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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Siebendes Buch
[Spaltenumbruch] Gottund den Menschen gewisse Schutz-Gei-
ster; glauben auch: daß das Ende des Menschen
ein Anfang zu künfftiger Vergötterung sey.
Denen irrdischen Dingen/ ja selbst denen Ge-
stirnen eignen sie so wol einen Anfang als ein
Ende bey; weil künfftig sie vom Feuer und
Wasser würden verzehret werden/ wenn sie sechs
tausend Jahr gestanden. Sie halten darfür: daß
die göttliche Versehung niemanden verlasse/
wer nicht vorher GOtt verläst; und wie der
Mensch böses thue aus eigner Willkühr/ sonder
Zwang; also habe GOtt die Macht böses zu
hindern/ aber ohne Verbindligkeit. Sie schä-
tzen alle Seelen für verflucht/ welche nicht ih-
rem Glauben beypflichten/ und das Oel des Le-
bens aus dem Balsame ihrer Weißheit schöpf-
fen. Den auf den Eichen wachsenden Mispel
halten sie für die heiligste Pflantze der Welt/ für
ein Merckmahl eines von GOtt erwehlten
Baumes. Denn sie gläuben: daß der Mispel-
Saame nicht von den Drosseln kommen/ son-
dern vom Himmel gefallen sey; daß dieses Ge-
wächse alle Kranckheiten heile/ die Thiere
fruchtbar mache/ und dem Giffte wiederstehe;
sonderlich/ wenn selbtes im sechsten Monden/
da sie ihr Jahr anfangen/ gefunden wird. Sie
verrichten ohne dieses keinen Gottesdienst/ he-
gen auch kein Gerichte. Ob sie auch wol das
Urthel über des gantzen Volckes Leben in ihren
Händen haben/ Straffen und Belohnung
nach ihrem Gutdüncken aussetzen/ der Gerech-
tigkeit die Tauerung eines Reiches/ den Be-
straffungen der Todschläger die Fruchtbarkeit
des Erdbodens zurechnen; schätzen sie doch die
Ausschlüssung von ihrem Gottesdienste für ei-
ne viel ärgere Straffe/ als Galgen/ Strick/
Räder und Holtzstoß. Dahero sich ihrer/ als von
der Erde getragen zu werden unwürdiger Leu-
te/ derer Seele nichts minder als der Leib zum
Aaße/ und vom Feuer oder Wasser verzehret
werden soll/ iederman entbricht/ mit ihnen nicht
speiset noch redet/ ja sie nicht allein aller Ehren
[Spaltenumbruch] unfähig schäzt/ sondern ihnen auch nicht zu recht
verhilfft/ noch ehrlicher Beerdigung würdigt.
Sie maßen sich auch der Artzney oder vielmehr
Zauberey an; in dem sie das Samolische Kraut/
welches den Tamarisken ähnlich sieht/ nichtern/
mit der lincken Hand/ sich nicht umsehende auf-
lesen/ und wieder Kranckheiten des Viehes
austheilen; ein anders aber mit rein gewasche-
nen blossen Füssen in einem weißen Kleide mit
der rechten Hand ohne Schärffe des Eisens/
nach geopffertem Brod und Weine abbrechen/
und darmit vielen Kranckheiten helffen/ inson-
derheit aber mit einem Ey eines Apffels groß/
welches die im Sommer über einander liegen-
de Schlangen durch ihren Speichel und
Schaum fertigen/ ein Mann aber/ wenn sie es
mit ihrem Zischen empor blasen/ mit einem Tu-
che/ daß es die Erde nicht berühre/ auffangen/
und spornstreichs davon bringen; solches aber
so denn/ ob es schon in Gold eingefast wäre/
Strom-aufwerts schwimmen soll. Ferner
machen sie ein fünffeckichtes Zeichen/ um dar-
mit die Gespenster zu vertreiben. Uber diß le-
sen die Druyden bey Aufgehung des Hunds-
sterns zwischen Tag und Nacht/ wenn weder
Sonne noch Monde scheint/ wenn sie vorher
das Erdreich mit Honig/ welches auch die Rö-
mer ihren Bothschafften zu den Feinden mit
gaben/ benetzet/ und mit Stahle einen Kreiß
darum gemacht/ das Eisen-Kraut mit der lin-
cken Hand; heben es empor/ trocknen Wur-
tzel/ Stengel und Blätter iedes abgesondert am
Schatten; salben sich darmit ein/ und vermei-
nen alsdenn fähig zu seyn allerhand Verbünd-
nüße zu stifften/ alle Kranckheiten zu heilen;
weßwegen auch Jupiter darmit seine Zimmer
ausfegen lassen/ wo es herum gesprengt wird/
die Gäste lustig machen/ mit Weine aber ver-
mischt die Schlangen vertreiben soll.

Diß sind die Sitten der Druyden; von wel-
chen schier unglaublich ist/ in wie so weniger Zeit
sie in Gallien so feste eingewurtzelt sind; ent-

weder

Siebendes Buch
[Spaltenumbruch] Gottund den Menſchen gewiſſe Schutz-Gei-
ſter; glauben auch: daß das Ende des Menſchen
ein Anfang zu kuͤnfftiger Vergoͤtterung ſey.
Denen irrdiſchen Dingen/ ja ſelbſt denen Ge-
ſtirnen eignen ſie ſo wol einen Anfang als ein
Ende bey; weil kuͤnfftig ſie vom Feuer und
Waſſer wuͤrden verzehret werden/ weñ ſie ſechs
tauſend Jahr geſtanden. Sie halten darfuͤr: daß
die goͤttliche Verſehung niemanden verlaſſe/
wer nicht vorher GOtt verlaͤſt; und wie der
Menſch boͤſes thue aus eigner Willkuͤhr/ ſonder
Zwang; alſo habe GOtt die Macht boͤſes zu
hindern/ aber ohne Verbindligkeit. Sie ſchaͤ-
tzen alle Seelen fuͤr verflucht/ welche nicht ih-
rem Glauben beypflichten/ und das Oel des Le-
bens aus dem Balſame ihrer Weißheit ſchoͤpf-
fen. Den auf den Eichen wachſenden Miſpel
halten ſie fuͤr die heiligſte Pflantze der Welt/ fuͤr
ein Merckmahl eines von GOtt erwehlten
Baumes. Denn ſie glaͤuben: daß der Miſpel-
Saame nicht von den Droſſeln kommen/ ſon-
dern vom Himmel gefallen ſey; daß dieſes Ge-
waͤchſe alle Kranckheiten heile/ die Thiere
fruchtbar mache/ und dem Giffte wiederſtehe;
ſonderlich/ wenn ſelbtes im ſechſten Monden/
da ſie ihr Jahr anfangen/ gefunden wird. Sie
verrichten ohne dieſes keinen Gottesdienſt/ he-
gen auch kein Gerichte. Ob ſie auch wol das
Urthel uͤber des gantzen Volckes Leben in ihren
Haͤnden haben/ Straffen und Belohnung
nach ihrem Gutduͤncken ausſetzen/ der Gerech-
tigkeit die Tauerung eines Reiches/ den Be-
ſtraffungen der Todſchlaͤger die Fruchtbarkeit
des Erdbodens zurechnen; ſchaͤtzen ſie doch die
Ausſchluͤſſung von ihrem Gottesdienſte fuͤr ei-
ne viel aͤrgere Straffe/ als Galgen/ Strick/
Raͤder und Holtzſtoß. Dahero ſich ihrer/ als von
der Erde getragen zu werden unwuͤrdiger Leu-
te/ derer Seele nichts minder als der Leib zum
Aaße/ und vom Feuer oder Waſſer verzehret
werden ſoll/ iederman entbricht/ mit ihnen nicht
ſpeiſet noch redet/ ja ſie nicht allein aller Ehren
[Spaltenumbruch] unfaͤhig ſchaͤzt/ ſondeꝛn ihnen auch nicht zu recht
verhilfft/ noch ehrlicher Beerdigung wuͤrdigt.
Sie maßen ſich auch der Artzney oder vielmehr
Zauberey an; in dem ſie das Samoliſche Kraut/
welches den Tamarisken aͤhnlich ſieht/ nichtern/
mit der lincken Hand/ ſich nicht umſehende auf-
leſen/ und wieder Kranckheiten des Viehes
austheilen; ein anders aber mit rein gewaſche-
nen bloſſen Fuͤſſen in einem weißen Kleide mit
der rechten Hand ohne Schaͤrffe des Eiſens/
nach geopffertem Brod und Weine abbrechen/
und darmit vielen Kranckheiten helffen/ inſon-
derheit aber mit einem Ey eines Apffels groß/
welches die im Sommer uͤber einander liegen-
de Schlangen durch ihren Speichel und
Schaum fertigen/ ein Mann aber/ wenn ſie es
mit ihrem Ziſchen empor blaſen/ mit einem Tu-
che/ daß es die Erde nicht beruͤhre/ auffangen/
und ſpornſtreichs davon bringen; ſolches aber
ſo denn/ ob es ſchon in Gold eingefaſt waͤre/
Strom-aufwerts ſchwimmen ſoll. Ferner
machen ſie ein fuͤnffeckichtes Zeichen/ um dar-
mit die Geſpenſter zu vertreiben. Uber diß le-
ſen die Druyden bey Aufgehung des Hunds-
ſterns zwiſchen Tag und Nacht/ wenn weder
Sonne noch Monde ſcheint/ wenn ſie vorher
das Erdreich mit Honig/ welches auch die Roͤ-
mer ihren Bothſchafften zu den Feinden mit
gaben/ benetzet/ und mit Stahle einen Kreiß
darum gemacht/ das Eiſen-Kraut mit der lin-
cken Hand; heben es empor/ trocknen Wur-
tzel/ Stengel und Blaͤtter iedes abgeſondert am
Schatten; ſalben ſich darmit ein/ und vermei-
nen alsdenn faͤhig zu ſeyn allerhand Verbuͤnd-
nuͤße zu ſtifften/ alle Kranckheiten zu heilen;
weßwegen auch Jupiter darmit ſeine Zimmer
ausfegen laſſen/ wo es herum geſprengt wird/
die Gaͤſte luſtig machen/ mit Weine aber ver-
miſcht die Schlangen vertreiben ſoll.

Diß ſind die Sitten der Druyden; von wel-
chen ſchier unglaublich iſt/ in wie ſo weniger Zeit
ſie in Gallien ſo feſte eingewurtzelt ſind; ent-

weder
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[974[976]/1038] Siebendes Buch Gottund den Menſchen gewiſſe Schutz-Gei- ſter; glauben auch: daß das Ende des Menſchen ein Anfang zu kuͤnfftiger Vergoͤtterung ſey. Denen irrdiſchen Dingen/ ja ſelbſt denen Ge- ſtirnen eignen ſie ſo wol einen Anfang als ein Ende bey; weil kuͤnfftig ſie vom Feuer und Waſſer wuͤrden verzehret werden/ weñ ſie ſechs tauſend Jahr geſtanden. Sie halten darfuͤr: daß die goͤttliche Verſehung niemanden verlaſſe/ wer nicht vorher GOtt verlaͤſt; und wie der Menſch boͤſes thue aus eigner Willkuͤhr/ ſonder Zwang; alſo habe GOtt die Macht boͤſes zu hindern/ aber ohne Verbindligkeit. Sie ſchaͤ- tzen alle Seelen fuͤr verflucht/ welche nicht ih- rem Glauben beypflichten/ und das Oel des Le- bens aus dem Balſame ihrer Weißheit ſchoͤpf- fen. Den auf den Eichen wachſenden Miſpel halten ſie fuͤr die heiligſte Pflantze der Welt/ fuͤr ein Merckmahl eines von GOtt erwehlten Baumes. Denn ſie glaͤuben: daß der Miſpel- Saame nicht von den Droſſeln kommen/ ſon- dern vom Himmel gefallen ſey; daß dieſes Ge- waͤchſe alle Kranckheiten heile/ die Thiere fruchtbar mache/ und dem Giffte wiederſtehe; ſonderlich/ wenn ſelbtes im ſechſten Monden/ da ſie ihr Jahr anfangen/ gefunden wird. Sie verrichten ohne dieſes keinen Gottesdienſt/ he- gen auch kein Gerichte. Ob ſie auch wol das Urthel uͤber des gantzen Volckes Leben in ihren Haͤnden haben/ Straffen und Belohnung nach ihrem Gutduͤncken ausſetzen/ der Gerech- tigkeit die Tauerung eines Reiches/ den Be- ſtraffungen der Todſchlaͤger die Fruchtbarkeit des Erdbodens zurechnen; ſchaͤtzen ſie doch die Ausſchluͤſſung von ihrem Gottesdienſte fuͤr ei- ne viel aͤrgere Straffe/ als Galgen/ Strick/ Raͤder und Holtzſtoß. Dahero ſich ihrer/ als von der Erde getragen zu werden unwuͤrdiger Leu- te/ derer Seele nichts minder als der Leib zum Aaße/ und vom Feuer oder Waſſer verzehret werden ſoll/ iederman entbricht/ mit ihnen nicht ſpeiſet noch redet/ ja ſie nicht allein aller Ehren unfaͤhig ſchaͤzt/ ſondeꝛn ihnen auch nicht zu recht verhilfft/ noch ehrlicher Beerdigung wuͤrdigt. Sie maßen ſich auch der Artzney oder vielmehr Zauberey an; in dem ſie das Samoliſche Kraut/ welches den Tamarisken aͤhnlich ſieht/ nichtern/ mit der lincken Hand/ ſich nicht umſehende auf- leſen/ und wieder Kranckheiten des Viehes austheilen; ein anders aber mit rein gewaſche- nen bloſſen Fuͤſſen in einem weißen Kleide mit der rechten Hand ohne Schaͤrffe des Eiſens/ nach geopffertem Brod und Weine abbrechen/ und darmit vielen Kranckheiten helffen/ inſon- derheit aber mit einem Ey eines Apffels groß/ welches die im Sommer uͤber einander liegen- de Schlangen durch ihren Speichel und Schaum fertigen/ ein Mann aber/ wenn ſie es mit ihrem Ziſchen empor blaſen/ mit einem Tu- che/ daß es die Erde nicht beruͤhre/ auffangen/ und ſpornſtreichs davon bringen; ſolches aber ſo denn/ ob es ſchon in Gold eingefaſt waͤre/ Strom-aufwerts ſchwimmen ſoll. Ferner machen ſie ein fuͤnffeckichtes Zeichen/ um dar- mit die Geſpenſter zu vertreiben. Uber diß le- ſen die Druyden bey Aufgehung des Hunds- ſterns zwiſchen Tag und Nacht/ wenn weder Sonne noch Monde ſcheint/ wenn ſie vorher das Erdreich mit Honig/ welches auch die Roͤ- mer ihren Bothſchafften zu den Feinden mit gaben/ benetzet/ und mit Stahle einen Kreiß darum gemacht/ das Eiſen-Kraut mit der lin- cken Hand; heben es empor/ trocknen Wur- tzel/ Stengel und Blaͤtter iedes abgeſondert am Schatten; ſalben ſich darmit ein/ und vermei- nen alsdenn faͤhig zu ſeyn allerhand Verbuͤnd- nuͤße zu ſtifften/ alle Kranckheiten zu heilen; weßwegen auch Jupiter darmit ſeine Zimmer ausfegen laſſen/ wo es herum geſprengt wird/ die Gaͤſte luſtig machen/ mit Weine aber ver- miſcht die Schlangen vertreiben ſoll. Diß ſind die Sitten der Druyden; von wel- chen ſchier unglaublich iſt/ in wie ſo weniger Zeit ſie in Gallien ſo feſte eingewurtzelt ſind; ent- weder

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 974[976]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1038>, abgerufen am 23.11.2024.