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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] Rathschläge den offentlichen Abfall etwas ver-
zügerten; theils als wenn sie sein Absehen nicht
erkieseten/ sich mit Fleiß alber anstellten. Rhe-
metalces fieng an: Jch werde hierdurch in mei-
ner Meynung bestärckt: daß die Thorheit nicht
allezeit eine Tochter der Unwissenheit/ noch eine
Kranckheit der Seele/ sondern eine Gefärthin
der Klugheitsey. Sonder allen Zweiffel ant-
wortete Zeno. Denn wenn Brutus sich nicht
mit dieser Närrin vermählt hätte; wäre Rom
unter dem Joche der Tarquinier vollends ver-
schmachtet. Ulysses ist niemahls verschlagener
gewest/ als da er sich unsinnig gestellt. Ja ich
will noch wol mehr sagen; nehmlich: daß die
Narrheit eine Erhalterin der Welt/ und eine
Säug-Amme vieler tausend Menschen sey.
Denn wenn der Krieg/ als der Rädelsführer
aller Thorheiten/ nicht so viel Menschen auf-
frässe; unsere Boßheit nicht den erzürnten Him-
mel zu Schickung der Pest/ der Erdbeben und
anderer Unglücke reitzte/ würde die Erde kaum
die Helffte der Menschen verpflegen können.
Wie viel tausend erhalten sich nicht vom Spie-
le/ Tantze/ Gezäncke/ von Bereitung des
Werckzeuges unserer Wollüste; welchem allem
unsere Thorheit seine Bewegung giebt. Ja
das Siech-Hauß dieser unheilbaren Krancken
hat einen so grossen Umschweiff/ als die Erde.
Daher sich nicht zu verwundern: daß zu Rom
alle Jahr das Feyer des Quirinus den Narren
zu gefallen gehalten ward. Malovend fuhr
fort: die alberen Kriegs-Obersten waren auch
in unserer Geschichte des Feldherrn Aembrichs
klügste Rathgeber; ja seine und des Cheruski-
schen Hauses Erhalter. Denn weil es in Ver-
räthereyen gefährlicher ist/ als gifftigen Fleck-
febern lange über Wahl der Artzney Rath zu
halten; er auch wol wuste: wie das Kriegsvolck
an Terbaln so sehr hienge/ schickte er diesen ge-
treuen Einfaltigen einen Befehl zu: Sie solten
mit dem Kopffe denen Auffrührern die Adern
verschneiden; und mit dem Blute des einigen
[Spaltenumbruch] Terbals die Schuld aller Mitverschwornen
ausleschen. Diese übten den Befehl nicht we-
niger klüglich als hertzhafft aus. Denn als
Terbal des Abends vorher seinem Anhange ein
köstliches Gast-Gebot ausgerichtet hatte/ über-
fielen sie ihn des Nachts in seinem Gezelt; also
daß dem Heere nicht ehe sein Tod lautbar/ als
dem Heere der rückständige Sold bezahlet/
Terbals Schrifften undurchlesen verbrennt/
und zugleich allen angedeutet ward: Weil von
Terbaln allein alles Gifft des Meyneydes her-
rührte/ begehrte der Feldherr nach keinem Mit-
schuldigen zu fragen. Diese kluge Anstalt
schreckte die Boßhafften/ beruhigte die Ver-
führten/ vergnügte die Dürfftigen/ versicherte
die zweiffelnden; also: daß die derogestalt lin-
de gehandelten Glieder nicht einmahl zuckten/
als gleich ihrem Haupte das kalte Eisen durch
die Gurgel fuhr; sondern vielmehr kurtz hier-
auf den Fürsten Segimer zu ihrem neuen
Kriegs-Haupte mit Freuden annahmen. Zeno
brach ein: Jch unterstehe mich nicht diesen glück-
lichen Streich des Fürsten Aembrichs zu schel-
ten; weil ich alle Umstände nicht weiß/ derer
eine einem gantzen Wercke ein gantz ander Ge-
sichte zueignen kan. Jch würde auch den Für-
sten ihre über die Schrancken der Gesetze erho-
bene Macht strittig machen/ wenn ich von sei-
nem Urthel Rechenschafft fordern wolte/ wel-
ches die Perser für eine ungereimte und Königen
unanständige Umschränckung auslegten; als
ihr Cambyses sie fragte: Ob er seine Schwester
ehlichen möchte. Allein ich bescheide mich doch:
daß die Deutschen wie die vernünfftigsten Völ-
cker solche Fürsten haben/ welche mehr für Ehre/
als Zwang halten/ sich der Vernunfft zu unter-
werffen/ und/ um denen Unterthanen den Ge-
horsam zu erleichtern ihren Willen eigenbe-
weglich unter der Richtschnur der Gesetze zu
beugen; die gleich von ihrer Willkühr ihre
Seele und Krafft bekommen. Welche Ge-
müths-Mäßigung ihrer Gewalt sicher so we-

nigen
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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] Rathſchlaͤge den offentlichen Abfall etwas ver-
zuͤgerten; theils als wenn ſie ſein Abſehen nicht
erkieſeten/ ſich mit Fleiß alber anſtellten. Rhe-
metalces fieng an: Jch werde hierdurch in mei-
ner Meynung beſtaͤrckt: daß die Thorheit nicht
allezeit eine Tochter der Unwiſſenheit/ noch eine
Kranckheit der Seele/ ſondern eine Gefaͤrthin
der Klugheitſey. Sonder allen Zweiffel ant-
wortete Zeno. Denn wenn Brutus ſich nicht
mit dieſer Naͤrrin vermaͤhlt haͤtte; waͤre Rom
unter dem Joche der Tarquinier vollends ver-
ſchmachtet. Ulyſſes iſt niemahls verſchlagener
geweſt/ als da er ſich unſinnig geſtellt. Ja ich
will noch wol mehr ſagen; nehmlich: daß die
Narrheit eine Erhalterin der Welt/ und eine
Saͤug-Amme vieler tauſend Menſchen ſey.
Denn wenn der Krieg/ als der Raͤdelsfuͤhrer
aller Thorheiten/ nicht ſo viel Menſchen auf-
fraͤſſe; unſere Boßheit nicht den erzuͤrnten Him-
mel zu Schickung der Peſt/ der Erdbeben und
anderer Ungluͤcke reitzte/ wuͤrde die Erde kaum
die Helffte der Menſchen verpflegen koͤnnen.
Wie viel tauſend erhalten ſich nicht vom Spie-
le/ Tantze/ Gezaͤncke/ von Bereitung des
Werckzeuges unſerer Wolluͤſte; welchem allem
unſere Thorheit ſeine Bewegung giebt. Ja
das Siech-Hauß dieſer unheilbaren Krancken
hat einen ſo groſſen Umſchweiff/ als die Erde.
Daher ſich nicht zu verwundern: daß zu Rom
alle Jahr das Feyer des Quirinus den Narren
zu gefallen gehalten ward. Malovend fuhr
fort: die alberen Kriegs-Oberſten waren auch
in unſerer Geſchichte des Feldherꝛn Aembrichs
kluͤgſte Rathgeber; ja ſeine und des Cheruski-
ſchen Hauſes Erhalter. Denn weil es in Ver-
raͤthereyen gefaͤhrlicher iſt/ als gifftigen Fleck-
febern lange uͤber Wahl der Artzney Rath zu
halten; er auch wol wuſte: wie das Kriegsvolck
an Terbaln ſo ſehr hienge/ ſchickte er dieſen ge-
treuen Einfaltigen einen Befehl zu: Sie ſolten
mit dem Kopffe denen Auffruͤhrern die Adern
verſchneiden; und mit dem Blute des einigen
[Spaltenumbruch] Terbals die Schuld aller Mitverſchwornen
ausleſchen. Dieſe uͤbten den Befehl nicht we-
niger kluͤglich als hertzhafft aus. Denn als
Terbal des Abends vorher ſeinem Anhange ein
koͤſtliches Gaſt-Gebot ausgerichtet hatte/ uͤber-
fielen ſie ihn des Nachts in ſeinem Gezelt; alſo
daß dem Heere nicht ehe ſein Tod lautbar/ als
dem Heere der ruͤckſtaͤndige Sold bezahlet/
Terbals Schrifften undurchleſen verbrennt/
und zugleich allen angedeutet ward: Weil von
Terbaln allein alles Gifft des Meyneydes her-
ruͤhrte/ begehrte der Feldherꝛ nach keinem Mit-
ſchuldigen zu fragen. Dieſe kluge Anſtalt
ſchreckte die Boßhafften/ beruhigte die Ver-
fuͤhrten/ vergnuͤgte die Duͤrfftigen/ verſicherte
die zweiffelnden; alſo: daß die derogeſtalt lin-
de gehandelten Glieder nicht einmahl zuckten/
als gleich ihrem Haupte das kalte Eiſen durch
die Gurgel fuhr; ſondern vielmehr kurtz hier-
auf den Fuͤrſten Segimer zu ihrem neuen
Kriegs-Haupte mit Freuden annahmen. Zeno
brach ein: Jch unterſtehe mich nicht dieſen gluͤck-
lichen Streich des Fuͤrſten Aembrichs zu ſchel-
ten; weil ich alle Umſtaͤnde nicht weiß/ derer
eine einem gantzen Wercke ein gantz ander Ge-
ſichte zueignen kan. Jch wuͤrde auch den Fuͤr-
ſten ihre uͤber die Schrancken der Geſetze erho-
bene Macht ſtrittig machen/ wenn ich von ſei-
nem Urthel Rechenſchafft fordern wolte/ wel-
ches die Perſer fuͤr eine ungereimte uñ Koͤnigen
unanſtaͤndige Umſchraͤnckung auslegten; als
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ehlichen moͤchte. Allein ich beſcheide mich doch:
daß die Deutſchen wie die vernuͤnfftigſten Voͤl-
cker ſolche Fuͤrſten haben/ welche mehr fuͤr Ehre/
als Zwang halten/ ſich der Vernunfft zu unter-
werffen/ und/ um denen Unterthanen den Ge-
horſam zu erleichtern ihren Willen eigenbe-
weglich unter der Richtſchnur der Geſetze zu
beugen; die gleich von ihrer Willkuͤhr ihre
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muͤths-Maͤßigung ihrer Gewalt ſicher ſo we-

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 1021[1023]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1085>, abgerufen am 23.11.2024.