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Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 1. Stuttgart, 1834.

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Parallaxen u. Entfernungen d. Gestirne von d. Erde.
und 329 1/2 Tagen zu einer Secunde. Die schnellsten unserer eng-
lischen Rennpferde legen in einer Secunde 50 Par. Fuß zurück.
Ein solches Pferd würde, um den Durchmesser der Erdbahn von
41 Millionen Meilen zurückzulegen, volle 594 Jahre brauchen.
Die größte Geschwindigkeit eines leichtsegelnden Schiffs, die man
bisher bemerkt hat, ist unter den günstigsten Umständen von Wind
und Wasser auf der See, gleich 26 Par. Fuß in einer Secunde
oder nahe 100 Meilen in einem Tage. Ein solches Schiff würde
daher auf jenem dem Durchmesser unserer Erdbahn gleichen Wege
1.178 Jahre zubringen.

Dieser Weg darf also in der That ungeheuer genannt werden.
Und an den beiden Endpunkten einer solchen unübersehlichen, bei-
nahe unbegreiflichen Straße -- welche Veränderungen wird da
der gestirnte Himmel und alle die Gegenstände erleiden, die zu
beiden Seiten dieser Straße in dem großen Weltenraume zerstreut
sind? Sterne, die hier nahe beisammen stehen, weil sie so weit
von uns entfernt sind, werden dort, wo wir ihnen 41 Millionen
Meilen näher gekommen sind, weit aus einander stehen, und
umgekehrt, anfangs weit von einander entfernte Sterne, werden
ganz nahe an einander rücken; solche Sterne, die uns hier groß
erscheinen, werden dort kaum mehr gesehen werden, und dafür
andere hell und groß erscheinen, die wir hier noch nicht sehen
konnten; alle Sterne werden verändert, alle Sternbilder in ihrer
Gestalt verrückt, und der ganze Himmel wird ein anderer er-
scheinen.

Dieß läßt sich allerdings bei einer so gewaltigen Veränderung
unseres Standpunkts mit der größten Wahrscheinlichkeit erwarten.
Auch haben die Astronomen seit Copernicus, d. h. seit ihnen diese
Bewegung der Erde bekannt war, sich bemüht, diese wunderbaren
Veränderungen des Himmels zu entdecken und durch ihre Beob-
achtungen über alle Zweifel zu erheben. Und welche Verän-
derungen haben sie gefunden? -- Gar Keine! Ihre besten Fern-
röhren, ihre vollkommensten Instrumente, die seit Jahrhunderten
vereinigte Arbeiten der ausgezeichnetsten Beobachter -- alles war
umsonst; jene mit so vieler Sicherheit erwarteten Veränderungen
existiren nicht, und der uns umgebende unübersehbare Wald von
Sternen zeigt durchaus denselben Anblick, man mag ihn am

Parallaxen u. Entfernungen d. Geſtirne von d. Erde.
und 329 ½ Tagen zu einer Secunde. Die ſchnellſten unſerer eng-
liſchen Rennpferde legen in einer Secunde 50 Par. Fuß zurück.
Ein ſolches Pferd würde, um den Durchmeſſer der Erdbahn von
41 Millionen Meilen zurückzulegen, volle 594 Jahre brauchen.
Die größte Geſchwindigkeit eines leichtſegelnden Schiffs, die man
bisher bemerkt hat, iſt unter den günſtigſten Umſtänden von Wind
und Waſſer auf der See, gleich 26 Par. Fuß in einer Secunde
oder nahe 100 Meilen in einem Tage. Ein ſolches Schiff würde
daher auf jenem dem Durchmeſſer unſerer Erdbahn gleichen Wege
1.178 Jahre zubringen.

Dieſer Weg darf alſo in der That ungeheuer genannt werden.
Und an den beiden Endpunkten einer ſolchen unüberſehlichen, bei-
nahe unbegreiflichen Straße — welche Veränderungen wird da
der geſtirnte Himmel und alle die Gegenſtände erleiden, die zu
beiden Seiten dieſer Straße in dem großen Weltenraume zerſtreut
ſind? Sterne, die hier nahe beiſammen ſtehen, weil ſie ſo weit
von uns entfernt ſind, werden dort, wo wir ihnen 41 Millionen
Meilen näher gekommen ſind, weit aus einander ſtehen, und
umgekehrt, anfangs weit von einander entfernte Sterne, werden
ganz nahe an einander rücken; ſolche Sterne, die uns hier groß
erſcheinen, werden dort kaum mehr geſehen werden, und dafür
andere hell und groß erſcheinen, die wir hier noch nicht ſehen
konnten; alle Sterne werden verändert, alle Sternbilder in ihrer
Geſtalt verrückt, und der ganze Himmel wird ein anderer er-
ſcheinen.

Dieß läßt ſich allerdings bei einer ſo gewaltigen Veränderung
unſeres Standpunkts mit der größten Wahrſcheinlichkeit erwarten.
Auch haben die Aſtronomen ſeit Copernicus, d. h. ſeit ihnen dieſe
Bewegung der Erde bekannt war, ſich bemüht, dieſe wunderbaren
Veränderungen des Himmels zu entdecken und durch ihre Beob-
achtungen über alle Zweifel zu erheben. Und welche Verän-
derungen haben ſie gefunden? — Gar Keine! Ihre beſten Fern-
röhren, ihre vollkommenſten Inſtrumente, die ſeit Jahrhunderten
vereinigte Arbeiten der ausgezeichnetſten Beobachter — alles war
umſonſt; jene mit ſo vieler Sicherheit erwarteten Veränderungen
exiſtiren nicht, und der uns umgebende unüberſehbare Wald von
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[160/0172] Parallaxen u. Entfernungen d. Geſtirne von d. Erde. und 329 ½ Tagen zu einer Secunde. Die ſchnellſten unſerer eng- liſchen Rennpferde legen in einer Secunde 50 Par. Fuß zurück. Ein ſolches Pferd würde, um den Durchmeſſer der Erdbahn von 41 Millionen Meilen zurückzulegen, volle 594 Jahre brauchen. Die größte Geſchwindigkeit eines leichtſegelnden Schiffs, die man bisher bemerkt hat, iſt unter den günſtigſten Umſtänden von Wind und Waſſer auf der See, gleich 26 Par. Fuß in einer Secunde oder nahe 100 Meilen in einem Tage. Ein ſolches Schiff würde daher auf jenem dem Durchmeſſer unſerer Erdbahn gleichen Wege 1.178 Jahre zubringen. Dieſer Weg darf alſo in der That ungeheuer genannt werden. Und an den beiden Endpunkten einer ſolchen unüberſehlichen, bei- nahe unbegreiflichen Straße — welche Veränderungen wird da der geſtirnte Himmel und alle die Gegenſtände erleiden, die zu beiden Seiten dieſer Straße in dem großen Weltenraume zerſtreut ſind? Sterne, die hier nahe beiſammen ſtehen, weil ſie ſo weit von uns entfernt ſind, werden dort, wo wir ihnen 41 Millionen Meilen näher gekommen ſind, weit aus einander ſtehen, und umgekehrt, anfangs weit von einander entfernte Sterne, werden ganz nahe an einander rücken; ſolche Sterne, die uns hier groß erſcheinen, werden dort kaum mehr geſehen werden, und dafür andere hell und groß erſcheinen, die wir hier noch nicht ſehen konnten; alle Sterne werden verändert, alle Sternbilder in ihrer Geſtalt verrückt, und der ganze Himmel wird ein anderer er- ſcheinen. Dieß läßt ſich allerdings bei einer ſo gewaltigen Veränderung unſeres Standpunkts mit der größten Wahrſcheinlichkeit erwarten. Auch haben die Aſtronomen ſeit Copernicus, d. h. ſeit ihnen dieſe Bewegung der Erde bekannt war, ſich bemüht, dieſe wunderbaren Veränderungen des Himmels zu entdecken und durch ihre Beob- achtungen über alle Zweifel zu erheben. Und welche Verän- derungen haben ſie gefunden? — Gar Keine! Ihre beſten Fern- röhren, ihre vollkommenſten Inſtrumente, die ſeit Jahrhunderten vereinigte Arbeiten der ausgezeichnetſten Beobachter — alles war umſonſt; jene mit ſo vieler Sicherheit erwarteten Veränderungen exiſtiren nicht, und der uns umgebende unüberſehbare Wald von Sternen zeigt durchaus denſelben Anblick, man mag ihn am

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Zitationshilfe: Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 1. Stuttgart, 1834, S. 160. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem01_1834/172>, abgerufen am 22.11.2024.