Lohenstein, Daniel Casper von: Agrippina. Breslau, 1665.
Für der Enteiserung der Sterbligkeit nicht grauen. Viel besser einmal fall'n/ als sich stets gleitend schauen. Die Angst/ die Sterbens-Furcht ist herber als der Tod. Er ist der Menschen Sold und der Natur Geboth. 105.Hilf Himmel! hör' ich nicht das Vorgemach durchbre- chen? Mein Hertze scheinet selbst den Halß mir abzusprechen. Die Mordschaar nähert sich dem Zimmer mit Gewalt. Wach't Niemand nicht umb uns/ der Lohn und Unterhalt Von Agrippinen krig't? Wo sind die Deutschen Schaaren 110.Die Agrippinens Leib zu schützen mühsamm waren/ Als uns das Glücke schien? Verrücktes Spiel der Zeit! Mein vor belibt Gemach wird itzt zur Einsamkeit Und öeder Wüsteney. Lernt nun: Wie schwanckend sitzen Die/ derer Armen sich auf frembden Achseln stützen. 115.Und du verlässest mich in meinem Elend' auch/ Untreue Sosie? Es ist der Heuchler Brauch: Daß sie bey Unglücks-Hitz' als Mertzen-Schnee verge- hen. Sosia. Man weich't den Bäumen aus die auf dem Falle ste- hen. Agrip. Untreue! Flüchte dich! Oft wird des Rehes Flucht 120.Zum Netze/ wenn es sich gar wol zu retten such't. Agrippina. Anicetus. Herculeus. Oloaritus. Anic. Hier lig't die Käyserin. Agrip. Ja/ sucht ihr Agrip- pinen? Jm Fall du/ wie's ihr geh't zu forschen bist erschienen/ So melde: Daß sie leb't. Hastu was böses für; So bild' ich mir nicht ein: Daß unser Nero dir 125.Die Unthat hat befohl'n. Anic. Der Außgang wird ent- decken/ Wiweit sich unsre Macht/ des Käysers heisch erstrecken. Agrip. Jst's gläublich: Daß ein Wurm die Mutter töd- ten kan? Anic.
Fuͤr der Enteiſerung der Sterbligkeit nicht grauen. Viel beſſer einmal fall’n/ als ſich ſtets gleitend ſchauen. Die Angſt/ die Sterbens-Furcht iſt herber als der Tod. Er iſt der Menſchen Sold und der Natur Geboth. 105.Hilf Himmel! hoͤr’ ich nicht das Vorgemach durchbre- chen? Mein Hertze ſcheinet ſelbſt den Halß mir abzuſprechen. Die Mordſchaar naͤhert ſich dem Zimmer mit Gewalt. Wach’t Niemand nicht umb uns/ der Lohn und Unterhalt Von Agrippinen krig’t? Wo ſind die Deutſchen Schaaren 110.Die Agrippinens Leib zu ſchuͤtzen muͤhſam̃ waren/ Als uns das Gluͤcke ſchien? Verruͤcktes Spiel der Zeit! Mein vor belibt Gemach wird itzt zur Einſamkeit Und oͤeder Wuͤſteney. Lernt nun: Wie ſchwanckend ſitzen Die/ derer Armen ſich auf frembden Achſeln ſtuͤtzen. 115.Und du verlaͤſſeſt mich in meinem Elend’ auch/ Untreue Soſie? Es iſt der Heuchler Brauch: Daß ſie bey Ungluͤcks-Hitz’ als Mertzen-Schnee verge- hen. Soſia. Man weich’t den Baͤumen aus die auf dem Falle ſte- hen. Agrip. Untreue! Fluͤchte dich! Oft wird des Rehes Flucht 120.Zum Netze/ wenn es ſich gar wol zu retten ſuch’t. Agrippina. Anicetus. Herculeus. Oloaritus. Anic. Hier lig’t die Kaͤyſerin. Agrip. Ja/ ſucht ihr Agrip- pinen? Jm Fall du/ wie’s ihr geh’t zu forſchen biſt erſchienen/ So melde: Daß ſie leb’t. Haſtu was boͤſes fuͤr; So bild’ ich mir nicht ein: Daß unſer Nero dir 125.Die Unthat hat befohl’n. Anic. Der Außgang wird ent- decken/ Wiweit ſich unſre Macht/ des Kaͤyſers heiſch erſtrecken. Agrip. Jſt’s glaͤublich: Daß ein Wurm die Mutter toͤd- ten kan? Anic.
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Fuͤr der Enteiſerung der Sterbligkeit nicht grauen.
Viel beſſer einmal fall’n/ als ſich ſtets gleitend ſchauen.
Die Angſt/ die Sterbens-Furcht iſt herber als der Tod.
Er iſt der Menſchen Sold und der Natur Geboth.
Hilf Himmel! hoͤr’ ich nicht das Vorgemach durchbre-
chen?
Mein Hertze ſcheinet ſelbſt den Halß mir abzuſprechen.
Die Mordſchaar naͤhert ſich dem Zimmer mit Gewalt.
Wach’t Niemand nicht umb uns/ der Lohn und Unterhalt
Von Agrippinen krig’t? Wo ſind die Deutſchen Schaaren
Die Agrippinens Leib zu ſchuͤtzen muͤhſam̃ waren/
Als uns das Gluͤcke ſchien? Verruͤcktes Spiel der Zeit!
Mein vor belibt Gemach wird itzt zur Einſamkeit
Und oͤeder Wuͤſteney. Lernt nun: Wie ſchwanckend ſitzen
Die/ derer Armen ſich auf frembden Achſeln ſtuͤtzen.
Und du verlaͤſſeſt mich in meinem Elend’ auch/
Untreue Soſie? Es iſt der Heuchler Brauch:
Daß ſie bey Ungluͤcks-Hitz’ als Mertzen-Schnee verge-
hen.
Soſia. Man weich’t den Baͤumen aus die auf dem Falle ſte-
hen.
Agrip. Untreue! Fluͤchte dich! Oft wird des Rehes Flucht
Zum Netze/ wenn es ſich gar wol zu retten ſuch’t.
Agrippina. Anicetus. Herculeus.
Oloaritus.
Anic. Hier lig’t die Kaͤyſerin. Agrip. Ja/ ſucht ihr Agrip-
pinen?
Jm Fall du/ wie’s ihr geh’t zu forſchen biſt erſchienen/
So melde: Daß ſie leb’t. Haſtu was boͤſes fuͤr;
So bild’ ich mir nicht ein: Daß unſer Nero dir
Die Unthat hat befohl’n. Anic. Der Außgang wird ent-
decken/
Wiweit ſich unſre Macht/ des Kaͤyſers heiſch erſtrecken.
Agrip. Jſt’s glaͤublich: Daß ein Wurm die Mutter toͤd-
ten kan?
Anic.
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Zitationshilfe: | Lohenstein, Daniel Casper von: Agrippina. Breslau, 1665, S. 86.. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_agrippina_1665/104>, abgerufen am 29.07.2024. |