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Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 3. Stuttgart, 1836.

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Beschreibung und Gebrauch der astronom. Instrumente.
wie beneidenswerth müßten uns unsere Enkel erscheinen, wenn sie
einmal dahin gelangen sollten, die Erscheinungen und Gesetze die-
ses inneren Organismus zu erkennen und auf ihn die Kraft der
Analyse und unsere Wahrscheinlichkeitsrechnung ebenso anzuwenden,
wie wir sie bisher, nach Newtons Beispiel und Anleitung, auf
die Erscheinungen der Außenwelt, auf die Gesetze der Bewegungen
der Himmelskörper angewendet haben.

Allein so wie die Astronomie, so lange sie in den Händen der
griechischen Philosophen war, die nur raisonniren, aber nicht beob-
achten wollten, unfruchtbar blieb, so lange wird auch diese hö-
here Physiologie, oder die eigentliche Psychologie des Menschen, in
ihrer bisherigen Nacht verborgen bleiben, bis man eine hinlängliche
Masse guter Beobachtungen und Erfahrungen über diesen Gegenstand
gesammelt haben wird. Noch fehlt es uns beinahe gänzlich an
denselben, und selbst die Instrumente, mit welchen man diese
Beobachtungen anstellen soll, sind uns größtentheils noch unbe-
kannt. Die Erscheinungen, um die es sich hier handelt, werden
überdieß zu den gewöhnlichen und alltäglichen gezählt und entge-
hen eben dadurch unserer Aufmerksamkeit, obschon sie derselben
in dem höchsten Grade würdig sind, da wir nur durch sie zu
einer nähern Kenntniß unserer selbst kommen können. So lange
wir bei irgend einer Untersuchung der Natur, der äußeren sowohl als
auch der inneren, nicht messen und wägen können, so lange kön-
nen wir auch nicht rechnen, und wo Rechnung fehlt, fehlt das Beste,
wo nicht Alles. Vielleicht ist das beste Mittel, diese Messun-
gen vorzunehmen, in uns selbst verborgen und wir haben bisher
nur nicht Geschicklichkeit genug gehabt, es gehörig anzuwenden.
Die thierischen Nerven sind vielleicht die feinsten Instrumente, die
man zur Beobachtung der Natur gebrauchen kann, besonders wenn
sie durch irgend einen Zufall in den Stand einer höheren Reiz-
barkeit versetzt werden. Durch sie hat man die äußerst schwache
Electricität entdeckt, welche durch die Berührung zweier heterogenen
Metalle erregt wird, und sie sind es auch, die uns jene sonderbaren
Erscheinungen kennen gelehrt haben, die wir, so wenig wir auch
noch von ihnen wissen, dem thierischen Magnetismus und dem Ein-
flusse der Sonne und des Mondes auf verschiedene Krankheiten zu-
schreiben. Diese Wirkungen sind, wenn sie anders in der That

27 *

Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.
wie beneidenswerth müßten uns unſere Enkel erſcheinen, wenn ſie
einmal dahin gelangen ſollten, die Erſcheinungen und Geſetze die-
ſes inneren Organismus zu erkennen und auf ihn die Kraft der
Analyſe und unſere Wahrſcheinlichkeitsrechnung ebenſo anzuwenden,
wie wir ſie bisher, nach Newtons Beiſpiel und Anleitung, auf
die Erſcheinungen der Außenwelt, auf die Geſetze der Bewegungen
der Himmelskörper angewendet haben.

Allein ſo wie die Aſtronomie, ſo lange ſie in den Händen der
griechiſchen Philoſophen war, die nur raiſonniren, aber nicht beob-
achten wollten, unfruchtbar blieb, ſo lange wird auch dieſe hö-
here Phyſiologie, oder die eigentliche Pſychologie des Menſchen, in
ihrer bisherigen Nacht verborgen bleiben, bis man eine hinlängliche
Maſſe guter Beobachtungen und Erfahrungen über dieſen Gegenſtand
geſammelt haben wird. Noch fehlt es uns beinahe gänzlich an
denſelben, und ſelbſt die Inſtrumente, mit welchen man dieſe
Beobachtungen anſtellen ſoll, ſind uns größtentheils noch unbe-
kannt. Die Erſcheinungen, um die es ſich hier handelt, werden
überdieß zu den gewöhnlichen und alltäglichen gezählt und entge-
hen eben dadurch unſerer Aufmerkſamkeit, obſchon ſie derſelben
in dem höchſten Grade würdig ſind, da wir nur durch ſie zu
einer nähern Kenntniß unſerer ſelbſt kommen können. So lange
wir bei irgend einer Unterſuchung der Natur, der äußeren ſowohl als
auch der inneren, nicht meſſen und wägen können, ſo lange kön-
nen wir auch nicht rechnen, und wo Rechnung fehlt, fehlt das Beſte,
wo nicht Alles. Vielleicht iſt das beſte Mittel, dieſe Meſſun-
gen vorzunehmen, in uns ſelbſt verborgen und wir haben bisher
nur nicht Geſchicklichkeit genug gehabt, es gehörig anzuwenden.
Die thieriſchen Nerven ſind vielleicht die feinſten Inſtrumente, die
man zur Beobachtung der Natur gebrauchen kann, beſonders wenn
ſie durch irgend einen Zufall in den Stand einer höheren Reiz-
barkeit verſetzt werden. Durch ſie hat man die äußerſt ſchwache
Electricität entdeckt, welche durch die Berührung zweier heterogenen
Metalle erregt wird, und ſie ſind es auch, die uns jene ſonderbaren
Erſcheinungen kennen gelehrt haben, die wir, ſo wenig wir auch
noch von ihnen wiſſen, dem thieriſchen Magnetismus und dem Ein-
fluſſe der Sonne und des Mondes auf verſchiedene Krankheiten zu-
ſchreiben. Dieſe Wirkungen ſind, wenn ſie anders in der That

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[419/0431] Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente. wie beneidenswerth müßten uns unſere Enkel erſcheinen, wenn ſie einmal dahin gelangen ſollten, die Erſcheinungen und Geſetze die- ſes inneren Organismus zu erkennen und auf ihn die Kraft der Analyſe und unſere Wahrſcheinlichkeitsrechnung ebenſo anzuwenden, wie wir ſie bisher, nach Newtons Beiſpiel und Anleitung, auf die Erſcheinungen der Außenwelt, auf die Geſetze der Bewegungen der Himmelskörper angewendet haben. Allein ſo wie die Aſtronomie, ſo lange ſie in den Händen der griechiſchen Philoſophen war, die nur raiſonniren, aber nicht beob- achten wollten, unfruchtbar blieb, ſo lange wird auch dieſe hö- here Phyſiologie, oder die eigentliche Pſychologie des Menſchen, in ihrer bisherigen Nacht verborgen bleiben, bis man eine hinlängliche Maſſe guter Beobachtungen und Erfahrungen über dieſen Gegenſtand geſammelt haben wird. Noch fehlt es uns beinahe gänzlich an denſelben, und ſelbſt die Inſtrumente, mit welchen man dieſe Beobachtungen anſtellen ſoll, ſind uns größtentheils noch unbe- kannt. Die Erſcheinungen, um die es ſich hier handelt, werden überdieß zu den gewöhnlichen und alltäglichen gezählt und entge- hen eben dadurch unſerer Aufmerkſamkeit, obſchon ſie derſelben in dem höchſten Grade würdig ſind, da wir nur durch ſie zu einer nähern Kenntniß unſerer ſelbſt kommen können. So lange wir bei irgend einer Unterſuchung der Natur, der äußeren ſowohl als auch der inneren, nicht meſſen und wägen können, ſo lange kön- nen wir auch nicht rechnen, und wo Rechnung fehlt, fehlt das Beſte, wo nicht Alles. Vielleicht iſt das beſte Mittel, dieſe Meſſun- gen vorzunehmen, in uns ſelbſt verborgen und wir haben bisher nur nicht Geſchicklichkeit genug gehabt, es gehörig anzuwenden. Die thieriſchen Nerven ſind vielleicht die feinſten Inſtrumente, die man zur Beobachtung der Natur gebrauchen kann, beſonders wenn ſie durch irgend einen Zufall in den Stand einer höheren Reiz- barkeit verſetzt werden. Durch ſie hat man die äußerſt ſchwache Electricität entdeckt, welche durch die Berührung zweier heterogenen Metalle erregt wird, und ſie ſind es auch, die uns jene ſonderbaren Erſcheinungen kennen gelehrt haben, die wir, ſo wenig wir auch noch von ihnen wiſſen, dem thieriſchen Magnetismus und dem Ein- fluſſe der Sonne und des Mondes auf verſchiedene Krankheiten zu- ſchreiben. Dieſe Wirkungen ſind, wenn ſie anders in der That 27 *

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Zitationshilfe: Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 3. Stuttgart, 1836, S. 419. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem03_1836/431>, abgerufen am 06.05.2024.