nachdenckliche Demuͤthigung nicht gerne

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[1244[1246]/1310] Achtes Buch zu beſchauen. Wie ſie nun dahin kam/ fieng ſie mit waͤßrichten Augen an: Großmuͤthiger Herrmann und liebſter Vetter; ich muß mich bald anfangs dieſes Titels gebrauchen; wormit er theils ſo viel weniger uͤber meiner Vertraͤu- ligkeit ſich wundere; theils meiner Auffrichtig- keit ſo viel mehr Glauben gebe. Jch bin Se- geſthens Tochter; den das Verhaͤngnuͤs Sa- turnins Tochter Sentia zu heyrathen/ dieſe a- ber ihn verleitet hat/ mich zu einer Roͤmiſchen Geißel zu machen. Wolte aber GOtt! ich haͤtte mit ihr nur eine Stieff-Mutter; Deutſch- land an ihm keinen Stieff-Vater bekommen! Alleine leider lich erfahre: daß wenn das Ver- haͤngnuͤs iemanden zu verterben beſchloſſen hat/ laͤſt es ihn anfangs von Vernunfft oder gar von Sinnen kommen. Denn Segeſthes; welcher fuͤr die Freyheit Deutſchlandes ſo viel mahl ſein Leben gewagt; ſo viel Blut verſpri- tzet/ laͤſſet nunmehr allem Anſehen nach die Hand ſincken/ und hilfft ſein Vaterland ſelbſt denen Roͤmern dienſtbar machen; gleich als wenn er mit der Zeit nicht auch wuͤrde einen Knecht der Roͤmer abgeben muͤſſen. Unſere ſchlauen Feinde verleiten ihn mit Vertroͤſtung der Deutſchen Feld-Hauptmannſchafft; da er doch erwegen ſolte/ mit was Unrecht ſolche dem Fuͤrſten Herrmann entzogen; und wie Auguſt Segeſthen hieran nichts/ als den Schatten entraͤumen; das Hefft aber uͤber das einmahl uͤberwundene Deutſchland keinem andern aus- haͤndigen werde. Er lege nicht uͤbel aus/ ver- trauter Herrmann/ meine freymuͤthige Her- tzens-Ausſchuͤttung. Denn die Liebe des Va- terlandes uͤberwiegt die/ welche man den El- tern ſchuldig iſt. Ja zu bezeugen: daß ich ſei- nem Rechte mehr/ als dem Wachsthume mei- nes Geſchlechtes wol wolle; ſo werde ich ge- zwungen ihm die traurige Zeitung zu bringen: daß der einige Pfeiler der Deutſchen Frey- heit/ nehmlich ſein Vater der hochverdiente Feldherr Segimer verfallen und todt ſey. Jch weiß wol: daß das Trauren einem friſchen Schmertze allerdings nicht unanſtaͤndig ſey; aber das Heil des Vaterlandes/ die Erhaltung ſeines Volcks/ und die Hoheit ſeines Standes erfordern dißmahl von ihm trockene Au- gen/ reiffen Rath/ und eine hertzhaffte Ent- ſchluͤſſung. Jch bin ohne diß verſichert: daß dieſen Verluſt ſein Gebluͤte zwar nicht gar un- empfindlich/ ſein groſſes Gemuͤthe aber nicht weibiſch aufnehmen; weniger ſeine Klugheit es gaͤntzlich in Wind ſchlagen; ſondern die Sor- ge dem Vaterlande zu helffen das kraͤfftigſte Huͤlffs-Mittel wieder dieſes Betruͤbnuͤs ſeyn werde. Hertzog Herrmann hoͤrte Thußnel- den mit unverwendeten Augen/ und unveraͤn- dertem Antlitze an; ſo lange ſie redete. Als ſie aber beſchloß; fiel er auff das eine Knie/ umar- mete Thußneldens/ die diß zu verwehren ver- gebens ſich bemuͤhte; und fieng an: Jch wuͤrde den Tod meines Vaters nachdruͤcklicher zu be- trauren haben; wenn das guͤtige Verhaͤngnuͤs dieſen Verluſt nicht durch das Geſchaͤncke ei- ner ſo vollkommenen Freundin ergaͤntzt/ und Deutſchland mit einer ſo groſſen Schutz-Goͤt- tin verſorgt haͤtte. Die Noth und der Be- fehl derſelben; in welcher Hand das Verhaͤng- nuͤs mein Gluͤck und Ungluͤck vertrauet hat/ erfordert freylich/ mein Bekuͤmmernuͤs nicht fuͤr eine todte Leiche/ ſondern fuͤr die Erhaltung des kranckenden Vaterlandes anzugewehren. Aber die uͤbermaͤßigen Wolthaten der Fuͤrſtin Thußnelda verbinden mich ſo wol als Deutſch- land/ nicht alle Kraͤfften dorthin und zu ſeinem eigenen Beſten; ſondern zum minſten die Helf- te zu einem unver geßlichen Danck-Maale ge- gen ſie als unſern Schutz-Stern anzuwenden; deſſen holden Anblick das ſcheiternde Vater- land nichts minder/ als ich kluger Wegweiſung beduͤrfftig bin. Thußnelde/ welche ohne diß dieſe nachdenckliche Demuͤthigung nicht gerne ihr/

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 1244[1246]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1310>, abgerufen am 07.05.2024.