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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Siebendes Buch
[Spaltenumbruch] welchem G[e]spräche sie denn in eine Küche ka-
men; da auf etlichen Heerden über dem Feuer
viel gläserne Kolben standen/ in welchen er aus
Thieren/ Würmern/ Kräutern/ Ertzt und
Steinen den Geist und die beste Krafft zu zie-
hen wuste. Zuletzt auch mit den herrlichsten
Artzneyen sie reichlich betheilte; Bey dem nun
nahe herbey gebrachten Mittage aber das alte
Weib ihnen zu ihrer grossen Verwunderung/
Forellen/ Eschen/ Grundeln/ und Haselhüner
fürsetzte; ja ihnen anlag: daß sie selbigen Tag;
weil doch allem Ansehen nach sie eine ferne Rei-
se hinter sich gelegt haben müsten/ bey ihnen
ausruhen/ und ob sie zwar sie für keine Leute
gemeinen Standes urtheilte/ doch mit ihrer ar-
men Rauch-Hütte für lieb nehmen möchten.
Weil nun der Alte ihr beystimmte/ sich auch er-
bot auf den Morgen sie biß unter das Gebürge
zu denen zwey warmen Brunnen zu begleiten;
und ihnen/ wie die Marsinger das Feyer der
Frea jährlich zu begehen pflegten/ zeigen wol-
te; hatten sie zwar Bedencken diesen treuher-
tzigen Leuten beschwerlich zu seyn; iedoch schien
es ihnen eine noch grössere Unhöfligkeit zu seyn/
ihren Wolthätern was abzuschlagen/ was zu
ihrem Wolgefallen und selbsteigner Gemäch-
ligkeit gereichte/ und zwar deßhalben sonder we-
niger Bedencken; weil diese guten Leute nicht
einst nach ihrem Zustande/ und nach dem Abse-
hen ihrer Reise zu fragen sich unterwinden wol-
ten.

Mit anbrechendem Tage machten sie sich
auf/ und gab dieser Stein-alte Greiß einen so
hurtigen Wegweiser ab: daß sie in zwey Stun-
den ein etwa zwey Meilen lang und breites/
rings um mit einem Krantze Baum-reicher
Berge umgebenes/ in der Mitte aber mit
wol hundert fruchtbaren Hügeln (welche a-
ber gegen denen Riesenbergen Maulwurffs-
Hauffen schienen) gleichsam beseeltes Thal er-
reichten/ und darmit nichts minder ihr Hertz er-
lustigten/ als die Augen weideten. Unter We-
[Spaltenumbruch] ges erzehlte der Wurtzelmann auf Lichtensteins
Begehren: was das angedeutete jährliche Fey-
er eigentlich wäre? Sie als Deutsche würden
wol wissen: daß die Deutschen zwar aus den
Lastern/ wie er von andern Völckern hörte/ kei-
ne Sitten machten/ weniger ein Lachen darein
gäben; für das abscheulichste aber würde die
Unkeuschheit/ insonderheit bey denen Marsin-
gern gehalten. Daher es bey ihnen die ärgste
Schande wäre für dem zwantzigsten Jahre ei-
nem Weibe beygethan seyn; ja es würde die
Vermischung den Männern für dem dreyßig-
sten/ den Jungfrauen für dem zwanzigsten Jah-
re gar nicht erlaubt. Die Gesetze hätte Frea
eines Marsingischen Hertzogs Tochter/ welche
hernach Wodan/ oder der Deutsche Hercules
geheyrathet/ gestifftet/ wormit die Heyrathen-
den vorher recht erstarren/ und unter einem so
tapffern Volcke wegen Unzeit durch die Lie-
bes-Wercke erschöpffter Leibes-Kräfften keine
ohnmächtige Zwerge/ sondern kräfftige Leute
gezeuget würden. Auch hätte sie denen Eh-
brecherinnen diese Straffe gesetzt: daß ihr
Mann nach abgeschnittenen Haaren sie aus
dem Hause stiesse/ und biß über die Gräntze des-
selbigen Fleckens ohne einige Erbarmnüs und
verstatteten Einhalt der Obrigkeit biß aufs
Blut peitschte. Hierentgegen diesen Lastern so
viel leichter fürzukommen/ hätte sie gezwungene
Heyrathen verdammet/ und allen auch noch un-
ter ihrer Eltern Gewalt begrieffenen Kindern
eine unverschränckte Wahl ihrer Ehgatten er-
laubet; sonderlich weil hier zu Lande Jung-
frauen nur einmahl heyratheten/ und nichts
minder keine Wittib wäre: die nach einem an-
dern Ehmanne seuffzete/ als einiger Mann/ der
selbte seines Ehbettes würdigte. Wenn nun
die Töchter das bestimmte Alter erreichten/
würden sie auf eben selbigen Tag des Jahres
(an dem man dieser klugen Gesetzgeberin Ge-
dächtnüs mit vielen Lobsprüchen heraus striche/
sie aber nicht nach der Ausländer Meinung für

eine

Siebendes Buch
[Spaltenumbruch] welchem G[e]ſpraͤche ſie denn in eine Kuͤche ka-
men; da auf etlichen Heerden uͤber dem Feuer
viel glaͤſerne Kolben ſtanden/ in welchen er aus
Thieren/ Wuͤrmern/ Kraͤutern/ Ertzt und
Steinen den Geiſt und die beſte Krafft zu zie-
hen wuſte. Zuletzt auch mit den herrlichſten
Artzneyen ſie reichlich betheilte; Bey dem nun
nahe herbey gebrachten Mittage aber das alte
Weib ihnen zu ihrer groſſen Verwunderung/
Forellen/ Eſchen/ Grundeln/ und Haſelhuͤner
fuͤrſetzte; ja ihnen anlag: daß ſie ſelbigen Tag;
weil doch allem Anſehen nach ſie eine ferne Rei-
ſe hinter ſich gelegt haben muͤſten/ bey ihnen
ausruhen/ und ob ſie zwar ſie fuͤr keine Leute
gemeinen Standes urtheilte/ doch mit ihrer ar-
men Rauch-Huͤtte fuͤr lieb nehmen moͤchten.
Weil nun der Alte ihr beyſtimmte/ ſich auch er-
bot auf den Morgen ſie biß unter das Gebuͤrge
zu denen zwey warmen Brunnen zu begleiten;
und ihnen/ wie die Marſinger das Feyer der
Frea jaͤhrlich zu begehen pflegten/ zeigen wol-
te; hatten ſie zwar Bedencken dieſen treuher-
tzigen Leuten beſchwerlich zu ſeyn; iedoch ſchien
es ihnen eine noch groͤſſere Unhoͤfligkeit zu ſeyn/
ihren Wolthaͤtern was abzuſchlagen/ was zu
ihrem Wolgefallen und ſelbſteigner Gemaͤch-
ligkeit gereichte/ und zwar deßhalben ſonder we-
niger Bedencken; weil dieſe guten Leute nicht
einſt nach ihrem Zuſtande/ und nach dem Abſe-
hen ihrer Reiſe zu fragen ſich unterwinden wol-
ten.

Mit anbrechendem Tage machten ſie ſich
auf/ und gab dieſer Stein-alte Greiß einen ſo
hurtigen Wegweiſer ab: daß ſie in zwey Stun-
den ein etwa zwey Meilen lang und breites/
rings um mit einem Krantze Baum-reicher
Berge umgebenes/ in der Mitte aber mit
wol hundert fruchtbaren Huͤgeln (welche a-
ber gegen denen Rieſenbergen Maulwurffs-
Hauffen ſchienen) gleichſam beſeeltes Thal er-
reichten/ und darmit nichts minder ihr Hertz er-
luſtigten/ als die Augen weideten. Unter We-
[Spaltenumbruch] ges erzehlte der Wurtzelmann auf Lichtenſteins
Begehren: was das angedeutete jaͤhrliche Fey-
er eigentlich waͤre? Sie als Deutſche wuͤrden
wol wiſſen: daß die Deutſchen zwar aus den
Laſtern/ wie er von andern Voͤlckern hoͤrte/ kei-
ne Sitten machten/ weniger ein Lachen darein
gaͤben; fuͤr das abſcheulichſte aber wuͤrde die
Unkeuſchheit/ inſonderheit bey denen Marſin-
gern gehalten. Daher es bey ihnen die aͤrgſte
Schande waͤre fuͤr dem zwantzigſten Jahre ei-
nem Weibe beygethan ſeyn; ja es wuͤrde die
Vermiſchung den Maͤnnern fuͤr dem dreyßig-
ſten/ den Jungfrauen fuͤr dem zwanzigſten Jah-
re gar nicht erlaubt. Die Geſetze haͤtte Frea
eines Marſingiſchen Hertzogs Tochter/ welche
hernach Wodan/ oder der Deutſche Hercules
geheyrathet/ geſtifftet/ wormit die Heyrathen-
den vorher recht erſtarren/ und unter einem ſo
tapffern Volcke wegen Unzeit durch die Lie-
bes-Wercke erſchoͤpffter Leibes-Kraͤfften keine
ohnmaͤchtige Zwerge/ ſondern kraͤfftige Leute
gezeuget wuͤrden. Auch haͤtte ſie denen Eh-
brecherinnen dieſe Straffe geſetzt: daß ihr
Mann nach abgeſchnittenen Haaren ſie aus
dem Hauſe ſtieſſe/ und biß uͤber die Graͤntze deſ-
ſelbigen Fleckens ohne einige Erbarmnuͤs und
verſtatteten Einhalt der Obrigkeit biß aufs
Blut peitſchte. Hierentgegen dieſen Laſtern ſo
viel leichter fuͤꝛzukommen/ haͤtte ſie gezwungene
Heyrathen veꝛdammet/ und allen auch noch un-
ter ihrer Eltern Gewalt begrieffenen Kindern
eine unverſchraͤnckte Wahl ihrer Ehgatten er-
laubet; ſonderlich weil hier zu Lande Jung-
frauen nur einmahl heyratheten/ und nichts
minder keine Wittib waͤre: die nach einem an-
dern Ehmanne ſeuffzete/ als einiger Mann/ der
ſelbte ſeines Ehbettes wuͤrdigte. Wenn nun
die Toͤchter das beſtimmte Alter erreichten/
wuͤrden ſie auf eben ſelbigen Tag des Jahres
(an dem man dieſer klugen Geſetzgeberin Ge-
daͤchtnuͤs mit vielen Lobſpruͤchen heraus ſtriche/
ſie aber nicht nach der Auslaͤnder Meinung fuͤr

eine
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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 1126[1128]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1190>, abgerufen am 19.05.2024.