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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] Schiffe träget/ Städte befestigt/ und hunder-
terley Nutzen schafft; Das traurige Alter aber ist
ein gesaltzenes Meer/ ein Abgrund der Gebre-
chen; wo alle Süßigkeit der Gebehrden sich in
bittere Verdrüßligkeit/ die nutzbare Hurtigkeit
sich in keichende Schwachheiten verwandelt/
das Schiff unsers Lebens leck wird/ und allge-
mach in die Tieffe des Grabes zu sincken an-
fängt. Diesemnach wundere dich nicht/ mein
lieber Ariovist: daß du bey dem Alter ablegst/ und
das Volck dir itzt ein ander Gesichte macht/ als
für dreyßig Jahren. Kinder/ die viel Mütter
haben/ nehmlich der unartige Pöfel/ weiß auch
unzeitigen Kindern die grauen Haare her aus zu
treiben. Er wieget alle Entschlüssun gen nach
dem Ausschlage des Glückes ab; dieses aber ist
eine Stieff-Mutter der verlebten/ eine Buhle-
rin der Lebhafften. Gesetzt aber/ Ariovist: daß
ein Fürst bey seinem Alter alle Kräfften in-/ al-
les Glücke neben sich erhielte. Wie man für den
niedlichsten Speisen einen Eckel bekommt/ also
werden Unterthanen ihrer besten Fürsten über-
drüßig. Je höher ein Berg/ ie mehr bedeckt ihn
Schnee; ie vollkommener ein Fürst/ ie mehr
klebet ihm Verleumdung an. Denn das Maul
stincket dem lüsternen Volcke immer nach Neuig-
keit; und die stärcksten Beine sind zu schwach in
die Länge gute Tage zu vertragen. Man betet
die mehrmahls Regen und Koth nach sich zie-
hende Morgenröthe an/ und verschmähet die zu
Golde gehende Sonne/ ob selbte gleich Purpur
und Perlen von sich schüttet/ und einen erfreuli-
chen Morgen aukündiget. Ja wenn Fürsten
auch schon Vermögen und Ansehen behalten;
haben sie doch endlich zu behertzigen: daß sie
zwar ein grosses Theil ihres Lebens dem Va-
terlande schuldig/ aber alles ihnen selbst zu ent-
ziehen nicht berechtigt sind. Bey gemeinen
Menschen soll die Liebe bey sich selbst anfangen/
bey Fürsten aber sich endigen. Jch weiß wol:
daß ihrer viel mit weniger Bestürtzung den
Sterbe-Kittel an-als den Purpur aus ziehen;
[Spaltenumbruch] aber sie verstehen nicht: daß in Königlicher Ho-
heit die wahre Vergnügung keines Weges ste-
cke; weil die Unschuld darinnen nicht weniger
seltsam ist/ als neue Sternen im Himmel. Kro-
nen bezeichnen nur prangende Knechte/ und
hoffärtige Elenden. Ja alle von der Einbil-
dung nur begreifliche Wollust ist Wind und
am Ende Schmertz; ihre erste Trachten sind
zwar aus eingeambertem Zucker-Teige berei-
tet/ aber inwendig stecket Gifft/ und das letzte
Gerichte schmecket nach Fäulnüß; wenn selbte
was liebliches an sich kleben/ ihre Ergetzlig-
keit aber nicht zum Grund-Steine die Ewig-
keit hat. Denn tausend Jahre unsers Lebens/
wenn sie vergangen/ sind weniger als ein Schat-
ten; und tausendmahl tausend Jahre lassen sich
doch nur mit einer Ziffer und vielen Nullen
schreiben/ auch im Augenblick zertheilen; in
welchen wir meist so viel Seuffzer eingezogen/
als Athem geschöpfft haben. Und die von der
Natur in unsere Lunge gesetzte Hauß-Uhr er-
innert uns durch ihre alle Augenblicke schlagen-
de Unruh: daß die Stunde unsers Abschieds sich
nähere/ und/ ehe wir es uns einbilden/ schla-
gen werde. Hiermit zerrinnet alles irrdische
durch den Tod in nichts/ welcher schon in unser
Geburt mit uns anfängt zu ringen. Alsdenn
lässet sich die Todten-Asche eines Weltbezwin-
gers/ der wie ein Blitz hundert Länder eingeä-
schert hat/ von desselbten/ der in dem engen
Kreiße eines Fasses seine Begierden endigte/
und völlige Vergnügung schöpffte/ nicht unter-
scheiden. Die Fürsten und Bettler-Knochen sind
nichts minder als ein Ey dem andern ähnlich.
Der Ruhm von unserm Tode/ und die Pracht un-
sers Begräbnüßes giebt der Sache auch nichts.
Dieses blendet etlicher Augen jenes klinget eine
Weile in Ohren/ beydes aber verschwindet/ ehe
man es gedacht hätte; und der Tode selbst hat
den geringsten Genüß darvon. Die Marmel-
nen Gräber/ welche Könige ihnen setzen/ machen
nicht so wol ihre Thaten/ als ihre Eitelkeit

berühmt;
A a a a a a a 3

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] Schiffe traͤget/ Staͤdte befeſtigt/ und hunder-
terley Nutzen ſchafft; Das traurige Alter aber iſt
ein geſaltzenes Meer/ ein Abgrund der Gebre-
chen; wo alle Suͤßigkeit der Gebehrden ſich in
bittere Verdruͤßligkeit/ die nutzbare Hurtigkeit
ſich in keichende Schwachheiten verwandelt/
das Schiff unſers Lebens leck wird/ und allge-
mach in die Tieffe des Grabes zu ſincken an-
faͤngt. Dieſemnach wundere dich nicht/ mein
lieber Arioviſt: daß du bey dem Alter ablegſt/ und
das Volck dir itzt ein ander Geſichte macht/ als
fuͤr dreyßig Jahren. Kinder/ die viel Muͤtter
haben/ nehmlich der unartige Poͤfel/ weiß auch
unzeitigen Kindern die grauen Haare her aus zu
treiben. Er wieget alle Entſchluͤſſun gen nach
dem Ausſchlage des Gluͤckes ab; dieſes aber iſt
eine Stieff-Mutter der verlebten/ eine Buhle-
rin der Lebhafften. Geſetzt aber/ Arioviſt: daß
ein Fuͤrſt bey ſeinem Alter alle Kraͤfften in-/ al-
les Gluͤcke neben ſich erhielte. Wie man fuͤr den
niedlichſten Speiſen einen Eckel bekommt/ alſo
werden Unterthanen ihrer beſten Fuͤrſten uͤber-
druͤßig. Je hoͤher ein Berg/ ie mehr bedeckt ihn
Schnee; ie vollkommener ein Fuͤrſt/ ie mehr
klebet ihm Verleumdung an. Denn das Maul
ſtincket dem luͤſternen Volcke im̃er nach Neuig-
keit; und die ſtaͤrckſten Beine ſind zu ſchwach in
die Laͤnge gute Tage zu vertragen. Man betet
die mehrmahls Regen und Koth nach ſich zie-
hende Morgenroͤthe an/ und verſchmaͤhet die zu
Golde gehende Sonne/ ob ſelbte gleich Purpur
und Perlen von ſich ſchuͤttet/ und einen erfreuli-
chen Morgen aukuͤndiget. Ja wenn Fuͤrſten
auch ſchon Vermoͤgen und Anſehen behalten;
haben ſie doch endlich zu behertzigen: daß ſie
zwar ein groſſes Theil ihres Lebens dem Va-
terlande ſchuldig/ aber alles ihnen ſelbſt zu ent-
ziehen nicht berechtigt ſind. Bey gemeinen
Menſchen ſoll die Liebe bey ſich ſelbſt anfangen/
bey Fuͤrſten aber ſich endigen. Jch weiß wol:
daß ihrer viel mit weniger Beſtuͤrtzung den
Sterbe-Kittel an-als den Purpur aus ziehen;
[Spaltenumbruch] aber ſie verſtehen nicht: daß in Koͤniglicher Ho-
heit die wahre Vergnuͤgung keines Weges ſte-
cke; weil die Unſchuld darinnen nicht weniger
ſeltſam iſt/ als neue Sternen im Himmel. Kro-
nen bezeichnen nur prangende Knechte/ und
hoffaͤrtige Elenden. Ja alle von der Einbil-
dung nur begreifliche Wolluſt iſt Wind und
am Ende Schmertz; ihre erſte Trachten ſind
zwar aus eingeambertem Zucker-Teige berei-
tet/ aber inwendig ſtecket Gifft/ und das letzte
Gerichte ſchmecket nach Faͤulnuͤß; wenn ſelbte
was liebliches an ſich kleben/ ihre Ergetzlig-
keit aber nicht zum Grund-Steine die Ewig-
keit hat. Denn tauſend Jahre unſers Lebens/
weñ ſie vergangen/ ſind weniger als ein Schat-
ten; und tauſendmahl tauſend Jahre laſſen ſich
doch nur mit einer Ziffer und vielen Nullen
ſchreiben/ auch im Augenblick zertheilen; in
welchen wir meiſt ſo viel Seuffzer eingezogen/
als Athem geſchoͤpfft haben. Und die von der
Natur in unſere Lunge geſetzte Hauß-Uhr er-
innert uns durch ihre alle Augenblicke ſchlagen-
de Unruh: daß die Stunde unſers Abſchieds ſich
naͤhere/ und/ ehe wir es uns einbilden/ ſchla-
gen werde. Hiermit zerrinnet alles irrdiſche
durch den Tod in nichts/ welcher ſchon in unſer
Geburt mit uns anfaͤngt zu ringen. Alsdenn
laͤſſet ſich die Todten-Aſche eines Weltbezwin-
gers/ der wie ein Blitz hundert Laͤnder eingeaͤ-
ſchert hat/ von deſſelbten/ der in dem engen
Kreiße eines Faſſes ſeine Begierden endigte/
und voͤllige Vergnuͤgung ſchoͤpffte/ nicht unter-
ſcheiden. Die Fuͤꝛſten und Bettleꝛ-Knochen ſind
nichts minder als ein Ey dem andern aͤhnlich.
Der Ruhm von unſeꝛm Tode/ uñ die Pracht un-
ſers Begraͤbnuͤßes giebt der Sache auch nichts.
Dieſes blendet etlicher Augen jenes klinget eine
Weile in Ohren/ beydes aber verſchwindet/ ehe
man es gedacht haͤtte; und der Tode ſelbſt hat
den geringſten Genuͤß darvon. Die Marmel-
nen Graͤber/ welche Koͤnige ihnen ſetzen/ machen
nicht ſo wol ihre Thaten/ als ihre Eitelkeit

beruͤhmt;
A a a a a a a 3
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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 1109[1111]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1173>, abgerufen am 23.11.2024.