Ebbe u. Fluth d. Meeres und d. Atmosphäre d. Erde.
Tage nach dem Vollmonde statt haben soll, so fällt sie auf den 26. März um 6 Uhr Abends, für St. Malo findet man an dem- selben Tage die größte Fluth dieses Monats 6,76 Meter, oder 20,81 Par. Fuß.
§. 113. (Erklärung dieser Erscheinungen.) Da die Voraus- bestimmungen dieser Erscheinungen so gut mit den Beobachtungen übereinstimmen, so kann man nicht zweifeln, daß auch die Vor- aussetzungen, auf welche sich jene Rechnungen gründen, der Wahr- heit gemäß sind, daß nämlich diese Erscheinungen eine bloße Folge der Anziehung der Sonne, und besonders des Mondes auf die, die Oberfläche der Erde bedeckenden Gewässer des Meeres sind.
Sey T (Fig. 6) der Mittelpunkt des Mondes und S der Mittelpunkt der Erde ABmn, also A der nächste, und B der von dem Monde weiteste Punkt der Oberfläche der Erde, wo der Beobachter in A den Mond in seinem Zenith, und B in seinem Nadir (Einl. §. 8) hat. Da die Anziehung des Mondes, wie die aller Körper, sich wie verkehrt das Quadrat der Entfernung ver- hält, so ist diese Anziehung des Mondes für den Punkt A der Erde die größte, und für den Punkt B die kleinste von allen, während sie für die beiden zwischen jenen liegenden Punkte m und n nahe eben so groß, als für den Mittelpunkt S der Erde, also nahe gleich der mittleren Anziehung des Mondes ist. Da also der Punkt A stärker, als der Mittelpunkt S der Erde, von dem Monde angezogen wird, so wird auch dieser Punkt A sich dem Monde T zu nähern, oder von dem Punkte T zu entfernen suchen; der Punkt A und also auch das ihm zunächst umgebende Wasser wird daher steigen. Da aber eben so der Mittelpunkt S an dem Monde T mehr, als der entfernteste Punkt B angezogen wird, so wird sich auch der Punkt S dem Monde mehr nähern, als der Punkt B, oder mit andern Worten, der Punkt B und also auch das ihn umgebende Wasser, wird hinter dem Mittel- punkte S der Erde zurückbleiben, sich von ihm entfernen, und daher ebenfalls steigen. Dasselbe wird auch, obschon in gerin- germ Grade, für alle die Punkte der Erde gelten, die mit den beiden Punkten A und B in einerlei Meridian liegen, oder für die der Mond zu derselben Zeit culminirt. Die übrigen Punkte der Erde aber werden sich desto weniger von dem Mittelpunkte
Ebbe u. Fluth d. Meeres und d. Atmoſphäre d. Erde.
Tage nach dem Vollmonde ſtatt haben ſoll, ſo fällt ſie auf den 26. März um 6 Uhr Abends, für St. Malo findet man an dem- ſelben Tage die größte Fluth dieſes Monats 6,76 Meter, oder 20,81 Par. Fuß.
§. 113. (Erklärung dieſer Erſcheinungen.) Da die Voraus- beſtimmungen dieſer Erſcheinungen ſo gut mit den Beobachtungen übereinſtimmen, ſo kann man nicht zweifeln, daß auch die Vor- ausſetzungen, auf welche ſich jene Rechnungen gründen, der Wahr- heit gemäß ſind, daß nämlich dieſe Erſcheinungen eine bloße Folge der Anziehung der Sonne, und beſonders des Mondes auf die, die Oberfläche der Erde bedeckenden Gewäſſer des Meeres ſind.
Sey T (Fig. 6) der Mittelpunkt des Mondes und S der Mittelpunkt der Erde ABmn, alſo A der nächſte, und B der von dem Monde weiteſte Punkt der Oberfläche der Erde, wo der Beobachter in A den Mond in ſeinem Zenith, und B in ſeinem Nadir (Einl. §. 8) hat. Da die Anziehung des Mondes, wie die aller Körper, ſich wie verkehrt das Quadrat der Entfernung ver- hält, ſo iſt dieſe Anziehung des Mondes für den Punkt A der Erde die größte, und für den Punkt B die kleinſte von allen, während ſie für die beiden zwiſchen jenen liegenden Punkte m und n nahe eben ſo groß, als für den Mittelpunkt S der Erde, alſo nahe gleich der mittleren Anziehung des Mondes iſt. Da alſo der Punkt A ſtärker, als der Mittelpunkt S der Erde, von dem Monde angezogen wird, ſo wird auch dieſer Punkt A ſich dem Monde T zu nähern, oder von dem Punkte T zu entfernen ſuchen; der Punkt A und alſo auch das ihm zunächſt umgebende Waſſer wird daher ſteigen. Da aber eben ſo der Mittelpunkt S an dem Monde T mehr, als der entfernteſte Punkt B angezogen wird, ſo wird ſich auch der Punkt S dem Monde mehr nähern, als der Punkt B, oder mit andern Worten, der Punkt B und alſo auch das ihn umgebende Waſſer, wird hinter dem Mittel- punkte S der Erde zurückbleiben, ſich von ihm entfernen, und daher ebenfalls ſteigen. Daſſelbe wird auch, obſchon in gerin- germ Grade, für alle die Punkte der Erde gelten, die mit den beiden Punkten A und B in einerlei Meridian liegen, oder für die der Mond zu derſelben Zeit culminirt. Die übrigen Punkte der Erde aber werden ſich deſto weniger von dem Mittelpunkte
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Ebbe u. Fluth d. Meeres und d. Atmoſphäre d. Erde.
Tage nach dem Vollmonde ſtatt haben ſoll, ſo fällt ſie auf den
26. März um 6 Uhr Abends, für St. Malo findet man an dem-
ſelben Tage die größte Fluth dieſes Monats 6,76 Meter, oder
20,81 Par. Fuß.
§. 113. (Erklärung dieſer Erſcheinungen.) Da die Voraus-
beſtimmungen dieſer Erſcheinungen ſo gut mit den Beobachtungen
übereinſtimmen, ſo kann man nicht zweifeln, daß auch die Vor-
ausſetzungen, auf welche ſich jene Rechnungen gründen, der Wahr-
heit gemäß ſind, daß nämlich dieſe Erſcheinungen eine bloße Folge
der Anziehung der Sonne, und beſonders des Mondes auf die,
die Oberfläche der Erde bedeckenden Gewäſſer des Meeres ſind.
Sey T (Fig. 6) der Mittelpunkt des Mondes und S der
Mittelpunkt der Erde ABmn, alſo A der nächſte, und B der von
dem Monde weiteſte Punkt der Oberfläche der Erde, wo der
Beobachter in A den Mond in ſeinem Zenith, und B in ſeinem
Nadir (Einl. §. 8) hat. Da die Anziehung des Mondes, wie die
aller Körper, ſich wie verkehrt das Quadrat der Entfernung ver-
hält, ſo iſt dieſe Anziehung des Mondes für den Punkt A der
Erde die größte, und für den Punkt B die kleinſte von allen,
während ſie für die beiden zwiſchen jenen liegenden Punkte m
und n nahe eben ſo groß, als für den Mittelpunkt S der Erde,
alſo nahe gleich der mittleren Anziehung des Mondes iſt. Da
alſo der Punkt A ſtärker, als der Mittelpunkt S der Erde, von
dem Monde angezogen wird, ſo wird auch dieſer Punkt A ſich
dem Monde T zu nähern, oder von dem Punkte T zu entfernen
ſuchen; der Punkt A und alſo auch das ihm zunächſt umgebende
Waſſer wird daher ſteigen. Da aber eben ſo der Mittelpunkt
S an dem Monde T mehr, als der entfernteſte Punkt B angezogen
wird, ſo wird ſich auch der Punkt S dem Monde mehr nähern,
als der Punkt B, oder mit andern Worten, der Punkt B und
alſo auch das ihn umgebende Waſſer, wird hinter dem Mittel-
punkte S der Erde zurückbleiben, ſich von ihm entfernen, und
daher ebenfalls ſteigen. Daſſelbe wird auch, obſchon in gerin-
germ Grade, für alle die Punkte der Erde gelten, die mit den
beiden Punkten A und B in einerlei Meridian liegen, oder für
die der Mond zu derſelben Zeit culminirt. Die übrigen Punkte
der Erde aber werden ſich deſto weniger von dem Mittelpunkte
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Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 3. Stuttgart, 1836, S. 159. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem03_1836/171>, abgerufen am 24.11.2024.
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