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Lohenstein, Daniel Casper von: Agrippina. Breslau, 1665.

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Der Schauplatz verändert sich in der
Agrippinen Schlaffgemach.
Agrippina. Octavia.
Agrip. Mein Kind Octavie komm't heut' uns zu begrüs-
sen?
Uns? Die wir gleichsam hier im Kercker leben müssen.
285.Und kömm't der Käyserin noch mein Gedächtnüs ein;
Da wir bey aller Welt mehr als vergessen seyn?
Kein Freund betritt die Schwell'/ und Niemand klopff't
die Thüren;
Da unlängst ihren Staub und Schatten zu berühren
Rom höchstes Glücke pries. Jtzt fleucht man unser Hauß
290.Gleich/ als wenn für der Pest ein Zeichen hieng' heraus.
So spiel't Gelück und Zeit/ die steter Wechsel treibet.
Wo ein gestrandet Mast/ der Sandbanck Zeugnüs blei-
bet/
Wil Niemand segeln an. Und sie/ mein Kind/ komm't hin/
Wo ich Gefällte selbst des Schiffbruchs Merckmal bin.
295.Octav. Frau Mutter/ ja ich komm/ ob man gleich Schäl-
sucht fasset
Auff den/ der nicht verfolg't die/ die der Käyser hasset;
Und ob man reine Gunst itzt gleich zu Lastern mach't.
Ein unbesegelt Schiff nimmt keine Schnur in acht/
Es lauff't/ wie hier der Wind und dort der Strom es ja-
get.
800.Die iedes Wetter trifft/ und alles Unglück plaget/
Schätz't Strudel/ Klipp/ und Schlund für ein nicht frem-
des Meer/
Und Schiffbruch für den Port. Zwar treib't mich auch
hieher
Jn dieses Einsam-seyn mein eigenes Vergnügen.
Agrip. Verlang't mein liebstes Kind Vergnügung hier zu
kriegen.
305.Wo tausendfach Verdruß das Leben uns vergäll't/
Wo Angst den Sammel-Platz und Noth die Renn-Bahn
hällt?
Octav.
Der Schauplatz veraͤndert ſich in der
Agrippinen Schlaffgemach.
Agrippina. Octavia.
Agrip. Mein Kind Octavie komm’t heut’ uns zu begruͤſ-
ſen?
Uns? Die wir gleichſam hier im Kercker leben muͤſſen.
285.Und koͤmm’t der Kaͤyſerin noch mein Gedaͤchtnuͤs ein;
Da wir bey aller Welt mehr als vergeſſen ſeyn?
Kein Freund betritt die Schwell’/ und Niemand klopff’t
die Thuͤren;
Da unlaͤngſt ihren Staub und Schatten zu beruͤhren
Rom hoͤchſtes Gluͤcke pries. Jtzt fleucht man unſer Hauß
290.Gleich/ als wenn fuͤr der Peſt ein Zeichen hieng’ heraus.
So ſpiel’t Geluͤck und Zeit/ die ſteter Wechſel treibet.
Wo ein geſtrandet Maſt/ der Sandbanck Zeugnuͤs blei-
bet/
Wil Niemand ſegeln an. Und ſie/ mein Kind/ komm’t hin/
Wo ich Gefaͤllte ſelbſt des Schiffbruchs Merckmal bin.
295.Octav. Frau Mutter/ ja ich komm/ ob man gleich Schaͤl-
ſucht faſſet
Auff den/ der nicht verfolg’t die/ die der Kaͤyſer haſſet;
Und ob man reine Gunſt itzt gleich zu Laſtern mach’t.
Ein unbeſegelt Schiff nimmt keine Schnur in acht/
Es lauff’t/ wie hier der Wind und dort der Strom es ja-
get.
800.Die iedes Wetter trifft/ und alles Ungluͤck plaget/
Schaͤtz’t Strudel/ Klipp/ und Schlund fuͤr ein nicht frem-
des Meer/
Und Schiffbruch fuͤr den Port. Zwar treib’t mich auch
hieher
Jn dieſes Einſam-ſeyn mein eigenes Vergnuͤgen.
Agrip. Verlang’t mein liebſtes Kind Vergnuͤgung hier zu
kriegen.
305.Wo tauſendfach Verdruß das Leben uns vergaͤll’t/
Wo Angſt den Sammel-Platz und Noth die Renn-Bahn
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Octav.
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[11./0029] Der Schauplatz veraͤndert ſich in der Agrippinen Schlaffgemach. Agrippina. Octavia. Agrip. Mein Kind Octavie komm’t heut’ uns zu begruͤſ- ſen? Uns? Die wir gleichſam hier im Kercker leben muͤſſen. Und koͤmm’t der Kaͤyſerin noch mein Gedaͤchtnuͤs ein; Da wir bey aller Welt mehr als vergeſſen ſeyn? Kein Freund betritt die Schwell’/ und Niemand klopff’t die Thuͤren; Da unlaͤngſt ihren Staub und Schatten zu beruͤhren Rom hoͤchſtes Gluͤcke pries. Jtzt fleucht man unſer Hauß Gleich/ als wenn fuͤr der Peſt ein Zeichen hieng’ heraus. So ſpiel’t Geluͤck und Zeit/ die ſteter Wechſel treibet. Wo ein geſtrandet Maſt/ der Sandbanck Zeugnuͤs blei- bet/ Wil Niemand ſegeln an. Und ſie/ mein Kind/ komm’t hin/ Wo ich Gefaͤllte ſelbſt des Schiffbruchs Merckmal bin. Octav. Frau Mutter/ ja ich komm/ ob man gleich Schaͤl- ſucht faſſet Auff den/ der nicht verfolg’t die/ die der Kaͤyſer haſſet; Und ob man reine Gunſt itzt gleich zu Laſtern mach’t. Ein unbeſegelt Schiff nimmt keine Schnur in acht/ Es lauff’t/ wie hier der Wind und dort der Strom es ja- get. Die iedes Wetter trifft/ und alles Ungluͤck plaget/ Schaͤtz’t Strudel/ Klipp/ und Schlund fuͤr ein nicht frem- des Meer/ Und Schiffbruch fuͤr den Port. Zwar treib’t mich auch hieher Jn dieſes Einſam-ſeyn mein eigenes Vergnuͤgen. Agrip. Verlang’t mein liebſtes Kind Vergnuͤgung hier zu kriegen. Wo tauſendfach Verdruß das Leben uns vergaͤll’t/ Wo Angſt den Sammel-Platz und Noth die Renn-Bahn haͤllt? Octav.

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Agrippina. Breslau, 1665, S. 11.. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_agrippina_1665/29>, abgerufen am 28.03.2024.