Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

Bild:
<< vorherige Seite

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] eine Liebes-Göttin anbetete ) von ihren Be-
freundeten an einen gewissen Ort; und zwar
die in diesem Thale zu denen zwey warmen
Brunnen gebracht; dahin sich ihre Liebhaber
auch einfindeten/ beyde also die freye Wahl ihrer
Heyrathen voll zügen.

Wie sie nun zwischen die zwey Bäche ka-
men/ welche die zwey warmen Brunnen gleich-
sam wie zwey Armen umschlüssen; fanden sie
Ufer und Wiesen ziemlich angefüllet; und dar-
unter eine ansehnliche Anzahl wunderschöner
Jungfrauen; derer Wahl gleichsam nunmehr
um ihre inbrünstigen Liebhaber solte das Loß
werffen. Die Menge derselben machte: daß
König Marbod und die zwey Ritter sie nur ü-
berhin betrachteten. Sie sahen aber endlich
eine Jungfrau durch die Zackenbach waten;
welche in einem Augenblicke alle ihre Augen
gleichsam bezauberte. Denn ihr Mund war
dem höchsten Zinober/ ihre Wangen denen noch
von Thau trieffenden/ und noch halb zugeschlos-
senen Rosen/ die braunen Augen zweyen bli-
tzenden Sternen/ der Hals/ und der mehr als halb
nackte Leib dem gefallenen Schnee zu verglei-
chen. Die Brüste waren der Landes-Art nach
gantz bloß/ und ein nicht ungleiches Abbild des
nahen Schnee-Gebürges/ wenn dessen Gipfel
so wol/ als jene/ mit so Purpurrothen Beeren
gekrönet/ mit einer so vollkommenen Rundte
erhöhet/ und stets mit einem lebhafften Atheme
nichts minder beseelet/ als aufgeschwellet wür-
de. Mit denen braunlichten Haaren/ welche
zwar hundertfach gekringelt waren/ aber biß an
die Kniekehlen reichten/ spielte der anmuthige
Westwind um die Schultern. Auf dem Haupte
trug sie einen Rosen-Krantz/ am Halse hieng ein
Bogen/ an der Seite ein Köcher; in der einen
Hand hatte sie eine Sichel/ in der andern eine
Spindel. Von dem Gurthe biß an die Knie
war sie zwar mit einer zarten Leinwand verhül-
let; selbte aber mit so viel Blumen bedeckt: daß
sie kaum zu erkiesen war. Jhr folgten auf dem
[Spaltenumbruch] Fuße zwölff der wunderschönst en Frauen; wel-
che sie geraden Weges zu dem warmen Brun-
nen leiteten; und zu baden nöthigten. Da sie
denn entweder von der Wärmde das Wassers/
oder aus Schamröthe für so viel Zuschauern
sich noch annehmlicher färbte; insonderheit a-
ber stachen ihre Lippen alle Corallen und Pur-
pur-Muscheln weg; und die Zuschauer stunden
in Kummer: daß sie von übrigem Geblüte zer-
platzen würden. Marbod konte sich nicht län-
ger enthalten zu seuffzen/ und gegen seine Ge-
färthen heraus zu fahren: Warlich; ich weiß
nicht: Ob sie diese Halb-Göttin in diesem Quel-
le verunreinigen/ oder das Wasser durch ihre
Schönheit mehr ausklären oder anzünden wol-
len? Wie nun sie im Bade wenig Zeit zubrach-
te/ also begleiteten sie ihre Führerinnen auff die
nechste Wiese an die Bach/ da sie denn um sie
sitzende einen Kreiß machten/ und folgendes
Lied ihr zusungen:

Liebstes Kind/ der Sommer glühet/
Da des reiffen Alters Safft/
Knospen reiner Jungfrauschafft
Auffzuschlüssen ist bemühet/
Blüth' und Kindheit ist vorbey/
Nunmehr lerne: was es sey
Ohne was wir Unding wären/
Und ein Brach-Feld sonder Eeren.
Jtzt wird Einfalt weggeleget;
Fühl'stu ein süß Etwas nicht?
Das um diese Zeit uns sticht/
Und sich im Geäder reaet.
Diß ist's Honig dieser Welt/
Das sie labet und erhält;
Ja geliebt und liebend werden
Jst der Zucker auf der Erden.
Rosen speisen Schlang' und Bienen;
Liebe Jugend und die Zeit
Die bestimmt zur Fruchtbarkeit;
Nur daß Ros' und Liebe dienen
Dort zu Gifft und Raserey/
Hier zu Honig und Artzney;
Ja es ist dem Lieben eigen
Mehl- und Zucker-Thau zu zeigen.
Gleich-

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] eine Liebes-Goͤttin anbetete ) von ihren Be-
freundeten an einen gewiſſen Ort; und zwar
die in dieſem Thale zu denen zwey warmen
Brunnen gebracht; dahin ſich ihre Liebhaber
auch einfindeten/ beyde alſo die freye Wahl ihrer
Heyrathen voll zuͤgen.

Wie ſie nun zwiſchen die zwey Baͤche ka-
men/ welche die zwey warmen Brunnen gleich-
ſam wie zwey Armen umſchluͤſſen; fanden ſie
Ufer und Wieſen ziemlich angefuͤllet; und dar-
unter eine anſehnliche Anzahl wunderſchoͤner
Jungfrauen; derer Wahl gleichſam nunmehr
um ihre inbruͤnſtigen Liebhaber ſolte das Loß
werffen. Die Menge derſelben machte: daß
Koͤnig Marbod und die zwey Ritter ſie nur uͤ-
berhin betrachteten. Sie ſahen aber endlich
eine Jungfrau durch die Zackenbach waten;
welche in einem Augenblicke alle ihre Augen
gleichſam bezauberte. Denn ihr Mund war
dem hoͤchſten Zinober/ ihre Wangen denen noch
von Thau trieffenden/ und noch halb zugeſchloſ-
ſenen Roſen/ die braunen Augen zweyen bli-
tzenden Sternen/ der Hals/ uñ der mehr als halb
nackte Leib dem gefallenen Schnee zu verglei-
chen. Die Bruͤſte waren der Landes-Art nach
gantz bloß/ und ein nicht ungleiches Abbild des
nahen Schnee-Gebuͤrges/ wenn deſſen Gipfel
ſo wol/ als jene/ mit ſo Purpurrothen Beeren
gekroͤnet/ mit einer ſo vollkommenen Rundte
erhoͤhet/ und ſtets mit einem lebhafften Atheme
nichts minder beſeelet/ als aufgeſchwellet wuͤr-
de. Mit denen braunlichten Haaren/ welche
zwar hundertfach gekringelt waren/ aber biß an
die Kniekehlen reichten/ ſpielte der anmuthige
Weſtwind um die Schultern. Auf dem Haupte
trug ſie einen Roſen-Krantz/ am Halſe hieng ein
Bogen/ an der Seite ein Koͤcher; in der einen
Hand hatte ſie eine Sichel/ in der andern eine
Spindel. Von dem Gurthe biß an die Knie
war ſie zwar mit einer zarten Leinwand verhuͤl-
let; ſelbte aber mit ſo viel Blumen bedeckt: daß
ſie kaum zu erkieſen war. Jhr folgten auf dem
[Spaltenumbruch] Fuße zwoͤlff der wunderſchoͤnſt en Frauen; wel-
che ſie geraden Weges zu dem warmen Brun-
nen leiteten; und zu baden noͤthigten. Da ſie
denn entweder von der Waͤrmde das Waſſers/
oder aus Schamroͤthe fuͤr ſo viel Zuſchauern
ſich noch annehmlicher faͤrbte; inſonderheit a-
ber ſtachen ihre Lippen alle Corallen und Pur-
pur-Muſcheln weg; und die Zuſchauer ſtunden
in Kummer: daß ſie von uͤbrigem Gebluͤte zer-
platzen wuͤrden. Marbod konte ſich nicht laͤn-
ger enthalten zu ſeuffzen/ und gegen ſeine Ge-
faͤrthen heraus zu fahren: Warlich; ich weiß
nicht: Ob ſie dieſe Halb-Goͤttin in dieſem Quel-
le verunreinigen/ oder das Waſſer durch ihre
Schoͤnheit mehr ausklaͤren oder anzuͤnden wol-
len? Wie nun ſie im Bade wenig Zeit zubrach-
te/ alſo begleiteten ſie ihre Fuͤhrerinnen auff die
nechſte Wieſe an die Bach/ da ſie denn um ſie
ſitzende einen Kreiß machten/ und folgendes
Lied ihr zuſungen:

Liebſtes Kind/ der Sommer gluͤhet/
Da des reiffen Alters Safft/
Knoſpen reiner Jungfrauſchafft
Auffzuſchluͤſſen iſt bemuͤhet/
Bluͤth’ und Kindheit iſt vorbey/
Nunmehr lerne: was es ſey
Ohne was wir Unding waͤren/
Und ein Brach-Feld ſonder Eeren.
Jtzt wird Einfalt weggeleget;
Fuͤhl’ſtu ein ſuͤß Etwas nicht?
Das um dieſe Zeit uns ſticht/
Und ſich im Geaͤder reaet.
Diß iſt’s Honig dieſer Welt/
Das ſie labet und erhaͤlt;
Ja geliebt und liebend werden
Jſt der Zucker auf der Erden.
Roſen ſpeiſen Schlang’ und Bienen;
Liebe Jugend und die Zeit
Die beſtimmt zur Fruchtbarkeit;
Nur daß Roſ’ und Liebe dienen
Dort zu Gifft und Raſerey/
Hier zu Honig und Artzney;
Ja es iſt dem Lieben eigen
Mehl- und Zucker-Thau zu zeigen.
Gleich-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f1191" n="1127[1129]"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Arminius und Thußnelda.</hi></fw><lb/><cb/>
eine Liebes-Go&#x0364;ttin anbetete ) von ihren Be-<lb/>
freundeten an einen gewi&#x017F;&#x017F;en Ort; und zwar<lb/>
die in die&#x017F;em Thale zu denen zwey warmen<lb/>
Brunnen gebracht; dahin &#x017F;ich ihre Liebhaber<lb/>
auch einfindeten/ beyde al&#x017F;o die freye Wahl ihrer<lb/>
Heyrathen voll zu&#x0364;gen.</p><lb/>
          <p>Wie &#x017F;ie nun zwi&#x017F;chen die zwey Ba&#x0364;che ka-<lb/>
men/ welche die zwey warmen Brunnen gleich-<lb/>
&#x017F;am wie zwey Armen um&#x017F;chlu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en; fanden &#x017F;ie<lb/>
Ufer und Wie&#x017F;en ziemlich angefu&#x0364;llet; und dar-<lb/>
unter eine an&#x017F;ehnliche Anzahl wunder&#x017F;cho&#x0364;ner<lb/>
Jungfrauen; derer Wahl gleich&#x017F;am nunmehr<lb/>
um ihre inbru&#x0364;n&#x017F;tigen Liebhaber &#x017F;olte das Loß<lb/>
werffen. Die Menge der&#x017F;elben machte: daß<lb/>
Ko&#x0364;nig Marbod und die zwey Ritter &#x017F;ie nur u&#x0364;-<lb/>
berhin betrachteten. Sie &#x017F;ahen aber endlich<lb/>
eine Jungfrau durch die Zackenbach waten;<lb/>
welche in einem Augenblicke alle ihre Augen<lb/>
gleich&#x017F;am bezauberte. Denn ihr Mund war<lb/>
dem ho&#x0364;ch&#x017F;ten Zinober/ ihre Wangen denen noch<lb/>
von Thau trieffenden/ und noch halb zuge&#x017F;chlo&#x017F;-<lb/>
&#x017F;enen Ro&#x017F;en/ die braunen Augen zweyen bli-<lb/>
tzenden Sternen/ der Hals/ un&#x0303; der mehr als halb<lb/>
nackte Leib dem gefallenen Schnee zu verglei-<lb/>
chen. Die Bru&#x0364;&#x017F;te waren der Landes-Art nach<lb/>
gantz bloß/ und ein nicht ungleiches Abbild des<lb/>
nahen Schnee-Gebu&#x0364;rges/ wenn de&#x017F;&#x017F;en Gipfel<lb/>
&#x017F;o wol/ als jene/ mit &#x017F;o Purpurrothen Beeren<lb/>
gekro&#x0364;net/ mit einer &#x017F;o vollkommenen Rundte<lb/>
erho&#x0364;het/ und &#x017F;tets mit einem lebhafften Atheme<lb/>
nichts minder be&#x017F;eelet/ als aufge&#x017F;chwellet wu&#x0364;r-<lb/>
de. Mit denen braunlichten Haaren/ welche<lb/>
zwar hundertfach gekringelt waren/ aber biß an<lb/>
die Kniekehlen reichten/ &#x017F;pielte der anmuthige<lb/>
We&#x017F;twind um die Schultern. Auf dem Haupte<lb/>
trug &#x017F;ie einen Ro&#x017F;en-Krantz/ am Hal&#x017F;e hieng ein<lb/>
Bogen/ an der Seite ein Ko&#x0364;cher; in der einen<lb/>
Hand hatte &#x017F;ie eine Sichel/ in der andern eine<lb/>
Spindel. Von dem Gurthe biß an die Knie<lb/>
war &#x017F;ie zwar mit einer zarten Leinwand verhu&#x0364;l-<lb/>
let; &#x017F;elbte aber mit &#x017F;o viel Blumen bedeckt: daß<lb/>
&#x017F;ie kaum zu erkie&#x017F;en war. Jhr folgten auf dem<lb/><cb/>
Fuße zwo&#x0364;lff der wunder&#x017F;cho&#x0364;n&#x017F;t en Frauen; wel-<lb/>
che &#x017F;ie geraden Weges zu dem warmen Brun-<lb/>
nen leiteten; und zu baden no&#x0364;thigten. Da &#x017F;ie<lb/>
denn entweder von der Wa&#x0364;rmde das Wa&#x017F;&#x017F;ers/<lb/>
oder aus Schamro&#x0364;the fu&#x0364;r &#x017F;o viel Zu&#x017F;chauern<lb/>
&#x017F;ich noch annehmlicher fa&#x0364;rbte; in&#x017F;onderheit a-<lb/>
ber &#x017F;tachen ihre Lippen alle Corallen und Pur-<lb/>
pur-Mu&#x017F;cheln weg; und die Zu&#x017F;chauer &#x017F;tunden<lb/>
in Kummer: daß &#x017F;ie von u&#x0364;brigem Geblu&#x0364;te zer-<lb/>
platzen wu&#x0364;rden. Marbod konte &#x017F;ich nicht la&#x0364;n-<lb/>
ger enthalten zu &#x017F;euffzen/ und gegen &#x017F;eine Ge-<lb/>
fa&#x0364;rthen heraus zu fahren: Warlich; ich weiß<lb/>
nicht: Ob &#x017F;ie die&#x017F;e Halb-Go&#x0364;ttin in die&#x017F;em Quel-<lb/>
le verunreinigen/ oder das Wa&#x017F;&#x017F;er durch ihre<lb/>
Scho&#x0364;nheit mehr auskla&#x0364;ren oder anzu&#x0364;nden wol-<lb/>
len? Wie nun &#x017F;ie im Bade wenig Zeit zubrach-<lb/>
te/ al&#x017F;o begleiteten &#x017F;ie ihre Fu&#x0364;hrerinnen auff die<lb/>
nech&#x017F;te Wie&#x017F;e an die Bach/ da &#x017F;ie denn um &#x017F;ie<lb/>
&#x017F;itzende einen Kreiß machten/ und folgendes<lb/>
Lied ihr zu&#x017F;ungen:</p><lb/>
          <lg type="poem">
            <lg n="1">
              <l>Lieb&#x017F;tes Kind/ der Sommer glu&#x0364;het/</l><lb/>
              <l>Da des reiffen Alters Safft/</l><lb/>
              <l>Kno&#x017F;pen reiner Jungfrau&#x017F;chafft</l><lb/>
              <l>Auffzu&#x017F;chlu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en i&#x017F;t bemu&#x0364;het/</l><lb/>
              <l>Blu&#x0364;th&#x2019; und Kindheit i&#x017F;t vorbey/</l><lb/>
              <l>Nunmehr lerne: was es &#x017F;ey</l><lb/>
              <l>Ohne was wir Unding wa&#x0364;ren/</l><lb/>
              <l>Und ein Brach-Feld &#x017F;onder Eeren.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="2">
              <l>Jtzt wird Einfalt weggeleget;</l><lb/>
              <l>Fu&#x0364;hl&#x2019;&#x017F;tu ein &#x017F;u&#x0364;ß Etwas nicht?</l><lb/>
              <l>Das um die&#x017F;e Zeit uns &#x017F;ticht/</l><lb/>
              <l>Und &#x017F;ich im Gea&#x0364;der reaet.</l><lb/>
              <l>Diß i&#x017F;t&#x2019;s Honig die&#x017F;er Welt/</l><lb/>
              <l>Das &#x017F;ie labet und erha&#x0364;lt;</l><lb/>
              <l>Ja geliebt und liebend werden</l><lb/>
              <l>J&#x017F;t der Zucker auf der Erden.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="3">
              <l>Ro&#x017F;en &#x017F;pei&#x017F;en Schlang&#x2019; und Bienen;</l><lb/>
              <l>Liebe Jugend und die Zeit</l><lb/>
              <l>Die be&#x017F;timmt zur Fruchtbarkeit;</l><lb/>
              <l>Nur daß Ro&#x017F;&#x2019; und Liebe dienen</l><lb/>
              <l>Dort zu Gifft und Ra&#x017F;erey/</l><lb/>
              <l>Hier zu Honig und Artzney;</l><lb/>
              <l>Ja es i&#x017F;t dem Lieben eigen</l><lb/>
              <l>Mehl- und Zucker-Thau zu zeigen.</l>
            </lg><lb/>
            <fw place="bottom" type="catch">Gleich-</fw><lb/>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[1127[1129]/1191] Arminius und Thußnelda. eine Liebes-Goͤttin anbetete ) von ihren Be- freundeten an einen gewiſſen Ort; und zwar die in dieſem Thale zu denen zwey warmen Brunnen gebracht; dahin ſich ihre Liebhaber auch einfindeten/ beyde alſo die freye Wahl ihrer Heyrathen voll zuͤgen. Wie ſie nun zwiſchen die zwey Baͤche ka- men/ welche die zwey warmen Brunnen gleich- ſam wie zwey Armen umſchluͤſſen; fanden ſie Ufer und Wieſen ziemlich angefuͤllet; und dar- unter eine anſehnliche Anzahl wunderſchoͤner Jungfrauen; derer Wahl gleichſam nunmehr um ihre inbruͤnſtigen Liebhaber ſolte das Loß werffen. Die Menge derſelben machte: daß Koͤnig Marbod und die zwey Ritter ſie nur uͤ- berhin betrachteten. Sie ſahen aber endlich eine Jungfrau durch die Zackenbach waten; welche in einem Augenblicke alle ihre Augen gleichſam bezauberte. Denn ihr Mund war dem hoͤchſten Zinober/ ihre Wangen denen noch von Thau trieffenden/ und noch halb zugeſchloſ- ſenen Roſen/ die braunen Augen zweyen bli- tzenden Sternen/ der Hals/ uñ der mehr als halb nackte Leib dem gefallenen Schnee zu verglei- chen. Die Bruͤſte waren der Landes-Art nach gantz bloß/ und ein nicht ungleiches Abbild des nahen Schnee-Gebuͤrges/ wenn deſſen Gipfel ſo wol/ als jene/ mit ſo Purpurrothen Beeren gekroͤnet/ mit einer ſo vollkommenen Rundte erhoͤhet/ und ſtets mit einem lebhafften Atheme nichts minder beſeelet/ als aufgeſchwellet wuͤr- de. Mit denen braunlichten Haaren/ welche zwar hundertfach gekringelt waren/ aber biß an die Kniekehlen reichten/ ſpielte der anmuthige Weſtwind um die Schultern. Auf dem Haupte trug ſie einen Roſen-Krantz/ am Halſe hieng ein Bogen/ an der Seite ein Koͤcher; in der einen Hand hatte ſie eine Sichel/ in der andern eine Spindel. Von dem Gurthe biß an die Knie war ſie zwar mit einer zarten Leinwand verhuͤl- let; ſelbte aber mit ſo viel Blumen bedeckt: daß ſie kaum zu erkieſen war. Jhr folgten auf dem Fuße zwoͤlff der wunderſchoͤnſt en Frauen; wel- che ſie geraden Weges zu dem warmen Brun- nen leiteten; und zu baden noͤthigten. Da ſie denn entweder von der Waͤrmde das Waſſers/ oder aus Schamroͤthe fuͤr ſo viel Zuſchauern ſich noch annehmlicher faͤrbte; inſonderheit a- ber ſtachen ihre Lippen alle Corallen und Pur- pur-Muſcheln weg; und die Zuſchauer ſtunden in Kummer: daß ſie von uͤbrigem Gebluͤte zer- platzen wuͤrden. Marbod konte ſich nicht laͤn- ger enthalten zu ſeuffzen/ und gegen ſeine Ge- faͤrthen heraus zu fahren: Warlich; ich weiß nicht: Ob ſie dieſe Halb-Goͤttin in dieſem Quel- le verunreinigen/ oder das Waſſer durch ihre Schoͤnheit mehr ausklaͤren oder anzuͤnden wol- len? Wie nun ſie im Bade wenig Zeit zubrach- te/ alſo begleiteten ſie ihre Fuͤhrerinnen auff die nechſte Wieſe an die Bach/ da ſie denn um ſie ſitzende einen Kreiß machten/ und folgendes Lied ihr zuſungen: Liebſtes Kind/ der Sommer gluͤhet/ Da des reiffen Alters Safft/ Knoſpen reiner Jungfrauſchafft Auffzuſchluͤſſen iſt bemuͤhet/ Bluͤth’ und Kindheit iſt vorbey/ Nunmehr lerne: was es ſey Ohne was wir Unding waͤren/ Und ein Brach-Feld ſonder Eeren. Jtzt wird Einfalt weggeleget; Fuͤhl’ſtu ein ſuͤß Etwas nicht? Das um dieſe Zeit uns ſticht/ Und ſich im Geaͤder reaet. Diß iſt’s Honig dieſer Welt/ Das ſie labet und erhaͤlt; Ja geliebt und liebend werden Jſt der Zucker auf der Erden. Roſen ſpeiſen Schlang’ und Bienen; Liebe Jugend und die Zeit Die beſtimmt zur Fruchtbarkeit; Nur daß Roſ’ und Liebe dienen Dort zu Gifft und Raſerey/ Hier zu Honig und Artzney; Ja es iſt dem Lieben eigen Mehl- und Zucker-Thau zu zeigen. Gleich-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1191
Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 1127[1129]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1191>, abgerufen am 23.11.2024.