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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] ches der Römer Urtheil nach gegen dem rauen
Deutschlande mehr für einen Himmel/ als ein
Theil des Erdbodens zu halten wäre. Wie sie
nun den dritten Tag nach ihrer Ankunft an dem
Meerstrande mit einander herum spatzierten;
und von dem bey Surent gegen über liegendem
Milch-Gebürge sie ein linder Ost-Wind ab-
kühlete; fragte Livia Asblasten: Ob um diese
Jahres-Zeit/ da die Sonne in dem Zeichen der
kalten Fische wäre/ bey denen Cheruskern auch
so sanffte Lüffte spielten? Ob die Bäume nie-
mahls den lebhafften Schmaragd ihrer stets fri-
schen Blätter einbüsten? Ob die Felder so viel
Weitzen; die Hügel so süssen Wein; die Wäl-
der so viel Oel und Granaten-Aepffel trügen?
Asblaste antwortete Livien nach einem tieffen
Seuffzer: Sie wüste dieser Gegend an sich
selbst keinen Mangel auszustellen; Gleichwol
aber glaubte sie: daß das von Liebligkeit und
Fruchtbarkeit schwimmende Persien es Campa-
nien wo nicht zuvor thäte; zum minsten selbtem
gleich wäre. Nichts desto weniger hätte sie in
dem für so rau geachtetem Deutschlande mehr
Ver gnügung/ und zwar zur grimmigsten Win-
ters-Zeit/ als in den Susischen Lust-Gärten bey
dem Rosenreichen Frühlinge gefunden. Denn
wie die Sonne unter einerley Striche nach Be-
schaffenheit des Bodens und der gelegenen Ge-
bürge an einem Orte alles annehmlich befruch-
tete/ an dem andern alles versengte/ und gleich-
sam tödtlich wäre; also erquickte auch die Herr-
ligkeit eines Ortes/ und die vollkommenste Er-
getzligkeit nur etliche/ nicht alle Gemüther; son-
dern erfreute wie das Seitenspiel nur die Freu-
digen/ und betrübte die Betrübten. Der Ge-
ruch der Jasminen/ der Pomerantz-Blüten/ und
Arabiens Balsam stincke einen Gefangenen an;
hingegen wäre der Sonnenschein einer ver gnüg-
ten Liebe so kräfftig: daß die Lufft unter der
schneeichten Nordspitze nichts anders als Lieb-
ligkeit von sich hauchte/ nichts geringers als
Balsam von sich tröpfelte. Wenn sie aber/ ver-
setzte Livia/ in diesem Eylande das Ziel ihrer
[Spaltenumbruch] Liebe gegenwärtig hätte; wolte sie noch nicht
Deutschland hierum vertauschen? Denn die
Liebe wäre ja keine Feindin der Anmutb/ son-
dern diese vielmehr jener Amme. Sie wäre eine
Tochter der Schönheit/ eine Schwester der
Liebligkeit/ und eine Mutter der Ergetzung.
Dahero die kluge Vorwelt ihr den GOtt des
süssen Weines und die erquickende Ceres zu
Unterhaltung ihres Zunders zugeeignet hatte;
als ohne derer kräfftige Nahrung sie nicht nur
bald lau würde/ sondern gar erkaltete. Wie die
blühende Jugend diesen sechsten Sinn besser/
als das eysichte Alter unterhielte; also schiene ein
annehmliches Land auch der Liebe anständiger
zu seyn/ als die unfruchtbaren Hecken der mit-
ternächtigen Schnee-Gebürge. Jn diesen kön-
te die Liebe ihren Flug nicht so rüstig verrichten;
da Wind/ Schnee und Frost ihre Flügel unbe-
reglich machte. Jn diesem Eylande aber wäre
das Jahr schier immer in seinem Sommer/ die
Sonne in ihrem Mittage. Daher auch die Lie-
be/ welche ein zartes und nacktes Kind wäre/ all-
hier ihrem Thun einen kräfftigern Nachdruck
gebe/ die Hertzen auch einen tauglichern Zunder
ihre süsse Glut zu fangen in sich hätten. Diesem-
nach möchte ihr Asblaste doch alldar wol seyn
lassen; wo die Lufft von dem gütigen Himmel
derogestalt eingebisamt wäre: daß sie die Be-
trübten freudig; und die kältesten Hertzen ver-
liebt machte. Das Verhängnüs beraubte zu-
weilen die Menschen eines Schatzes; wormit es
selbten hernach einem vollkommener zuschantzen
könne. Jhrer viel blieben nur deßwegen un-
glückselig; weil sie mit einer all zugrossen Hart-
näckigkeit ihrem Verluste nachsähen; hinge-
gen für dem ihnen neuauffgehenden Glücks-
Sterne die Augen zudrückten. Kluge Lie-
be aber liesse diß endlich fahren; was das
Verhängnüs ihm selbst aus den Hän-
den windete/ und unmöglich wieder zu
erlangen wäre; umarmte aber die ihr
mit lachendem Munde begegnende Gele-
genheit neuer Vergnügung. Die tieffsinnige

Asblaste
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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] ches der Roͤmer Urtheil nach gegen dem rauen
Deutſchlande mehr fuͤr einen Himmel/ als ein
Theil des Erdbodens zu halten waͤre. Wie ſie
nun den dritten Tag nach ihrer Ankunft an dem
Meerſtrande mit einander herum ſpatzierten;
und von dem bey Surent gegen uͤber liegendem
Milch-Gebuͤrge ſie ein linder Oſt-Wind ab-
kuͤhlete; fragte Livia Asblaſten: Ob um dieſe
Jahres-Zeit/ da die Sonne in dem Zeichen der
kalten Fiſche waͤre/ bey denen Cheruskern auch
ſo ſanffte Luͤffte ſpielten? Ob die Baͤume nie-
mahls den lebhafften Schmaragd ihrer ſtets fri-
ſchen Blaͤtter einbuͤſten? Ob die Felder ſo viel
Weitzen; die Huͤgel ſo ſuͤſſen Wein; die Waͤl-
der ſo viel Oel und Granaten-Aepffel truͤgen?
Asblaſte antwortete Livien nach einem tieffen
Seuffzer: Sie wuͤſte dieſer Gegend an ſich
ſelbſt keinen Mangel auszuſtellen; Gleichwol
aber glaubte ſie: daß das von Liebligkeit und
Fruchtbarkeit ſchwim̃ende Perſien es Campa-
nien wo nicht zuvor thaͤte; zum minſten ſelbtem
gleich waͤre. Nichts deſto weniger haͤtte ſie in
dem fuͤr ſo rau geachtetem Deutſchlande mehr
Ver gnuͤgung/ und zwar zur grim̃igſten Win-
ters-Zeit/ als in den Suſiſchen Luſt-Gaͤrten bey
dem Roſenreichen Fruͤhlinge gefunden. Denn
wie die Sonne unter einerley Striche nach Be-
ſchaffenheit des Bodens und der gelegenen Ge-
buͤrge an einem Orte alles annehmlich befruch-
tete/ an dem andern alles verſengte/ und gleich-
ſam toͤdtlich waͤre; alſo erquickte auch die Herꝛ-
ligkeit eines Ortes/ und die vollkommenſte Er-
getzligkeit nur etliche/ nicht alle Gemuͤther; ſon-
dern erfreute wie das Seitenſpiel nur die Freu-
digen/ und betruͤbte die Betruͤbten. Der Ge-
ruch der Jaſminen/ der Pomerantz-Bluͤten/ und
Aꝛabiens Balſam ſtincke einen Gefangenen an;
hingegen waͤre der Soñenſchein einer ver gnuͤg-
ten Liebe ſo kraͤfftig: daß die Lufft unter der
ſchneeichten Nordſpitze nichts anders als Lieb-
ligkeit von ſich hauchte/ nichts geringers als
Balſam von ſich troͤpfelte. Wenn ſie aber/ ver-
ſetzte Livia/ in dieſem Eylande das Ziel ihrer
[Spaltenumbruch] Liebe gegenwaͤrtig haͤtte; wolte ſie noch nicht
Deutſchland hierum vertauſchen? Denn die
Liebe waͤre ja keine Feindin der Anmutb/ ſon-
dern dieſe vielmehr jener Amme. Sie waͤre eine
Tochter der Schoͤnheit/ eine Schweſter der
Liebligkeit/ und eine Mutter der Ergetzung.
Dahero die kluge Vorwelt ihr den GOtt des
ſuͤſſen Weines und die erquickende Ceres zu
Unterhaltung ihres Zunders zugeeignet hatte;
als ohne derer kraͤfftige Nahrung ſie nicht nur
bald lau wuͤrde/ ſondern gar erkaltete. Wie die
bluͤhende Jugend dieſen ſechſten Sinn beſſer/
als das eyſichte Alter unterhielte; alſo ſchiene ein
annehmliches Land auch der Liebe anſtaͤndiger
zu ſeyn/ als die unfruchtbaren Hecken der mit-
ternaͤchtigen Schnee-Gebuͤrge. Jn dieſen koͤn-
te die Liebe ihren Flug nicht ſo ruͤſtig verrichten;
da Wind/ Schnee und Froſt ihre Fluͤgel unbe-
reglich machte. Jn dieſem Eylande aber waͤre
das Jahr ſchier immer in ſeinem Sommer/ die
Sonne in ihrem Mittage. Daher auch die Lie-
be/ welche ein zartes und nacktes Kind waͤre/ all-
hier ihrem Thun einen kraͤfftigern Nachdruck
gebe/ die Hertzen auch einen tauglichern Zunder
ihre ſuͤſſe Glut zu fangen in ſich haͤtten. Dieſem-
nach moͤchte ihr Asblaſte doch alldar wol ſeyn
laſſen; wo die Lufft von dem guͤtigen Himmel
derogeſtalt eingebiſamt waͤre: daß ſie die Be-
truͤbten freudig; und die kaͤlteſten Hertzen ver-
liebt machte. Das Verhaͤngnuͤs beraubte zu-
weilen die Menſchen eines Schatzes; wormit es
ſelbten hernach einem vollkom̃ener zuſchantzen
koͤnne. Jhrer viel blieben nur deßwegen un-
gluͤckſelig; weil ſie mit einer all zugroſſen Hart-
naͤckigkeit ihrem Verluſte nachſaͤhen; hinge-
gen fuͤr dem ihnen neuauffgehenden Gluͤcks-
Sterne die Augen zudruͤckten. Kluge Lie-
be aber lieſſe diß endlich fahren; was das
Verhaͤngnuͤs ihm ſelbſt aus den Haͤn-
den windete/ und unmoͤglich wieder zu
erlangen waͤre; umarmte aber die ihr
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genheit neuer Vergnuͤgung. Die tieffſinnige

Asblaſte
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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 1189[1191]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1255>, abgerufen am 23.11.2024.