Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Arminius und Thußnelda. [Spaltenumbruch]
brauche verursachte Würckung/ und derSchönheit mit eben dem Unrechte/ als der Sonne einen schädlichen Schatten zu; den der gifftige Eiben-Baum von sich würffe. Eine vollkommene Seele vertrüge nicht ein Behält- nüs heßlicher Glieder; ja es könte nach vieler Weisen Urthel so wenig ein Zirckel ohne Mit- telpucnt/ als ein wolgestalter Leib ohne ein gutes Gemüthe seyn. Dannenhero ins gemein nie- mand grosser Verrichtungen fähig zu seyn ge- achtet würde/ als den die Natur auch mit eusserlicher Zierde zu begaben gewürdigt hätte. Fürnehmlich wäre diß ein unschätzbares Eigen- thum der Fürsten; als wordurch die Natur gleichsam ihnen die Botmäßigkeit über andere bestetigte; welche sie durchs blosse Glücke erlan- get hätten. Die Schönheit des Gebietenden ver zuckerte gleichsam die Bitterkeit der be- schwerlichen Herrschafft/ sie erleichterte den Achseln ihre Last; also: daß das gemeine Volck/ welches als ein Thier/ das seine Vernunfft meist in den eusserlichen Sinnen hat/ so viel williger gehorsamte; und dem das Hertze zu- eignete/ der einmahl seine Augen gewonnen hätte. Weßwegen derselben Völcker Ge- wohnheit nicht allerdings zu verwerffen wäre/ die den Wolgestaltesten zu ihrem Könige; und die Schönste zu seiner Gemahlin erwehleten. Die Fürstin Thußnelde versetzte abermahls: Jn ihren Augen wäre die Schönheit des Ge- müthes alleine schön; des Leibes aber ein ver- gänglicher Wind/ und eine mit Seiffe ver- mischte Wasser-Blase. Sie beliebte zwar ins gemein vielen/ aber darum eben wäre ihre Bewahrung so viel gefährlicher. Wiewol auch zuweilen die gütige Natur eine schöne Seele mit einem zierlichen Leibe wie den Balsam- Geruch der Rosen/ und Krafft der Granat- Aepffel mit Purper umhüllete; wäre doch diß ein blosser Zufall; und es steckte vielmahl in ungestalten Gliedern die tugendhaffteste See- le/ wie die weisseste Perle in der höckrichten [Spaltenumbruch] Muschel; der helleste Diamant in der rauesten Schale/ das edelste Gold in der schwärtzesten Schlacke. Ja die Tugend selbst hätte kein[en] gefährlichern Stand/ als in den Hülsen eines schönen Leibes. Die Anfechtungen des Glü- ckes liessen zuweilen nach/ und hätten ihre Ruh- Stunde; der Schönheit aber ein Bein unter- zuschlagen/ suchte die Wollust unaufhörlich Gelegenheit; alle ihre annehmliche Blicke wür- den ihr selbst zum Fallbrete; und ihre Lieb haber zu ärgsten Tod-Feinden. Keine Unschuld dien- te ihr zum Schilde; keine Hertzhafftigkeit wä- re genung sich aller Versehrungen zu erweh- ren; und die keusche Lucretia so wenig/ als die geile Lais unversehrlich. Fürst Herrmann hätte hierwieder noch gerne ferner der Schön- heit das Wort geredet; wenn nicht die Ein- segnung des Tempels sich geendiget; und Au- gust dem Herrmann/ Livia Thußnelden ihr auf der Seite gehaltenes Gespräche zu unterbre- chen durch ihren genommnen Abschied aus dem Tempel Anlaß gegeben hätte. Gegen Abend selbigen Tages ward in dem grossen Schaupla- tze zu Ehren des Castors ein Riesen-Tantz von zwantzig geharnischten Jünglingen/ und dem Pollux zum Gedächtnüße ein Kampff mit Streit-Kolben/ an welchen bleyerne Kugeln hiengen/ gehalten; weil Pollux dieses Gefech- te er funden/ Griechenland aber den Castor mit einem Tantze auf den Dreyschlag verehret ha- ben soll. Wiewol nun dazumahl noch so gemein nicht war: daß Erlauchtes Frauenzimmer und Raths-Herren denen Fechtern zuschauten/ so ließ doch August seinen Enckeln zu Liebe dieses mahl alle Grossen beydes Geschlechtes einla- den; iedoch die Fechter nicht nackt/ sondern köstlich/ wiewol leichte angekleidet im Schau- Platze erscheinen. Weil ab[er] [u]m selbige Zeit der vorhin gantz helle Himmel sich in Regen- wetter verwande[lt]e/ fand die Fürstin Thußnel- da über der Pforte des Eingangs in dem Schauplatze/ der sie zu ihrem Sitze leitete/ durch
Arminius und Thußnelda. [Spaltenumbruch]
brauche verurſachte Wuͤrckung/ und derSchoͤnheit mit eben dem Unrechte/ als der Sonne einen ſchaͤdlichen Schatten zu; den der gifftige Eiben-Baum von ſich wuͤrffe. Eine vollkommene Seele vertruͤge nicht ein Behaͤlt- nuͤs heßlicher Glieder; ja es koͤnte nach vieler Weiſen Urthel ſo wenig ein Zirckel ohne Mit- telpucnt/ als ein wolgeſtalter Leib ohne ein gutes Gemuͤthe ſeyn. Dannenhero ins gemein nie- mand groſſer Verrichtungen faͤhig zu ſeyn ge- achtet wuͤrde/ als den die Natur auch mit euſſerlicher Zierde zu begaben gewuͤrdigt haͤtte. Fuͤrnehmlich waͤre diß ein unſchaͤtzbares Eigen- thum der Fuͤrſten; als wordurch die Natur gleichſam ihnen die Botmaͤßigkeit uͤber andere beſtetigte; welche ſie durchs bloſſe Gluͤcke erlan- get haͤtten. Die Schoͤnheit des Gebietenden ver zuckerte gleichſam die Bitterkeit der be- ſchwerlichen Herrſchafft/ ſie erleichterte den Achſeln ihre Laſt; alſo: daß das gemeine Volck/ welches als ein Thier/ das ſeine Vernunfft meiſt in den euſſerlichen Sinnen hat/ ſo viel williger gehorſamte; und dem das Hertze zu- eignete/ der einmahl ſeine Augen gewonnen haͤtte. Weßwegen derſelben Voͤlcker Ge- wohnheit nicht allerdings zu verwerffen waͤre/ die den Wolgeſtalteſten zu ihrem Koͤnige; und die Schoͤnſte zu ſeiner Gemahlin erwehleten. Die Fuͤrſtin Thußnelde verſetzte abermahls: Jn ihren Augen waͤre die Schoͤnheit des Ge- muͤthes alleine ſchoͤn; des Leibes aber ein ver- gaͤnglicher Wind/ und eine mit Seiffe ver- miſchte Waſſer-Blaſe. Sie beliebte zwar ins gemein vielen/ aber darum eben waͤre ihre Bewahrung ſo viel gefaͤhrlicher. Wiewol auch zuweilen die guͤtige Natur eine ſchoͤne Seele mit einem zierlichen Leibe wie den Balſam- Geruch der Roſen/ und Krafft der Granat- Aepffel mit Purper umhuͤllete; waͤre doch diß ein bloſſer Zufall; und es ſteckte vielmahl in ungeſtalten Gliedern die tugendhaffteſte See- le/ wie die weiſſeſte Perle in der hoͤckrichten [Spaltenumbruch] Muſchel; der helleſte Diamant in der raueſten Schale/ das edelſte Gold in der ſchwaͤrtzeſten Schlacke. Ja die Tugend ſelbſt haͤtte kein[en] gefaͤhrlichern Stand/ als in den Huͤlſen eines ſchoͤnen Leibes. Die Anfechtungen des Gluͤ- ckes lieſſen zuweilen nach/ und haͤtten ihre Ruh- Stunde; der Schoͤnheit aber ein Bein unter- zuſchlagen/ ſuchte die Wolluſt unaufhoͤrlich Gelegenheit; alle ihre annehmliche Blicke wuͤr- den ihr ſelbſt zum Fallbrete; und ihre Lieb haber zu aͤrgſten Tod-Feinden. Keine Unſchuld dien- te ihr zum Schilde; keine Hertzhafftigkeit waͤ- re genung ſich aller Verſehrungen zu erweh- ren; und die keuſche Lucretia ſo wenig/ als die geile Lais unverſehrlich. Fuͤrſt Herrmann haͤtte hierwieder noch gerne ferner der Schoͤn- heit das Wort geredet; wenn nicht die Ein- ſegnung des Tempels ſich geendiget; und Au- guſt dem Herrmann/ Livia Thußnelden ihr auf der Seite gehaltenes Geſpraͤche zu unterbre- chen durch ihren genommnen Abſchied aus dem Tempel Anlaß gegeben haͤtte. Gegen Abend ſelbigen Tages ward in dem groſſen Schaupla- tze zu Ehren des Caſtors ein Rieſen-Tantz von zwantzig geharniſchten Juͤnglingen/ und dem Pollux zum Gedaͤchtnuͤße ein Kampff mit Streit-Kolben/ an welchen bleyerne Kugeln hiengen/ gehalten; weil Pollux dieſes Gefech- te er funden/ Griechenland aber den Caſtor mit einem Tantze auf den Dreyſchlag verehret ha- ben ſoll. Wiewol nun dazumahl noch ſo gemein nicht war: daß Erlauchtes Frauenzimmer und Raths-Herren denen Fechtern zuſchauten/ ſo ließ doch Auguſt ſeinen Enckeln zu Liebe dieſes mahl alle Groſſen beydes Geſchlechtes einla- den; iedoch die Fechter nicht nackt/ ſondern koͤſtlich/ wiewol leichte angekleidet im Schau- Platze erſcheinen. Weil ab[er] [u]m ſelbige Zeit der vorhin gantz helle Himmel ſich in Regen- wetter verwande[lt]e/ fand die Fuͤrſtin Thußnel- da uͤber der Pforte des Eingangs in dem Schauplatze/ der ſie zu ihrem Sitze leitete/ durch
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Arminius und Thußnelda.
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Schoͤnheit mit eben dem Unrechte/ als der
Sonne einen ſchaͤdlichen Schatten zu; den
der gifftige Eiben-Baum von ſich wuͤrffe. Eine
vollkommene Seele vertruͤge nicht ein Behaͤlt-
nuͤs heßlicher Glieder; ja es koͤnte nach vieler
Weiſen Urthel ſo wenig ein Zirckel ohne Mit-
telpucnt/ als ein wolgeſtalter Leib ohne ein gutes
Gemuͤthe ſeyn. Dannenhero ins gemein nie-
mand groſſer Verrichtungen faͤhig zu ſeyn ge-
achtet wuͤrde/ als den die Natur auch mit
euſſerlicher Zierde zu begaben gewuͤrdigt haͤtte.
Fuͤrnehmlich waͤre diß ein unſchaͤtzbares Eigen-
thum der Fuͤrſten; als wordurch die Natur
gleichſam ihnen die Botmaͤßigkeit uͤber andere
beſtetigte; welche ſie durchs bloſſe Gluͤcke erlan-
get haͤtten. Die Schoͤnheit des Gebietenden
ver zuckerte gleichſam die Bitterkeit der be-
ſchwerlichen Herrſchafft/ ſie erleichterte den
Achſeln ihre Laſt; alſo: daß das gemeine Volck/
welches als ein Thier/ das ſeine Vernunfft
meiſt in den euſſerlichen Sinnen hat/ ſo viel
williger gehorſamte; und dem das Hertze zu-
eignete/ der einmahl ſeine Augen gewonnen
haͤtte. Weßwegen derſelben Voͤlcker Ge-
wohnheit nicht allerdings zu verwerffen waͤre/
die den Wolgeſtalteſten zu ihrem Koͤnige; und
die Schoͤnſte zu ſeiner Gemahlin erwehleten.
Die Fuͤrſtin Thußnelde verſetzte abermahls:
Jn ihren Augen waͤre die Schoͤnheit des Ge-
muͤthes alleine ſchoͤn; des Leibes aber ein ver-
gaͤnglicher Wind/ und eine mit Seiffe ver-
miſchte Waſſer-Blaſe. Sie beliebte zwar
ins gemein vielen/ aber darum eben waͤre ihre
Bewahrung ſo viel gefaͤhrlicher. Wiewol auch
zuweilen die guͤtige Natur eine ſchoͤne Seele
mit einem zierlichen Leibe wie den Balſam-
Geruch der Roſen/ und Krafft der Granat-
Aepffel mit Purper umhuͤllete; waͤre doch diß
ein bloſſer Zufall; und es ſteckte vielmahl in
ungeſtalten Gliedern die tugendhaffteſte See-
le/ wie die weiſſeſte Perle in der hoͤckrichten
Muſchel; der helleſte Diamant in der raueſten
Schale/ das edelſte Gold in der ſchwaͤrtzeſten
Schlacke. Ja die Tugend ſelbſt haͤtte keinen
gefaͤhrlichern Stand/ als in den Huͤlſen eines
ſchoͤnen Leibes. Die Anfechtungen des Gluͤ-
ckes lieſſen zuweilen nach/ und haͤtten ihre Ruh-
Stunde; der Schoͤnheit aber ein Bein unter-
zuſchlagen/ ſuchte die Wolluſt unaufhoͤrlich
Gelegenheit; alle ihre annehmliche Blicke wuͤr-
den ihr ſelbſt zum Fallbrete; und ihre Lieb haber
zu aͤrgſten Tod-Feinden. Keine Unſchuld dien-
te ihr zum Schilde; keine Hertzhafftigkeit waͤ-
re genung ſich aller Verſehrungen zu erweh-
ren; und die keuſche Lucretia ſo wenig/ als die
geile Lais unverſehrlich. Fuͤrſt Herrmann
haͤtte hierwieder noch gerne ferner der Schoͤn-
heit das Wort geredet; wenn nicht die Ein-
ſegnung des Tempels ſich geendiget; und Au-
guſt dem Herrmann/ Livia Thußnelden ihr auf
der Seite gehaltenes Geſpraͤche zu unterbre-
chen durch ihren genommnen Abſchied aus dem
Tempel Anlaß gegeben haͤtte. Gegen Abend
ſelbigen Tages ward in dem groſſen Schaupla-
tze zu Ehren des Caſtors ein Rieſen-Tantz von
zwantzig geharniſchten Juͤnglingen/ und dem
Pollux zum Gedaͤchtnuͤße ein Kampff mit
Streit-Kolben/ an welchen bleyerne Kugeln
hiengen/ gehalten; weil Pollux dieſes Gefech-
te er funden/ Griechenland aber den Caſtor mit
einem Tantze auf den Dreyſchlag verehret ha-
ben ſoll. Wiewol nun dazumahl noch ſo gemein
nicht war: daß Erlauchtes Frauenzimmer und
Raths-Herren denen Fechtern zuſchauten/ ſo
ließ doch Auguſt ſeinen Enckeln zu Liebe dieſes
mahl alle Groſſen beydes Geſchlechtes einla-
den; iedoch die Fechter nicht nackt/ ſondern
koͤſtlich/ wiewol leichte angekleidet im Schau-
Platze erſcheinen. Weil aber um ſelbige Zeit
der vorhin gantz helle Himmel ſich in Regen-
wetter verwandelte/ fand die Fuͤrſtin Thußnel-
da uͤber der Pforte des Eingangs in dem
Schauplatze/ der ſie zu ihrem Sitze leitete/
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