Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Achtes Buch [Spaltenumbruch]
so viel Helenen mahlen können; als die Natursie mit vollkommenen Gliedern beschenckt hät- te. Thußnelda brach diesen Lobsprüchen ein; als welche die am ungernesten hören/ die sie am meisten verdienen; und um den Fürsten Herr- mann auf was anders zu bringen/ sagte sie: Es wäre zwar zu enthengen: daß die eusserliche Ge- stalt noch der Farben und des Pinsels werth wären; als welche meist in übelrüchender Erde und blossem Schatten eben so wie die Schön- heit des eitelen Leibes bestünden; aber die Ver- ehrung der Sonnen dem Brunnen des Lichts und der Seele der Welt ließe sich einem so ver- gänglichen Gespenste/ als die Schönheit wäre/ ohne jener Entweichung nicht zueignen. Fürst Herrmann fragte alsofort: ob sie nicht die Schön- heit für ein besonder Geschencke Gottes hielte; oder nicht glaubte: daß diß/ was dem Gestirne so ähnlich wäre/ seinen Uhrsprung vom Him- mel/ und eine nicht geringere Würckung als die obern Lichter in denen Hertzen der Men- schen hätte? Phryne hätte durch Entblössung ihrer schönen Brüste das schon abgefaste Ver- dammungs-Urthel von sich abgelehnt; nach dem des Hyperides Beredsamkeit die Schärffe der Richter zu erweichen viel zu ohnmächtig geschienen. Die Schönheit wäre eine Mutter der mächtigsten Königin der Welt/ nemlich der Liebe; welche Götter und Menschen beherrsch- te. Sie wäre ein so kräfftiges Gestirne/ welches die trüben Zorn-Wolcken der grimmigsten Feinde ausklärte; auffs Finsternüs der Un- glückseligen mehrmahls einen lebhafften Freu- den-Blick würffe/ und denen Verzweiffelten aus ihrem Schiffbruche einen Genesungs- Weg zeigete; ja auch diß/ was seinem eigenen Wesen nach entweder unangenehm oder beß- lich wäre/ mit einer Anmuth betheilete; also: daß Traurigkeit und Zorn in einem schönen Antlitze lieblich aussähe; daß die Thränen den schönsten Perlen/ die wäßrichten Augen einem mit Regenbogen gefärbtem Gewölcke gleichte. [Spaltenumbruch] Ja die Kranckheiten selbst sehen auf wol gebilde- ten Wangen; und der grausame Tod auf einem zierlichen Munde anmuthiger/ als sonst aus. Das Unglück werffe seinen Schatten nach de- nen Schönen/ wo nicht mit minderer Tunckel- heit; iedoch mit geringerer Hartnäckigkeit. Die Wolcken der Rache und des Hasses/ welche al- les andere zermalmen/ schertzten und spielten nur mit denen/ welche den Zierrath des gestirn- ten Himmels in den Augen/ der geblümten Er- de auff allen Gliedern/ und ein grosses Theil menschlichen Verhängnüßes in ihren Händen trügen. O des unglückseligen Gestirnes! O der vergänglichen Neben-Sonne! fieng Thuß- nelde seuffzende an. Denn in Wahrheit/ wo die eitele Gestalt einen Platz unter den Ster- nen/ oder den Blumen verdienet; weiß ich ihr keinen würdigern einzuräumen/ als den die schädlichen Schwantz-Gestirne im Himmel/ oder gifftiges Napel in Gärten hat. Sintemal die Schönheit wie jene; ie lichter sie brennen/ nicht nur sich selbst; sondern gantze Städte und Länder einäschert; und nicht selten die reinesten Seelen vergifftet/ also ein Vermögen ist/ wel- ches seinen eigenen Besitzer unglückselig; die aber/ welche ein Auge drauff haben/ unruhig macht; ja vielen sich aus einem Abgotte in ei- nen Hencker verwandelt. Denn ihre Tochter die Liebe kehret zwar mit Jasmin in der Hand/ mit Rosen auf dem Haupte in die zarten Seelen ein; hernach aber wütet sie mit Feuer und Schwerdt in ihrer eigenen Behausung. Des- sen bewährtes Beyspiel die einige Helena seyn kan/ in welche mich ein allzugütiges Urthel des Volckes verwandeln wil. Fürst Herrmann wolte zum Nachtheil der Schönheit/ die er an Thußnelden anbetete/ nichts verkleinerliches verhängen; setzte also ihr entgegen: Man eig- nete nicht selten denen heilsamsten Sternen den aus sumpfichten Erdreiche herrührenden Hagel und Ungewitter; denen gesündesten Kräutern aber von einem verterbten Leibe/ oder aus Miß- brauche
Achtes Buch [Spaltenumbruch]
ſo viel Helenen mahlen koͤnnen; als die Naturſie mit vollkommenen Gliedern beſchenckt haͤt- te. Thußnelda brach dieſen Lobſpruͤchen ein; als welche die am ungerneſten hoͤren/ die ſie am meiſten verdienen; und um den Fuͤrſten Herr- mann auf was anders zu bringen/ ſagte ſie: Es waͤre zwar zu enthengen: daß die euſſerliche Ge- ſtalt noch der Farben und des Pinſels werth waͤren; als welche meiſt in uͤbelruͤchender Erde und bloſſem Schatten eben ſo wie die Schoͤn- heit des eitelen Leibes beſtuͤnden; aber die Ver- ehrung der Sonnen dem Brunnen des Lichts und der Seele der Welt ließe ſich einem ſo ver- gaͤnglichen Geſpenſte/ als die Schoͤnheit waͤre/ ohne jener Entweichung nicht zueignen. Fuͤrſt Herrmañ fragte alſofort: ob ſie nicht die Schoͤn- heit fuͤr ein beſonder Geſchencke Gottes hielte; oder nicht glaubte: daß diß/ was dem Geſtirne ſo aͤhnlich waͤre/ ſeinen Uhrſprung vom Him- mel/ und eine nicht geringere Wuͤrckung als die obern Lichter in denen Hertzen der Men- ſchen haͤtte? Phryne haͤtte durch Entbloͤſſung ihrer ſchoͤnen Bruͤſte das ſchon abgefaſte Ver- dammungs-Urthel von ſich abgelehnt; nach dem des Hyperides Beredſamkeit die Schaͤrffe der Richter zu erweichen viel zu ohnmaͤchtig geſchienen. Die Schoͤnheit waͤre eine Mutter der maͤchtigſten Koͤnigin der Welt/ nemlich der Liebe; welche Goͤtter und Menſchen beherrſch- te. Sie waͤre ein ſo kraͤfftiges Geſtirne/ welches die truͤben Zorn-Wolcken der grimmigſten Feinde ausklaͤrte; auffs Finſternuͤs der Un- gluͤckſeligen mehrmahls einen lebhafften Freu- den-Blick wuͤrffe/ und denen Verzweiffelten aus ihrem Schiffbruche einen Geneſungs- Weg zeigete; ja auch diß/ was ſeinem eigenen Weſen nach entweder unangenehm oder beß- lich waͤre/ mit einer Anmuth betheilete; alſo: daß Traurigkeit und Zorn in einem ſchoͤnen Antlitze lieblich ausſaͤhe; daß die Thraͤnen den ſchoͤnſten Perlen/ die waͤßrichten Augen einem mit Regenbogen gefaͤrbtem Gewoͤlcke gleichte. [Spaltenumbruch] Ja die Kranckheiten ſelbſt ſehen auf wol gebilde- ten Wangen; und der grauſame Tod auf einem zierlichen Munde anmuthiger/ als ſonſt aus. Das Ungluͤck werffe ſeinen Schatten nach de- nen Schoͤnen/ wo nicht mit minderer Tunckel- heit; iedoch mit geringerer Hartnaͤckigkeit. Die Wolcken der Rache und des Haſſes/ welche al- les andere zermalmen/ ſchertzten und ſpielten nur mit denen/ welche den Zierrath des geſtirn- ten Himmels in den Augen/ der gebluͤmten Er- de auff allen Gliedern/ und ein groſſes Theil menſchlichen Verhaͤngnuͤßes in ihren Haͤnden truͤgen. O des ungluͤckſeligen Geſtirnes! O der vergaͤnglichen Neben-Sonne! fieng Thuß- nelde ſeuffzende an. Denn in Wahrheit/ wo die eitele Geſtalt einen Platz unter den Ster- nen/ oder den Blumen verdienet; weiß ich ihr keinen wuͤrdigern einzuraͤumen/ als den die ſchaͤdlichen Schwantz-Geſtirne im Himmel/ oder gifftiges Napel in Gaͤrten hat. Sintemal die Schoͤnheit wie jene; ie lichter ſie brennen/ nicht nur ſich ſelbſt; ſondern gantze Staͤdte und Laͤnder einaͤſchert; und nicht ſelten die reineſten Seelen vergifftet/ alſo ein Vermoͤgen iſt/ wel- ches ſeinen eigenen Beſitzer ungluͤckſelig; die aber/ welche ein Auge drauff haben/ unruhig macht; ja vielen ſich aus einem Abgotte in ei- nen Hencker verwandelt. Denn ihre Tochter die Liebe kehret zwar mit Jaſmin in der Hand/ mit Roſen auf dem Haupte in die zarten Seelen ein; hernach aber wuͤtet ſie mit Feuer und Schwerdt in ihrer eigenen Behauſung. Deſ- ſen bewaͤhrtes Beyſpiel die einige Helena ſeyn kan/ in welche mich ein allzuguͤtiges Urthel des Volckes verwandeln wil. Fuͤrſt Herrmann wolte zum Nachtheil der Schoͤnheit/ die er an Thußnelden anbetete/ nichts verkleinerliches verhaͤngen; ſetzte alſo ihr entgegen: Man eig- nete nicht ſelten denen heilſamſten Sternen den aus ſumpfichten Erdreiche herruͤhrenden Hagel und Ungewitter; denen geſuͤndeſten Kraͤutern aber von einem verterbten Leibe/ oder aus Miß- brauche
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f1304" n="1238[1240]"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Achtes Buch</hi></fw><lb/><cb/> ſo viel Helenen mahlen koͤnnen; als die Natur<lb/> ſie mit vollkommenen Gliedern beſchenckt haͤt-<lb/> te. Thußnelda brach dieſen Lobſpruͤchen ein;<lb/> als welche die am ungerneſten hoͤren/ die ſie am<lb/> meiſten verdienen; und um den Fuͤrſten Herr-<lb/> mann auf was anders zu bringen/ ſagte ſie: Es<lb/> waͤre zwar zu enthengen: daß die euſſerliche Ge-<lb/> ſtalt noch der Farben und des Pinſels werth<lb/> waͤren; als welche meiſt in uͤbelruͤchender Erde<lb/> und bloſſem Schatten eben ſo wie die Schoͤn-<lb/> heit des eitelen Leibes beſtuͤnden; aber die Ver-<lb/> ehrung der Sonnen dem Brunnen des Lichts<lb/> und der Seele der Welt ließe ſich einem ſo ver-<lb/> gaͤnglichen Geſpenſte/ als die Schoͤnheit waͤre/<lb/> ohne jener Entweichung nicht zueignen. Fuͤrſt<lb/> Herrmañ fragte alſofort: ob ſie nicht die Schoͤn-<lb/> heit fuͤr ein beſonder Geſchencke Gottes hielte;<lb/> oder nicht glaubte: daß diß/ was dem Geſtirne<lb/> ſo aͤhnlich waͤre/ ſeinen Uhrſprung vom Him-<lb/> mel/ und eine nicht geringere Wuͤrckung als<lb/> die obern Lichter in denen Hertzen der Men-<lb/> ſchen haͤtte? Phryne haͤtte durch Entbloͤſſung<lb/> ihrer ſchoͤnen Bruͤſte das ſchon abgefaſte Ver-<lb/> dammungs-Urthel von ſich abgelehnt; nach<lb/> dem des Hyperides Beredſamkeit die Schaͤrffe<lb/> der Richter zu erweichen viel zu ohnmaͤchtig<lb/> geſchienen. Die Schoͤnheit waͤre eine Mutter<lb/> der maͤchtigſten Koͤnigin der Welt/ nemlich der<lb/> Liebe; welche Goͤtter und Menſchen beherrſch-<lb/> te. Sie waͤre ein ſo kraͤfftiges Geſtirne/ welches<lb/> die truͤben Zorn-Wolcken der grimmigſten<lb/> Feinde ausklaͤrte; auffs Finſternuͤs der Un-<lb/> gluͤckſeligen mehrmahls einen lebhafften Freu-<lb/> den-Blick wuͤrffe/ und denen Verzweiffelten<lb/> aus ihrem Schiffbruche einen Geneſungs-<lb/> Weg zeigete; ja auch diß/ was ſeinem eigenen<lb/> Weſen nach entweder unangenehm oder beß-<lb/> lich waͤre/ mit einer Anmuth betheilete; alſo:<lb/> daß Traurigkeit und Zorn in einem ſchoͤnen<lb/> Antlitze lieblich ausſaͤhe; daß die Thraͤnen den<lb/> ſchoͤnſten Perlen/ die waͤßrichten Augen einem<lb/> mit Regenbogen gefaͤrbtem Gewoͤlcke gleichte.<lb/><cb/> Ja die Kranckheiten ſelbſt ſehen auf wol gebilde-<lb/> ten Wangen; und der grauſame Tod auf einem<lb/> zierlichen Munde anmuthiger/ als ſonſt aus.<lb/> Das Ungluͤck werffe ſeinen Schatten nach de-<lb/> nen Schoͤnen/ wo nicht mit minderer Tunckel-<lb/> heit; iedoch mit geringerer Hartnaͤckigkeit. Die<lb/> Wolcken der Rache und des Haſſes/ welche al-<lb/> les andere zermalmen/ ſchertzten und ſpielten<lb/> nur mit denen/ welche den Zierrath des geſtirn-<lb/> ten Himmels in den Augen/ der gebluͤmten Er-<lb/> de auff allen Gliedern/ und ein groſſes Theil<lb/> menſchlichen Verhaͤngnuͤßes in ihren Haͤnden<lb/> truͤgen. O des ungluͤckſeligen Geſtirnes! O<lb/> der vergaͤnglichen Neben-Sonne! fieng Thuß-<lb/> nelde ſeuffzende an. Denn in Wahrheit/ wo<lb/> die eitele Geſtalt einen Platz unter den Ster-<lb/> nen/ oder den Blumen verdienet; weiß ich ihr<lb/> keinen wuͤrdigern einzuraͤumen/ als den die<lb/> ſchaͤdlichen Schwantz-Geſtirne im Himmel/<lb/> oder gifftiges Napel in Gaͤrten hat. Sintemal<lb/> die Schoͤnheit wie jene; ie lichter ſie brennen/<lb/> nicht nur ſich ſelbſt; ſondern gantze Staͤdte und<lb/> Laͤnder einaͤſchert; und nicht ſelten die reineſten<lb/> Seelen vergifftet/ alſo ein Vermoͤgen iſt/ wel-<lb/> ches ſeinen eigenen Beſitzer ungluͤckſelig; die<lb/> aber/ welche ein Auge drauff haben/ unruhig<lb/> macht; ja vielen ſich aus einem Abgotte in ei-<lb/> nen Hencker verwandelt. Denn ihre Tochter<lb/> die Liebe kehret zwar mit Jaſmin in der Hand/<lb/> mit Roſen auf dem Haupte in die zarten Seelen<lb/> ein; hernach aber wuͤtet ſie mit Feuer und<lb/> Schwerdt in ihrer eigenen Behauſung. Deſ-<lb/> ſen bewaͤhrtes Beyſpiel die einige Helena ſeyn<lb/> kan/ in welche mich ein allzuguͤtiges Urthel des<lb/> Volckes verwandeln wil. Fuͤrſt Herrmann<lb/> wolte zum Nachtheil der Schoͤnheit/ die er an<lb/> Thußnelden anbetete/ nichts verkleinerliches<lb/> verhaͤngen; ſetzte alſo ihr entgegen: Man eig-<lb/> nete nicht ſelten denen heilſamſten Sternen den<lb/> aus ſumpfichten Erdreiche herruͤhrenden Hagel<lb/> und Ungewitter; denen geſuͤndeſten Kraͤutern<lb/> aber von einem verterbten Leibe/ oder aus Miß-<lb/> <fw place="bottom" type="catch">brauche</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [1238[1240]/1304]
Achtes Buch
ſo viel Helenen mahlen koͤnnen; als die Natur
ſie mit vollkommenen Gliedern beſchenckt haͤt-
te. Thußnelda brach dieſen Lobſpruͤchen ein;
als welche die am ungerneſten hoͤren/ die ſie am
meiſten verdienen; und um den Fuͤrſten Herr-
mann auf was anders zu bringen/ ſagte ſie: Es
waͤre zwar zu enthengen: daß die euſſerliche Ge-
ſtalt noch der Farben und des Pinſels werth
waͤren; als welche meiſt in uͤbelruͤchender Erde
und bloſſem Schatten eben ſo wie die Schoͤn-
heit des eitelen Leibes beſtuͤnden; aber die Ver-
ehrung der Sonnen dem Brunnen des Lichts
und der Seele der Welt ließe ſich einem ſo ver-
gaͤnglichen Geſpenſte/ als die Schoͤnheit waͤre/
ohne jener Entweichung nicht zueignen. Fuͤrſt
Herrmañ fragte alſofort: ob ſie nicht die Schoͤn-
heit fuͤr ein beſonder Geſchencke Gottes hielte;
oder nicht glaubte: daß diß/ was dem Geſtirne
ſo aͤhnlich waͤre/ ſeinen Uhrſprung vom Him-
mel/ und eine nicht geringere Wuͤrckung als
die obern Lichter in denen Hertzen der Men-
ſchen haͤtte? Phryne haͤtte durch Entbloͤſſung
ihrer ſchoͤnen Bruͤſte das ſchon abgefaſte Ver-
dammungs-Urthel von ſich abgelehnt; nach
dem des Hyperides Beredſamkeit die Schaͤrffe
der Richter zu erweichen viel zu ohnmaͤchtig
geſchienen. Die Schoͤnheit waͤre eine Mutter
der maͤchtigſten Koͤnigin der Welt/ nemlich der
Liebe; welche Goͤtter und Menſchen beherrſch-
te. Sie waͤre ein ſo kraͤfftiges Geſtirne/ welches
die truͤben Zorn-Wolcken der grimmigſten
Feinde ausklaͤrte; auffs Finſternuͤs der Un-
gluͤckſeligen mehrmahls einen lebhafften Freu-
den-Blick wuͤrffe/ und denen Verzweiffelten
aus ihrem Schiffbruche einen Geneſungs-
Weg zeigete; ja auch diß/ was ſeinem eigenen
Weſen nach entweder unangenehm oder beß-
lich waͤre/ mit einer Anmuth betheilete; alſo:
daß Traurigkeit und Zorn in einem ſchoͤnen
Antlitze lieblich ausſaͤhe; daß die Thraͤnen den
ſchoͤnſten Perlen/ die waͤßrichten Augen einem
mit Regenbogen gefaͤrbtem Gewoͤlcke gleichte.
Ja die Kranckheiten ſelbſt ſehen auf wol gebilde-
ten Wangen; und der grauſame Tod auf einem
zierlichen Munde anmuthiger/ als ſonſt aus.
Das Ungluͤck werffe ſeinen Schatten nach de-
nen Schoͤnen/ wo nicht mit minderer Tunckel-
heit; iedoch mit geringerer Hartnaͤckigkeit. Die
Wolcken der Rache und des Haſſes/ welche al-
les andere zermalmen/ ſchertzten und ſpielten
nur mit denen/ welche den Zierrath des geſtirn-
ten Himmels in den Augen/ der gebluͤmten Er-
de auff allen Gliedern/ und ein groſſes Theil
menſchlichen Verhaͤngnuͤßes in ihren Haͤnden
truͤgen. O des ungluͤckſeligen Geſtirnes! O
der vergaͤnglichen Neben-Sonne! fieng Thuß-
nelde ſeuffzende an. Denn in Wahrheit/ wo
die eitele Geſtalt einen Platz unter den Ster-
nen/ oder den Blumen verdienet; weiß ich ihr
keinen wuͤrdigern einzuraͤumen/ als den die
ſchaͤdlichen Schwantz-Geſtirne im Himmel/
oder gifftiges Napel in Gaͤrten hat. Sintemal
die Schoͤnheit wie jene; ie lichter ſie brennen/
nicht nur ſich ſelbſt; ſondern gantze Staͤdte und
Laͤnder einaͤſchert; und nicht ſelten die reineſten
Seelen vergifftet/ alſo ein Vermoͤgen iſt/ wel-
ches ſeinen eigenen Beſitzer ungluͤckſelig; die
aber/ welche ein Auge drauff haben/ unruhig
macht; ja vielen ſich aus einem Abgotte in ei-
nen Hencker verwandelt. Denn ihre Tochter
die Liebe kehret zwar mit Jaſmin in der Hand/
mit Roſen auf dem Haupte in die zarten Seelen
ein; hernach aber wuͤtet ſie mit Feuer und
Schwerdt in ihrer eigenen Behauſung. Deſ-
ſen bewaͤhrtes Beyſpiel die einige Helena ſeyn
kan/ in welche mich ein allzuguͤtiges Urthel des
Volckes verwandeln wil. Fuͤrſt Herrmann
wolte zum Nachtheil der Schoͤnheit/ die er an
Thußnelden anbetete/ nichts verkleinerliches
verhaͤngen; ſetzte alſo ihr entgegen: Man eig-
nete nicht ſelten denen heilſamſten Sternen den
aus ſumpfichten Erdreiche herruͤhrenden Hagel
und Ungewitter; denen geſuͤndeſten Kraͤutern
aber von einem verterbten Leibe/ oder aus Miß-
brauche
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |