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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] und Seide/ nicht geringer Abbruch gethan
würde. Daher hätte der grosse Alexander auffs
schärffste verboten einige Asiatische Weiber/ o-
der nur die mit ihnen erzeugten Kinder mit in
Macedonien zu nehmen; um durch sie nicht die
väterlichen Sitten anzustecken. Unver gleich-
lichern grössern Schaden aber thäte eine solche
Fürstin; welche nicht nur über das Volck/ son-
dern über den Fürsten selbst zu herrschen ge-
wohnt wäre. Andere Menschen könten zwar
Verräther der Könige seyn/ ihre Gemahlin-
nen aber verleiteten sie ins gemein: daß sie Vet-
räther ihrer selbst würden; und die/ welche ih-
nen nach Leben und Reiche stünden/ rechtfer-
tigten und belohnten. Da nun Fürsten selbst
der Weiber Selaven würden; und sie ihnen in
Abgötter verwandelten; wer wolte zweiffeln:
daß nicht auch das Volck nach dem Beyspiele
der Thebaner/ die des Königs Demetrius Bey-
schläfferin Lana zu Sicyon der Lamischen Ve-
nus Tempel einweihten/ sie für ihre Herrsche-
rin verehren/ und für ihres Lebens Richtschnur
annehmen solte? Die Heucheley wäre bey Hofe
eine so dienstbare Sclavin: daß sie die Fehler der
Fürsten für Tugenden/ und die Gebrechlig-
keiten für Zierden anbetete; mit dem Clisophus/
dem einäugichten und hinckenden Philip zu
Liebe/ ihr das eine Auge verbinde/ und hinckte;
ja mit selbtem das Maul rimpffte; mit dem
Chirisophus dem Könige Dionysius sonder be-
wufte Ursache lachte/ seinen eingeschluckten
Speichel für süsser als Honig preiste/ und mit
dem Antlitze selbten auffienge; mit andern Tel-
lerleckern dem Hiero zu gleichen sich bey der Ta-
fel übersichtig stellte; mit andern dem grossen
Alexander zu gleichen den Kopff auf die Seite
hienge; ja mit dem Cambalus dem Selevcus/
oder auch gar einem solchen Hofeschrantzen zu
Liebe sich verschneiden liesse; und um eine Hand
voll schnöder Gunst zu erhalten begierig die
Männligkeit einbüste. Man hätte für we-
niger Zeit in der Nachbarschafft wahr genom-
[Spaltenumbruch] men/ wie nach zweyer Fürsten Beyspiele ihnen
gantze Länder ihre Köpffe kahl geschoren/ derer
einer wegen Hauptweh/ der ander wegen em-
pfangener Wunde die Haare abscheren lassen.
Ein vertorbener Hut-Krämer hätte sich durch
Bestechung eines Höflings wieder in Stand
gesetzt; der seinen König beredet einen von sei-
nen veralterten Hüten zu tragen; weil er die ü-
brigen in einem Tage um zehnsach Geld an-
wehren können. Noch viel anfälliger aber wä-
ren die Laster der Fürsten. Denn iederman
meinte so denn durch ihre Nachthuung ans
Bret/ und in die Gnade seines Herrn zu kom-
men. Die zaghafftesten der Sünden würden
so denn behertzt. Und mit einem Worte/ das
Ubel fiele aus dem Haupte auf die Lunge eines
gantzen Volckes/ und daher müste daraus eine
tödtliche Verzehrung folgen. Jedoch wäre diß
noch alles Kinderspiel gegen dem/ wie eine wol-
lüstige Fürstin das gantze weibliche Geschlechte/
ja das gantze Reich gleichsam im Augenblicke
an ihr Seil bringen/ oder vielmehr bezaubern
könte. Keine edle Frau in einem Lande wird
für gescheut gehalten/ welche nicht eine Aeffin
ihrer Königin ist. Denn alle lassen gedultiger
ihren guten Sitten und Tugenden auf den
Fuß/ als jene Carische Weiber beym Artaba-
zes auf den Rücken treten/ welche dem auf die
Wagen steigenden Frauen-Zimmer bey Hofe
zum Fuß-Schemmel dienten. Eine fremde
Königin hätte unlängst das benachbarte Sar-
matien aller seiner Schätze beraubt/ den König
wie einen Zeidel-Bär an der Kette geführet/ al-
len Reichs-Räthen güldene Ringe durch die
Nase gezogen/ die alten Gesätze und Sitten in
ihre Landes-Art verkehret; und es wäre um der
Sarmater so beruffene Freyheit gethan gewest;
wenn der mitleidende Tod nicht mit dem Fade-
me ihres Lebens zugleich das Seil ihrer Dienst-
barkeit entzwey geschnitten hätte. Nichts bessers
hätte sich Deutschland von Segimers Gemah-
lin zu versehen/ in welcher Vaterlande die

Dienst-

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] und Seide/ nicht geringer Abbruch gethan
wuͤrde. Daher haͤtte der groſſe Alexander auffs
ſchaͤrffſte verboten einige Aſiatiſche Weiber/ o-
der nur die mit ihnen erzeugten Kinder mit in
Macedonien zu nehmen; um durch ſie nicht die
vaͤterlichen Sitten anzuſtecken. Unver gleich-
lichern groͤſſern Schaden aber thaͤte eine ſolche
Fuͤrſtin; welche nicht nur uͤber das Volck/ ſon-
dern uͤber den Fuͤrſten ſelbſt zu herꝛſchen ge-
wohnt waͤre. Andere Menſchen koͤnten zwar
Verraͤther der Koͤnige ſeyn/ ihre Gemahlin-
nen aber verleiteten ſie ins gemein: daß ſie Vet-
raͤther ihrer ſelbſt wuͤrden; und die/ welche ih-
nen nach Leben und Reiche ſtuͤnden/ rechtfer-
tigten und belohnten. Da nun Fuͤrſten ſelbſt
der Weiber Selaven wuͤrden; und ſie ihnen in
Abgoͤtter verwandelten; wer wolte zweiffeln:
daß nicht auch das Volck nach dem Beyſpiele
der Thebaner/ die des Koͤnigs Demetrius Bey-
ſchlaͤfferin Lana zu Sicyon der Lamiſchen Ve-
nus Tempel einweihten/ ſie fuͤr ihre Herꝛſche-
rin verehren/ und fuͤr ihres Lebens Richtſchnur
annehmen ſolte? Die Heucheley waͤre bey Hofe
eine ſo dienſtbare Sclavin: daß ſie die Fehler der
Fuͤrſten fuͤr Tugenden/ und die Gebrechlig-
keiten fuͤr Zierden anbetete; mit dem Cliſophus/
dem einaͤugichten und hinckenden Philip zu
Liebe/ ihr das eine Auge verbinde/ und hinckte;
ja mit ſelbtem das Maul rimpffte; mit dem
Chiriſophus dem Koͤnige Dionyſius ſonder be-
wufte Urſache lachte/ ſeinen eingeſchluckten
Speichel fuͤr ſuͤſſer als Honig preiſte/ und mit
dem Antlitze ſelbten auffienge; mit andern Tel-
lerleckern dem Hiero zu gleichen ſich bey der Ta-
fel uͤberſichtig ſtellte; mit andern dem groſſen
Alexander zu gleichen den Kopff auf die Seite
hienge; ja mit dem Cambalus dem Selevcus/
oder auch gar einem ſolchen Hofeſchrantzen zu
Liebe ſich verſchneiden lieſſe; und um eine Hand
voll ſchnoͤder Gunſt zu erhalten begierig die
Maͤnnligkeit einbuͤſte. Man haͤtte fuͤr we-
niger Zeit in der Nachbarſchafft wahr genom-
[Spaltenumbruch] men/ wie nach zweyer Fuͤrſten Beyſpiele ihnen
gantze Laͤnder ihre Koͤpffe kahl geſchoren/ derer
einer wegen Hauptweh/ der ander wegen em-
pfangener Wunde die Haare abſcheren laſſen.
Ein vertorbener Hut-Kraͤmer haͤtte ſich durch
Beſtechung eines Hoͤflings wieder in Stand
geſetzt; der ſeinen Koͤnig beredet einen von ſei-
nen veralterten Huͤten zu tragen; weil er die uͤ-
brigen in einem Tage um zehnſach Geld an-
wehren koͤnnen. Noch viel anfaͤlliger aber waͤ-
ren die Laſter der Fuͤrſten. Denn iederman
meinte ſo denn durch ihre Nachthuung ans
Bret/ und in die Gnade ſeines Herꝛn zu kom-
men. Die zaghaffteſten der Suͤnden wuͤrden
ſo denn behertzt. Und mit einem Worte/ das
Ubel fiele aus dem Haupte auf die Lunge eines
gantzen Volckes/ und daher muͤſte daraus eine
toͤdtliche Verzehrung folgen. Jedoch waͤre diß
noch alles Kinderſpiel gegen dem/ wie eine wol-
luͤſtige Fuͤrſtin das gantze weibliche Geſchlechte/
ja das gantze Reich gleichſam im Augenblicke
an ihr Seil bringen/ oder vielmehr bezaubern
koͤnte. Keine edle Frau in einem Lande wird
fuͤr geſcheut gehalten/ welche nicht eine Aeffin
ihrer Koͤnigin iſt. Denn alle laſſen gedultiger
ihren guten Sitten und Tugenden auf den
Fuß/ als jene Cariſche Weiber beym Artaba-
zes auf den Ruͤcken treten/ welche dem auf die
Wagen ſteigenden Frauen-Zimmer bey Hofe
zum Fuß-Schemmel dienten. Eine fremde
Koͤnigin haͤtte unlaͤngſt das benachbarte Sar-
matien aller ſeiner Schaͤtze beraubt/ den Koͤnig
wie einen Zeidel-Baͤr an der Kette gefuͤhret/ al-
len Reichs-Raͤthen guͤldene Ringe durch die
Naſe gezogen/ die alten Geſaͤtze und Sitten in
ihre Landes-Art verkehret; und es waͤre um der
Sarmater ſo beruffene Freyheit gethan geweſt;
wenn der mitleidende Tod nicht mit dem Fade-
me ihres Lebens zugleich das Seil ihrer Dienſt-
barkeit entzwey geſchnitten haͤtte. Nichts beſſers
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lin zu verſehen/ in welcher Vaterlande die

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 1039[1041]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1103>, abgerufen am 23.11.2024.