§. 26. (Temperatur auf der Oberfläche der Sonne.) Indeß scheinen doch mehrere Gründe dafür zu sprechen, daß die Tempe- ratur auf der Oberfläche der Sonne selbst ungemein groß seyn müsse.
I. Das Licht sowohl als die radiirende Wärme nimmt, un- seren Beobachtungen zufolge, in demselben Maaße ab, wie das Quadrat der Entfernung zunimmt, so daß es z. B. in der Ent- fernung von 2, 3, 4.. Meilen nur mehr 1/4, 1/9, 1/16.. von dem ist, was es in der Entfernung von einer Meile beträgt. Wenn nun die durch die Sonnenstrahlen auf unserer Erde erregte Hitze so bedeutend ist, wie stark muß sie auf der Oberfläche der Sonne selbst auf für sie gleich empfängliche Körper wirken. Man kann durch Rechnung zeigen, daß die Hitze, welche die Sonne z. B. auf eine Quadratmeile ihrer eigenen Oberfläche ausübt, über 300,000 mal größer ist, als diejenige, welche sie auf eine eben so große Stelle der Oberfläche unserer Erde äußert. Unsere Brenn- gläser sind weit entfernt, eine so große Hitze zu erzeugen, oder die Strahlen der Sonne 300,000 mal zu verdichten, und doch kann man in den Brennpunkten dieser Gläser Gold, Platina und selbst Diamanten schmelzen und zerstören.
II. Unsere künstlichen oder irdischen Feuer senden bekanntlich ihre Strahlen desto leichter durch das Glas, je größer, je inten- siver diese Feuer sind. Ein zweimal so starkes Feuer schickt auch zweimal so viele Strahlen durch dasselbe Glas. Nun gehen aber die Strahlen der Sonne mit einer ganz besondern Leichtigkeit durch das Glas. Mit dem sogenannten Actinometer, einem un- serer verlässigsten physischen Instrumente, fand der jüngere Her- schel, daß von je 1000 Wärmestrahlen der Sonne 816 durch eine Glasplatte von 1 1/2 Linie Dicke gehen, und daß von 1000 bereits durch eine solche Platte gegangenen Strahlen wieder 860 noch stark genug sind, durch eine zweite, eben so dicke Glasplatte zu gehen. Unsere irdischen Feuer sind sämmtlich weit entfernt, solche Leichtigkeit des Durchgangs zu zeigen, sie stehen daher auch wahr- scheinlich dem Feuer der Sonne an Intensität eben so weit nach.
III. Wenn man eine Lichtkerze, eine brennende Fackel, ja selbst das lebhafteste irdische Feuer zwischen das Auge und die Sonne hält, so verschwinden sie gleichsam für unsern Blick, weil
Die Sonne.
§. 26. (Temperatur auf der Oberfläche der Sonne.) Indeß ſcheinen doch mehrere Gründe dafür zu ſprechen, daß die Tempe- ratur auf der Oberfläche der Sonne ſelbſt ungemein groß ſeyn müſſe.
I. Das Licht ſowohl als die radiirende Wärme nimmt, un- ſeren Beobachtungen zufolge, in demſelben Maaße ab, wie das Quadrat der Entfernung zunimmt, ſo daß es z. B. in der Ent- fernung von 2, 3, 4.. Meilen nur mehr ¼, 1/9, 1/16.. von dem iſt, was es in der Entfernung von einer Meile beträgt. Wenn nun die durch die Sonnenſtrahlen auf unſerer Erde erregte Hitze ſo bedeutend iſt, wie ſtark muß ſie auf der Oberfläche der Sonne ſelbſt auf für ſie gleich empfängliche Körper wirken. Man kann durch Rechnung zeigen, daß die Hitze, welche die Sonne z. B. auf eine Quadratmeile ihrer eigenen Oberfläche ausübt, über 300,000 mal größer iſt, als diejenige, welche ſie auf eine eben ſo große Stelle der Oberfläche unſerer Erde äußert. Unſere Brenn- gläſer ſind weit entfernt, eine ſo große Hitze zu erzeugen, oder die Strahlen der Sonne 300,000 mal zu verdichten, und doch kann man in den Brennpunkten dieſer Gläſer Gold, Platina und ſelbſt Diamanten ſchmelzen und zerſtören.
II. Unſere künſtlichen oder irdiſchen Feuer ſenden bekanntlich ihre Strahlen deſto leichter durch das Glas, je größer, je inten- ſiver dieſe Feuer ſind. Ein zweimal ſo ſtarkes Feuer ſchickt auch zweimal ſo viele Strahlen durch daſſelbe Glas. Nun gehen aber die Strahlen der Sonne mit einer ganz beſondern Leichtigkeit durch das Glas. Mit dem ſogenannten Actinometer, einem un- ſerer verläſſigſten phyſiſchen Inſtrumente, fand der jüngere Her- ſchel, daß von je 1000 Wärmeſtrahlen der Sonne 816 durch eine Glasplatte von 1 ½ Linie Dicke gehen, und daß von 1000 bereits durch eine ſolche Platte gegangenen Strahlen wieder 860 noch ſtark genug ſind, durch eine zweite, eben ſo dicke Glasplatte zu gehen. Unſere irdiſchen Feuer ſind ſämmtlich weit entfernt, ſolche Leichtigkeit des Durchgangs zu zeigen, ſie ſtehen daher auch wahr- ſcheinlich dem Feuer der Sonne an Intenſität eben ſo weit nach.
III. Wenn man eine Lichtkerze, eine brennende Fackel, ja ſelbſt das lebhafteſte irdiſche Feuer zwiſchen das Auge und die Sonne hält, ſo verſchwinden ſie gleichſam für unſern Blick, weil
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Die Sonne.
§. 26. (Temperatur auf der Oberfläche der Sonne.) Indeß
ſcheinen doch mehrere Gründe dafür zu ſprechen, daß die Tempe-
ratur auf der Oberfläche der Sonne ſelbſt ungemein groß ſeyn
müſſe.
I. Das Licht ſowohl als die radiirende Wärme nimmt, un-
ſeren Beobachtungen zufolge, in demſelben Maaße ab, wie das
Quadrat der Entfernung zunimmt, ſo daß es z. B. in der Ent-
fernung von 2, 3, 4.. Meilen nur mehr ¼, 1/9, 1/16.. von dem iſt,
was es in der Entfernung von einer Meile beträgt. Wenn nun
die durch die Sonnenſtrahlen auf unſerer Erde erregte Hitze ſo
bedeutend iſt, wie ſtark muß ſie auf der Oberfläche der Sonne
ſelbſt auf für ſie gleich empfängliche Körper wirken. Man kann
durch Rechnung zeigen, daß die Hitze, welche die Sonne z. B.
auf eine Quadratmeile ihrer eigenen Oberfläche ausübt, über
300,000 mal größer iſt, als diejenige, welche ſie auf eine eben ſo
große Stelle der Oberfläche unſerer Erde äußert. Unſere Brenn-
gläſer ſind weit entfernt, eine ſo große Hitze zu erzeugen, oder
die Strahlen der Sonne 300,000 mal zu verdichten, und doch
kann man in den Brennpunkten dieſer Gläſer Gold, Platina und
ſelbſt Diamanten ſchmelzen und zerſtören.
II. Unſere künſtlichen oder irdiſchen Feuer ſenden bekanntlich
ihre Strahlen deſto leichter durch das Glas, je größer, je inten-
ſiver dieſe Feuer ſind. Ein zweimal ſo ſtarkes Feuer ſchickt auch
zweimal ſo viele Strahlen durch daſſelbe Glas. Nun gehen aber
die Strahlen der Sonne mit einer ganz beſondern Leichtigkeit
durch das Glas. Mit dem ſogenannten Actinometer, einem un-
ſerer verläſſigſten phyſiſchen Inſtrumente, fand der jüngere Her-
ſchel, daß von je 1000 Wärmeſtrahlen der Sonne 816 durch eine
Glasplatte von 1 ½ Linie Dicke gehen, und daß von 1000 bereits
durch eine ſolche Platte gegangenen Strahlen wieder 860 noch
ſtark genug ſind, durch eine zweite, eben ſo dicke Glasplatte zu
gehen. Unſere irdiſchen Feuer ſind ſämmtlich weit entfernt, ſolche
Leichtigkeit des Durchgangs zu zeigen, ſie ſtehen daher auch wahr-
ſcheinlich dem Feuer der Sonne an Intenſität eben ſo weit nach.
III. Wenn man eine Lichtkerze, eine brennende Fackel, ja
ſelbſt das lebhafteſte irdiſche Feuer zwiſchen das Auge und die
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Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 2. Stuttgart, 1835, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem02_1835/46>, abgerufen am 23.11.2024.
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