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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Siebendes Buch
[Spaltenumbruch] nigen Abbruch thut/ als der Göttlichen All-
macht; wenn selbte ins gemein ihre Wege nach
dem Lauffe der Natur einrichtet; und der Wun-
derwercke sich selten/ niemahls auch ausser in
den allerwichtigsten Verhängnüssen gebrau-
chet. Bey welcher Bewandnüß mir denn sehr
bedencklich fällt gegen einen Beschuldigten oh-
ne Verhör und Verantwortung zu verfahren.
Denn wenn es genung ist einen begangener
Laster halber anklagen/ wer wird für den Ver-
läumdern unschuldig bleiben? Wil man einem
keinen Beystand erlauben/ so kan man ihn doch
nicht ohne Richter verdammen. Fürsten/ ja
Wütteriche können einem Sterbenden kaum
diese Barmhertzigkeit abschlagen: daß er vorher
die Ursache seines Todes erfahre/ und die Gna-
de der Verdammung genüße. Gewiß/ auch
der gütigste Fürst wird bey einer solchen Ver-
fahrungs-Art niemahls seine Hände von den
Flecken zu unrecht versprützten Blutes wa-
schen; und die ärgsten Ubelthäter die Nahmen
unschuldiger Märterer zum Gewinn haben.
Ein zu strenges Urthel über einen leichten Feh-
ler hat keinen so grossen Schein einer Grau-
samkeit/ als eine linde Bestraffung einer uner-
wiesenen Missethat. Beym einäugichten Köni-
ge Philip war es Halsbrüchig eines Cyclopen ge-
dencken; und beym verschnittenen Hermias ein
Beschneide-Messer nennen. Bey einem an-
dern kahlköpfichten Fürsten musten die über die
Klinge springen/ welche einer Platte erwehn-
ten. Aber alle diese verfielen beym Volcke nicht
in so übele Nachrede/ als Alexander/ da er den
durch nichts/ als sein ausgepreßtes Bekäntnüß
überwiesenen Philotas hinrichten ließ. Zumahl
auch mit der Zeit die Rachgier wieder die ärg-
sten Ubelthäter veraltert/ und der Zorn sich eben
so in Mitleiden verwandelt; wie gegen der an-
fänglichen Verbitterung sich keine Unschuld
ausführen kan. Ja es verrichtet selten der
Scharffrichter sein Ampt: daß nicht das Volck
das Urthel für ein zu scharffes Gerichte hält.
[Spaltenumbruch] Diesemnach ist es einem Fürsten nit nur anstän-
diger/ sondern auch rathsamer hundert schuldige
zu verschonen/ als einen unschuldigen zu tödten.
Denn es hat die Straffe mehr mit der Hölle/ die
Begnadigung aber mehr mit dem Himmel
Verwandschafft; welcher durch seinen Blitz
zwar offt ihrer viel tausend schrecket/ aber selten
einen beschädigt; also gar: daß das Alterthum
geglaubet: Jupiter könne zwar für sich alleine
zum Schrecken donnern; aber ohne der andern
Götter Einwilligung keinen treffenden Don-
ner-Keil auf die Menschen herab fahren lassen.
Ja die Natur selbst scheinet aus keiner andern
Ursache das Blut in den mütterlichen Brüsten
in Milch zu verwandeln/ als damit die säugen-
den Kinder nicht dardurch zum Blutdurste an-
gewehnet würden. Am allerwenigsten aber ste-
het die Eigenschafft der Aegln Fürsten an/ wel-
che Väter des Landes/ und Säug-Ammen des
Volckes seyn sollen. Ja dieselben/ welche aus
Verdacht ohne Urthel und Recht über ihre Die-
ner ein so strenges Hals-Gerichte gehegt; ha-
ben meistentheils einen verzweifelten Untertha-
nen zu ihrem Richter und Hencker erdulden
müssen. Daher Fürst Segimer/ als einer in
solcher Berathschlagung statt seiner Meynung
fürbrachte: Des Pompejus Tod war Cäsars
Leben; selbigem vernünfftig antwortete: Es
ist wahr; aber diß mangelt noch zur Geschichte:
Des Pompejus Tod war Cäsars Untergang.
Rhemetalces begegnete ihm: Jch bin eben so
wol kein Freund der Grausamkeit; und halte
darfür: daß einem Fürsten viel Hals-Gerichte
so wenig/ als einem Artzte viel Leichen rühmlich
sind. Es ist ausser Zweiffel auch mehr viehisch
als menschlich einen verdammen/ dessen Ber-
theidigung man nicht gehöret hat. Denn die
Verläumdung scheuet sich nicht auch die reinste
Unschuld zu schwärtzen. Keine Blume hat so
gesunde Krafft in sich: daß sie nicht der Kröte zu
einer Nahrung ihres Gifftes diene; und der
Verdacht ist so wol ein verdächtiger Zeuge als

ein

Siebendes Buch
[Spaltenumbruch] nigen Abbruch thut/ als der Goͤttlichen All-
macht; wenn ſelbte ins gemein ihre Wege nach
dem Lauffe der Natur einrichtet; und der Wun-
derwercke ſich ſelten/ niemahls auch auſſer in
den allerwichtigſten Verhaͤngnuͤſſen gebrau-
chet. Bey welcher Bewandnuͤß mir denn ſehr
bedencklich faͤllt gegen einen Beſchuldigten oh-
ne Verhoͤr und Verantwortung zu verfahren.
Denn wenn es genung iſt einen begangener
Laſter halber anklagen/ wer wird fuͤr den Ver-
laͤumdern unſchuldig bleiben? Wil man einem
keinen Beyſtand erlauben/ ſo kan man ihn doch
nicht ohne Richter verdammen. Fuͤrſten/ ja
Wuͤtteriche koͤnnen einem Sterbenden kaum
dieſe Barmhertzigkeit abſchlagen: daß er vorher
die Urſache ſeines Todes erfahre/ und die Gna-
de der Verdammung genuͤße. Gewiß/ auch
der guͤtigſte Fuͤrſt wird bey einer ſolchen Ver-
fahrungs-Art niemahls ſeine Haͤnde von den
Flecken zu unrecht verſpruͤtzten Blutes wa-
ſchen; und die aͤrgſten Ubelthaͤter die Nahmen
unſchuldiger Maͤrterer zum Gewinn haben.
Ein zu ſtrenges Urthel uͤber einen leichten Feh-
ler hat keinen ſo groſſen Schein einer Grau-
ſamkeit/ als eine linde Beſtraffung einer uner-
wieſenen Miſſethat. Beym einaͤugichten Koͤni-
ge Philip war es Halsbꝛuͤchig eines Cyclopen ge-
dencken; und beym verſchnittenen Hermias ein
Beſchneide-Meſſer nennen. Bey einem an-
dern kahlkoͤpfichten Fuͤrſten muſten die uͤber die
Klinge ſpringen/ welche einer Platte erwehn-
ten. Aber alle dieſe verfielen beym Volcke nicht
in ſo uͤbele Nachrede/ als Alexander/ da er den
durch nichts/ als ſein ausgepreßtes Bekaͤntnuͤß
uͤberwieſenen Philotas hinrichten ließ. Zumahl
auch mit der Zeit die Rachgier wieder die aͤrg-
ſten Ubelthaͤter veraltert/ und der Zorn ſich eben
ſo in Mitleiden verwandelt; wie gegen der an-
faͤnglichen Verbitterung ſich keine Unſchuld
ausfuͤhren kan. Ja es verrichtet ſelten der
Scharffrichter ſein Ampt: daß nicht das Volck
das Urthel fuͤr ein zu ſcharffes Gerichte haͤlt.
[Spaltenumbruch] Dieſemnach iſt es einem Fuͤrſten nit nur anſtaͤn-
diger/ ſondern auch rathſamer hundert ſchuldige
zu verſchonen/ als einen unſchuldigen zu toͤdten.
Denn es hat die Straffe mehr mit der Hoͤlle/ die
Begnadigung aber mehr mit dem Himmel
Verwandſchafft; welcher durch ſeinen Blitz
zwar offt ihrer viel tauſend ſchrecket/ aber ſelten
einen beſchaͤdigt; alſo gar: daß das Alterthum
geglaubet: Jupiter koͤnne zwar fuͤr ſich alleine
zum Schrecken donnern; aber ohne der andern
Goͤtter Einwilligung keinen treffenden Don-
ner-Keil auf die Menſchen herab fahren laſſen.
Ja die Natur ſelbſt ſcheinet aus keiner andern
Urſache das Blut in den muͤtterlichen Bruͤſten
in Milch zu verwandeln/ als damit die ſaͤugen-
den Kinder nicht dardurch zum Blutdurſte an-
gewehnet wuͤrden. Am allerwenigſten aber ſte-
het die Eigenſchafft der Aegln Fuͤrſten an/ wel-
che Vaͤter des Landes/ und Saͤug-Ammen des
Volckes ſeyn ſollen. Ja dieſelben/ welche aus
Verdacht ohne Urthel und Recht uͤber ihre Die-
ner ein ſo ſtrenges Hals-Gerichte gehegt; ha-
ben meiſtentheils einen verzweifelten Untertha-
nen zu ihrem Richter und Hencker erdulden
muͤſſen. Daher Fuͤrſt Segimer/ als einer in
ſolcher Berathſchlagung ſtatt ſeiner Meynung
fuͤrbrachte: Des Pompejus Tod war Caͤſars
Leben; ſelbigem vernuͤnfftig antwortete: Es
iſt wahr; aber diß mangelt noch zur Geſchichte:
Des Pompejus Tod war Caͤſars Untergang.
Rhemetalces begegnete ihm: Jch bin eben ſo
wol kein Freund der Grauſamkeit; und halte
darfuͤr: daß einem Fuͤrſten viel Hals-Gerichte
ſo wenig/ als einem Artzte viel Leichen ruͤhmlich
ſind. Es iſt auſſer Zweiffel auch mehr viehiſch
als menſchlich einen verdammen/ deſſen Ber-
theidigung man nicht gehoͤret hat. Denn die
Verlaͤumdung ſcheuet ſich nicht auch die reinſte
Unſchuld zu ſchwaͤrtzen. Keine Blume hat ſo
geſunde Krafft in ſich: daß ſie nicht der Kroͤte zu
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Verdacht iſt ſo wol ein verdaͤchtiger Zeuge als

ein
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[1022[1024]/1086] Siebendes Buch nigen Abbruch thut/ als der Goͤttlichen All- macht; wenn ſelbte ins gemein ihre Wege nach dem Lauffe der Natur einrichtet; und der Wun- derwercke ſich ſelten/ niemahls auch auſſer in den allerwichtigſten Verhaͤngnuͤſſen gebrau- chet. Bey welcher Bewandnuͤß mir denn ſehr bedencklich faͤllt gegen einen Beſchuldigten oh- ne Verhoͤr und Verantwortung zu verfahren. Denn wenn es genung iſt einen begangener Laſter halber anklagen/ wer wird fuͤr den Ver- laͤumdern unſchuldig bleiben? Wil man einem keinen Beyſtand erlauben/ ſo kan man ihn doch nicht ohne Richter verdammen. Fuͤrſten/ ja Wuͤtteriche koͤnnen einem Sterbenden kaum dieſe Barmhertzigkeit abſchlagen: daß er vorher die Urſache ſeines Todes erfahre/ und die Gna- de der Verdammung genuͤße. Gewiß/ auch der guͤtigſte Fuͤrſt wird bey einer ſolchen Ver- fahrungs-Art niemahls ſeine Haͤnde von den Flecken zu unrecht verſpruͤtzten Blutes wa- ſchen; und die aͤrgſten Ubelthaͤter die Nahmen unſchuldiger Maͤrterer zum Gewinn haben. Ein zu ſtrenges Urthel uͤber einen leichten Feh- ler hat keinen ſo groſſen Schein einer Grau- ſamkeit/ als eine linde Beſtraffung einer uner- wieſenen Miſſethat. Beym einaͤugichten Koͤni- ge Philip war es Halsbꝛuͤchig eines Cyclopen ge- dencken; und beym verſchnittenen Hermias ein Beſchneide-Meſſer nennen. Bey einem an- dern kahlkoͤpfichten Fuͤrſten muſten die uͤber die Klinge ſpringen/ welche einer Platte erwehn- ten. Aber alle dieſe verfielen beym Volcke nicht in ſo uͤbele Nachrede/ als Alexander/ da er den durch nichts/ als ſein ausgepreßtes Bekaͤntnuͤß uͤberwieſenen Philotas hinrichten ließ. Zumahl auch mit der Zeit die Rachgier wieder die aͤrg- ſten Ubelthaͤter veraltert/ und der Zorn ſich eben ſo in Mitleiden verwandelt; wie gegen der an- faͤnglichen Verbitterung ſich keine Unſchuld ausfuͤhren kan. Ja es verrichtet ſelten der Scharffrichter ſein Ampt: daß nicht das Volck das Urthel fuͤr ein zu ſcharffes Gerichte haͤlt. Dieſemnach iſt es einem Fuͤrſten nit nur anſtaͤn- diger/ ſondern auch rathſamer hundert ſchuldige zu verſchonen/ als einen unſchuldigen zu toͤdten. Denn es hat die Straffe mehr mit der Hoͤlle/ die Begnadigung aber mehr mit dem Himmel Verwandſchafft; welcher durch ſeinen Blitz zwar offt ihrer viel tauſend ſchrecket/ aber ſelten einen beſchaͤdigt; alſo gar: daß das Alterthum geglaubet: Jupiter koͤnne zwar fuͤr ſich alleine zum Schrecken donnern; aber ohne der andern Goͤtter Einwilligung keinen treffenden Don- ner-Keil auf die Menſchen herab fahren laſſen. Ja die Natur ſelbſt ſcheinet aus keiner andern Urſache das Blut in den muͤtterlichen Bruͤſten in Milch zu verwandeln/ als damit die ſaͤugen- den Kinder nicht dardurch zum Blutdurſte an- gewehnet wuͤrden. Am allerwenigſten aber ſte- het die Eigenſchafft der Aegln Fuͤrſten an/ wel- che Vaͤter des Landes/ und Saͤug-Ammen des Volckes ſeyn ſollen. Ja dieſelben/ welche aus Verdacht ohne Urthel und Recht uͤber ihre Die- ner ein ſo ſtrenges Hals-Gerichte gehegt; ha- ben meiſtentheils einen verzweifelten Untertha- nen zu ihrem Richter und Hencker erdulden muͤſſen. Daher Fuͤrſt Segimer/ als einer in ſolcher Berathſchlagung ſtatt ſeiner Meynung fuͤrbrachte: Des Pompejus Tod war Caͤſars Leben; ſelbigem vernuͤnfftig antwortete: Es iſt wahr; aber diß mangelt noch zur Geſchichte: Des Pompejus Tod war Caͤſars Untergang. Rhemetalces begegnete ihm: Jch bin eben ſo wol kein Freund der Grauſamkeit; und halte darfuͤr: daß einem Fuͤrſten viel Hals-Gerichte ſo wenig/ als einem Artzte viel Leichen ruͤhmlich ſind. Es iſt auſſer Zweiffel auch mehr viehiſch als menſchlich einen verdammen/ deſſen Ber- theidigung man nicht gehoͤret hat. Denn die Verlaͤumdung ſcheuet ſich nicht auch die reinſte Unſchuld zu ſchwaͤrtzen. Keine Blume hat ſo geſunde Krafft in ſich: daß ſie nicht der Kroͤte zu einer Nahrung ihres Gifftes diene; und der Verdacht iſt ſo wol ein verdaͤchtiger Zeuge als ein

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 1022[1024]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1086>, abgerufen am 09.06.2024.