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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Siebendes Buch
[Spaltenumbruch] berühmt; und ob sie zwar die Nachwelt biß wei-
len zu ihren Ab göttern macht; so bleiben sie doch
ins gemein länger ein Denckmahl köstlicher
Steine/ als derer/ welche sie haben bereiten las-
sen. Nach dem aber die Beschaffenheit der
Seele uns klar genung zeiget: daß nicht alles
in uns vergänglich sey/ uns gleichsam mit den
Fingern auf ein Wesen weiset/ welches ewig
bleibet; wohin zu gelangen die Ablegung des-
sen/ was an uns sterblich ist/ eine Pforte ab-
giebt; so befiehlet uns die Vernunfft/ wo nicht
alle/ doch wenigstens die letzte Zeit dahin anzu-
wenden: daß wir anders/ als Vieh sterben; zu-
mahl ohne Versicherung eines seligen Todes
kein Leben vergnüget seyn kan; und weil der
Mensch mehr nicht/ als ein mahl stirbt/ also sich
der hierbey begangene Fehler nicht mehr ver-
bessern läst; muß hierum die eusserste Sorgfalt
für gekehrt werden; wormit unsere Unachtsam-
keit nicht unser eingebildetes Leben mit einem
wahrhafften Tode; unsere gegenwärtige Mar-
ter aber nicht vollends mit einer Hölle verwech-
sele. Daher müssen wir unsere Eigen-Liebe
in eine Selbst-Erkäntnüß verwandeln/ die
gläntzenden Schalen aller irrdischen Güter/
und mit ihnen die Begierde sie zu erlangen/ als
auch die Furcht sie zu verlieren/ wegwerffen;
wormit die sonst unaufhörlich zitternde Mag-
net-Nadel unsers Gemüthes unverhindert
GOtt/ den einigen Angel-Stern unserer See-
le erkiese/ und in der Welt zur Ruhe/ nach dem
Tode aber zum wahren Leben gelange. War-
lich/ Ariovist/ dieses ist dir keine neue Lehre; ich
habe sie dir mit der ersten Milch eingeflöst. Jch
habe dir als ein ander Euclides eingehalten: daß
ein Kind nur einen Punct/ ein Knabe einen
ziemlichen Strich/ ein Jüngling die völlige
Breite guter Künste und Wissenschafften be-
greiffen/ ein Mann die Tieffe der Klugheit/ ein
Greiß aber den Mittel-Punct und den Zweck
des gantzen Lebens-Kreißes/ nemlich Gott und
den Grundstein seiner Seelen-Ruhe ergrün-
[Spaltenumbruch] den solle. Aber ich weiß: daß die ewige Be-
wegligkeit der Staats-Sorgen/ und das Ge-
tümmel des unruhigen Hofes deinem Leibe
nicht einst die nöthige Ruh/ noch in deinem
dreyßig-jährigen Fürsten-Stande eine Vier-
telstunde dieser Weißheit nach zu dencken er-
laubt haben. Diesemnach ist es Zeit: daß du
dich der mehr von Eitelkeit/ als dem Lebens-
Geiste beregsamen Menschen/ und also dieser
Hindernüße entschüttest. Es ist Zeit: daß du
alle irrdische Anschläge fahren läst; wo du nicht
die willkührliche Gewalt des Glückes über dich
verlängern/ und den grausamsten Zufällen dich
selbst zu einem Ziele fürstellen wilst. Verlasse
diesemnach das vergängliche/ ehe es dich selbst
verläst; und kehre dem den Rücken/ was dir im
Leben noch viel Empfindligkeit verursachen/
nach dem Tode nicht wenig von deinem Ruhme
benehmen kan. Die Schönheit muß den
Spiegel zerbrechen/ ehe sie veraltert/ ein Fürst
den Zepter weglegen/ ehe er ihm aus den Hän-
den fällt. Mache dein Ende dir derogestalt
nütze: daß es mehr einem Siege/ als einer Ver-
fallung ähnlich sey; und das grosse Auge der
Welt/ die Sonne/ dir zu einem Vorbilde/ wel-
che ihren Untergang meist mit einer Wolcke
verhüllet/ um die Welt im Zweiffel zu lassen:
ob die Sonne noch über- oder unter unserer Er-
den-Fläche sey. Es ist freylich wol kein gerin-
ges für das Heil der Völcker/ und die Ruhe
der Länder sorgen; aber ein Augenblick dieser
Einsamkeit ist herrlicher und vergnüglicher. Al-
les ist friedsam in der Seele; alle sonst wieder-
spenstige Gemüths-Regungen gehorsamen der
Vernunfft auf einen Winck. Müh und Ver-
drüßligkeit verschwinden; Neid und Ungem ach
tritt man mit den Füssen; wir unterbrechen das
Spiel des Glückes; ja wir fesseln es selbst an/
wie starck es sonst ist/ und wie krumme Gänge
es sonst zu gehen weiß. Die Unruh selbst findet
hier ihre Ruh; die Nächte sind aller verdrüßli-
chen Finsternüß/ das Leben der falschen Welt/

und

Siebendes Buch
[Spaltenumbruch] beruͤhmt; und ob ſie zwar die Nachwelt biß wei-
len zu ihren Ab goͤttern macht; ſo bleiben ſie doch
ins gemein laͤnger ein Denckmahl koͤſtlicher
Steine/ als derer/ welche ſie haben bereiten laſ-
ſen. Nach dem aber die Beſchaffenheit der
Seele uns klar genung zeiget: daß nicht alles
in uns vergaͤnglich ſey/ uns gleichſam mit den
Fingern auf ein Weſen weiſet/ welches ewig
bleibet; wohin zu gelangen die Ablegung deſ-
ſen/ was an uns ſterblich iſt/ eine Pforte ab-
giebt; ſo befiehlet uns die Vernunfft/ wo nicht
alle/ doch wenigſtens die letzte Zeit dahin anzu-
wenden: daß wir anders/ als Vieh ſterben; zu-
mahl ohne Verſicherung eines ſeligen Todes
kein Leben vergnuͤget ſeyn kan; und weil der
Menſch mehr nicht/ als ein mahl ſtirbt/ alſo ſich
der hierbey begangene Fehler nicht mehr ver-
beſſern laͤſt; muß hierum die euſſerſte Sorgfalt
fuͤr gekehrt werden; wormit unſere Unachtſam-
keit nicht unſer eingebildetes Leben mit einem
wahrhafften Tode; unſere gegenwaͤrtige Mar-
ter aber nicht vollends mit einer Hoͤlle verwech-
ſele. Daher muͤſſen wir unſere Eigen-Liebe
in eine Selbſt-Erkaͤntnuͤß verwandeln/ die
glaͤntzenden Schalen aller irrdiſchen Guͤter/
und mit ihnen die Begierde ſie zu erlangen/ als
auch die Furcht ſie zu verlieren/ wegwerffen;
wormit die ſonſt unaufhoͤrlich zitternde Mag-
net-Nadel unſers Gemuͤthes unverhindert
GOtt/ den einigen Angel-Stern unſerer See-
le erkieſe/ und in der Welt zur Ruhe/ nach dem
Tode aber zum wahren Leben gelange. War-
lich/ Arioviſt/ dieſes iſt dir keine neue Lehre; ich
habe ſie dir mit der erſten Milch eingefloͤſt. Jch
habe dir als ein ander Euclides eingehalten: daß
ein Kind nur einen Punct/ ein Knabe einen
ziemlichen Strich/ ein Juͤngling die voͤllige
Breite guter Kuͤnſte und Wiſſenſchafften be-
greiffen/ ein Mann die Tieffe der Klugheit/ ein
Greiß aber den Mittel-Punct und den Zweck
des gantzen Lebens-Kreißes/ nemlich Gott und
den Grundſtein ſeiner Seelen-Ruhe ergruͤn-
[Spaltenumbruch] den ſolle. Aber ich weiß: daß die ewige Be-
wegligkeit der Staats-Sorgen/ und das Ge-
tuͤmmel des unruhigen Hofes deinem Leibe
nicht einſt die noͤthige Ruh/ noch in deinem
dreyßig-jaͤhrigen Fuͤrſten-Stande eine Vier-
telſtunde dieſer Weißheit nach zu dencken er-
laubt haben. Dieſemnach iſt es Zeit: daß du
dich der mehr von Eitelkeit/ als dem Lebens-
Geiſte beregſamen Menſchen/ und alſo dieſer
Hindernuͤße entſchuͤtteſt. Es iſt Zeit: daß du
alle irrdiſche Anſchlaͤge fahren laͤſt; wo du nicht
die willkuͤhrliche Gewalt des Gluͤckes uͤber dich
verlaͤngern/ und den grauſamſten Zufaͤllen dich
ſelbſt zu einem Ziele fuͤrſtellen wilſt. Verlaſſe
dieſemnach das vergaͤngliche/ ehe es dich ſelbſt
verlaͤſt; und kehre dem den Ruͤcken/ was dir im
Leben noch viel Empfindligkeit verurſachen/
nach dem Tode nicht wenig von deinem Ruhme
benehmen kan. Die Schoͤnheit muß den
Spiegel zerbrechen/ ehe ſie veraltert/ ein Fuͤrſt
den Zepter weglegen/ ehe er ihm aus den Haͤn-
den faͤllt. Mache dein Ende dir derogeſtalt
nuͤtze: daß es mehr einem Siege/ als einer Ver-
fallung aͤhnlich ſey; und das groſſe Auge der
Welt/ die Sonne/ dir zu einem Vorbilde/ wel-
che ihren Untergang meiſt mit einer Wolcke
verhuͤllet/ um die Welt im Zweiffel zu laſſen:
ob die Sonne noch uͤber- oder unter unſerer Er-
den-Flaͤche ſey. Es iſt freylich wol kein gerin-
ges fuͤr das Heil der Voͤlcker/ und die Ruhe
der Laͤnder ſorgen; aber ein Augenblick dieſer
Einſamkeit iſt herrlicher und vergnuͤglicher. Al-
les iſt friedſam in der Seele; alle ſonſt wieder-
ſpenſtige Gemuͤths-Regungen gehorſamen der
Vernunfft auf einen Winck. Muͤh und Ver-
druͤßligkeit verſchwinden; Neid und Ungem ach
tritt man mit den Fuͤſſen; wir unterbrechen das
Spiel des Gluͤckes; ja wir feſſeln es ſelbſt an/
wie ſtarck es ſonſt iſt/ und wie krumme Gaͤnge
es ſonſt zu gehen weiß. Die Unruh ſelbſt findet
hier ihre Ruh; die Naͤchte ſind aller verdruͤßli-
chen Finſternuͤß/ das Leben der falſchen Welt/

und
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[1110[1112]/1174] Siebendes Buch beruͤhmt; und ob ſie zwar die Nachwelt biß wei- len zu ihren Ab goͤttern macht; ſo bleiben ſie doch ins gemein laͤnger ein Denckmahl koͤſtlicher Steine/ als derer/ welche ſie haben bereiten laſ- ſen. Nach dem aber die Beſchaffenheit der Seele uns klar genung zeiget: daß nicht alles in uns vergaͤnglich ſey/ uns gleichſam mit den Fingern auf ein Weſen weiſet/ welches ewig bleibet; wohin zu gelangen die Ablegung deſ- ſen/ was an uns ſterblich iſt/ eine Pforte ab- giebt; ſo befiehlet uns die Vernunfft/ wo nicht alle/ doch wenigſtens die letzte Zeit dahin anzu- wenden: daß wir anders/ als Vieh ſterben; zu- mahl ohne Verſicherung eines ſeligen Todes kein Leben vergnuͤget ſeyn kan; und weil der Menſch mehr nicht/ als ein mahl ſtirbt/ alſo ſich der hierbey begangene Fehler nicht mehr ver- beſſern laͤſt; muß hierum die euſſerſte Sorgfalt fuͤr gekehrt werden; wormit unſere Unachtſam- keit nicht unſer eingebildetes Leben mit einem wahrhafften Tode; unſere gegenwaͤrtige Mar- ter aber nicht vollends mit einer Hoͤlle verwech- ſele. Daher muͤſſen wir unſere Eigen-Liebe in eine Selbſt-Erkaͤntnuͤß verwandeln/ die glaͤntzenden Schalen aller irrdiſchen Guͤter/ und mit ihnen die Begierde ſie zu erlangen/ als auch die Furcht ſie zu verlieren/ wegwerffen; wormit die ſonſt unaufhoͤrlich zitternde Mag- net-Nadel unſers Gemuͤthes unverhindert GOtt/ den einigen Angel-Stern unſerer See- le erkieſe/ und in der Welt zur Ruhe/ nach dem Tode aber zum wahren Leben gelange. War- lich/ Arioviſt/ dieſes iſt dir keine neue Lehre; ich habe ſie dir mit der erſten Milch eingefloͤſt. Jch habe dir als ein ander Euclides eingehalten: daß ein Kind nur einen Punct/ ein Knabe einen ziemlichen Strich/ ein Juͤngling die voͤllige Breite guter Kuͤnſte und Wiſſenſchafften be- greiffen/ ein Mann die Tieffe der Klugheit/ ein Greiß aber den Mittel-Punct und den Zweck des gantzen Lebens-Kreißes/ nemlich Gott und den Grundſtein ſeiner Seelen-Ruhe ergruͤn- den ſolle. Aber ich weiß: daß die ewige Be- wegligkeit der Staats-Sorgen/ und das Ge- tuͤmmel des unruhigen Hofes deinem Leibe nicht einſt die noͤthige Ruh/ noch in deinem dreyßig-jaͤhrigen Fuͤrſten-Stande eine Vier- telſtunde dieſer Weißheit nach zu dencken er- laubt haben. Dieſemnach iſt es Zeit: daß du dich der mehr von Eitelkeit/ als dem Lebens- Geiſte beregſamen Menſchen/ und alſo dieſer Hindernuͤße entſchuͤtteſt. Es iſt Zeit: daß du alle irrdiſche Anſchlaͤge fahren laͤſt; wo du nicht die willkuͤhrliche Gewalt des Gluͤckes uͤber dich verlaͤngern/ und den grauſamſten Zufaͤllen dich ſelbſt zu einem Ziele fuͤrſtellen wilſt. Verlaſſe dieſemnach das vergaͤngliche/ ehe es dich ſelbſt verlaͤſt; und kehre dem den Ruͤcken/ was dir im Leben noch viel Empfindligkeit verurſachen/ nach dem Tode nicht wenig von deinem Ruhme benehmen kan. Die Schoͤnheit muß den Spiegel zerbrechen/ ehe ſie veraltert/ ein Fuͤrſt den Zepter weglegen/ ehe er ihm aus den Haͤn- den faͤllt. Mache dein Ende dir derogeſtalt nuͤtze: daß es mehr einem Siege/ als einer Ver- fallung aͤhnlich ſey; und das groſſe Auge der Welt/ die Sonne/ dir zu einem Vorbilde/ wel- che ihren Untergang meiſt mit einer Wolcke verhuͤllet/ um die Welt im Zweiffel zu laſſen: ob die Sonne noch uͤber- oder unter unſerer Er- den-Flaͤche ſey. Es iſt freylich wol kein gerin- ges fuͤr das Heil der Voͤlcker/ und die Ruhe der Laͤnder ſorgen; aber ein Augenblick dieſer Einſamkeit iſt herrlicher und vergnuͤglicher. Al- les iſt friedſam in der Seele; alle ſonſt wieder- ſpenſtige Gemuͤths-Regungen gehorſamen der Vernunfft auf einen Winck. Muͤh und Ver- druͤßligkeit verſchwinden; Neid und Ungem ach tritt man mit den Fuͤſſen; wir unterbrechen das Spiel des Gluͤckes; ja wir feſſeln es ſelbſt an/ wie ſtarck es ſonſt iſt/ und wie krumme Gaͤnge es ſonſt zu gehen weiß. Die Unruh ſelbſt findet hier ihre Ruh; die Naͤchte ſind aller verdruͤßli- chen Finſternuͤß/ das Leben der falſchen Welt/ und

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 1110[1112]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1174>, abgerufen am 19.05.2024.