Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

Bild:
<< vorherige Seite

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] gung verweisen: was derselben Jungfrau/ die
ein Kind säuget/ und in beyden Händen eine
Weitzen-Aehre hält/ bedeute? oder auch nach-
sinnen heissen: was die Sonne in der gestirnten
Jungfrau würcke. Jhre Lehren schreiben sie
in keine Bücher/ ungeachtet sie fremder Spra-
che gute Wissenschafft haben; weil sie Rinde und
Leder zum Behältnüße ihrer Weißheit allzu
unwürdig achten; oder vielmehr ihre Geheim-
nüße mehr zu verbergen. Dahero muß ihre
Jungend alle in tunckele und zweydeutige Rey-
me verfaste Lehren auswendig lernen/ und täg-
lich ihr Gedächtnüß üben. Darinnen stecken
die Eigenschafft des göttlichen Wesens/ die Be-
deutungen der Opffer/ die Beschwerungen der
Geister/ die Wahrsagungen aus dem Fluge des
Geflügels/ aus dem Falle und Eingeweiden
der geschlachteten Menschen; welche sie mit
grossen Beilen Creutz-weise über die Rippen o-
der die Brust schlagen/ der Lauff des Gestirnes/
die Beschreibung der Erd-Kugel/ die Unsterb-
ligkeit und Wanderschafft der menschlichen
Seelen/ wiewol nicht in viehische/ sondern nur
menschliche Leiber. Welche letztere Heimlig-
keit sie allein dem gemeinen Manne nicht ver-
schweigen/ um durch die Versicherung: daß die
Seele nicht mit dem Leibe verschwinde/ sie zur
Tapfferkeit aufzufrischen. Weßwegen sie auch
denen Sterbenden offtmahls Geld einhändi-
gen/ um selbtes der abgelebten Seelen zu über-
bringen. Sie beten zwar nur einen GOtt an;
und bilden selbten weder in Holtz/ Stein noch
Ertzt/ sie wiedmen aber ihm gewisse Bäume/
die keine Axt berühren/ in ihre heilige Heynen
auch niemand ungebunden kommen/ kein fal-
lender wieder aufstehen darff/ sondern er muß
sich mit gantzem Leibe heraus weltzen. Sie mei-
nen: daß auf solche heiligen Bäume kein Vogel
sitzen/ selbte kein Wind zerbrechen/ kein Blitz
zerschmettern könne; sie auch des Nachts ohne
einige wesentliche Flamme einen Schein von
sich geben. Zu gewisser Zeit ziehen sie an einem
[Spaltenumbruch] schönen Baume die ausgebreiteten Aeste an den
Stamm/ und binden sie an den Wipffel/ schrei-
ben unten den Nahmen Gottes/ in einem Ast
aber des Tharamis/ in den andern des Belen
ein/ um in der göttlichen Einigkeit doch einen
nähern Begrieff tieffsinnig zu entwerffen. Uber
diß verehren sie die abgelebten Seelen/ welche
entweder ein heiliges Leben geführet/ oder dem
Vaterlande grossen Nutzen geschafft haben.
Nebst denen Menschen-Opffern/ aus derer
Eingeweiden/ Adern und Blute sie wahrsagen;
wiewol sie zuweilen auch die Menschen nicht
schlachten/ sondern nur biß auffs Blut peitschen/
schlachten sie zwey unter einen Eich-Baum an-
gebundene weiße Stiere; auf welchem ein weiß-
gekleideter Priester selbte mit einem güldenen
Beile abhaut; Derer getrunckenes Blut so
denn wieder alle Unfruchtbarkeit und Gifft
helffen soll. Jm Beten legen sie die rechte Hand
auf den Mund/ und drehen sich rings herum.
GOtt opffern sie bey aufgehender Sonne; der
Todten Gedächtnüß feyern sie/ wenn sie zu
Golde geht. Sie fangen allezeit von der Nacht
anzurechnen; also: daß die Tage ein Anhang
der Finsternüß sind; weil sie aller Menschen
Uhrsprung von dem Gotte der Erden und
Nacht herrechnen; oder auch die Nacht ehe als
der Tag gewest ist. Sie eignen den frommen
Seelen/ wenn sie unterschiedene Leiber durch-
wandert/ eine ewige Ergetzligkeit/ den boßhaff-
ten theils eine zeitliche Abbüßung/ theils eine
ewige Pein zu. Jhrer Uhrheber Gesetze hal-
ten sie zwar für eine Richtschnure ihres Gottes-
dienstes; Sie schätzen aber die Auslegung ihres
Oberhaupts für unfehlbar und jenem gleich;
ohne dessen Vorbitte die Götter niemanden er-
höreten; weil ihm die Schlüssel des Himmels
und der Höllen anvertrauet wären. Sie ver-
werffen die Vielheit der Götter/ und die E-
wigkeit der Welt; als welche von GOtt aus
nichts in sieben Tagen/ wie der Mensch aus der
Erde erschaffen sey. Jedoch setzen sie zwischen

GOtt
G g g g g g 3

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] gung verweiſen: was derſelben Jungfrau/ die
ein Kind ſaͤuget/ und in beyden Haͤnden eine
Weitzen-Aehre haͤlt/ bedeute? oder auch nach-
ſinnen heiſſen: was die Sonne in der geſtirnten
Jungfrau wuͤrcke. Jhre Lehren ſchreiben ſie
in keine Buͤcher/ ungeachtet ſie fremder Spra-
che gute Wiſſenſchafft haben; weil ſie Rinde und
Leder zum Behaͤltnuͤße ihrer Weißheit allzu
unwuͤrdig achten; oder vielmehr ihre Geheim-
nuͤße mehr zu verbergen. Dahero muß ihre
Jungend alle in tunckele und zweydeutige Rey-
me verfaſte Lehren auswendig lernen/ und taͤg-
lich ihr Gedaͤchtnuͤß uͤben. Darinnen ſtecken
die Eigenſchafft des goͤttlichen Weſens/ die Be-
deutungen der Opffer/ die Beſchwerungen der
Geiſter/ die Wahrſagungen aus dem Fluge des
Gefluͤgels/ aus dem Falle und Eingeweiden
der geſchlachteten Menſchen; welche ſie mit
groſſen Beilen Creutz-weiſe uͤber die Rippen o-
der die Bruſt ſchlagen/ der Lauff des Geſtirnes/
die Beſchreibung der Erd-Kugel/ die Unſterb-
ligkeit und Wanderſchafft der menſchlichen
Seelen/ wiewol nicht in viehiſche/ ſondern nur
menſchliche Leiber. Welche letztere Heimlig-
keit ſie allein dem gemeinen Manne nicht ver-
ſchweigen/ um durch die Verſicherung: daß die
Seele nicht mit dem Leibe verſchwinde/ ſie zur
Tapfferkeit aufzufriſchen. Weßwegen ſie auch
denen Sterbenden offtmahls Geld einhaͤndi-
gen/ um ſelbtes der abgelebten Seelen zu uͤber-
bringen. Sie beten zwar nur einen GOtt an;
und bilden ſelbten weder in Holtz/ Stein noch
Ertzt/ ſie wiedmen aber ihm gewiſſe Baͤume/
die keine Axt beruͤhren/ in ihre heilige Heynen
auch niemand ungebunden kommen/ kein fal-
lender wieder aufſtehen darff/ ſondern er muß
ſich mit gantzem Leibe heraus weltzen. Sie mei-
nen: daß auf ſolche heiligen Baͤume kein Vogel
ſitzen/ ſelbte kein Wind zerbrechen/ kein Blitz
zerſchmettern koͤnne; ſie auch des Nachts ohne
einige weſentliche Flamme einen Schein von
ſich geben. Zu gewiſſer Zeit ziehen ſie an einem
[Spaltenumbruch] ſchoͤnen Baume die ausgebreiteten Aeſte an den
Stamm/ und binden ſie an den Wipffel/ ſchrei-
ben unten den Nahmen Gottes/ in einem Aſt
aber des Tharamis/ in den andern des Belen
ein/ um in der goͤttlichen Einigkeit doch einen
naͤhern Begrieff tieffſinnig zu entwerffen. Uber
diß verehren ſie die abgelebten Seelen/ welche
entweder ein heiliges Leben gefuͤhret/ oder dem
Vaterlande groſſen Nutzen geſchafft haben.
Nebſt denen Menſchen-Opffern/ aus derer
Eingeweiden/ Adern und Blute ſie wahrſagen;
wiewol ſie zuweilen auch die Menſchen nicht
ſchlachten/ ſondern nur biß auffs Blut peitſchen/
ſchlachten ſie zwey unter einen Eich-Baum an-
gebundene weiße Stiere; auf welchem ein weiß-
gekleideter Prieſter ſelbte mit einem guͤldenen
Beile abhaut; Derer getrunckenes Blut ſo
denn wieder alle Unfruchtbarkeit und Gifft
helffen ſoll. Jm Beten legen ſie die rechte Hand
auf den Mund/ und drehen ſich rings herum.
GOtt opffern ſie bey aufgehender Sonne; der
Todten Gedaͤchtnuͤß feyern ſie/ wenn ſie zu
Golde geht. Sie fangen allezeit von der Nacht
anzurechnen; alſo: daß die Tage ein Anhang
der Finſternuͤß ſind; weil ſie aller Menſchen
Uhrſprung von dem Gotte der Erden und
Nacht herrechnen; oder auch die Nacht ehe als
der Tag geweſt iſt. Sie eignen den frommen
Seelen/ wenn ſie unterſchiedene Leiber durch-
wandert/ eine ewige Ergetzligkeit/ den boßhaff-
ten theils eine zeitliche Abbuͤßung/ theils eine
ewige Pein zu. Jhrer Uhrheber Geſetze hal-
ten ſie zwar fuͤr eine Richtſchnure ihres Gottes-
dienſtes; Sie ſchaͤtzen aber die Auslegung ihres
Oberhaupts fuͤr unfehlbar und jenem gleich;
ohne deſſen Vorbitte die Goͤtter niemanden er-
hoͤreten; weil ihm die Schluͤſſel des Himmels
und der Hoͤllen anvertrauet waͤꝛen. Sie ver-
werffen die Vielheit der Goͤtter/ und die E-
wigkeit der Welt; als welche von GOtt aus
nichts in ſieben Tagen/ wie der Menſch aus der
Erde erſchaffen ſey. Jedoch ſetzen ſie zwiſchen

GOtt
G g g g g g 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f1037" n="973[975]"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Arminius und Thußnelda.</hi></fw><lb/><cb/>
gung verwei&#x017F;en: was der&#x017F;elben Jungfrau/ die<lb/>
ein Kind &#x017F;a&#x0364;uget/ und in beyden Ha&#x0364;nden eine<lb/>
Weitzen-Aehre ha&#x0364;lt/ bedeute? oder auch nach-<lb/>
&#x017F;innen hei&#x017F;&#x017F;en: was die Sonne in der ge&#x017F;tirnten<lb/>
Jungfrau wu&#x0364;rcke. Jhre Lehren &#x017F;chreiben &#x017F;ie<lb/>
in keine Bu&#x0364;cher/ ungeachtet &#x017F;ie fremder Spra-<lb/>
che gute Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chafft haben; weil &#x017F;ie Rinde und<lb/>
Leder zum Beha&#x0364;ltnu&#x0364;ße ihrer Weißheit allzu<lb/>
unwu&#x0364;rdig achten; oder vielmehr ihre Geheim-<lb/>
nu&#x0364;ße mehr zu verbergen. Dahero muß ihre<lb/>
Jungend alle in tunckele und zweydeutige Rey-<lb/>
me verfa&#x017F;te Lehren auswendig lernen/ und ta&#x0364;g-<lb/>
lich ihr Geda&#x0364;chtnu&#x0364;ß u&#x0364;ben. Darinnen &#x017F;tecken<lb/>
die Eigen&#x017F;chafft des go&#x0364;ttlichen We&#x017F;ens/ die Be-<lb/>
deutungen der Opffer/ die Be&#x017F;chwerungen der<lb/>
Gei&#x017F;ter/ die Wahr&#x017F;agungen aus dem Fluge des<lb/>
Geflu&#x0364;gels/ aus dem Falle und Eingeweiden<lb/>
der ge&#x017F;chlachteten Men&#x017F;chen; welche &#x017F;ie mit<lb/>
gro&#x017F;&#x017F;en Beilen Creutz-wei&#x017F;e u&#x0364;ber die Rippen o-<lb/>
der die Bru&#x017F;t &#x017F;chlagen/ der Lauff des Ge&#x017F;tirnes/<lb/>
die Be&#x017F;chreibung der Erd-Kugel/ die Un&#x017F;terb-<lb/>
ligkeit und Wander&#x017F;chafft der men&#x017F;chlichen<lb/>
Seelen/ wiewol nicht in viehi&#x017F;che/ &#x017F;ondern nur<lb/>
men&#x017F;chliche Leiber. Welche letztere Heimlig-<lb/>
keit &#x017F;ie allein dem gemeinen Manne nicht ver-<lb/>
&#x017F;chweigen/ um durch die Ver&#x017F;icherung: daß die<lb/>
Seele nicht mit dem Leibe ver&#x017F;chwinde/ &#x017F;ie zur<lb/>
Tapfferkeit aufzufri&#x017F;chen. Weßwegen &#x017F;ie auch<lb/>
denen Sterbenden offtmahls Geld einha&#x0364;ndi-<lb/>
gen/ um &#x017F;elbtes der abgelebten Seelen zu u&#x0364;ber-<lb/>
bringen. Sie beten zwar nur einen GOtt an;<lb/>
und bilden &#x017F;elbten weder in Holtz/ Stein noch<lb/>
Ertzt/ &#x017F;ie wiedmen aber ihm gewi&#x017F;&#x017F;e Ba&#x0364;ume/<lb/>
die keine Axt beru&#x0364;hren/ in ihre heilige Heynen<lb/>
auch niemand ungebunden kommen/ kein fal-<lb/>
lender wieder auf&#x017F;tehen darff/ &#x017F;ondern er muß<lb/>
&#x017F;ich mit gantzem Leibe heraus weltzen. Sie mei-<lb/>
nen: daß auf &#x017F;olche heiligen Ba&#x0364;ume kein Vogel<lb/>
&#x017F;itzen/ &#x017F;elbte kein Wind zerbrechen/ kein Blitz<lb/>
zer&#x017F;chmettern ko&#x0364;nne; &#x017F;ie auch des Nachts ohne<lb/>
einige we&#x017F;entliche Flamme einen Schein von<lb/>
&#x017F;ich geben. Zu gewi&#x017F;&#x017F;er Zeit ziehen &#x017F;ie an einem<lb/><cb/>
&#x017F;cho&#x0364;nen Baume die ausgebreiteten Ae&#x017F;te an den<lb/>
Stamm/ und binden &#x017F;ie an den Wipffel/ &#x017F;chrei-<lb/>
ben unten den Nahmen Gottes/ in einem A&#x017F;t<lb/>
aber des Tharamis/ in den andern des Belen<lb/>
ein/ um in der go&#x0364;ttlichen Einigkeit doch einen<lb/>
na&#x0364;hern Begrieff tieff&#x017F;innig zu entwerffen. Uber<lb/>
diß verehren &#x017F;ie die abgelebten Seelen/ welche<lb/>
entweder ein heiliges Leben gefu&#x0364;hret/ oder dem<lb/>
Vaterlande gro&#x017F;&#x017F;en Nutzen ge&#x017F;chafft haben.<lb/>
Neb&#x017F;t denen Men&#x017F;chen-Opffern/ aus derer<lb/>
Eingeweiden/ Adern und Blute &#x017F;ie wahr&#x017F;agen;<lb/>
wiewol &#x017F;ie zuweilen auch die Men&#x017F;chen nicht<lb/>
&#x017F;chlachten/ &#x017F;ondern nur biß auffs Blut peit&#x017F;chen/<lb/>
&#x017F;chlachten &#x017F;ie zwey unter einen Eich-Baum an-<lb/>
gebundene weiße Stiere; auf welchem ein weiß-<lb/>
gekleideter Prie&#x017F;ter &#x017F;elbte mit einem gu&#x0364;ldenen<lb/>
Beile abhaut; Derer getrunckenes Blut &#x017F;o<lb/>
denn wieder alle Unfruchtbarkeit und Gifft<lb/>
helffen &#x017F;oll. Jm Beten legen &#x017F;ie die rechte Hand<lb/>
auf den Mund/ und drehen &#x017F;ich rings herum.<lb/>
GOtt opffern &#x017F;ie bey aufgehender Sonne; der<lb/>
Todten Geda&#x0364;chtnu&#x0364;ß feyern &#x017F;ie/ wenn &#x017F;ie zu<lb/>
Golde geht. Sie fangen allezeit von der Nacht<lb/>
anzurechnen; al&#x017F;o: daß die Tage ein Anhang<lb/>
der Fin&#x017F;ternu&#x0364;ß &#x017F;ind; weil &#x017F;ie aller Men&#x017F;chen<lb/>
Uhr&#x017F;prung von dem Gotte der Erden und<lb/>
Nacht herrechnen; oder auch die Nacht ehe als<lb/>
der Tag gewe&#x017F;t i&#x017F;t. Sie eignen den frommen<lb/>
Seelen/ wenn &#x017F;ie unter&#x017F;chiedene Leiber durch-<lb/>
wandert/ eine ewige Ergetzligkeit/ den boßhaff-<lb/>
ten theils eine zeitliche Abbu&#x0364;ßung/ theils eine<lb/>
ewige Pein zu. Jhrer Uhrheber Ge&#x017F;etze hal-<lb/>
ten &#x017F;ie zwar fu&#x0364;r eine Richt&#x017F;chnure ihres Gottes-<lb/>
dien&#x017F;tes; Sie &#x017F;cha&#x0364;tzen aber die Auslegung ihres<lb/>
Oberhaupts fu&#x0364;r unfehlbar und jenem gleich;<lb/>
ohne de&#x017F;&#x017F;en Vorbitte die Go&#x0364;tter niemanden er-<lb/>
ho&#x0364;reten; weil ihm die Schlu&#x0364;&#x017F;&#x017F;el des Himmels<lb/>
und der Ho&#x0364;llen anvertrauet wa&#x0364;&#xA75B;en. Sie ver-<lb/>
werffen die Vielheit der Go&#x0364;tter/ und die E-<lb/>
wigkeit der Welt; als welche von GOtt aus<lb/>
nichts in &#x017F;ieben Tagen/ wie der Men&#x017F;ch aus der<lb/>
Erde er&#x017F;chaffen &#x017F;ey. Jedoch &#x017F;etzen &#x017F;ie zwi&#x017F;chen<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">G g g g g g 3</fw><fw place="bottom" type="catch">GOtt</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[973[975]/1037] Arminius und Thußnelda. gung verweiſen: was derſelben Jungfrau/ die ein Kind ſaͤuget/ und in beyden Haͤnden eine Weitzen-Aehre haͤlt/ bedeute? oder auch nach- ſinnen heiſſen: was die Sonne in der geſtirnten Jungfrau wuͤrcke. Jhre Lehren ſchreiben ſie in keine Buͤcher/ ungeachtet ſie fremder Spra- che gute Wiſſenſchafft haben; weil ſie Rinde und Leder zum Behaͤltnuͤße ihrer Weißheit allzu unwuͤrdig achten; oder vielmehr ihre Geheim- nuͤße mehr zu verbergen. Dahero muß ihre Jungend alle in tunckele und zweydeutige Rey- me verfaſte Lehren auswendig lernen/ und taͤg- lich ihr Gedaͤchtnuͤß uͤben. Darinnen ſtecken die Eigenſchafft des goͤttlichen Weſens/ die Be- deutungen der Opffer/ die Beſchwerungen der Geiſter/ die Wahrſagungen aus dem Fluge des Gefluͤgels/ aus dem Falle und Eingeweiden der geſchlachteten Menſchen; welche ſie mit groſſen Beilen Creutz-weiſe uͤber die Rippen o- der die Bruſt ſchlagen/ der Lauff des Geſtirnes/ die Beſchreibung der Erd-Kugel/ die Unſterb- ligkeit und Wanderſchafft der menſchlichen Seelen/ wiewol nicht in viehiſche/ ſondern nur menſchliche Leiber. Welche letztere Heimlig- keit ſie allein dem gemeinen Manne nicht ver- ſchweigen/ um durch die Verſicherung: daß die Seele nicht mit dem Leibe verſchwinde/ ſie zur Tapfferkeit aufzufriſchen. Weßwegen ſie auch denen Sterbenden offtmahls Geld einhaͤndi- gen/ um ſelbtes der abgelebten Seelen zu uͤber- bringen. Sie beten zwar nur einen GOtt an; und bilden ſelbten weder in Holtz/ Stein noch Ertzt/ ſie wiedmen aber ihm gewiſſe Baͤume/ die keine Axt beruͤhren/ in ihre heilige Heynen auch niemand ungebunden kommen/ kein fal- lender wieder aufſtehen darff/ ſondern er muß ſich mit gantzem Leibe heraus weltzen. Sie mei- nen: daß auf ſolche heiligen Baͤume kein Vogel ſitzen/ ſelbte kein Wind zerbrechen/ kein Blitz zerſchmettern koͤnne; ſie auch des Nachts ohne einige weſentliche Flamme einen Schein von ſich geben. Zu gewiſſer Zeit ziehen ſie an einem ſchoͤnen Baume die ausgebreiteten Aeſte an den Stamm/ und binden ſie an den Wipffel/ ſchrei- ben unten den Nahmen Gottes/ in einem Aſt aber des Tharamis/ in den andern des Belen ein/ um in der goͤttlichen Einigkeit doch einen naͤhern Begrieff tieffſinnig zu entwerffen. Uber diß verehren ſie die abgelebten Seelen/ welche entweder ein heiliges Leben gefuͤhret/ oder dem Vaterlande groſſen Nutzen geſchafft haben. Nebſt denen Menſchen-Opffern/ aus derer Eingeweiden/ Adern und Blute ſie wahrſagen; wiewol ſie zuweilen auch die Menſchen nicht ſchlachten/ ſondern nur biß auffs Blut peitſchen/ ſchlachten ſie zwey unter einen Eich-Baum an- gebundene weiße Stiere; auf welchem ein weiß- gekleideter Prieſter ſelbte mit einem guͤldenen Beile abhaut; Derer getrunckenes Blut ſo denn wieder alle Unfruchtbarkeit und Gifft helffen ſoll. Jm Beten legen ſie die rechte Hand auf den Mund/ und drehen ſich rings herum. GOtt opffern ſie bey aufgehender Sonne; der Todten Gedaͤchtnuͤß feyern ſie/ wenn ſie zu Golde geht. Sie fangen allezeit von der Nacht anzurechnen; alſo: daß die Tage ein Anhang der Finſternuͤß ſind; weil ſie aller Menſchen Uhrſprung von dem Gotte der Erden und Nacht herrechnen; oder auch die Nacht ehe als der Tag geweſt iſt. Sie eignen den frommen Seelen/ wenn ſie unterſchiedene Leiber durch- wandert/ eine ewige Ergetzligkeit/ den boßhaff- ten theils eine zeitliche Abbuͤßung/ theils eine ewige Pein zu. Jhrer Uhrheber Geſetze hal- ten ſie zwar fuͤr eine Richtſchnure ihres Gottes- dienſtes; Sie ſchaͤtzen aber die Auslegung ihres Oberhaupts fuͤr unfehlbar und jenem gleich; ohne deſſen Vorbitte die Goͤtter niemanden er- hoͤreten; weil ihm die Schluͤſſel des Himmels und der Hoͤllen anvertrauet waͤꝛen. Sie ver- werffen die Vielheit der Goͤtter/ und die E- wigkeit der Welt; als welche von GOtt aus nichts in ſieben Tagen/ wie der Menſch aus der Erde erſchaffen ſey. Jedoch ſetzen ſie zwiſchen GOtt G g g g g g 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1037
Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 973[975]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1037>, abgerufen am 17.06.2024.