Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Siebendes Buch [Spaltenumbruch]
Heiligkeit geben sie einen grossen Schein durchihre öfftere Fasten/ durch den Genüß der blossen Kräuter und Wurtzeln/ durch ihr hartes Lager entweder auf Steinen/ oder rauen Häuten/ und durch Gelobung ewiger Keuschheit; wie- wol sie unter ihnen gewisse Orden und Staf- feln haben/ derer einer strenger als der ander ist; derer fürnehmste die Samotheer/ und Sema- neer sind; welche letztern nichts als Baum- Früchte essen; alle aber ins gesamt entschlagen sich der Ehe/ ob sie schon anfangs in Britanni- en geheyrathet hatten. Jedoch ist keiner/ der nicht seine Männligkeit hat/ fähig bey ihnen einzukommen. Dahero sie der alten Gallier/ und der Göttin Rhea Priester/ welche sie ihnen ausschnitten/ und die Priester Dianens/ die sie zerqvetschten/ ingleichen auch die Atheniensi- schen/ welche die Geburts-Glieder durch Zie- gerkraut schwächten/ verhönen; weil sie aus Mißtrauen ihre Begierden zu zähmen der Na- tur Gewalt anthäten. Der alten Barden Ge- wonheit aber/ welche neun Tage für dem bevor- stehenden Gottesdienste sich auch ihrer Ehwei- ber enthielten/ hielten sie für zu geringe Be- meisterung der Begierden; trachteten also die- se mit ewiger Gelobung zu beschämen. Da- mit auch ihr Ehloser Stand nicht aus einer Ab- scheu oder Gramschafft gegen das Frauen-Zim- mer/ wie bey denen Brachmanen in Jndien/ herzurühren schiene/ lehren sie: daß selbte ein GOtt angenehmes Geschlechte sey/ und in sich viel Heiligkeit und Klugheit habe. Daher auf der Druyden Veranlassung selbtes von denen Deutschen nicht allein zu Rathschlägen/ sondern auch zu Wahrsagungen/ insonderheit für den Schlachten/ gezogen wird; wie denn auch durch ihr Zusprechen nicht selten grosse Schlachten gewonnen; ja deßhalben von denen Herulen/ Polabern und Varinen an dem Codanischen See-Busem der Königin Syeba/ des grossen Anthyrius Gemahlin; von eben selbigen und denen Sarmatern der Oraja des Herulischen [Spaltenumbruch] Fürsten Anara Gemahlin/ und der Heldin Au- rinia herrliche Ehren-Seulen aufgerichtet/ und/ wiewol nicht als Göttinnen/ verehret wor- den. Fürnehmlich erheben die Druyden die Alironischen Weiber; welche sich in weiße Lein- wand kleiden/ mit ausgebreiteten Haaren und baarfüßig gehen/ um den Leib einen grossen messenen Gürtel tragen; für den Schlachten aus dem Geräusche und Umdrehung des Was- sers künfftige Zufälle andeuten; bey währen- dem Treffen auf denen über die Wagen ausge- spannten Ledern mit Klöppeln ein grausames Gethöne machen/ hernach denen Gefangenen die Kehle abschneiden/ ihr Blut in einen ertzte- nen Kessel auffangen/ und endlich aus ihren Eingeweyden den Ausschlag des Krieges weis- sagen; zuweilen auch Geister beschweren/ und selbte denen künfftiger Dinge begierigen Feld- Obersten erscheinen und wahrsagen lassen. Sie pflegen auch in die Asche/ ohne Beobach- tung der Zahl/ Striche zu machen/ und hernach aus der gleichbefundenen Zahl Glücke/ aus der ungleichen/ Unglück anzudeuten. Sie ver- mischen auch kleine theils weiß gelassene/ theils schwartzgezeichnete Höltzer; streuen selbte auffs Altar/ oder in ihre Schoß/ und lassen sie entwe- der einen Priester oder Knaben erkiesen zur Nachricht künfftiger Begebnüße. Viel- mehr aber gelten der Druyden selbst eigene Wahrsagungen. Denn diese hält das Volck für unzweiffelbare Ausleger des göttlichen Wil- lens/ Beförderer ihres Gebetes/ und Ankündi- ger künfftiger Dinge. Es verrichtet alleine durch sie alle Opffer; iedoch ist diese Opfferung an kein gewisses Geschlechte/ wie der Ceres Opffer zu Athen an des Eumolpus/ des Hercu- les zu Rom an des Pinarius Geschlechte ange- bunden. Sie verehren keine Bilder; außer/ in ihrem innersten Heiligthume stehet ein Bild einer gebährenden Jungfrauen; dessen Ausle- gung aber von ihnen nicht zu erbitten ist; außer: daß sie einen zu der Persischen Weisen Ausle- gung
Siebendes Buch [Spaltenumbruch]
Heiligkeit geben ſie einen groſſen Schein durchihre oͤfftere Faſten/ durch den Genuͤß der bloſſen Kraͤuter und Wurtzeln/ durch ihr hartes Lager entweder auf Steinen/ oder rauen Haͤuten/ und durch Gelobung ewiger Keuſchheit; wie- wol ſie unter ihnen gewiſſe Orden und Staf- feln haben/ derer einer ſtrenger als der ander iſt; derer fuͤrnehmſte die Samotheer/ und Sema- neer ſind; welche letztern nichts als Baum- Fruͤchte eſſen; alle aber ins geſamt entſchlagen ſich der Ehe/ ob ſie ſchon anfangs in Britanni- en geheyrathet hatten. Jedoch iſt keiner/ der nicht ſeine Maͤnnligkeit hat/ faͤhig bey ihnen einzukommen. Dahero ſie der alten Gallier/ und der Goͤttin Rhea Prieſter/ welche ſie ihnen ausſchnitten/ und die Prieſter Dianens/ die ſie zerqvetſchten/ ingleichen auch die Athenienſi- ſchen/ welche die Geburts-Glieder durch Zie- gerkraut ſchwaͤchten/ verhoͤnen; weil ſie aus Mißtrauen ihre Begierden zu zaͤhmen der Na- tur Gewalt anthaͤten. Der alten Barden Ge- wonheit aber/ welche neun Tage fuͤr dem bevor- ſtehenden Gottesdienſte ſich auch ihrer Ehwei- ber enthielten/ hielten ſie fuͤr zu geringe Be- meiſterung der Begierden; trachteten alſo die- ſe mit ewiger Gelobung zu beſchaͤmen. Da- mit auch ihr Ehloſer Stand nicht aus einer Ab- ſcheu odeꝛ Gramſchafft gegen das Frauen-Zim- mer/ wie bey denen Brachmanen in Jndien/ herzuruͤhren ſchiene/ lehren ſie: daß ſelbte ein GOtt angenehmes Geſchlechte ſey/ und in ſich viel Heiligkeit und Klugheit habe. Daher auf der Druyden Veranlaſſung ſelbtes von denen Deutſchen nicht allein zu Rathſchlaͤgen/ ſondern auch zu Wahrſagungen/ inſonderheit fuͤr den Schlachten/ gezogen wird; wie denn auch durch ihr Zuſprechen nicht ſelten groſſe Schlachten gewonnen; ja deßhalben von denen Herulen/ Polabern und Varinen an dem Codaniſchen See-Buſem der Koͤnigin Syeba/ des groſſen Anthyrius Gemahlin; von eben ſelbigen und denen Sarmatern der Oraja des Heruliſchen [Spaltenumbruch] Fuͤrſten Anara Gemahlin/ und der Heldin Au- rinia herrliche Ehren-Seulen aufgerichtet/ und/ wiewol nicht als Goͤttinnen/ verehret wor- den. Fuͤrnehmlich erheben die Druyden die Alironiſchen Weiber; welche ſich in weiße Lein- wand kleiden/ mit ausgebreiteten Haaren und baarfuͤßig gehen/ um den Leib einen groſſen meſſenen Guͤrtel tragen; fuͤr den Schlachten aus dem Geraͤuſche und Umdrehung des Waſ- ſers kuͤnfftige Zufaͤlle andeuten; bey waͤhren- dem Treffen auf denen uͤber die Wagen ausge- ſpannten Ledern mit Kloͤppeln ein grauſames Gethoͤne machen/ hernach denen Gefangenen die Kehle abſchneiden/ ihr Blut in einen ertzte- nen Keſſel auffangen/ und endlich aus ihren Eingeweyden den Ausſchlag des Krieges weiſ- ſagen; zuweilen auch Geiſter beſchweren/ und ſelbte denen kuͤnfftiger Dinge begierigen Feld- Oberſten erſcheinen und wahrſagen laſſen. Sie pflegen auch in die Aſche/ ohne Beobach- tung der Zahl/ Striche zu machen/ und hernach aus der gleichbefundenen Zahl Gluͤcke/ aus der ungleichen/ Ungluͤck anzudeuten. Sie ver- miſchen auch kleine theils weiß gelaſſene/ theils ſchwartzgezeichnete Hoͤltzer; ſtreuen ſelbte auffs Altar/ oder in ihre Schoß/ und laſſen ſie entwe- der einen Prieſter oder Knaben erkieſen zur Nachricht kuͤnfftiger Begebnuͤße. Viel- mehr aber gelten der Druyden ſelbſt eigene Wahrſagungen. Denn dieſe haͤlt das Volck fuͤr unzweiffelbare Ausleger des goͤttlichen Wil- lens/ Befoͤrderer ihres Gebetes/ und Ankuͤndi- ger kuͤnfftiger Dinge. Es verrichtet alleine durch ſie alle Opffer; iedoch iſt dieſe Opfferung an kein gewiſſes Geſchlechte/ wie der Ceres Opffer zu Athen an des Eumolpus/ des Hercu- les zu Rom an des Pinarius Geſchlechte ange- bunden. Sie verehren keine Bilder; außer/ in ihrem innerſten Heiligthume ſtehet ein Bild einer gebaͤhrenden Jungfrauen; deſſen Ausle- gung aber von ihnen nicht zu erbitten iſt; außer: daß ſie einen zu der Perſiſchen Weiſen Ausle- gung
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Siebendes Buch
Heiligkeit geben ſie einen groſſen Schein durch
ihre oͤfftere Faſten/ durch den Genuͤß der bloſſen
Kraͤuter und Wurtzeln/ durch ihr hartes Lager
entweder auf Steinen/ oder rauen Haͤuten/
und durch Gelobung ewiger Keuſchheit; wie-
wol ſie unter ihnen gewiſſe Orden und Staf-
feln haben/ derer einer ſtrenger als der ander iſt;
derer fuͤrnehmſte die Samotheer/ und Sema-
neer ſind; welche letztern nichts als Baum-
Fruͤchte eſſen; alle aber ins geſamt entſchlagen
ſich der Ehe/ ob ſie ſchon anfangs in Britanni-
en geheyrathet hatten. Jedoch iſt keiner/ der
nicht ſeine Maͤnnligkeit hat/ faͤhig bey ihnen
einzukommen. Dahero ſie der alten Gallier/
und der Goͤttin Rhea Prieſter/ welche ſie ihnen
ausſchnitten/ und die Prieſter Dianens/ die ſie
zerqvetſchten/ ingleichen auch die Athenienſi-
ſchen/ welche die Geburts-Glieder durch Zie-
gerkraut ſchwaͤchten/ verhoͤnen; weil ſie aus
Mißtrauen ihre Begierden zu zaͤhmen der Na-
tur Gewalt anthaͤten. Der alten Barden Ge-
wonheit aber/ welche neun Tage fuͤr dem bevor-
ſtehenden Gottesdienſte ſich auch ihrer Ehwei-
ber enthielten/ hielten ſie fuͤr zu geringe Be-
meiſterung der Begierden; trachteten alſo die-
ſe mit ewiger Gelobung zu beſchaͤmen. Da-
mit auch ihr Ehloſer Stand nicht aus einer Ab-
ſcheu odeꝛ Gramſchafft gegen das Frauen-Zim-
mer/ wie bey denen Brachmanen in Jndien/
herzuruͤhren ſchiene/ lehren ſie: daß ſelbte ein
GOtt angenehmes Geſchlechte ſey/ und in ſich
viel Heiligkeit und Klugheit habe. Daher auf
der Druyden Veranlaſſung ſelbtes von denen
Deutſchen nicht allein zu Rathſchlaͤgen/ ſondern
auch zu Wahrſagungen/ inſonderheit fuͤr den
Schlachten/ gezogen wird; wie denn auch durch
ihr Zuſprechen nicht ſelten groſſe Schlachten
gewonnen; ja deßhalben von denen Herulen/
Polabern und Varinen an dem Codaniſchen
See-Buſem der Koͤnigin Syeba/ des groſſen
Anthyrius Gemahlin; von eben ſelbigen und
denen Sarmatern der Oraja des Heruliſchen
Fuͤrſten Anara Gemahlin/ und der Heldin Au-
rinia herrliche Ehren-Seulen aufgerichtet/
und/ wiewol nicht als Goͤttinnen/ verehret wor-
den. Fuͤrnehmlich erheben die Druyden die
Alironiſchen Weiber; welche ſich in weiße Lein-
wand kleiden/ mit ausgebreiteten Haaren und
baarfuͤßig gehen/ um den Leib einen groſſen
meſſenen Guͤrtel tragen; fuͤr den Schlachten
aus dem Geraͤuſche und Umdrehung des Waſ-
ſers kuͤnfftige Zufaͤlle andeuten; bey waͤhren-
dem Treffen auf denen uͤber die Wagen ausge-
ſpannten Ledern mit Kloͤppeln ein grauſames
Gethoͤne machen/ hernach denen Gefangenen
die Kehle abſchneiden/ ihr Blut in einen ertzte-
nen Keſſel auffangen/ und endlich aus ihren
Eingeweyden den Ausſchlag des Krieges weiſ-
ſagen; zuweilen auch Geiſter beſchweren/ und
ſelbte denen kuͤnfftiger Dinge begierigen Feld-
Oberſten erſcheinen und wahrſagen laſſen.
Sie pflegen auch in die Aſche/ ohne Beobach-
tung der Zahl/ Striche zu machen/ und hernach
aus der gleichbefundenen Zahl Gluͤcke/ aus der
ungleichen/ Ungluͤck anzudeuten. Sie ver-
miſchen auch kleine theils weiß gelaſſene/ theils
ſchwartzgezeichnete Hoͤltzer; ſtreuen ſelbte auffs
Altar/ oder in ihre Schoß/ und laſſen ſie entwe-
der einen Prieſter oder Knaben erkieſen
zur Nachricht kuͤnfftiger Begebnuͤße. Viel-
mehr aber gelten der Druyden ſelbſt eigene
Wahrſagungen. Denn dieſe haͤlt das Volck
fuͤr unzweiffelbare Ausleger des goͤttlichen Wil-
lens/ Befoͤrderer ihres Gebetes/ und Ankuͤndi-
ger kuͤnfftiger Dinge. Es verrichtet alleine
durch ſie alle Opffer; iedoch iſt dieſe Opfferung
an kein gewiſſes Geſchlechte/ wie der Ceres
Opffer zu Athen an des Eumolpus/ des Hercu-
les zu Rom an des Pinarius Geſchlechte ange-
bunden. Sie verehren keine Bilder; außer/
in ihrem innerſten Heiligthume ſtehet ein Bild
einer gebaͤhrenden Jungfrauen; deſſen Ausle-
gung aber von ihnen nicht zu erbitten iſt; außer:
daß ſie einen zu der Perſiſchen Weiſen Ausle-
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Zitationshilfe: | Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 972[974]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1036>, abgerufen am 17.06.2024. |