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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Siebendes Buch
[Spaltenumbruch] Ja dieser Kriegs-GOtt ward endlich bey
den Teneterern und Sveonen der Oberste
aller Götter/ also: daß da er anfangs nur mit
Hund und Wölffen/ oder mit der von ihren
Fremden eroberten Beute versohnt ward/ sie
ihm hernach die gefangenen Menschen schlach-
teten. Uber diß erschossen sie die ertapten Diebe
und Mörder mit Pfeilen/ hiengen selbte in ihren
Heynen an die Bäume/ oder flochten aus Wie-
ten grosse Riesen/ steckten die Glieder zerfleisch-
ter Menschen oder wilder Thiere darein/ und
verbrennten sie als heilige Opffer. Jn Man-
gel der Missethäter aber musten auch die Un-
schuldigen loosen/ und nach Art der Phönieier
und Locrenser eine gewisse Zahl Jungfrauen
oder Knaben zur Schlacht-Banck liefern. Die
Noricher erkieseten die Sonne unter dem Nah-
men des Belen oder Belatucad; die Celten un-
ter dem Tharamis den Jupiter zu ihrem
Schutz-Gotte. Die zwischen der Elbe und
Oder an der Ost-See gelegenen Angeln/ Var-
nier/ Eudosen/ Schwardoner und Nuithoner
lernten die Erde unter dem Nahmen der Göt-
tin Ertha anbeten; welche den Menschen ihren
Unterhalt verschaffe/ und wie die Ceres ein
Volck nach dem andern heimsuche. Dieser
Göttin ward auf dem Rügischen Eylande ein
Wald und prächtiges Heiligthum gewiedmet.
Jn demselben stehet ein güldener mit einem grü-
nen Teppichte bedeckter Wagen/ auf welchem
sie mit zweyen weißen Kühen zu gewisser Zeit
unsichtbar herum geführt/ von keinem Men-
schen aber/ als dem einiges Gewehr/ biß diese
Friedens-Göttin sich mit Anschauung der
Menschen genung gesättigt hat/ und wieder in
Tempel bracht ist/ niemahls aber der Wagen
von iemanden anders/ als dem Priester ange-
rühret wird. Ja die Knechte/ welche denen
Priestern bey dieser Umfarth Handreichung
gethan/ werden von dem darbey liegenden See/
welcher weder Fischer-Netze noch Schiffe lei-
det/ und in dem der Wagen und der Teppicht
iedesmahl gewaschen wird/ ja sich selbst die Göt-
[Spaltenumbruch] tin darinnen baden soll/ verschlungen. Weß-
wegen dieser gantze Wald von niemanden ohne
innerliches Schrecken angesehen/ in einer hei-
ligen Unwissenheit angebetet wird/ dessen Ge-
heimnüße nur die/ welche bald umkommen sol-
len/ zu Gesichte kriegen. Die um den Weichsel-
Fluß gelegenen Gothonen und Estier haben
von denen fremden Handels-Leuten/ die wegen
des an selbigem Meerstrande befindlichen Ag-
steins häuffig dahin reisen/ die Mutter der Göt-
ter anruffen lernen; welcher Stärcke sie entwe-
der durch das Bild eines wilden Schweines
abbilden; als welche ihre Liebhaber auch mit-
ten unter den Feinden wieder die schärffsten
Waffen beschirmen soll; oder auch auf das den
Adonis tödtende Thier zielen. Uber diß ist bey
den Deutschen auch unter dem Nahmen des
Vulcan der Sonnen und des Monden Got-
tesdienst eingeschlichen; welchen sie bey ereig-
nenden Finsternüßen mit vielem Ertz-Gethöne
zu Hülffe kommen. Nicht ferne von der Elbe
bey einem Saltz-Brunnen/ bildet ein Mann/
welcher vorwerts mit beyden Händen ein feuri-
ges Rad hält/ die Sonne in der Marians-
Stadt an dem Wasser Leyn bey gleichmäßigen
Saltz-Brunnen/ ein Mann mit langen Oh-
ren/ der in den Händen einen goldenen Mon-
den hält; und bey denen Wenden und Rhugi-
ern/ wo der Oder-Strom sich mit dem Meere
vermählet/ der Götze mit drey Antlitzen und ei-
nem halben Monden/ dieses Nacht-Gestirne
ab. Der Grichen und Römer übrige Götter
sind in Deutschland zwar vom Nahmen nicht
bekandt; doch scheinet dem Saturn nicht un-
gleich zu seyn das Bild eines alten Greisen auff
dem Schlosse Hartzburg beym Melibokischen
Gebürge; welcher auf einem Perßken in ei-
nem weißen Kittel baarfüßig stehet/ mit einer
leinwandtenen Binde umgürtet ist/ in einer
Hand ein Rad/ in der andern ein Gefäße voll
Rosen/ Aepffel und anderer Früchte hält. Welch
Sinnenbild auf die Zeit leicht auszudeuten ist.
Auf den Jupiter kan unschwer auch gezogen

werden

Siebendes Buch
[Spaltenumbruch] Ja dieſer Kriegs-GOtt ward endlich bey
den Teneterern und Sveonen der Oberſte
aller Goͤtter/ alſo: daß da er anfangs nur mit
Hund und Woͤlffen/ oder mit der von ihren
Fremden eroberten Beute verſohnt ward/ ſie
ihm hernach die gefangenen Menſchen ſchlach-
teten. Uber diß erſchoſſen ſie die ertapten Diebe
uñ Moͤrder mit Pfeilen/ hiengen ſelbte in ihren
Heynen an die Baͤume/ oder flochten aus Wie-
ten groſſe Rieſen/ ſteckten die Glieder zerfleiſch-
ter Menſchen oder wilder Thiere darein/ und
verbrennten ſie als heilige Opffer. Jn Man-
gel der Miſſethaͤter aber muſten auch die Un-
ſchuldigen looſen/ und nach Art der Phoͤnieier
und Locrenſer eine gewiſſe Zahl Jungfrauen
oder Knaben zur Schlacht-Banck liefern. Die
Noricher erkieſeten die Sonne unter dem Nah-
men des Belen oder Belatucad; die Celten un-
ter dem Tharamis den Jupiter zu ihrem
Schutz-Gotte. Die zwiſchen der Elbe und
Oder an der Oſt-See gelegenen Angeln/ Var-
nier/ Eudoſen/ Schwardoner und Nuithoner
lernten die Erde unter dem Nahmen der Goͤt-
tin Ertha anbeten; welche den Menſchen ihren
Unterhalt verſchaffe/ und wie die Ceres ein
Volck nach dem andern heimſuche. Dieſer
Goͤttin ward auf dem Ruͤgiſchen Eylande ein
Wald und praͤchtiges Heiligthum gewiedmet.
Jn demſelben ſtehet ein guͤldeneꝛ mit einem gꝛuͤ-
nen Teppichte bedeckter Wagen/ auf welchem
ſie mit zweyen weißen Kuͤhen zu gewiſſer Zeit
unſichtbar herum gefuͤhrt/ von keinem Men-
ſchen aber/ als dem einiges Gewehr/ biß dieſe
Friedens-Goͤttin ſich mit Anſchauung der
Menſchen genung geſaͤttigt hat/ und wieder in
Tempel bracht iſt/ niemahls aber der Wagen
von iemanden anders/ als dem Prieſter ange-
ruͤhret wird. Ja die Knechte/ welche denen
Prieſtern bey dieſer Umfarth Handreichung
gethan/ werden von dem darbey liegenden See/
welcher weder Fiſcher-Netze noch Schiffe lei-
det/ und in dem der Wagen und der Teppicht
iedesmahl gewaſchen wird/ ja ſich ſelbſt die Goͤt-
[Spaltenumbruch] tin darinnen baden ſoll/ verſchlungen. Weß-
wegen dieſer gantze Wald von niemanden ohne
innerliches Schrecken angeſehen/ in einer hei-
ligen Unwiſſenheit angebetet wird/ deſſen Ge-
heimnuͤße nur die/ welche bald umkommen ſol-
len/ zu Geſichte kriegen. Die um den Weichſel-
Fluß gelegenen Gothonen und Eſtier haben
von denen fremden Handels-Leuten/ die wegen
des an ſelbigem Meerſtrande befindlichen Ag-
ſteins haͤuffig dahin reiſen/ die Mutter der Goͤt-
ter anruffen lernen; welcher Staͤrcke ſie entwe-
der durch das Bild eines wilden Schweines
abbilden; als welche ihre Liebhaber auch mit-
ten unter den Feinden wieder die ſchaͤrffſten
Waffen beſchirmen ſoll; oder auch auf das den
Adonis toͤdtende Thier zielen. Uber diß iſt bey
den Deutſchen auch unter dem Nahmen des
Vulcan der Sonnen und des Monden Got-
tesdienſt eingeſchlichen; welchen ſie bey ereig-
nenden Finſternuͤßen mit vielem Ertz-Gethoͤne
zu Huͤlffe kommen. Nicht ferne von der Elbe
bey einem Saltz-Brunnen/ bildet ein Mann/
welcher vorwerts mit beyden Haͤnden ein feuri-
ges Rad haͤlt/ die Sonne in der Marians-
Stadt an dem Waſſer Leyn bey gleichmaͤßigen
Saltz-Brunnen/ ein Mann mit langen Oh-
ren/ der in den Haͤnden einen goldenen Mon-
den haͤlt; und bey denen Wenden und Rhugi-
ern/ wo der Oder-Strom ſich mit dem Meere
vermaͤhlet/ der Goͤtze mit drey Antlitzen und ei-
nem halben Monden/ dieſes Nacht-Geſtirne
ab. Der Grichen und Roͤmer uͤbrige Goͤtter
ſind in Deutſchland zwar vom Nahmen nicht
bekandt; doch ſcheinet dem Saturn nicht un-
gleich zu ſeyn das Bild eines alten Greiſen auff
dem Schloſſe Hartzburg beym Melibokiſchen
Gebuͤrge; welcher auf einem Perßken in ei-
nem weißen Kittel baarfuͤßig ſtehet/ mit einer
leinwandtenen Binde umguͤrtet iſt/ in einer
Hand ein Rad/ in der andern ein Gefaͤße voll
Roſen/ Aepffel und anderer Fruͤchte haͤlt. Welch
Sinnenbild auf die Zeit leicht auszudeuten iſt.
Auf den Jupiter kan unſchwer auch gezogen

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 978[980]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1042>, abgerufen am 23.11.2024.