Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

Bild:
<< vorherige Seite

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] brauche verursachte Würckung/ und der
Schönheit mit eben dem Unrechte/ als der
Sonne einen schädlichen Schatten zu; den
der gifftige Eiben-Baum von sich würffe. Eine
vollkommene Seele vertrüge nicht ein Behält-
nüs heßlicher Glieder; ja es könte nach vieler
Weisen Urthel so wenig ein Zirckel ohne Mit-
telpucnt/ als ein wolgestalter Leib ohne ein gutes
Gemüthe seyn. Dannenhero ins gemein nie-
mand grosser Verrichtungen fähig zu seyn ge-
achtet würde/ als den die Natur auch mit
eusserlicher Zierde zu begaben gewürdigt hätte.
Fürnehmlich wäre diß ein unschätzbares Eigen-
thum der Fürsten; als wordurch die Natur
gleichsam ihnen die Botmäßigkeit über andere
bestetigte; welche sie durchs blosse Glücke erlan-
get hätten. Die Schönheit des Gebietenden
ver zuckerte gleichsam die Bitterkeit der be-
schwerlichen Herrschafft/ sie erleichterte den
Achseln ihre Last; also: daß das gemeine Volck/
welches als ein Thier/ das seine Vernunfft
meist in den eusserlichen Sinnen hat/ so viel
williger gehorsamte; und dem das Hertze zu-
eignete/ der einmahl seine Augen gewonnen
hätte. Weßwegen derselben Völcker Ge-
wohnheit nicht allerdings zu verwerffen wäre/
die den Wolgestaltesten zu ihrem Könige; und
die Schönste zu seiner Gemahlin erwehleten.
Die Fürstin Thußnelde versetzte abermahls:
Jn ihren Augen wäre die Schönheit des Ge-
müthes alleine schön; des Leibes aber ein ver-
gänglicher Wind/ und eine mit Seiffe ver-
mischte Wasser-Blase. Sie beliebte zwar
ins gemein vielen/ aber darum eben wäre ihre
Bewahrung so viel gefährlicher. Wiewol auch
zuweilen die gütige Natur eine schöne Seele
mit einem zierlichen Leibe wie den Balsam-
Geruch der Rosen/ und Krafft der Granat-
Aepffel mit Purper umhüllete; wäre doch diß
ein blosser Zufall; und es steckte vielmahl in
ungestalten Gliedern die tugendhaffteste See-
le/ wie die weisseste Perle in der höckrichten
[Spaltenumbruch] Muschel; der helleste Diamant in der rauesten
Schale/ das edelste Gold in der schwärtzesten
Schlacke. Ja die Tugend selbst hätte kein[en]
gefährlichern Stand/ als in den Hülsen eines
schönen Leibes. Die Anfechtungen des Glü-
ckes liessen zuweilen nach/ und hätten ihre Ruh-
Stunde; der Schönheit aber ein Bein unter-
zuschlagen/ suchte die Wollust unaufhörlich
Gelegenheit; alle ihre annehmliche Blicke wür-
den ihr selbst zum Fallbrete; und ihre Lieb haber
zu ärgsten Tod-Feinden. Keine Unschuld dien-
te ihr zum Schilde; keine Hertzhafftigkeit wä-
re genung sich aller Versehrungen zu erweh-
ren; und die keusche Lucretia so wenig/ als die
geile Lais unversehrlich. Fürst Herrmann
hätte hierwieder noch gerne ferner der Schön-
heit das Wort geredet; wenn nicht die Ein-
segnung des Tempels sich geendiget; und Au-
gust dem Herrmann/ Livia Thußnelden ihr auf
der Seite gehaltenes Gespräche zu unterbre-
chen durch ihren genommnen Abschied aus dem
Tempel Anlaß gegeben hätte. Gegen Abend
selbigen Tages ward in dem grossen Schaupla-
tze zu Ehren des Castors ein Riesen-Tantz von
zwantzig geharnischten Jünglingen/ und dem
Pollux zum Gedächtnüße ein Kampff mit
Streit-Kolben/ an welchen bleyerne Kugeln
hiengen/ gehalten; weil Pollux dieses Gefech-
te er funden/ Griechenland aber den Castor mit
einem Tantze auf den Dreyschlag verehret ha-
ben soll. Wiewol nun dazumahl noch so gemein
nicht war: daß Erlauchtes Frauenzimmer und
Raths-Herren denen Fechtern zuschauten/ so
ließ doch August seinen Enckeln zu Liebe dieses
mahl alle Grossen beydes Geschlechtes einla-
den; iedoch die Fechter nicht nackt/ sondern
köstlich/ wiewol leichte angekleidet im Schau-
Platze erscheinen. Weil ab[er] [u]m selbige Zeit
der vorhin gantz helle Himmel sich in Regen-
wetter verwande[lt]e/ fand die Fürstin Thußnel-
da über der Pforte des Eingangs in dem
Schauplatze/ der sie zu ihrem Sitze leitete/

durch

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] brauche verurſachte Wuͤrckung/ und der
Schoͤnheit mit eben dem Unrechte/ als der
Sonne einen ſchaͤdlichen Schatten zu; den
der gifftige Eiben-Baum von ſich wuͤrffe. Eine
vollkommene Seele vertruͤge nicht ein Behaͤlt-
nuͤs heßlicher Glieder; ja es koͤnte nach vieler
Weiſen Urthel ſo wenig ein Zirckel ohne Mit-
telpucnt/ als ein wolgeſtalter Leib ohne ein gutes
Gemuͤthe ſeyn. Dannenhero ins gemein nie-
mand groſſer Verrichtungen faͤhig zu ſeyn ge-
achtet wuͤrde/ als den die Natur auch mit
euſſerlicher Zierde zu begaben gewuͤrdigt haͤtte.
Fuͤrnehmlich waͤre diß ein unſchaͤtzbares Eigen-
thum der Fuͤrſten; als wordurch die Natur
gleichſam ihnen die Botmaͤßigkeit uͤber andere
beſtetigte; welche ſie durchs bloſſe Gluͤcke erlan-
get haͤtten. Die Schoͤnheit des Gebietenden
ver zuckerte gleichſam die Bitterkeit der be-
ſchwerlichen Herrſchafft/ ſie erleichterte den
Achſeln ihre Laſt; alſo: daß das gemeine Volck/
welches als ein Thier/ das ſeine Vernunfft
meiſt in den euſſerlichen Sinnen hat/ ſo viel
williger gehorſamte; und dem das Hertze zu-
eignete/ der einmahl ſeine Augen gewonnen
haͤtte. Weßwegen derſelben Voͤlcker Ge-
wohnheit nicht allerdings zu verwerffen waͤre/
die den Wolgeſtalteſten zu ihrem Koͤnige; und
die Schoͤnſte zu ſeiner Gemahlin erwehleten.
Die Fuͤrſtin Thußnelde verſetzte abermahls:
Jn ihren Augen waͤre die Schoͤnheit des Ge-
muͤthes alleine ſchoͤn; des Leibes aber ein ver-
gaͤnglicher Wind/ und eine mit Seiffe ver-
miſchte Waſſer-Blaſe. Sie beliebte zwar
ins gemein vielen/ aber darum eben waͤre ihre
Bewahrung ſo viel gefaͤhrlicher. Wiewol auch
zuweilen die guͤtige Natur eine ſchoͤne Seele
mit einem zierlichen Leibe wie den Balſam-
Geruch der Roſen/ und Krafft der Granat-
Aepffel mit Purper umhuͤllete; waͤre doch diß
ein bloſſer Zufall; und es ſteckte vielmahl in
ungeſtalten Gliedern die tugendhaffteſte See-
le/ wie die weiſſeſte Perle in der hoͤckrichten
[Spaltenumbruch] Muſchel; der helleſte Diamant in der raueſten
Schale/ das edelſte Gold in der ſchwaͤrtzeſten
Schlacke. Ja die Tugend ſelbſt haͤtte kein[en]
gefaͤhrlichern Stand/ als in den Huͤlſen eines
ſchoͤnen Leibes. Die Anfechtungen des Gluͤ-
ckes lieſſen zuweilen nach/ und haͤtten ihre Ruh-
Stunde; der Schoͤnheit aber ein Bein unter-
zuſchlagen/ ſuchte die Wolluſt unaufhoͤrlich
Gelegenheit; alle ihre annehmliche Blicke wuͤr-
den ihr ſelbſt zum Fallbrete; und ihre Lieb haber
zu aͤrgſten Tod-Feinden. Keine Unſchuld dien-
te ihr zum Schilde; keine Hertzhafftigkeit waͤ-
re genung ſich aller Verſehrungen zu erweh-
ren; und die keuſche Lucretia ſo wenig/ als die
geile Lais unverſehrlich. Fuͤrſt Herrmann
haͤtte hierwieder noch gerne ferner der Schoͤn-
heit das Wort geredet; wenn nicht die Ein-
ſegnung des Tempels ſich geendiget; und Au-
guſt dem Herrmann/ Livia Thußnelden ihr auf
der Seite gehaltenes Geſpraͤche zu unterbre-
chen durch ihren genommnen Abſchied aus dem
Tempel Anlaß gegeben haͤtte. Gegen Abend
ſelbigen Tages ward in dem groſſen Schaupla-
tze zu Ehren des Caſtors ein Rieſen-Tantz von
zwantzig geharniſchten Juͤnglingen/ und dem
Pollux zum Gedaͤchtnuͤße ein Kampff mit
Streit-Kolben/ an welchen bleyerne Kugeln
hiengen/ gehalten; weil Pollux dieſes Gefech-
te er funden/ Griechenland aber den Caſtor mit
einem Tantze auf den Dreyſchlag verehret ha-
ben ſoll. Wiewol nun dazumahl noch ſo gemein
nicht war: daß Erlauchtes Frauenzimmer und
Raths-Herren denen Fechtern zuſchauten/ ſo
ließ doch Auguſt ſeinen Enckeln zu Liebe dieſes
mahl alle Groſſen beydes Geſchlechtes einla-
den; iedoch die Fechter nicht nackt/ ſondern
koͤſtlich/ wiewol leichte angekleidet im Schau-
Platze erſcheinen. Weil ab[er] [u]m ſelbige Zeit
der vorhin gantz helle Himmel ſich in Regen-
wetter verwande[lt]e/ fand die Fuͤrſtin Thußnel-
da uͤber der Pforte des Eingangs in dem
Schauplatze/ der ſie zu ihrem Sitze leitete/

durch
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f1305" n="1239[1241]"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Arminius und Thußnelda.</hi></fw><lb/><cb/>
brauche verur&#x017F;achte Wu&#x0364;rckung/ und der<lb/>
Scho&#x0364;nheit mit eben dem Unrechte/ als der<lb/>
Sonne einen &#x017F;cha&#x0364;dlichen Schatten zu; den<lb/>
der gifftige Eiben-Baum von &#x017F;ich wu&#x0364;rffe. Eine<lb/>
vollkommene Seele vertru&#x0364;ge nicht ein Beha&#x0364;lt-<lb/>
nu&#x0364;s heßlicher Glieder; ja es ko&#x0364;nte nach vieler<lb/>
Wei&#x017F;en Urthel &#x017F;o wenig ein Zirckel ohne Mit-<lb/>
telpucnt/ als ein wolge&#x017F;talter Leib ohne ein gutes<lb/>
Gemu&#x0364;the &#x017F;eyn. Dannenhero ins gemein nie-<lb/>
mand gro&#x017F;&#x017F;er Verrichtungen fa&#x0364;hig zu &#x017F;eyn ge-<lb/>
achtet wu&#x0364;rde/ als den die Natur auch mit<lb/>
eu&#x017F;&#x017F;erlicher Zierde zu begaben gewu&#x0364;rdigt ha&#x0364;tte.<lb/>
Fu&#x0364;rnehmlich wa&#x0364;re diß ein un&#x017F;cha&#x0364;tzbares Eigen-<lb/>
thum der Fu&#x0364;r&#x017F;ten; als wordurch die Natur<lb/>
gleich&#x017F;am ihnen die Botma&#x0364;ßigkeit u&#x0364;ber andere<lb/>
be&#x017F;tetigte; welche &#x017F;ie durchs blo&#x017F;&#x017F;e Glu&#x0364;cke erlan-<lb/>
get ha&#x0364;tten. Die Scho&#x0364;nheit des Gebietenden<lb/>
ver zuckerte gleich&#x017F;am die Bitterkeit der be-<lb/>
&#x017F;chwerlichen Herr&#x017F;chafft/ &#x017F;ie erleichterte den<lb/>
Ach&#x017F;eln ihre La&#x017F;t; al&#x017F;o: daß das gemeine Volck/<lb/>
welches als ein Thier/ das &#x017F;eine Vernunfft<lb/>
mei&#x017F;t in den eu&#x017F;&#x017F;erlichen Sinnen hat/ &#x017F;o viel<lb/>
williger gehor&#x017F;amte; und dem das Hertze zu-<lb/>
eignete/ der einmahl &#x017F;eine Augen gewonnen<lb/>
ha&#x0364;tte. Weßwegen der&#x017F;elben Vo&#x0364;lcker Ge-<lb/>
wohnheit nicht allerdings zu verwerffen wa&#x0364;re/<lb/>
die den Wolge&#x017F;talte&#x017F;ten zu ihrem Ko&#x0364;nige; und<lb/>
die Scho&#x0364;n&#x017F;te zu &#x017F;einer Gemahlin erwehleten.<lb/>
Die Fu&#x0364;r&#x017F;tin Thußnelde ver&#x017F;etzte abermahls:<lb/>
Jn ihren Augen wa&#x0364;re die Scho&#x0364;nheit des Ge-<lb/>
mu&#x0364;thes alleine &#x017F;cho&#x0364;n; des Leibes aber ein ver-<lb/>
ga&#x0364;nglicher Wind/ und eine mit Seiffe ver-<lb/>
mi&#x017F;chte Wa&#x017F;&#x017F;er-Bla&#x017F;e. Sie beliebte zwar<lb/>
ins gemein vielen/ aber darum eben wa&#x0364;re ihre<lb/>
Bewahrung &#x017F;o viel gefa&#x0364;hrlicher. Wiewol auch<lb/>
zuweilen die gu&#x0364;tige Natur eine &#x017F;cho&#x0364;ne Seele<lb/>
mit einem zierlichen Leibe wie den Bal&#x017F;am-<lb/>
Geruch der Ro&#x017F;en/ und Krafft der Granat-<lb/>
Aepffel mit Purper umhu&#x0364;llete; wa&#x0364;re doch diß<lb/>
ein blo&#x017F;&#x017F;er Zufall; und es &#x017F;teckte vielmahl in<lb/>
unge&#x017F;talten Gliedern die tugendhaffte&#x017F;te See-<lb/>
le/ wie die wei&#x017F;&#x017F;e&#x017F;te Perle in der ho&#x0364;ckrichten<lb/><cb/>
Mu&#x017F;chel; der helle&#x017F;te Diamant in der raue&#x017F;ten<lb/>
Schale/ das edel&#x017F;te Gold in der &#x017F;chwa&#x0364;rtze&#x017F;ten<lb/>
Schlacke. Ja die Tugend &#x017F;elb&#x017F;t ha&#x0364;tte kein<supplied>en</supplied><lb/>
gefa&#x0364;hrlichern Stand/ als in den Hu&#x0364;l&#x017F;en eines<lb/>
&#x017F;cho&#x0364;nen Leibes. Die Anfechtungen des Glu&#x0364;-<lb/>
ckes lie&#x017F;&#x017F;en zuweilen nach/ und ha&#x0364;tten ihre Ruh-<lb/>
Stunde; der Scho&#x0364;nheit aber ein Bein unter-<lb/>
zu&#x017F;chlagen/ &#x017F;uchte die Wollu&#x017F;t unaufho&#x0364;rlich<lb/>
Gelegenheit; alle ihre annehmliche Blicke wu&#x0364;r-<lb/>
den ihr &#x017F;elb&#x017F;t zum Fallbrete; und ihre Lieb haber<lb/>
zu a&#x0364;rg&#x017F;ten Tod-Feinden. Keine Un&#x017F;chuld dien-<lb/>
te ihr zum Schilde; keine Hertzhafftigkeit wa&#x0364;-<lb/>
re genung &#x017F;ich aller Ver&#x017F;ehrungen zu erweh-<lb/>
ren; und die keu&#x017F;che Lucretia &#x017F;o wenig/ als die<lb/>
geile Lais unver&#x017F;ehrlich. Fu&#x0364;r&#x017F;t Herrmann<lb/>
ha&#x0364;tte hierwieder noch gerne ferner der Scho&#x0364;n-<lb/>
heit das Wort geredet; wenn nicht die Ein-<lb/>
&#x017F;egnung des Tempels &#x017F;ich geendiget; und Au-<lb/>
gu&#x017F;t dem Herrmann/ Livia Thußnelden ihr auf<lb/>
der Seite gehaltenes Ge&#x017F;pra&#x0364;che zu unterbre-<lb/>
chen durch ihren genommnen Ab&#x017F;chied aus dem<lb/>
Tempel Anlaß gegeben ha&#x0364;tte. Gegen Abend<lb/>
&#x017F;elbigen Tages ward in dem gro&#x017F;&#x017F;en Schaupla-<lb/>
tze zu Ehren des Ca&#x017F;tors ein Rie&#x017F;en-Tantz von<lb/>
zwantzig geharni&#x017F;chten Ju&#x0364;nglingen/ und dem<lb/>
Pollux zum Geda&#x0364;chtnu&#x0364;ße ein Kampff mit<lb/>
Streit-Kolben/ an welchen bleyerne Kugeln<lb/>
hiengen/ gehalten; weil Pollux die&#x017F;es Gefech-<lb/>
te er funden/ Griechenland aber den Ca&#x017F;tor mit<lb/>
einem Tantze auf den Drey&#x017F;chlag verehret ha-<lb/>
ben &#x017F;oll. Wiewol nun dazumahl noch &#x017F;o gemein<lb/>
nicht war: daß Erlauchtes Frauenzimmer und<lb/>
Raths-Herren denen Fechtern zu&#x017F;chauten/ &#x017F;o<lb/>
ließ doch Augu&#x017F;t &#x017F;einen Enckeln zu Liebe die&#x017F;es<lb/>
mahl alle Gro&#x017F;&#x017F;en beydes Ge&#x017F;chlechtes einla-<lb/>
den; iedoch die Fechter nicht nackt/ &#x017F;ondern<lb/>
ko&#x0364;&#x017F;tlich/ wiewol leichte angekleidet im Schau-<lb/>
Platze er&#x017F;cheinen. Weil ab<supplied>er</supplied> <supplied>u</supplied>m &#x017F;elbige Zeit<lb/>
der vorhin gantz helle Himmel &#x017F;ich in Regen-<lb/>
wetter verwande<supplied>lt</supplied>e/ fand die Fu&#x0364;r&#x017F;tin Thußnel-<lb/>
da u&#x0364;ber der Pforte des Eingangs in dem<lb/>
Schauplatze/ der &#x017F;ie zu ihrem Sitze leitete/<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">durch</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[1239[1241]/1305] Arminius und Thußnelda. brauche verurſachte Wuͤrckung/ und der Schoͤnheit mit eben dem Unrechte/ als der Sonne einen ſchaͤdlichen Schatten zu; den der gifftige Eiben-Baum von ſich wuͤrffe. Eine vollkommene Seele vertruͤge nicht ein Behaͤlt- nuͤs heßlicher Glieder; ja es koͤnte nach vieler Weiſen Urthel ſo wenig ein Zirckel ohne Mit- telpucnt/ als ein wolgeſtalter Leib ohne ein gutes Gemuͤthe ſeyn. Dannenhero ins gemein nie- mand groſſer Verrichtungen faͤhig zu ſeyn ge- achtet wuͤrde/ als den die Natur auch mit euſſerlicher Zierde zu begaben gewuͤrdigt haͤtte. Fuͤrnehmlich waͤre diß ein unſchaͤtzbares Eigen- thum der Fuͤrſten; als wordurch die Natur gleichſam ihnen die Botmaͤßigkeit uͤber andere beſtetigte; welche ſie durchs bloſſe Gluͤcke erlan- get haͤtten. Die Schoͤnheit des Gebietenden ver zuckerte gleichſam die Bitterkeit der be- ſchwerlichen Herrſchafft/ ſie erleichterte den Achſeln ihre Laſt; alſo: daß das gemeine Volck/ welches als ein Thier/ das ſeine Vernunfft meiſt in den euſſerlichen Sinnen hat/ ſo viel williger gehorſamte; und dem das Hertze zu- eignete/ der einmahl ſeine Augen gewonnen haͤtte. Weßwegen derſelben Voͤlcker Ge- wohnheit nicht allerdings zu verwerffen waͤre/ die den Wolgeſtalteſten zu ihrem Koͤnige; und die Schoͤnſte zu ſeiner Gemahlin erwehleten. Die Fuͤrſtin Thußnelde verſetzte abermahls: Jn ihren Augen waͤre die Schoͤnheit des Ge- muͤthes alleine ſchoͤn; des Leibes aber ein ver- gaͤnglicher Wind/ und eine mit Seiffe ver- miſchte Waſſer-Blaſe. Sie beliebte zwar ins gemein vielen/ aber darum eben waͤre ihre Bewahrung ſo viel gefaͤhrlicher. Wiewol auch zuweilen die guͤtige Natur eine ſchoͤne Seele mit einem zierlichen Leibe wie den Balſam- Geruch der Roſen/ und Krafft der Granat- Aepffel mit Purper umhuͤllete; waͤre doch diß ein bloſſer Zufall; und es ſteckte vielmahl in ungeſtalten Gliedern die tugendhaffteſte See- le/ wie die weiſſeſte Perle in der hoͤckrichten Muſchel; der helleſte Diamant in der raueſten Schale/ das edelſte Gold in der ſchwaͤrtzeſten Schlacke. Ja die Tugend ſelbſt haͤtte keinen gefaͤhrlichern Stand/ als in den Huͤlſen eines ſchoͤnen Leibes. Die Anfechtungen des Gluͤ- ckes lieſſen zuweilen nach/ und haͤtten ihre Ruh- Stunde; der Schoͤnheit aber ein Bein unter- zuſchlagen/ ſuchte die Wolluſt unaufhoͤrlich Gelegenheit; alle ihre annehmliche Blicke wuͤr- den ihr ſelbſt zum Fallbrete; und ihre Lieb haber zu aͤrgſten Tod-Feinden. Keine Unſchuld dien- te ihr zum Schilde; keine Hertzhafftigkeit waͤ- re genung ſich aller Verſehrungen zu erweh- ren; und die keuſche Lucretia ſo wenig/ als die geile Lais unverſehrlich. Fuͤrſt Herrmann haͤtte hierwieder noch gerne ferner der Schoͤn- heit das Wort geredet; wenn nicht die Ein- ſegnung des Tempels ſich geendiget; und Au- guſt dem Herrmann/ Livia Thußnelden ihr auf der Seite gehaltenes Geſpraͤche zu unterbre- chen durch ihren genommnen Abſchied aus dem Tempel Anlaß gegeben haͤtte. Gegen Abend ſelbigen Tages ward in dem groſſen Schaupla- tze zu Ehren des Caſtors ein Rieſen-Tantz von zwantzig geharniſchten Juͤnglingen/ und dem Pollux zum Gedaͤchtnuͤße ein Kampff mit Streit-Kolben/ an welchen bleyerne Kugeln hiengen/ gehalten; weil Pollux dieſes Gefech- te er funden/ Griechenland aber den Caſtor mit einem Tantze auf den Dreyſchlag verehret ha- ben ſoll. Wiewol nun dazumahl noch ſo gemein nicht war: daß Erlauchtes Frauenzimmer und Raths-Herren denen Fechtern zuſchauten/ ſo ließ doch Auguſt ſeinen Enckeln zu Liebe dieſes mahl alle Groſſen beydes Geſchlechtes einla- den; iedoch die Fechter nicht nackt/ ſondern koͤſtlich/ wiewol leichte angekleidet im Schau- Platze erſcheinen. Weil aber um ſelbige Zeit der vorhin gantz helle Himmel ſich in Regen- wetter verwandelte/ fand die Fuͤrſtin Thußnel- da uͤber der Pforte des Eingangs in dem Schauplatze/ der ſie zu ihrem Sitze leitete/ durch

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1305
Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 1239[1241]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1305>, abgerufen am 23.11.2024.