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Lohenstein, Daniel Casper von: Agrippina. Breslau, 1665.

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Nicht außer der Geburth enttzwey:
Weil ich von dir dis auch nun sterbend leide/
Seh' ich: Daß Nero mehr als Schlang' und Natter sey.
Mein Adern Kwall hat nie kein Blutt gezeug't/
410.Das nicht mit Milche theils dein Leben
Jn zarter Kindheit hat gesäug't/
Theils hat es Farbe dir zum Purper abgegeben.
Doch endlich must's ein süsser Kühlungs-Wein
Der Ehrensucht/ der Rache Labsal seyn.
415.Kein Geyer speißt sich nicht mit Geyers Blutte;
Du aber saugft's der Mutter aus.
Doch hiel't ich dir dis alles noch zu gutte/
Ob schon mein Leib ist worden Asch' und Graus.
Da doch tedweder Wurm/ die schwache Schnecke sich
420.Die sich nur: Daß sie nicht verfaulen soll/ beweget/
Die Waffen bey Gefahr in ihrer Schale reget/
Und auf den/ der sie neck't/ versuchet Rach und Stich:
Holtz knack't und spring't/ wenn es die Flammen fressen.
Allein ein großer Geist
425.Wird denn erst hoch gepreist/
Jm Fall er Rach' und Unrecht kan vergessen.
Dis/ sag' ich/ solt' auch mit des Leibes Aschen
Verbrenn't/ vertilg't/ verstäub't seyn/ abgethan/
Weil aber du mir Ehr und Ruhm greifst an/
430.Sol Lethe selbst mein Bluttmahl nicht abwaschen.
Du Mörder/ schwärtz'st mit diesem Laster mich/
Jch hette Meuchel-Mord gestiftet selbst auf dich!
Brich Abgrund auf! Verschling die Mißgeburth der Er-
den/
Ein gutter Ruhm ist's Kleinod dieser Welt/
435.Ein Heyligthumb/ das man für Göttlich hält/
So muß es ja versöhn't mit Blutt und Opfern werden.
Der Hund in deinem Hertzen/ bill't/
Dein Hencker schmeltz't schon Pech zu deinen Bränden/
Verläumbdung kan der Unschuld Schild
440.Zwar wol erschell'n/ des Richters Auge bländen:
Alleine die Gewissens Pein
Muß endlich doch ihr Hencker seyn.
Ja!
G
Nicht außer der Geburth enttzwey:
Weil ich von dir dis auch nun ſterbend leide/
Seh’ ich: Daß Nero mehr als Schlang’ und Natter ſey.
Mein Adern Kwall hat nie kein Blutt gezeug’t/
410.Das nicht mit Milche theils dein Leben
Jn zarter Kindheit hat geſaͤug’t/
Theils hat es Farbe dir zum Purper abgegeben.
Doch endlich muſt’s ein ſuͤſſer Kuͤhlungs-Wein
Der Ehrenſucht/ der Rache Labſal ſeyn.
415.Kein Geyer ſpeißt ſich nicht mit Geyers Blutte;
Du aber ſaugft’s der Mutter aus.
Doch hiel’t ich dir dis alles noch zu gutte/
Ob ſchon mein Leib iſt worden Aſch’ und Graus.
Da doch tedweder Wurm/ die ſchwache Schnecke ſich
420.Die ſich nur: Daß ſie nicht verfaulen ſoll/ beweget/
Die Waffen bey Gefahr in ihrer Schale reget/
Und auf den/ der ſie neck’t/ verſuchet Rach und Stich:
Holtz knack’t und ſpring’t/ wenn es die Flammen freſſen.
Allein ein großer Geiſt
425.Wird denn erſt hoch gepreiſt/
Jm Fall er Rach’ und Unrecht kan vergeſſen.
Dis/ ſag’ ich/ ſolt’ auch mit des Leibes Aſchen
Verbrenn’t/ vertilg’t/ verſtaͤub’t ſeyn/ abgethan/
Weil aber du mir Ehr und Ruhm greifſt an/
430.Sol Lethe ſelbſt mein Bluttmahl nicht abwaſchen.
Du Moͤrder/ ſchwaͤrtz’ſt mit dieſem Laſter mich/
Jch hette Meuchel-Mord geſtiftet ſelbſt auf dich!
Brich Abgrund auf! Verſchling die Mißgeburth der Er-
den/
Ein gutter Ruhm iſt’s Kleinod dieſer Welt/
435.Ein Heyligthumb/ das man fuͤr Goͤttlich haͤlt/
So muß es ja verſoͤhn’t mit Blutt und Opfern werden.
Der Hund in deinem Hertzen/ bill’t/
Dein Hencker ſchmeltz’t ſchon Pech zu deinen Braͤnden/
Verlaͤumbdung kan der Unſchuld Schild
440.Zwar wol erſchell’n/ des Richters Auge blaͤnden:
Alleine die Gewiſſens Pein
Muß endlich doch ihr Hencker ſeyn.
Ja!
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[97./0115] Nicht außer der Geburth enttzwey: Weil ich von dir dis auch nun ſterbend leide/ Seh’ ich: Daß Nero mehr als Schlang’ und Natter ſey. Mein Adern Kwall hat nie kein Blutt gezeug’t/ Das nicht mit Milche theils dein Leben Jn zarter Kindheit hat geſaͤug’t/ Theils hat es Farbe dir zum Purper abgegeben. Doch endlich muſt’s ein ſuͤſſer Kuͤhlungs-Wein Der Ehrenſucht/ der Rache Labſal ſeyn. Kein Geyer ſpeißt ſich nicht mit Geyers Blutte; Du aber ſaugft’s der Mutter aus. Doch hiel’t ich dir dis alles noch zu gutte/ Ob ſchon mein Leib iſt worden Aſch’ und Graus. Da doch tedweder Wurm/ die ſchwache Schnecke ſich Die ſich nur: Daß ſie nicht verfaulen ſoll/ beweget/ Die Waffen bey Gefahr in ihrer Schale reget/ Und auf den/ der ſie neck’t/ verſuchet Rach und Stich: Holtz knack’t und ſpring’t/ wenn es die Flammen freſſen. Allein ein großer Geiſt Wird denn erſt hoch gepreiſt/ Jm Fall er Rach’ und Unrecht kan vergeſſen. Dis/ ſag’ ich/ ſolt’ auch mit des Leibes Aſchen Verbrenn’t/ vertilg’t/ verſtaͤub’t ſeyn/ abgethan/ Weil aber du mir Ehr und Ruhm greifſt an/ Sol Lethe ſelbſt mein Bluttmahl nicht abwaſchen. Du Moͤrder/ ſchwaͤrtz’ſt mit dieſem Laſter mich/ Jch hette Meuchel-Mord geſtiftet ſelbſt auf dich! Brich Abgrund auf! Verſchling die Mißgeburth der Er- den/ Ein gutter Ruhm iſt’s Kleinod dieſer Welt/ Ein Heyligthumb/ das man fuͤr Goͤttlich haͤlt/ So muß es ja verſoͤhn’t mit Blutt und Opfern werden. Der Hund in deinem Hertzen/ bill’t/ Dein Hencker ſchmeltz’t ſchon Pech zu deinen Braͤnden/ Verlaͤumbdung kan der Unſchuld Schild Zwar wol erſchell’n/ des Richters Auge blaͤnden: Alleine die Gewiſſens Pein Muß endlich doch ihr Hencker ſeyn. Ja! G

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Agrippina. Breslau, 1665, S. 97.. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_agrippina_1665/115>, abgerufen am 04.05.2024.