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Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 3. Stuttgart, 1836.

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Beschreibung und Gebrauch der astronom. Instrumente.
Bekanntschaft des Beobachters mit seinem Instrumente. Denn die
meisten derjenigen Beobachtungsfehler, die bloß von einer Unvollkom-
menheit in dem Bau oder in der Aufstellung der Instrumente
entspringen, haben ebenfalls die Eigenschaft, daß sie nach gewis-
sen Gesetzen fortgeben und in bestimmten Perioden eingeschlossen
sind, nach welchen sie in der früheren Ordnung wiederkehren. Dieß
wird z. B. der Fall seyn bei einer Excentricität des Kreises, bei
einer Verbiegung seiner Ebene, bei einer unrichtigen Eintheilung
desselben, die gewöhnlich von einer falschen Stellung des Kreises
zur Theilmaschine kömmt u. s. w. So lange daher das Instru-
ment mit allen seinen Eigenthümlichkeiten nicht vollkommen be-
kannt und sein Gebrauch völlig gesichert ist, wird man nie ent-
scheiden können, ob diese periodischen, nach einem gewissen, wenn
gleich noch vielleicht unbekannten Gesetze, fortgehenden Fehler der
Beobachtungen bloß von dem Instrumente kommen, oder ob sie in
der Natur der Erscheinungen selbst gegründet sind, und so lange
man diese beiden Fehler nicht unterscheiden und von einander
trennen kann, ist ein wahres Fortschreiten unserer Kenntniß der
Natur unmöglich.

§. 57. (Beobachtungsfehler der zweiten Art.) Allein es gibt
noch eine ganz andere Gattung von Fehlern, die man bei allen
unseren Beobachtungen antrifft, und die sich von den bisher be-
trachteten wesentlich unterscheiden, indem sie keine Periode beobach-
ten und nach keinem bestimmten Gesetze fortgehen, sondern viel-
mehr ganz dem Zufalle überlassen zu seyn scheinen. Die Fehler,
mit welchem unser Auge den Augenblick auffaßt, wo der Stern
eben durch den Faden geht, oder die, mit welchem unser Ohr die
Pendelschläge der Uhr vernimmt, nach welchen wir die Zeit der
Beobachtung bestimmen, selbst der Wechsel der Witterung, der
in der Refraction, und der Wechsel der Temperatur, der in dem
Instrumente augenblickliche Veränderungen hervorbringt; ferner der
Mangel oder auch eben sowohl die zu große Gespanntheit unserer Auf-
merksamkeit im Augenblicke der Beobachtung, und unzählige an-
dere ähnliche Ursachen werden die Resultate dieser Beobachtungen
bald etwas größer, bald wieder etwas kleiner geben, als sie der
Wahrheit gemäß seyn sollen. Wenn man z. B. die Polhöhe einer
Stadt aus mehreren auf einander folgenden Beobachtungen nach

Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.
Bekanntſchaft des Beobachters mit ſeinem Inſtrumente. Denn die
meiſten derjenigen Beobachtungsfehler, die bloß von einer Unvollkom-
menheit in dem Bau oder in der Aufſtellung der Inſtrumente
entſpringen, haben ebenfalls die Eigenſchaft, daß ſie nach gewiſ-
ſen Geſetzen fortgeben und in beſtimmten Perioden eingeſchloſſen
ſind, nach welchen ſie in der früheren Ordnung wiederkehren. Dieß
wird z. B. der Fall ſeyn bei einer Excentricität des Kreiſes, bei
einer Verbiegung ſeiner Ebene, bei einer unrichtigen Eintheilung
deſſelben, die gewöhnlich von einer falſchen Stellung des Kreiſes
zur Theilmaſchine kömmt u. ſ. w. So lange daher das Inſtru-
ment mit allen ſeinen Eigenthümlichkeiten nicht vollkommen be-
kannt und ſein Gebrauch völlig geſichert iſt, wird man nie ent-
ſcheiden können, ob dieſe periodiſchen, nach einem gewiſſen, wenn
gleich noch vielleicht unbekannten Geſetze, fortgehenden Fehler der
Beobachtungen bloß von dem Inſtrumente kommen, oder ob ſie in
der Natur der Erſcheinungen ſelbſt gegründet ſind, und ſo lange
man dieſe beiden Fehler nicht unterſcheiden und von einander
trennen kann, iſt ein wahres Fortſchreiten unſerer Kenntniß der
Natur unmöglich.

§. 57. (Beobachtungsfehler der zweiten Art.) Allein es gibt
noch eine ganz andere Gattung von Fehlern, die man bei allen
unſeren Beobachtungen antrifft, und die ſich von den bisher be-
trachteten weſentlich unterſcheiden, indem ſie keine Periode beobach-
ten und nach keinem beſtimmten Geſetze fortgehen, ſondern viel-
mehr ganz dem Zufalle überlaſſen zu ſeyn ſcheinen. Die Fehler,
mit welchem unſer Auge den Augenblick auffaßt, wo der Stern
eben durch den Faden geht, oder die, mit welchem unſer Ohr die
Pendelſchläge der Uhr vernimmt, nach welchen wir die Zeit der
Beobachtung beſtimmen, ſelbſt der Wechſel der Witterung, der
in der Refraction, und der Wechſel der Temperatur, der in dem
Inſtrumente augenblickliche Veränderungen hervorbringt; ferner der
Mangel oder auch eben ſowohl die zu große Geſpanntheit unſerer Auf-
merkſamkeit im Augenblicke der Beobachtung, und unzählige an-
dere ähnliche Urſachen werden die Reſultate dieſer Beobachtungen
bald etwas größer, bald wieder etwas kleiner geben, als ſie der
Wahrheit gemäß ſeyn ſollen. Wenn man z. B. die Polhöhe einer
Stadt aus mehreren auf einander folgenden Beobachtungen nach

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[392/0404] Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente. Bekanntſchaft des Beobachters mit ſeinem Inſtrumente. Denn die meiſten derjenigen Beobachtungsfehler, die bloß von einer Unvollkom- menheit in dem Bau oder in der Aufſtellung der Inſtrumente entſpringen, haben ebenfalls die Eigenſchaft, daß ſie nach gewiſ- ſen Geſetzen fortgeben und in beſtimmten Perioden eingeſchloſſen ſind, nach welchen ſie in der früheren Ordnung wiederkehren. Dieß wird z. B. der Fall ſeyn bei einer Excentricität des Kreiſes, bei einer Verbiegung ſeiner Ebene, bei einer unrichtigen Eintheilung deſſelben, die gewöhnlich von einer falſchen Stellung des Kreiſes zur Theilmaſchine kömmt u. ſ. w. So lange daher das Inſtru- ment mit allen ſeinen Eigenthümlichkeiten nicht vollkommen be- kannt und ſein Gebrauch völlig geſichert iſt, wird man nie ent- ſcheiden können, ob dieſe periodiſchen, nach einem gewiſſen, wenn gleich noch vielleicht unbekannten Geſetze, fortgehenden Fehler der Beobachtungen bloß von dem Inſtrumente kommen, oder ob ſie in der Natur der Erſcheinungen ſelbſt gegründet ſind, und ſo lange man dieſe beiden Fehler nicht unterſcheiden und von einander trennen kann, iſt ein wahres Fortſchreiten unſerer Kenntniß der Natur unmöglich. §. 57. (Beobachtungsfehler der zweiten Art.) Allein es gibt noch eine ganz andere Gattung von Fehlern, die man bei allen unſeren Beobachtungen antrifft, und die ſich von den bisher be- trachteten weſentlich unterſcheiden, indem ſie keine Periode beobach- ten und nach keinem beſtimmten Geſetze fortgehen, ſondern viel- mehr ganz dem Zufalle überlaſſen zu ſeyn ſcheinen. Die Fehler, mit welchem unſer Auge den Augenblick auffaßt, wo der Stern eben durch den Faden geht, oder die, mit welchem unſer Ohr die Pendelſchläge der Uhr vernimmt, nach welchen wir die Zeit der Beobachtung beſtimmen, ſelbſt der Wechſel der Witterung, der in der Refraction, und der Wechſel der Temperatur, der in dem Inſtrumente augenblickliche Veränderungen hervorbringt; ferner der Mangel oder auch eben ſowohl die zu große Geſpanntheit unſerer Auf- merkſamkeit im Augenblicke der Beobachtung, und unzählige an- dere ähnliche Urſachen werden die Reſultate dieſer Beobachtungen bald etwas größer, bald wieder etwas kleiner geben, als ſie der Wahrheit gemäß ſeyn ſollen. Wenn man z. B. die Polhöhe einer Stadt aus mehreren auf einander folgenden Beobachtungen nach

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Zitationshilfe: Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 3. Stuttgart, 1836, S. 392. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem03_1836/404>, abgerufen am 06.05.2024.