Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 3. Stuttgart, 1836.Beschreibung und Gebrauch der astronom. Instrumente. existiren, ohne Zweifel nur sehr schwach, und sie können daherleicht verkannt und von einer zu lebhaften Phantasie überschätzt werden: aber dieß kann kein Grund seyn, sie, wie Manche gethan haben, ohne alle weitere Untersuchung zu verwerfen. Wir sind noch so weit entfernt, alle Agentien der Natur zu kennen, daß es durchaus nicht gebilliget werden kann, die Existenz solcher Er- scheinungen bloß aus der Ursache zu läugnen, weil sie uns, bei dem gegenwärtigen Zustande unserer Kenntnisse, noch unerklärbar oder unglaublich erscheinen. Auch hier wird man es sich daher, nach jenem goldenen Wahlspruche, angelegen seyn lassen, alles zu prüfen und das Beste zu behalten. Wie vieles ist in unseren Tagen als eine ausgemachte Wahrheit selbst bis zu dem ge- meinsten Manne vorgedrungen, was in der Vorzeit als Thorheit verlacht oder als Irrthum verfolgt worden ist. Man denke nur an unsere ehemaligen Astrologen, Zauberer, Traumdeuter, an un- sere dämoniakischen Personen und an die schändlichen Hexenpro- zesse, denen so viele Unschuldige zum Opfer gebracht wurden. Der Mensch ist halb Geist, halb Körper, wie der Polyp halb Pflanze und halb Thier -- und an den Gränzen liegen immer die sonderbarsten Geschöpfe. Durch diese Sonderbarkeit selbst wird schon das Interesse der Untersuchung vermehrt, wenn sie auch nicht sonst schon so innig mit unserem eigenen Wohl und Wehe verbunden wäre. Was ist kläglicher, als ein von Vorurthei- len befangener Geist, den Visionen und Träume fesseln, der im- mer fürchtet und keinen Augenblick sich seines Daseyns rein er- freuen kann. Und, welches Mittel gibt es gegen dieses Unglück, als Bildung und Aufklärung und eine wahre Erkenntniß der Na- tur und unserer eigenen Bestimmung? -- Nur mit Schauder kann man an die vielen und traurigen Verirrungen denken, welchen sich nicht bloß der Einzelne, sondern sogar ganze Völkerschaften durch mehrere Jahrhunderte ohne Anstand und mit einer Hart- näckigkeit hingegeben haben, die weder die Vernunft, noch die Erfahrung, noch das Unglück selbst in seiner häßlichsten Gestalt zu besiegen vermochten. Diese Vorurtheile verbitterten ihr Leben, hielten sie in beständiger Besorgniß, verfolgten sie bis in ihre Träume -- aber alles dieß vermochte nichts über das arme Men- schengeschlecht, das sich allen Qualen der Einbildungskraft willig Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente. exiſtiren, ohne Zweifel nur ſehr ſchwach, und ſie können daherleicht verkannt und von einer zu lebhaften Phantaſie überſchätzt werden: aber dieß kann kein Grund ſeyn, ſie, wie Manche gethan haben, ohne alle weitere Unterſuchung zu verwerfen. Wir ſind noch ſo weit entfernt, alle Agentien der Natur zu kennen, daß es durchaus nicht gebilliget werden kann, die Exiſtenz ſolcher Er- ſcheinungen bloß aus der Urſache zu läugnen, weil ſie uns, bei dem gegenwärtigen Zuſtande unſerer Kenntniſſe, noch unerklärbar oder unglaublich erſcheinen. Auch hier wird man es ſich daher, nach jenem goldenen Wahlſpruche, angelegen ſeyn laſſen, alles zu prüfen und das Beſte zu behalten. Wie vieles iſt in unſeren Tagen als eine ausgemachte Wahrheit ſelbſt bis zu dem ge- meinſten Manne vorgedrungen, was in der Vorzeit als Thorheit verlacht oder als Irrthum verfolgt worden iſt. Man denke nur an unſere ehemaligen Aſtrologen, Zauberer, Traumdeuter, an un- ſere dämoniakiſchen Perſonen und an die ſchändlichen Hexenpro- zeſſe, denen ſo viele Unſchuldige zum Opfer gebracht wurden. Der Menſch iſt halb Geiſt, halb Körper, wie der Polyp halb Pflanze und halb Thier — und an den Gränzen liegen immer die ſonderbarſten Geſchöpfe. Durch dieſe Sonderbarkeit ſelbſt wird ſchon das Intereſſe der Unterſuchung vermehrt, wenn ſie auch nicht ſonſt ſchon ſo innig mit unſerem eigenen Wohl und Wehe verbunden wäre. Was iſt kläglicher, als ein von Vorurthei- len befangener Geiſt, den Viſionen und Träume feſſeln, der im- mer fürchtet und keinen Augenblick ſich ſeines Daſeyns rein er- freuen kann. Und, welches Mittel gibt es gegen dieſes Unglück, als Bildung und Aufklärung und eine wahre Erkenntniß der Na- tur und unſerer eigenen Beſtimmung? — Nur mit Schauder kann man an die vielen und traurigen Verirrungen denken, welchen ſich nicht bloß der Einzelne, ſondern ſogar ganze Völkerſchaften durch mehrere Jahrhunderte ohne Anſtand und mit einer Hart- näckigkeit hingegeben haben, die weder die Vernunft, noch die Erfahrung, noch das Unglück ſelbſt in ſeiner häßlichſten Geſtalt zu beſiegen vermochten. Dieſe Vorurtheile verbitterten ihr Leben, hielten ſie in beſtändiger Beſorgniß, verfolgten ſie bis in ihre Träume — aber alles dieß vermochte nichts über das arme Men- ſchengeſchlecht, das ſich allen Qualen der Einbildungskraft willig <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0432" n="420"/><fw place="top" type="header">Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. 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Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.
exiſtiren, ohne Zweifel nur ſehr ſchwach, und ſie können daher
leicht verkannt und von einer zu lebhaften Phantaſie überſchätzt
werden: aber dieß kann kein Grund ſeyn, ſie, wie Manche gethan
haben, ohne alle weitere Unterſuchung zu verwerfen. Wir ſind
noch ſo weit entfernt, alle Agentien der Natur zu kennen, daß
es durchaus nicht gebilliget werden kann, die Exiſtenz ſolcher Er-
ſcheinungen bloß aus der Urſache zu läugnen, weil ſie uns, bei
dem gegenwärtigen Zuſtande unſerer Kenntniſſe, noch unerklärbar
oder unglaublich erſcheinen. Auch hier wird man es ſich daher,
nach jenem goldenen Wahlſpruche, angelegen ſeyn laſſen, alles zu
prüfen und das Beſte zu behalten. Wie vieles iſt in unſeren
Tagen als eine ausgemachte Wahrheit ſelbſt bis zu dem ge-
meinſten Manne vorgedrungen, was in der Vorzeit als Thorheit
verlacht oder als Irrthum verfolgt worden iſt. Man denke nur
an unſere ehemaligen Aſtrologen, Zauberer, Traumdeuter, an un-
ſere dämoniakiſchen Perſonen und an die ſchändlichen Hexenpro-
zeſſe, denen ſo viele Unſchuldige zum Opfer gebracht wurden.
Der Menſch iſt halb Geiſt, halb Körper, wie der Polyp halb
Pflanze und halb Thier — und an den Gränzen liegen immer
die ſonderbarſten Geſchöpfe. Durch dieſe Sonderbarkeit ſelbſt
wird ſchon das Intereſſe der Unterſuchung vermehrt, wenn ſie
auch nicht ſonſt ſchon ſo innig mit unſerem eigenen Wohl und
Wehe verbunden wäre. Was iſt kläglicher, als ein von Vorurthei-
len befangener Geiſt, den Viſionen und Träume feſſeln, der im-
mer fürchtet und keinen Augenblick ſich ſeines Daſeyns rein er-
freuen kann. Und, welches Mittel gibt es gegen dieſes Unglück,
als Bildung und Aufklärung und eine wahre Erkenntniß der Na-
tur und unſerer eigenen Beſtimmung? — Nur mit Schauder kann
man an die vielen und traurigen Verirrungen denken, welchen
ſich nicht bloß der Einzelne, ſondern ſogar ganze Völkerſchaften
durch mehrere Jahrhunderte ohne Anſtand und mit einer Hart-
näckigkeit hingegeben haben, die weder die Vernunft, noch die
Erfahrung, noch das Unglück ſelbſt in ſeiner häßlichſten Geſtalt zu
beſiegen vermochten. Dieſe Vorurtheile verbitterten ihr Leben,
hielten ſie in beſtändiger Beſorgniß, verfolgten ſie bis in ihre
Träume — aber alles dieß vermochte nichts über das arme Men-
ſchengeſchlecht, das ſich allen Qualen der Einbildungskraft willig
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