Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Achtes Buch [Spaltenumbruch]
durch eine unbekandte Hand mit Saffran indeutscher Sprache angeschrieben: Der gantze Tag ist schön/ die Lufft gläntzt wie Safier; Nun du Thußnelde kommst/ und's Schau-Spiel hat begonnen; Umwölckt die Sonne sich. Warum? sie weichet dir Und schämet sich zu stehn bey einer schönen Sonnen. Wie aber Thußnelde an diesem schlechtes grausa-
Achtes Buch [Spaltenumbruch]
durch eine unbekandte Hand mit Saffran indeutſcher Sprache angeſchrieben: Der gantze Tag iſt ſchoͤn/ die Lufft glaͤntzt wie Safier; Nun du Thußnelde kommſt/ und’s Schau-Spiel hat begonnen; Umwoͤlckt die Sonne ſich. Warum? ſie weichet dir Und ſchaͤmet ſich zu ſtehn bey einer ſchoͤnen Sonnen. Wie aber Thußnelde an dieſem ſchlechtes grauſa-
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Achtes Buch
durch eine unbekandte Hand mit Saffran in
deutſcher Sprache angeſchrieben:
Der gantze Tag iſt ſchoͤn/ die Lufft glaͤntzt wie Safier;
Nun du Thußnelde kommſt/ und’s Schau-Spiel hat begonnen;
Umwoͤlckt die Sonne ſich. Warum? ſie weichet dir
Und ſchaͤmet ſich zu ſtehn bey einer ſchoͤnen Sonnen.
Wie aber Thußnelde an dieſem ſchlechtes
Vergnuͤgen fand/ und deßwegen dieſe Uber-
ſchrifft alsbald abzuthun anbefahl; alſo ſahe ſie
nicht ohne inner ſie Gemuͤths-Kraͤnckung/ wie
nicht allein unter denen in denen Antlitzen mit
Zinober und Berg-blau ſeltzam gemahlten
Fechtern ſo viel tapffere Deutſchen zu dieſem
blutigen Kampffe genoͤthiget; ſondern auch/
wenn ſie dem zornigen Poͤfel nicht grauſam
genung auf einander raſeten/ auffs ſchimpff-
lichſte geſchmaͤhet/ und nach ihrer Athem-loſen
Abmattung mit einem Getraͤncke aus Lauge zu
ihrem nur laͤngerem Elende erquicket wur-
den. Woruͤber ſie fuͤr Unwillen in ihrem Si-
tze die blauſeidenen mit Golde durchwuͤrckten
Fuͤrhaͤnge; wormit Germanicus und Tiberi-
us alle Geſtuͤle des Adels hatte verſehen laſſen/
fuͤrzoh. Welches der nicht ferne davon ſitzende
Fuͤrſt Herrmann genau wahrnahm; und daher
ihm Gelegenheit ſuchte bey dem Gaſt-Mahle/
welches noch ſelbige Nacht Germanicus und
Tiberius allen Groſſen ausrichtete/ gegen dem
erſtern und zwar der anweſenden Fuͤrſtin
Thußnelde zu Liebe zu erwehnen: Es waͤre ei-
ne allzugroſſe Strengigkeit: daß die Roͤmer
ihre Gefangenen/ und inſonderheit aus denen
ſtreitbarſten Voͤlckern/ welche der Kayſer ſelbſt
zu ſeiner Leib-Wache brauchte/ zu ſelbſteigener
Hinrichtung noͤthigten. Germanicus ant-
wortete: Es waͤre ihm leid: daß aus dem/ was
er ſeinen Vorfahren in ſeinem Schau-Spiele
nur nachgethan haͤtte/ zu iemandens Unver-
gnuͤgen gereichen ſolte. Er meinte aber: daß
dieſe bey den Roͤmern hergebrachte Gewonheit
ſich allerdings mit dem gemeinen Rechte der
Voͤlcker vertheidigen lieſſe; welches nicht nur
die ſtreitbaren/ ſondern alle Feinde ohne Unter-
ſcheid des Alters und Geſchlechtes/ ja auch die/
denen man gleich nicht im erſten Eyver der
Schlacht das Licht ausgeleſcht hat/ zu toͤdten
verſtattete. Sintemahl bey dieſen letzten der
Tod nur verſchoben/ das Leben aber keines We-
ges geſchenckt wuͤrde. Welches nicht nur das
Beyſpiel aller Voͤlcker; der vom Pyrrhus ab-
geſchlachtete Priamus/ die auf dem Grabe A-
chillens geopfferte Polyxena/ die von denen aus
Corcyra getoͤdteten Epidamnier/ die vom Han-
nibal auff einmahl hingerichteten Roͤmer/ ſon-
dern auch die eigenen Sitten der Deutſchen
und Scythen erhaͤrteten/ da ſie ihre Goͤtter mit
dem Blute der Gefangenen verſoͤhneten. Fuͤrſt
Herrmann verſetzte: Er wiederſpreche die Ge-
walt uͤber das Leben und den Tod der Gefan-
genen nicht; aber die ſich ſelbſt/ wiewol nur auf
Gnade und Ungnade/ und alſo ſonder einige
Bedingung Ergebenden zu toͤdten/ oder auch
die mit Zwang Gefangenen zu ſelbſt eigener
Auffreibung anzuſtrengen waͤre beydes eine
Haͤrtigkeit/ die in ſich kein Maß haͤtte/ und die
Feinde zu verzweiffelter Verbitterung veran-
laſte. Denn ob zwar die erſten ihren Willen
der Willkuͤhr des Uberwinders unterwuͤrffen;
alſo: daß nichts beſchwerliches wieder ihr Be-
lieben ihnen zu begegnen ſchiene; ſo wuͤrde doch
allezeit ſtillſchweigend ausgedungen/ was der
Bedraͤngte nur auf den Fall der euſſerſten
Wiederſaͤtzligkeit verlieren koͤnte/ nehmlich das
Leben. Ja/ da einem Knechte Unrecht geſche-
he; wenn der Herr ihn mit unertraͤglicher Laſt
bebuͤrdete/ mit unmenſchlichen Straffen aus-
aͤderte; da kein Herr ohne richterliches Erkaͤnt-
nuͤs ſeinen Leibeigenen toͤdten/ oder denen wil-
den Thieren fuͤrwerffen doͤrffte/ und ſich uͤber
ihn des Eigenthums verluſtig machte/ der ihm
die Lebens-Mittel oder die Artzney entzoͤge/ o-
der ſelbten auch gleich auf das Eyland des Eſcu-
lapius ausladen lieſſe; wie viel mehr Unbarm-
hertzigkeit waͤre es ſich gegen die Ergebenen
grauſa-
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