Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

Bild:
<< vorherige Seite

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] und Seide/ nicht geringer Abbruch gethan
würde. Daher hätte der grosse Alexander auffs
schärffste verboten einige Asiatische Weiber/ o-
der nur die mit ihnen erzeugten Kinder mit in
Macedonien zu nehmen; um durch sie nicht die
väterlichen Sitten anzustecken. Unver gleich-
lichern grössern Schaden aber thäte eine solche
Fürstin; welche nicht nur über das Volck/ son-
dern über den Fürsten selbst zu herrschen ge-
wohnt wäre. Andere Menschen könten zwar
Verräther der Könige seyn/ ihre Gemahlin-
nen aber verleiteten sie ins gemein: daß sie Vet-
räther ihrer selbst würden; und die/ welche ih-
nen nach Leben und Reiche stünden/ rechtfer-
tigten und belohnten. Da nun Fürsten selbst
der Weiber Selaven würden; und sie ihnen in
Abgötter verwandelten; wer wolte zweiffeln:
daß nicht auch das Volck nach dem Beyspiele
der Thebaner/ die des Königs Demetrius Bey-
schläfferin Lana zu Sicyon der Lamischen Ve-
nus Tempel einweihten/ sie für ihre Herrsche-
rin verehren/ und für ihres Lebens Richtschnur
annehmen solte? Die Heucheley wäre bey Hofe
eine so dienstbare Sclavin: daß sie die Fehler der
Fürsten für Tugenden/ und die Gebrechlig-
keiten für Zierden anbetete; mit dem Clisophus/
dem einäugichten und hinckenden Philip zu
Liebe/ ihr das eine Auge verbinde/ und hinckte;
ja mit selbtem das Maul rimpffte; mit dem
Chirisophus dem Könige Dionysius sonder be-
wufte Ursache lachte/ seinen eingeschluckten
Speichel für süsser als Honig preiste/ und mit
dem Antlitze selbten auffienge; mit andern Tel-
lerleckern dem Hiero zu gleichen sich bey der Ta-
fel übersichtig stellte; mit andern dem grossen
Alexander zu gleichen den Kopff auf die Seite
hienge; ja mit dem Cambalus dem Selevcus/
oder auch gar einem solchen Hofeschrantzen zu
Liebe sich verschneiden liesse; und um eine Hand
voll schnöder Gunst zu erhalten begierig die
Männligkeit einbüste. Man hätte für we-
niger Zeit in der Nachbarschafft wahr genom-
[Spaltenumbruch] men/ wie nach zweyer Fürsten Beyspiele ihnen
gantze Länder ihre Köpffe kahl geschoren/ derer
einer wegen Hauptweh/ der ander wegen em-
pfangener Wunde die Haare abscheren lassen.
Ein vertorbener Hut-Krämer hätte sich durch
Bestechung eines Höflings wieder in Stand
gesetzt; der seinen König beredet einen von sei-
nen veralterten Hüten zu tragen; weil er die ü-
brigen in einem Tage um zehnsach Geld an-
wehren können. Noch viel anfälliger aber wä-
ren die Laster der Fürsten. Denn iederman
meinte so denn durch ihre Nachthuung ans
Bret/ und in die Gnade seines Herrn zu kom-
men. Die zaghafftesten der Sünden würden
so denn behertzt. Und mit einem Worte/ das
Ubel fiele aus dem Haupte auf die Lunge eines
gantzen Volckes/ und daher müste daraus eine
tödtliche Verzehrung folgen. Jedoch wäre diß
noch alles Kinderspiel gegen dem/ wie eine wol-
lüstige Fürstin das gantze weibliche Geschlechte/
ja das gantze Reich gleichsam im Augenblicke
an ihr Seil bringen/ oder vielmehr bezaubern
könte. Keine edle Frau in einem Lande wird
für gescheut gehalten/ welche nicht eine Aeffin
ihrer Königin ist. Denn alle lassen gedultiger
ihren guten Sitten und Tugenden auf den
Fuß/ als jene Carische Weiber beym Artaba-
zes auf den Rücken treten/ welche dem auf die
Wagen steigenden Frauen-Zimmer bey Hofe
zum Fuß-Schemmel dienten. Eine fremde
Königin hätte unlängst das benachbarte Sar-
matien aller seiner Schätze beraubt/ den König
wie einen Zeidel-Bär an der Kette geführet/ al-
len Reichs-Räthen güldene Ringe durch die
Nase gezogen/ die alten Gesätze und Sitten in
ihre Landes-Art verkehret; und es wäre um der
Sarmater so beruffene Freyheit gethan gewest;
wenn der mitleidende Tod nicht mit dem Fade-
me ihres Lebens zugleich das Seil ihrer Dienst-
barkeit entzwey geschnitten hätte. Nichts bessers
hätte sich Deutschland von Segimers Gemah-
lin zu versehen/ in welcher Vaterlande die

Dienst-

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] und Seide/ nicht geringer Abbruch gethan
wuͤrde. Daher haͤtte der groſſe Alexander auffs
ſchaͤrffſte verboten einige Aſiatiſche Weiber/ o-
der nur die mit ihnen erzeugten Kinder mit in
Macedonien zu nehmen; um durch ſie nicht die
vaͤterlichen Sitten anzuſtecken. Unver gleich-
lichern groͤſſern Schaden aber thaͤte eine ſolche
Fuͤrſtin; welche nicht nur uͤber das Volck/ ſon-
dern uͤber den Fuͤrſten ſelbſt zu herꝛſchen ge-
wohnt waͤre. Andere Menſchen koͤnten zwar
Verraͤther der Koͤnige ſeyn/ ihre Gemahlin-
nen aber verleiteten ſie ins gemein: daß ſie Vet-
raͤther ihrer ſelbſt wuͤrden; und die/ welche ih-
nen nach Leben und Reiche ſtuͤnden/ rechtfer-
tigten und belohnten. Da nun Fuͤrſten ſelbſt
der Weiber Selaven wuͤrden; und ſie ihnen in
Abgoͤtter verwandelten; wer wolte zweiffeln:
daß nicht auch das Volck nach dem Beyſpiele
der Thebaner/ die des Koͤnigs Demetrius Bey-
ſchlaͤfferin Lana zu Sicyon der Lamiſchen Ve-
nus Tempel einweihten/ ſie fuͤr ihre Herꝛſche-
rin verehren/ und fuͤr ihres Lebens Richtſchnur
annehmen ſolte? Die Heucheley waͤre bey Hofe
eine ſo dienſtbare Sclavin: daß ſie die Fehler der
Fuͤrſten fuͤr Tugenden/ und die Gebrechlig-
keiten fuͤr Zierden anbetete; mit dem Cliſophus/
dem einaͤugichten und hinckenden Philip zu
Liebe/ ihr das eine Auge verbinde/ und hinckte;
ja mit ſelbtem das Maul rimpffte; mit dem
Chiriſophus dem Koͤnige Dionyſius ſonder be-
wufte Urſache lachte/ ſeinen eingeſchluckten
Speichel fuͤr ſuͤſſer als Honig preiſte/ und mit
dem Antlitze ſelbten auffienge; mit andern Tel-
lerleckern dem Hiero zu gleichen ſich bey der Ta-
fel uͤberſichtig ſtellte; mit andern dem groſſen
Alexander zu gleichen den Kopff auf die Seite
hienge; ja mit dem Cambalus dem Selevcus/
oder auch gar einem ſolchen Hofeſchrantzen zu
Liebe ſich verſchneiden lieſſe; und um eine Hand
voll ſchnoͤder Gunſt zu erhalten begierig die
Maͤnnligkeit einbuͤſte. Man haͤtte fuͤr we-
niger Zeit in der Nachbarſchafft wahr genom-
[Spaltenumbruch] men/ wie nach zweyer Fuͤrſten Beyſpiele ihnen
gantze Laͤnder ihre Koͤpffe kahl geſchoren/ derer
einer wegen Hauptweh/ der ander wegen em-
pfangener Wunde die Haare abſcheren laſſen.
Ein vertorbener Hut-Kraͤmer haͤtte ſich durch
Beſtechung eines Hoͤflings wieder in Stand
geſetzt; der ſeinen Koͤnig beredet einen von ſei-
nen veralterten Huͤten zu tragen; weil er die uͤ-
brigen in einem Tage um zehnſach Geld an-
wehren koͤnnen. Noch viel anfaͤlliger aber waͤ-
ren die Laſter der Fuͤrſten. Denn iederman
meinte ſo denn durch ihre Nachthuung ans
Bret/ und in die Gnade ſeines Herꝛn zu kom-
men. Die zaghaffteſten der Suͤnden wuͤrden
ſo denn behertzt. Und mit einem Worte/ das
Ubel fiele aus dem Haupte auf die Lunge eines
gantzen Volckes/ und daher muͤſte daraus eine
toͤdtliche Verzehrung folgen. Jedoch waͤre diß
noch alles Kinderſpiel gegen dem/ wie eine wol-
luͤſtige Fuͤrſtin das gantze weibliche Geſchlechte/
ja das gantze Reich gleichſam im Augenblicke
an ihr Seil bringen/ oder vielmehr bezaubern
koͤnte. Keine edle Frau in einem Lande wird
fuͤr geſcheut gehalten/ welche nicht eine Aeffin
ihrer Koͤnigin iſt. Denn alle laſſen gedultiger
ihren guten Sitten und Tugenden auf den
Fuß/ als jene Cariſche Weiber beym Artaba-
zes auf den Ruͤcken treten/ welche dem auf die
Wagen ſteigenden Frauen-Zimmer bey Hofe
zum Fuß-Schemmel dienten. Eine fremde
Koͤnigin haͤtte unlaͤngſt das benachbarte Sar-
matien aller ſeiner Schaͤtze beraubt/ den Koͤnig
wie einen Zeidel-Baͤr an der Kette gefuͤhret/ al-
len Reichs-Raͤthen guͤldene Ringe durch die
Naſe gezogen/ die alten Geſaͤtze und Sitten in
ihre Landes-Art verkehret; und es waͤre um der
Sarmater ſo beruffene Freyheit gethan geweſt;
wenn der mitleidende Tod nicht mit dem Fade-
me ihres Lebens zugleich das Seil ihrer Dienſt-
barkeit entzwey geſchnitten haͤtte. Nichts beſſers
haͤtte ſich Deutſchland von Segimers Gemah-
lin zu verſehen/ in welcher Vaterlande die

Dienſt-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f1103" n="1039[1041]"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Arminius und Thußnelda.</hi></fw><lb/><cb/>
und Seide/ nicht geringer Abbruch gethan<lb/>
wu&#x0364;rde. Daher ha&#x0364;tte der gro&#x017F;&#x017F;e Alexander auffs<lb/>
&#x017F;cha&#x0364;rff&#x017F;te verboten einige A&#x017F;iati&#x017F;che Weiber/ o-<lb/>
der nur die mit ihnen erzeugten Kinder mit in<lb/>
Macedonien zu nehmen; um durch &#x017F;ie nicht die<lb/>
va&#x0364;terlichen Sitten anzu&#x017F;tecken. Unver gleich-<lb/>
lichern gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;ern Schaden aber tha&#x0364;te eine &#x017F;olche<lb/>
Fu&#x0364;r&#x017F;tin; welche nicht nur u&#x0364;ber das Volck/ &#x017F;on-<lb/>
dern u&#x0364;ber den Fu&#x0364;r&#x017F;ten &#x017F;elb&#x017F;t zu her&#xA75B;&#x017F;chen ge-<lb/>
wohnt wa&#x0364;re. Andere Men&#x017F;chen ko&#x0364;nten zwar<lb/>
Verra&#x0364;ther der Ko&#x0364;nige &#x017F;eyn/ ihre Gemahlin-<lb/>
nen aber verleiteten &#x017F;ie ins gemein: daß &#x017F;ie Vet-<lb/>
ra&#x0364;ther ihrer &#x017F;elb&#x017F;t wu&#x0364;rden; und die/ welche ih-<lb/>
nen nach Leben und Reiche &#x017F;tu&#x0364;nden/ rechtfer-<lb/>
tigten und belohnten. Da nun Fu&#x0364;r&#x017F;ten &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
der Weiber Selaven wu&#x0364;rden; und &#x017F;ie ihnen in<lb/>
Abgo&#x0364;tter verwandelten; wer wolte zweiffeln:<lb/>
daß nicht auch das Volck nach dem Bey&#x017F;piele<lb/>
der Thebaner/ die des Ko&#x0364;nigs Demetrius Bey-<lb/>
&#x017F;chla&#x0364;fferin Lana zu Sicyon der Lami&#x017F;chen Ve-<lb/>
nus Tempel einweihten/ &#x017F;ie fu&#x0364;r ihre Her&#xA75B;&#x017F;che-<lb/>
rin verehren/ und fu&#x0364;r ihres Lebens Richt&#x017F;chnur<lb/>
annehmen &#x017F;olte? Die Heucheley wa&#x0364;re bey Hofe<lb/>
eine &#x017F;o dien&#x017F;tbare Sclavin: daß &#x017F;ie die Fehler der<lb/>
Fu&#x0364;r&#x017F;ten fu&#x0364;r Tugenden/ und die Gebrechlig-<lb/>
keiten fu&#x0364;r Zierden anbetete; mit dem Cli&#x017F;ophus/<lb/>
dem eina&#x0364;ugichten und hinckenden Philip zu<lb/>
Liebe/ ihr das eine Auge verbinde/ und hinckte;<lb/>
ja mit &#x017F;elbtem das Maul rimpffte; mit dem<lb/>
Chiri&#x017F;ophus dem Ko&#x0364;nige Diony&#x017F;ius &#x017F;onder be-<lb/>
wufte Ur&#x017F;ache lachte/ &#x017F;einen einge&#x017F;chluckten<lb/>
Speichel fu&#x0364;r &#x017F;u&#x0364;&#x017F;&#x017F;er als Honig prei&#x017F;te/ und mit<lb/>
dem Antlitze &#x017F;elbten auffienge; mit andern Tel-<lb/>
lerleckern dem Hiero zu gleichen &#x017F;ich bey der Ta-<lb/>
fel u&#x0364;ber&#x017F;ichtig &#x017F;tellte; mit andern dem gro&#x017F;&#x017F;en<lb/>
Alexander zu gleichen den Kopff auf die Seite<lb/>
hienge; ja mit dem Cambalus dem Selevcus/<lb/>
oder auch gar einem &#x017F;olchen Hofe&#x017F;chrantzen zu<lb/>
Liebe &#x017F;ich ver&#x017F;chneiden lie&#x017F;&#x017F;e; und um eine Hand<lb/>
voll &#x017F;chno&#x0364;der Gun&#x017F;t zu erhalten begierig die<lb/>
Ma&#x0364;nnligkeit einbu&#x0364;&#x017F;te. Man ha&#x0364;tte fu&#x0364;r we-<lb/>
niger Zeit in der Nachbar&#x017F;chafft wahr genom-<lb/><cb/>
men/ wie nach zweyer Fu&#x0364;r&#x017F;ten Bey&#x017F;piele ihnen<lb/>
gantze La&#x0364;nder ihre Ko&#x0364;pffe kahl ge&#x017F;choren/ derer<lb/>
einer wegen Hauptweh/ der ander wegen em-<lb/>
pfangener Wunde die Haare ab&#x017F;cheren la&#x017F;&#x017F;en.<lb/>
Ein vertorbener Hut-Kra&#x0364;mer ha&#x0364;tte &#x017F;ich durch<lb/>
Be&#x017F;techung eines Ho&#x0364;flings wieder in Stand<lb/>
ge&#x017F;etzt; der &#x017F;einen Ko&#x0364;nig beredet einen von &#x017F;ei-<lb/>
nen veralterten Hu&#x0364;ten zu tragen; weil er die u&#x0364;-<lb/>
brigen in einem Tage um zehn&#x017F;ach Geld an-<lb/>
wehren ko&#x0364;nnen. Noch viel anfa&#x0364;lliger aber wa&#x0364;-<lb/>
ren die La&#x017F;ter der Fu&#x0364;r&#x017F;ten. Denn iederman<lb/>
meinte &#x017F;o denn durch ihre Nachthuung ans<lb/>
Bret/ und in die Gnade &#x017F;eines Her&#xA75B;n zu kom-<lb/>
men. Die zaghaffte&#x017F;ten der Su&#x0364;nden wu&#x0364;rden<lb/>
&#x017F;o denn behertzt. Und mit einem Worte/ das<lb/>
Ubel fiele aus dem Haupte auf die Lunge eines<lb/>
gantzen Volckes/ und daher mu&#x0364;&#x017F;te daraus eine<lb/>
to&#x0364;dtliche Verzehrung folgen. Jedoch wa&#x0364;re diß<lb/>
noch alles Kinder&#x017F;piel gegen dem/ wie eine wol-<lb/>
lu&#x0364;&#x017F;tige Fu&#x0364;r&#x017F;tin das gantze weibliche Ge&#x017F;chlechte/<lb/>
ja das gantze Reich gleich&#x017F;am im Augenblicke<lb/>
an ihr Seil bringen/ oder vielmehr bezaubern<lb/>
ko&#x0364;nte. Keine edle Frau in einem Lande wird<lb/>
fu&#x0364;r ge&#x017F;cheut gehalten/ welche nicht eine Aeffin<lb/>
ihrer Ko&#x0364;nigin i&#x017F;t. Denn alle la&#x017F;&#x017F;en gedultiger<lb/>
ihren guten Sitten und Tugenden auf den<lb/>
Fuß/ als jene Cari&#x017F;che Weiber beym Artaba-<lb/>
zes auf den Ru&#x0364;cken treten/ welche dem auf die<lb/>
Wagen &#x017F;teigenden Frauen-Zimmer bey Hofe<lb/>
zum Fuß-Schemmel dienten. Eine fremde<lb/>
Ko&#x0364;nigin ha&#x0364;tte unla&#x0364;ng&#x017F;t das benachbarte Sar-<lb/>
matien aller &#x017F;einer Scha&#x0364;tze beraubt/ den Ko&#x0364;nig<lb/>
wie einen Zeidel-Ba&#x0364;r an der Kette gefu&#x0364;hret/ al-<lb/>
len Reichs-Ra&#x0364;then gu&#x0364;ldene Ringe durch die<lb/>
Na&#x017F;e gezogen/ die alten Ge&#x017F;a&#x0364;tze und Sitten in<lb/>
ihre Landes-Art verkehret; und es wa&#x0364;re um der<lb/>
Sarmater &#x017F;o beruffene Freyheit gethan gewe&#x017F;t;<lb/>
wenn der mitleidende Tod nicht mit dem Fade-<lb/>
me ihres Lebens zugleich das Seil ihrer Dien&#x017F;t-<lb/>
barkeit entzwey ge&#x017F;chnitten ha&#x0364;tte. Nichts be&#x017F;&#x017F;ers<lb/>
ha&#x0364;tte &#x017F;ich Deut&#x017F;chland von Segimers Gemah-<lb/>
lin zu ver&#x017F;ehen/ in welcher Vaterlande die<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Dien&#x017F;t-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[1039[1041]/1103] Arminius und Thußnelda. und Seide/ nicht geringer Abbruch gethan wuͤrde. Daher haͤtte der groſſe Alexander auffs ſchaͤrffſte verboten einige Aſiatiſche Weiber/ o- der nur die mit ihnen erzeugten Kinder mit in Macedonien zu nehmen; um durch ſie nicht die vaͤterlichen Sitten anzuſtecken. Unver gleich- lichern groͤſſern Schaden aber thaͤte eine ſolche Fuͤrſtin; welche nicht nur uͤber das Volck/ ſon- dern uͤber den Fuͤrſten ſelbſt zu herꝛſchen ge- wohnt waͤre. Andere Menſchen koͤnten zwar Verraͤther der Koͤnige ſeyn/ ihre Gemahlin- nen aber verleiteten ſie ins gemein: daß ſie Vet- raͤther ihrer ſelbſt wuͤrden; und die/ welche ih- nen nach Leben und Reiche ſtuͤnden/ rechtfer- tigten und belohnten. Da nun Fuͤrſten ſelbſt der Weiber Selaven wuͤrden; und ſie ihnen in Abgoͤtter verwandelten; wer wolte zweiffeln: daß nicht auch das Volck nach dem Beyſpiele der Thebaner/ die des Koͤnigs Demetrius Bey- ſchlaͤfferin Lana zu Sicyon der Lamiſchen Ve- nus Tempel einweihten/ ſie fuͤr ihre Herꝛſche- rin verehren/ und fuͤr ihres Lebens Richtſchnur annehmen ſolte? Die Heucheley waͤre bey Hofe eine ſo dienſtbare Sclavin: daß ſie die Fehler der Fuͤrſten fuͤr Tugenden/ und die Gebrechlig- keiten fuͤr Zierden anbetete; mit dem Cliſophus/ dem einaͤugichten und hinckenden Philip zu Liebe/ ihr das eine Auge verbinde/ und hinckte; ja mit ſelbtem das Maul rimpffte; mit dem Chiriſophus dem Koͤnige Dionyſius ſonder be- wufte Urſache lachte/ ſeinen eingeſchluckten Speichel fuͤr ſuͤſſer als Honig preiſte/ und mit dem Antlitze ſelbten auffienge; mit andern Tel- lerleckern dem Hiero zu gleichen ſich bey der Ta- fel uͤberſichtig ſtellte; mit andern dem groſſen Alexander zu gleichen den Kopff auf die Seite hienge; ja mit dem Cambalus dem Selevcus/ oder auch gar einem ſolchen Hofeſchrantzen zu Liebe ſich verſchneiden lieſſe; und um eine Hand voll ſchnoͤder Gunſt zu erhalten begierig die Maͤnnligkeit einbuͤſte. Man haͤtte fuͤr we- niger Zeit in der Nachbarſchafft wahr genom- men/ wie nach zweyer Fuͤrſten Beyſpiele ihnen gantze Laͤnder ihre Koͤpffe kahl geſchoren/ derer einer wegen Hauptweh/ der ander wegen em- pfangener Wunde die Haare abſcheren laſſen. Ein vertorbener Hut-Kraͤmer haͤtte ſich durch Beſtechung eines Hoͤflings wieder in Stand geſetzt; der ſeinen Koͤnig beredet einen von ſei- nen veralterten Huͤten zu tragen; weil er die uͤ- brigen in einem Tage um zehnſach Geld an- wehren koͤnnen. Noch viel anfaͤlliger aber waͤ- ren die Laſter der Fuͤrſten. Denn iederman meinte ſo denn durch ihre Nachthuung ans Bret/ und in die Gnade ſeines Herꝛn zu kom- men. Die zaghaffteſten der Suͤnden wuͤrden ſo denn behertzt. Und mit einem Worte/ das Ubel fiele aus dem Haupte auf die Lunge eines gantzen Volckes/ und daher muͤſte daraus eine toͤdtliche Verzehrung folgen. Jedoch waͤre diß noch alles Kinderſpiel gegen dem/ wie eine wol- luͤſtige Fuͤrſtin das gantze weibliche Geſchlechte/ ja das gantze Reich gleichſam im Augenblicke an ihr Seil bringen/ oder vielmehr bezaubern koͤnte. Keine edle Frau in einem Lande wird fuͤr geſcheut gehalten/ welche nicht eine Aeffin ihrer Koͤnigin iſt. Denn alle laſſen gedultiger ihren guten Sitten und Tugenden auf den Fuß/ als jene Cariſche Weiber beym Artaba- zes auf den Ruͤcken treten/ welche dem auf die Wagen ſteigenden Frauen-Zimmer bey Hofe zum Fuß-Schemmel dienten. Eine fremde Koͤnigin haͤtte unlaͤngſt das benachbarte Sar- matien aller ſeiner Schaͤtze beraubt/ den Koͤnig wie einen Zeidel-Baͤr an der Kette gefuͤhret/ al- len Reichs-Raͤthen guͤldene Ringe durch die Naſe gezogen/ die alten Geſaͤtze und Sitten in ihre Landes-Art verkehret; und es waͤre um der Sarmater ſo beruffene Freyheit gethan geweſt; wenn der mitleidende Tod nicht mit dem Fade- me ihres Lebens zugleich das Seil ihrer Dienſt- barkeit entzwey geſchnitten haͤtte. Nichts beſſers haͤtte ſich Deutſchland von Segimers Gemah- lin zu verſehen/ in welcher Vaterlande die Dienſt-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1103
Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 1039[1041]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1103>, abgerufen am 19.05.2024.