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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] und ungelegenen Uberlauffs entübrigt. Wir
halten allhier täglich Siegs-Gepränge; man
setzet der Tugend' alle Augenblicke frische Eh-
ren-Kräntze auff; Der Himmel und unser Ge-
wissen ruffet unserer Unschuld tausend Lobsprü-
che zu; und wir verwandeln die Hefen des sonst
beschwerlichen Alters in das vollkommenste
Theil unsers Lebens/ welches nunmehr weder
Jahr noch Monat/ weder Ende noch Anfang
zu unterscheiden/ für keinem Geräusche zu er-
schrecken/ nach keiner Glocke sich zu richten/ und
so wenig als die Ewigkeit selbst einer Uhr von
nöthen/ die Gestirne zu seinem Zeitvertreib/ die
Welt zu seinem Garten/ seine reine Gedancken
zu seiner Speise hat. Mit einem Worte; Un-
sere Lebens-Art stehet reinen Seelen/ wie das
Wasser den Fischen/ die Lufft dem Geflügel
an/ sie ist ein Muster des Lebens im Himmel;
und ein Vorschmack seiner Süßigkeit.

Nach diesen Worten leitete er mich zum
Eingange seiner Höle; da er die Lob-Sprüche
seiner beliebten Einsamkeit mit folgenden Rey-
men in eine von dem grünen Moße gesauberte
Stein-Klippe mühsam eingegraben hatte:

Der Seele süsse Ruh/ der Kern der thenern Zeit/
Des Hertzens stumme Lust/ der Unschuld treuster Freund/
Der Warheit Mitgeferth/ und Eitelkeiten Feind/
Der List und Wollust nicht mit scheinbarn Körnern streut/
Die auf den Abend nie des Tages Thun bereut/
Die kein schlimm Bey[s]piel sieht/ kein Unrecht nie beweint/
Der wenn es auswerts blitzt/ die Sonn inwendig scheint/
Der Friede des Gemüths/ diß ist die Einsamkeit.
Glaubt: daß die Unruh ihr der Welt ein Unding heißt;
Daß Ehrsucht nie den Tag/ die Furcht keinmahl die Nacht
Zu kurtz; kein Kummer ihr zu lange Stunden macht;
Daß sie kein Zorn erhitzt/ kein' Augst ihr Hertz umeyst'
Kein Heuchler sie bläh't auf/ kein Dräuen sie zwängt ein;
Daß sie läst Emsame nie bang- und einsam seyn.

Durch diese/ und mehr bewegliche Zuredung
des Samothischen Weisen/ sagte Ariovist/ ward
ich derogestalt eingenommen; oder/ wenn ich zu
einer so heilsamen Würckung ein so gefährliches
Wort brauchen dörffte/ bezaubert: daß meine
Königliche Würde und alles irrdische mich an-
[Spaltenumbruch] stanck; die gelobte Einsamkeit aber mein Ge-
müthe mit einem anmuthigern Geruch/ als
Balsam und Jasmin anhauchete; also: daß ich
von Stund an meinem Pferde den freyen Lauf
verstattete/ meinen Degen/ Kleider und Jäger-
Geräthe wegwarff/ mich mit dieser Haut deck-
te; und um von den Meinigen nicht ausge-
spüret zu werden/ mit meinem Lehrer mich in
eine nahe darbey verdeckte Höle verbarg. Jn
welcher wir folgende Nacht und biß in dritten
Tag ein unaufhörliches Gethöne von Jäger-
Hörnern vernahmen; weil dem Vermuthen
nach ich von den Meinigen gesucht; und nach
vergebener Müh/ Zweiffels-frey für tod gehal-
ten ward. Nach dem ich mich aber in dieser Nä-
he nicht allerdings genung verborgen zu seyn
achtete/ beredete ich meinen Lehrer: daß er mit
mir durch die dicksten Harudischen Wälder
biß auf den Fichtelberg/ und als wir da eine
Zeit uns aufgehalten/ auf das Hercynische Ge-
bürge; und um selbtes herum biß auf gegenwär-
tigen Berg sich entfernte. Welchen sich deß-
wegen für den herrlichsten Ort in der Welt hal-
te; weil ich von dem Samothischen Weisen die
vollkommene Ruhe des Gemüthes gelernet/
mich darauf über alle irrdische Sorgen erhöhet
zu seyn befinde; und bey meiner Glückseligkeit
die Thorheiten der Menschen/ davon mir zu-
weilen ein oder ander Wurtzelmann zu erzehlen
weiß; verlachen/ und itzt mit deiner Eitelkeit/
lieber Marbod/ Erbarmnüß haben; nichts aber
an deiner eingebildeten Hoheit beneiden kan;
ja ich traute dir in meiner Einsamkeit/ oder viel-
mehr in der mir erkieseten Todten-Höle/ solche
Reichthümer zu zeigen; welche wenige Welt-
beherrscher ihr Lebetage zu sehen/ weniger zu
besitzen bekommen; und da August nichts min-
der als du mein Grabmahl schwerlich ohne
Mißgunst würden betrachten/ und wie itzt von
mir: daß die Natur/ wenn sich die aufblehende
Ehrsucht wiedersetzet/ leicht zu ihrem ersten
Stande und Kleinigkeit komme; also von er-

wähnter

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] und ungelegenen Uberlauffs entuͤbrigt. Wir
halten allhier taͤglich Siegs-Gepraͤnge; man
ſetzet der Tugend’ alle Augenblicke friſche Eh-
ren-Kraͤntze auff; Der Himmel und unſer Ge-
wiſſen ruffet unſerer Unſchuld tauſend Lobſpruͤ-
che zu; und wir verwandeln die Hefen des ſonſt
beſchwerlichen Alters in das vollkommenſte
Theil unſers Lebens/ welches nunmehr weder
Jahr noch Monat/ weder Ende noch Anfang
zu unterſcheiden/ fuͤr keinem Geraͤuſche zu er-
ſchrecken/ nach keiner Glocke ſich zu richten/ und
ſo wenig als die Ewigkeit ſelbſt einer Uhr von
noͤthen/ die Geſtirne zu ſeinem Zeitvertreib/ die
Welt zu ſeinem Garten/ ſeine reine Gedancken
zu ſeiner Speiſe hat. Mit einem Worte; Un-
ſere Lebens-Art ſtehet reinen Seelen/ wie das
Waſſer den Fiſchen/ die Lufft dem Gefluͤgel
an/ ſie iſt ein Muſter des Lebens im Himmel;
und ein Vorſchmack ſeiner Suͤßigkeit.

Nach dieſen Worten leitete er mich zum
Eingange ſeiner Hoͤle; da er die Lob-Spruͤche
ſeiner beliebten Einſamkeit mit folgenden Rey-
men in eine von dem gruͤnen Moße geſauberte
Stein-Klippe muͤhſam eingegraben hatte:

Der Seele ſuͤſſe Ruh/ der Kern der thenern Zeit/
Des Hertzens ſtumme Luſt/ der Unſchuld treuſter Freund/
Der Warheit Mitgeferth/ und Eitelkeiten Feind/
Der Liſt und Wolluſt nicht mit ſcheinbarn Koͤrnern ſtreut/
Die auf den Abend nie des Tages Thun bereut/
Die kein ſchlimm Bey[ſ]piel ſieht/ kein Unrecht nie beweint/
Der wenn es auswerts blitzt/ die Sonn inwendig ſcheint/
Der Friede des Gemuͤths/ diß iſt die Einſamkeit.
Glaubt: daß die Unruh ihr der Welt ein Unding heißt;
Daß Ehrſucht nie den Tag/ die Furcht keinmahl die Nacht
Zu kurtz; kein Kummer ihr zu lange Stunden macht;
Daß ſie kein Zorn erhitzt/ kein’ Augſt ihr Hertz umeyſt’
Kein Heuchler ſie blaͤh’t auf/ kein Draͤuen ſie zwaͤngt ein;
Daß ſie laͤſt Emſame nie bang- und einſam ſeyn.

Durch dieſe/ und mehr bewegliche Zuredung
des Samothiſchen Weiſen/ ſagte Arioviſt/ ward
ich derogeſtalt eingenommen; oder/ wenn ich zu
einer ſo heilſamen Wuͤrckung ein ſo gefaͤhrliches
Wort brauchen doͤrffte/ bezaubert: daß meine
Koͤnigliche Wuͤrde und alles irrdiſche mich an-
[Spaltenumbruch] ſtanck; die gelobte Einſamkeit aber mein Ge-
muͤthe mit einem anmuthigern Geruch/ als
Balſam und Jaſmin anhauchete; alſo: daß ich
von Stund an meinem Pferde den freyen Lauf
verſtattete/ meinen Degen/ Kleider und Jaͤger-
Geraͤthe wegwarff/ mich mit dieſer Haut deck-
te; und um von den Meinigen nicht ausge-
ſpuͤret zu werden/ mit meinem Lehrer mich in
eine nahe darbey verdeckte Hoͤle verbarg. Jn
welcher wir folgende Nacht und biß in dritten
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Hoͤrnern vernahmen; weil dem Vermuthen
nach ich von den Meinigen geſucht; und nach
vergebener Muͤh/ Zweiffels-frey fuͤr tod gehal-
ten ward. Nach dem ich mich aber in dieſer Naͤ-
he nicht allerdings genung verborgen zu ſeyn
achtete/ beredete ich meinen Lehrer: daß er mit
mir durch die dickſten Harudiſchen Waͤlder
biß auf den Fichtelberg/ und als wir da eine
Zeit uns aufgehalten/ auf das Hercyniſche Ge-
buͤrge; und um ſelbtes herum biß auf gegenwaͤr-
tigen Berg ſich entfernte. Welchen ſich deß-
wegen fuͤr den herrlichſten Ort in der Welt hal-
te; weil ich von dem Samothiſchen Weiſen die
vollkommene Ruhe des Gemuͤthes gelernet/
mich darauf uͤber alle irrdiſche Sorgen erhoͤhet
zu ſeyn befinde; und bey meiner Gluͤckſeligkeit
die Thorheiten der Menſchen/ davon mir zu-
weilen ein oder ander Wurtzelmann zu erzehlen
weiß; verlachen/ und itzt mit deiner Eitelkeit/
lieber Marbod/ Erbarmnuͤß haben; nichts aber
an deiner eingebildeten Hoheit beneiden kan;
ja ich traute dir in meineꝛ Einſamkeit/ oder viel-
mehr in der mir erkieſeten Todten-Hoͤle/ ſolche
Reichthuͤmer zu zeigen; welche wenige Welt-
beherrſcher ihr Lebetage zu ſehen/ weniger zu
beſitzen bekommen; und da Auguſt nichts min-
der als du mein Grabmahl ſchwerlich ohne
Mißgunſt wuͤrden betrachten/ und wie itzt von
mir: daß die Natur/ wenn ſich die aufblehende
Ehrſucht wiederſetzet/ leicht zu ihrem erſten
Stande und Kleinigkeit komme; alſo von er-

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 1111[1113]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1175>, abgerufen am 19.05.2024.