Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

Bild:
<< vorherige Seite

Achtes Buch
[Spaltenumbruch] so viel Helenen mahlen können; als die Natur
sie mit vollkommenen Gliedern beschenckt hät-
te. Thußnelda brach diesen Lobsprüchen ein;
als welche die am ungernesten hören/ die sie am
meisten verdienen; und um den Fürsten Herr-
mann auf was anders zu bringen/ sagte sie: Es
wäre zwar zu enthengen: daß die eusserliche Ge-
stalt noch der Farben und des Pinsels werth
wären; als welche meist in übelrüchender Erde
und blossem Schatten eben so wie die Schön-
heit des eitelen Leibes bestünden; aber die Ver-
ehrung der Sonnen dem Brunnen des Lichts
und der Seele der Welt ließe sich einem so ver-
gänglichen Gespenste/ als die Schönheit wäre/
ohne jener Entweichung nicht zueignen. Fürst
Herrmann fragte alsofort: ob sie nicht die Schön-
heit für ein besonder Geschencke Gottes hielte;
oder nicht glaubte: daß diß/ was dem Gestirne
so ähnlich wäre/ seinen Uhrsprung vom Him-
mel/ und eine nicht geringere Würckung als
die obern Lichter in denen Hertzen der Men-
schen hätte? Phryne hätte durch Entblössung
ihrer schönen Brüste das schon abgefaste Ver-
dammungs-Urthel von sich abgelehnt; nach
dem des Hyperides Beredsamkeit die Schärffe
der Richter zu erweichen viel zu ohnmächtig
geschienen. Die Schönheit wäre eine Mutter
der mächtigsten Königin der Welt/ nemlich der
Liebe; welche Götter und Menschen beherrsch-
te. Sie wäre ein so kräfftiges Gestirne/ welches
die trüben Zorn-Wolcken der grimmigsten
Feinde ausklärte; auffs Finsternüs der Un-
glückseligen mehrmahls einen lebhafften Freu-
den-Blick würffe/ und denen Verzweiffelten
aus ihrem Schiffbruche einen Genesungs-
Weg zeigete; ja auch diß/ was seinem eigenen
Wesen nach entweder unangenehm oder beß-
lich wäre/ mit einer Anmuth betheilete; also:
daß Traurigkeit und Zorn in einem schönen
Antlitze lieblich aussähe; daß die Thränen den
schönsten Perlen/ die wäßrichten Augen einem
mit Regenbogen gefärbtem Gewölcke gleichte.
[Spaltenumbruch] Ja die Kranckheiten selbst sehen auf wol gebilde-
ten Wangen; und der grausame Tod auf einem
zierlichen Munde anmuthiger/ als sonst aus.
Das Unglück werffe seinen Schatten nach de-
nen Schönen/ wo nicht mit minderer Tunckel-
heit; iedoch mit geringerer Hartnäckigkeit. Die
Wolcken der Rache und des Hasses/ welche al-
les andere zermalmen/ schertzten und spielten
nur mit denen/ welche den Zierrath des gestirn-
ten Himmels in den Augen/ der geblümten Er-
de auff allen Gliedern/ und ein grosses Theil
menschlichen Verhängnüßes in ihren Händen
trügen. O des unglückseligen Gestirnes! O
der vergänglichen Neben-Sonne! fieng Thuß-
nelde seuffzende an. Denn in Wahrheit/ wo
die eitele Gestalt einen Platz unter den Ster-
nen/ oder den Blumen verdienet; weiß ich ihr
keinen würdigern einzuräumen/ als den die
schädlichen Schwantz-Gestirne im Himmel/
oder gifftiges Napel in Gärten hat. Sintemal
die Schönheit wie jene; ie lichter sie brennen/
nicht nur sich selbst; sondern gantze Städte und
Länder einäschert; und nicht selten die reinesten
Seelen vergifftet/ also ein Vermögen ist/ wel-
ches seinen eigenen Besitzer unglückselig; die
aber/ welche ein Auge drauff haben/ unruhig
macht; ja vielen sich aus einem Abgotte in ei-
nen Hencker verwandelt. Denn ihre Tochter
die Liebe kehret zwar mit Jasmin in der Hand/
mit Rosen auf dem Haupte in die zarten Seelen
ein; hernach aber wütet sie mit Feuer und
Schwerdt in ihrer eigenen Behausung. Des-
sen bewährtes Beyspiel die einige Helena seyn
kan/ in welche mich ein allzugütiges Urthel des
Volckes verwandeln wil. Fürst Herrmann
wolte zum Nachtheil der Schönheit/ die er an
Thußnelden anbetete/ nichts verkleinerliches
verhängen; setzte also ihr entgegen: Man eig-
nete nicht selten denen heilsamsten Sternen den
aus sumpfichten Erdreiche herrührenden Hagel
und Ungewitter; denen gesündesten Kräutern
aber von einem verterbten Leibe/ oder aus Miß-

brauche

Achtes Buch
[Spaltenumbruch] ſo viel Helenen mahlen koͤnnen; als die Natur
ſie mit vollkommenen Gliedern beſchenckt haͤt-
te. Thußnelda brach dieſen Lobſpruͤchen ein;
als welche die am ungerneſten hoͤren/ die ſie am
meiſten verdienen; und um den Fuͤrſten Herr-
mann auf was anders zu bringen/ ſagte ſie: Es
waͤre zwar zu enthengen: daß die euſſerliche Ge-
ſtalt noch der Farben und des Pinſels werth
waͤren; als welche meiſt in uͤbelruͤchender Erde
und bloſſem Schatten eben ſo wie die Schoͤn-
heit des eitelen Leibes beſtuͤnden; aber die Ver-
ehrung der Sonnen dem Brunnen des Lichts
und der Seele der Welt ließe ſich einem ſo ver-
gaͤnglichen Geſpenſte/ als die Schoͤnheit waͤre/
ohne jener Entweichung nicht zueignen. Fuͤrſt
Herrmañ fragte alſofort: ob ſie nicht die Schoͤn-
heit fuͤr ein beſonder Geſchencke Gottes hielte;
oder nicht glaubte: daß diß/ was dem Geſtirne
ſo aͤhnlich waͤre/ ſeinen Uhrſprung vom Him-
mel/ und eine nicht geringere Wuͤrckung als
die obern Lichter in denen Hertzen der Men-
ſchen haͤtte? Phryne haͤtte durch Entbloͤſſung
ihrer ſchoͤnen Bruͤſte das ſchon abgefaſte Ver-
dammungs-Urthel von ſich abgelehnt; nach
dem des Hyperides Beredſamkeit die Schaͤrffe
der Richter zu erweichen viel zu ohnmaͤchtig
geſchienen. Die Schoͤnheit waͤre eine Mutter
der maͤchtigſten Koͤnigin der Welt/ nemlich der
Liebe; welche Goͤtter und Menſchen beherrſch-
te. Sie waͤre ein ſo kraͤfftiges Geſtirne/ welches
die truͤben Zorn-Wolcken der grimmigſten
Feinde ausklaͤrte; auffs Finſternuͤs der Un-
gluͤckſeligen mehrmahls einen lebhafften Freu-
den-Blick wuͤrffe/ und denen Verzweiffelten
aus ihrem Schiffbruche einen Geneſungs-
Weg zeigete; ja auch diß/ was ſeinem eigenen
Weſen nach entweder unangenehm oder beß-
lich waͤre/ mit einer Anmuth betheilete; alſo:
daß Traurigkeit und Zorn in einem ſchoͤnen
Antlitze lieblich ausſaͤhe; daß die Thraͤnen den
ſchoͤnſten Perlen/ die waͤßrichten Augen einem
mit Regenbogen gefaͤrbtem Gewoͤlcke gleichte.
[Spaltenumbruch] Ja die Kranckheiten ſelbſt ſehen auf wol gebilde-
ten Wangen; und der grauſame Tod auf einem
zierlichen Munde anmuthiger/ als ſonſt aus.
Das Ungluͤck werffe ſeinen Schatten nach de-
nen Schoͤnen/ wo nicht mit minderer Tunckel-
heit; iedoch mit geringerer Hartnaͤckigkeit. Die
Wolcken der Rache und des Haſſes/ welche al-
les andere zermalmen/ ſchertzten und ſpielten
nur mit denen/ welche den Zierrath des geſtirn-
ten Himmels in den Augen/ der gebluͤmten Er-
de auff allen Gliedern/ und ein groſſes Theil
menſchlichen Verhaͤngnuͤßes in ihren Haͤnden
truͤgen. O des ungluͤckſeligen Geſtirnes! O
der vergaͤnglichen Neben-Sonne! fieng Thuß-
nelde ſeuffzende an. Denn in Wahrheit/ wo
die eitele Geſtalt einen Platz unter den Ster-
nen/ oder den Blumen verdienet; weiß ich ihr
keinen wuͤrdigern einzuraͤumen/ als den die
ſchaͤdlichen Schwantz-Geſtirne im Himmel/
oder gifftiges Napel in Gaͤrten hat. Sintemal
die Schoͤnheit wie jene; ie lichter ſie brennen/
nicht nur ſich ſelbſt; ſondern gantze Staͤdte und
Laͤnder einaͤſchert; und nicht ſelten die reineſten
Seelen vergifftet/ alſo ein Vermoͤgen iſt/ wel-
ches ſeinen eigenen Beſitzer ungluͤckſelig; die
aber/ welche ein Auge drauff haben/ unruhig
macht; ja vielen ſich aus einem Abgotte in ei-
nen Hencker verwandelt. Denn ihre Tochter
die Liebe kehret zwar mit Jaſmin in der Hand/
mit Roſen auf dem Haupte in die zarten Seelen
ein; hernach aber wuͤtet ſie mit Feuer und
Schwerdt in ihrer eigenen Behauſung. Deſ-
ſen bewaͤhrtes Beyſpiel die einige Helena ſeyn
kan/ in welche mich ein allzuguͤtiges Urthel des
Volckes verwandeln wil. Fuͤrſt Herrmann
wolte zum Nachtheil der Schoͤnheit/ die er an
Thußnelden anbetete/ nichts verkleinerliches
verhaͤngen; ſetzte alſo ihr entgegen: Man eig-
nete nicht ſelten denen heilſamſten Sternen den
aus ſumpfichten Erdreiche herruͤhrenden Hagel
und Ungewitter; denen geſuͤndeſten Kraͤutern
aber von einem verterbten Leibe/ oder aus Miß-

brauche
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f1304" n="1238[1240]"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Achtes Buch</hi></fw><lb/><cb/>
&#x017F;o viel Helenen mahlen ko&#x0364;nnen; als die Natur<lb/>
&#x017F;ie mit vollkommenen Gliedern be&#x017F;chenckt ha&#x0364;t-<lb/>
te. Thußnelda brach die&#x017F;en Lob&#x017F;pru&#x0364;chen ein;<lb/>
als welche die am ungerne&#x017F;ten ho&#x0364;ren/ die &#x017F;ie am<lb/>
mei&#x017F;ten verdienen; und um den Fu&#x0364;r&#x017F;ten Herr-<lb/>
mann auf was anders zu bringen/ &#x017F;agte &#x017F;ie: Es<lb/>
wa&#x0364;re zwar zu enthengen: daß die eu&#x017F;&#x017F;erliche Ge-<lb/>
&#x017F;talt noch der Farben und des Pin&#x017F;els werth<lb/>
wa&#x0364;ren; als welche mei&#x017F;t in u&#x0364;belru&#x0364;chender Erde<lb/>
und blo&#x017F;&#x017F;em Schatten eben &#x017F;o wie die Scho&#x0364;n-<lb/>
heit des eitelen Leibes be&#x017F;tu&#x0364;nden; aber die Ver-<lb/>
ehrung der Sonnen dem Brunnen des Lichts<lb/>
und der Seele der Welt ließe &#x017F;ich einem &#x017F;o ver-<lb/>
ga&#x0364;nglichen Ge&#x017F;pen&#x017F;te/ als die Scho&#x0364;nheit wa&#x0364;re/<lb/>
ohne jener Entweichung nicht zueignen. Fu&#x0364;r&#x017F;t<lb/>
Herrman&#x0303; fragte al&#x017F;ofort: ob &#x017F;ie nicht die Scho&#x0364;n-<lb/>
heit fu&#x0364;r ein be&#x017F;onder Ge&#x017F;chencke Gottes hielte;<lb/>
oder nicht glaubte: daß diß/ was dem Ge&#x017F;tirne<lb/>
&#x017F;o a&#x0364;hnlich wa&#x0364;re/ &#x017F;einen Uhr&#x017F;prung vom Him-<lb/>
mel/ und eine nicht geringere Wu&#x0364;rckung als<lb/>
die obern Lichter in denen Hertzen der Men-<lb/>
&#x017F;chen ha&#x0364;tte? Phryne ha&#x0364;tte durch Entblo&#x0364;&#x017F;&#x017F;ung<lb/>
ihrer &#x017F;cho&#x0364;nen Bru&#x0364;&#x017F;te das &#x017F;chon abgefa&#x017F;te Ver-<lb/>
dammungs-Urthel von &#x017F;ich abgelehnt; nach<lb/>
dem des Hyperides Bered&#x017F;amkeit die Scha&#x0364;rffe<lb/>
der Richter zu erweichen viel zu ohnma&#x0364;chtig<lb/>
ge&#x017F;chienen. Die Scho&#x0364;nheit wa&#x0364;re eine Mutter<lb/>
der ma&#x0364;chtig&#x017F;ten Ko&#x0364;nigin der Welt/ nemlich der<lb/>
Liebe; welche Go&#x0364;tter und Men&#x017F;chen beherr&#x017F;ch-<lb/>
te. Sie wa&#x0364;re ein &#x017F;o kra&#x0364;fftiges Ge&#x017F;tirne/ welches<lb/>
die tru&#x0364;ben Zorn-Wolcken der grimmig&#x017F;ten<lb/>
Feinde auskla&#x0364;rte; auffs Fin&#x017F;ternu&#x0364;s der Un-<lb/>
glu&#x0364;ck&#x017F;eligen mehrmahls einen lebhafften Freu-<lb/>
den-Blick wu&#x0364;rffe/ und denen Verzweiffelten<lb/>
aus ihrem Schiffbruche einen Gene&#x017F;ungs-<lb/>
Weg zeigete; ja auch diß/ was &#x017F;einem eigenen<lb/>
We&#x017F;en nach entweder unangenehm oder beß-<lb/>
lich wa&#x0364;re/ mit einer Anmuth betheilete; al&#x017F;o:<lb/>
daß Traurigkeit und Zorn in einem &#x017F;cho&#x0364;nen<lb/>
Antlitze lieblich aus&#x017F;a&#x0364;he; daß die Thra&#x0364;nen den<lb/>
&#x017F;cho&#x0364;n&#x017F;ten Perlen/ die wa&#x0364;ßrichten Augen einem<lb/>
mit Regenbogen gefa&#x0364;rbtem Gewo&#x0364;lcke gleichte.<lb/><cb/>
Ja die Kranckheiten &#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;ehen auf wol gebilde-<lb/>
ten Wangen; und der grau&#x017F;ame Tod auf einem<lb/>
zierlichen Munde anmuthiger/ als &#x017F;on&#x017F;t aus.<lb/>
Das Unglu&#x0364;ck werffe &#x017F;einen Schatten nach de-<lb/>
nen Scho&#x0364;nen/ wo nicht mit minderer Tunckel-<lb/>
heit; iedoch mit geringerer Hartna&#x0364;ckigkeit. Die<lb/>
Wolcken der Rache und des Ha&#x017F;&#x017F;es/ welche al-<lb/>
les andere zermalmen/ &#x017F;chertzten und &#x017F;pielten<lb/>
nur mit denen/ welche den Zierrath des ge&#x017F;tirn-<lb/>
ten Himmels in den Augen/ der geblu&#x0364;mten Er-<lb/>
de auff allen Gliedern/ und ein gro&#x017F;&#x017F;es Theil<lb/>
men&#x017F;chlichen Verha&#x0364;ngnu&#x0364;ßes in ihren Ha&#x0364;nden<lb/>
tru&#x0364;gen. O des unglu&#x0364;ck&#x017F;eligen Ge&#x017F;tirnes! O<lb/>
der verga&#x0364;nglichen Neben-Sonne! fieng Thuß-<lb/>
nelde &#x017F;euffzende an. Denn in Wahrheit/ wo<lb/>
die eitele Ge&#x017F;talt einen Platz unter den Ster-<lb/>
nen/ oder den Blumen verdienet; weiß ich ihr<lb/>
keinen wu&#x0364;rdigern einzura&#x0364;umen/ als den die<lb/>
&#x017F;cha&#x0364;dlichen Schwantz-Ge&#x017F;tirne im Himmel/<lb/>
oder gifftiges Napel in Ga&#x0364;rten hat. Sintemal<lb/>
die Scho&#x0364;nheit wie jene; ie lichter &#x017F;ie brennen/<lb/>
nicht nur &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t; &#x017F;ondern gantze Sta&#x0364;dte und<lb/>
La&#x0364;nder eina&#x0364;&#x017F;chert; und nicht &#x017F;elten die reine&#x017F;ten<lb/>
Seelen vergifftet/ al&#x017F;o ein Vermo&#x0364;gen i&#x017F;t/ wel-<lb/>
ches &#x017F;einen eigenen Be&#x017F;itzer unglu&#x0364;ck&#x017F;elig; die<lb/>
aber/ welche ein Auge drauff haben/ unruhig<lb/>
macht; ja vielen &#x017F;ich aus einem Abgotte in ei-<lb/>
nen Hencker verwandelt. Denn ihre Tochter<lb/>
die Liebe kehret zwar mit Ja&#x017F;min in der Hand/<lb/>
mit Ro&#x017F;en auf dem Haupte in die zarten Seelen<lb/>
ein; hernach aber wu&#x0364;tet &#x017F;ie mit Feuer und<lb/>
Schwerdt in ihrer eigenen Behau&#x017F;ung. De&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en bewa&#x0364;hrtes Bey&#x017F;piel die einige Helena &#x017F;eyn<lb/>
kan/ in welche mich ein allzugu&#x0364;tiges Urthel des<lb/>
Volckes verwandeln wil. Fu&#x0364;r&#x017F;t Herrmann<lb/>
wolte zum Nachtheil der Scho&#x0364;nheit/ die er an<lb/>
Thußnelden anbetete/ nichts verkleinerliches<lb/>
verha&#x0364;ngen; &#x017F;etzte al&#x017F;o ihr entgegen: Man eig-<lb/>
nete nicht &#x017F;elten denen heil&#x017F;am&#x017F;ten Sternen den<lb/>
aus &#x017F;umpfichten Erdreiche herru&#x0364;hrenden Hagel<lb/>
und Ungewitter; denen ge&#x017F;u&#x0364;nde&#x017F;ten Kra&#x0364;utern<lb/>
aber von einem verterbten Leibe/ oder aus Miß-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">brauche</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[1238[1240]/1304] Achtes Buch ſo viel Helenen mahlen koͤnnen; als die Natur ſie mit vollkommenen Gliedern beſchenckt haͤt- te. Thußnelda brach dieſen Lobſpruͤchen ein; als welche die am ungerneſten hoͤren/ die ſie am meiſten verdienen; und um den Fuͤrſten Herr- mann auf was anders zu bringen/ ſagte ſie: Es waͤre zwar zu enthengen: daß die euſſerliche Ge- ſtalt noch der Farben und des Pinſels werth waͤren; als welche meiſt in uͤbelruͤchender Erde und bloſſem Schatten eben ſo wie die Schoͤn- heit des eitelen Leibes beſtuͤnden; aber die Ver- ehrung der Sonnen dem Brunnen des Lichts und der Seele der Welt ließe ſich einem ſo ver- gaͤnglichen Geſpenſte/ als die Schoͤnheit waͤre/ ohne jener Entweichung nicht zueignen. Fuͤrſt Herrmañ fragte alſofort: ob ſie nicht die Schoͤn- heit fuͤr ein beſonder Geſchencke Gottes hielte; oder nicht glaubte: daß diß/ was dem Geſtirne ſo aͤhnlich waͤre/ ſeinen Uhrſprung vom Him- mel/ und eine nicht geringere Wuͤrckung als die obern Lichter in denen Hertzen der Men- ſchen haͤtte? Phryne haͤtte durch Entbloͤſſung ihrer ſchoͤnen Bruͤſte das ſchon abgefaſte Ver- dammungs-Urthel von ſich abgelehnt; nach dem des Hyperides Beredſamkeit die Schaͤrffe der Richter zu erweichen viel zu ohnmaͤchtig geſchienen. Die Schoͤnheit waͤre eine Mutter der maͤchtigſten Koͤnigin der Welt/ nemlich der Liebe; welche Goͤtter und Menſchen beherrſch- te. Sie waͤre ein ſo kraͤfftiges Geſtirne/ welches die truͤben Zorn-Wolcken der grimmigſten Feinde ausklaͤrte; auffs Finſternuͤs der Un- gluͤckſeligen mehrmahls einen lebhafften Freu- den-Blick wuͤrffe/ und denen Verzweiffelten aus ihrem Schiffbruche einen Geneſungs- Weg zeigete; ja auch diß/ was ſeinem eigenen Weſen nach entweder unangenehm oder beß- lich waͤre/ mit einer Anmuth betheilete; alſo: daß Traurigkeit und Zorn in einem ſchoͤnen Antlitze lieblich ausſaͤhe; daß die Thraͤnen den ſchoͤnſten Perlen/ die waͤßrichten Augen einem mit Regenbogen gefaͤrbtem Gewoͤlcke gleichte. Ja die Kranckheiten ſelbſt ſehen auf wol gebilde- ten Wangen; und der grauſame Tod auf einem zierlichen Munde anmuthiger/ als ſonſt aus. Das Ungluͤck werffe ſeinen Schatten nach de- nen Schoͤnen/ wo nicht mit minderer Tunckel- heit; iedoch mit geringerer Hartnaͤckigkeit. Die Wolcken der Rache und des Haſſes/ welche al- les andere zermalmen/ ſchertzten und ſpielten nur mit denen/ welche den Zierrath des geſtirn- ten Himmels in den Augen/ der gebluͤmten Er- de auff allen Gliedern/ und ein groſſes Theil menſchlichen Verhaͤngnuͤßes in ihren Haͤnden truͤgen. O des ungluͤckſeligen Geſtirnes! O der vergaͤnglichen Neben-Sonne! fieng Thuß- nelde ſeuffzende an. Denn in Wahrheit/ wo die eitele Geſtalt einen Platz unter den Ster- nen/ oder den Blumen verdienet; weiß ich ihr keinen wuͤrdigern einzuraͤumen/ als den die ſchaͤdlichen Schwantz-Geſtirne im Himmel/ oder gifftiges Napel in Gaͤrten hat. Sintemal die Schoͤnheit wie jene; ie lichter ſie brennen/ nicht nur ſich ſelbſt; ſondern gantze Staͤdte und Laͤnder einaͤſchert; und nicht ſelten die reineſten Seelen vergifftet/ alſo ein Vermoͤgen iſt/ wel- ches ſeinen eigenen Beſitzer ungluͤckſelig; die aber/ welche ein Auge drauff haben/ unruhig macht; ja vielen ſich aus einem Abgotte in ei- nen Hencker verwandelt. Denn ihre Tochter die Liebe kehret zwar mit Jaſmin in der Hand/ mit Roſen auf dem Haupte in die zarten Seelen ein; hernach aber wuͤtet ſie mit Feuer und Schwerdt in ihrer eigenen Behauſung. Deſ- ſen bewaͤhrtes Beyſpiel die einige Helena ſeyn kan/ in welche mich ein allzuguͤtiges Urthel des Volckes verwandeln wil. Fuͤrſt Herrmann wolte zum Nachtheil der Schoͤnheit/ die er an Thußnelden anbetete/ nichts verkleinerliches verhaͤngen; ſetzte alſo ihr entgegen: Man eig- nete nicht ſelten denen heilſamſten Sternen den aus ſumpfichten Erdreiche herruͤhrenden Hagel und Ungewitter; denen geſuͤndeſten Kraͤutern aber von einem verterbten Leibe/ oder aus Miß- brauche

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1304
Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 1238[1240]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1304>, abgerufen am 07.05.2024.