Parallaxen u. Entfernungen d. Gestirne von d. Erde.
uns entfernt ist, würde eine Parallaxe von 0,0002 einer Secunde oder eine so geringe Größe haben, daß sie wohl nie für ein mensch- liches Auge bemerkbar seyn wird, welches auch die Verbesserungen seyn mögen, deren in der Folgezeit unsere Instrumente sich noch erfreuen können.
§. 68. (Jährliche Parallaxe der Fixsterne.) Wenn aber die jährliche Bewegung der Erde um die Sonne, die wir in dem vor- hergehenden Kapitel betrachtet, und aus den dort angeführten Gründen bereits sehr wahrscheinlich gefunden haben, in der That wahr seyn sollte, so würde uns dadurch zugleich nicht nur die gewünschte größere Basis, sondern auch noch zugleich einer der schönsten Beweise für diese jährliche Bewegung der Erde selbst ge- geben seyn. Denn, wenn die Erde sich in der That in jedem Jahre in einem Kreise bewegt, dessen Halbmesser gleich der Ent- fernung derselben von der Sonne oder gleich 20.658.000 M. ist, so werden wir uns auf diesem unserem Weltschiffe am Ende eines jeden halben Jahres an einer Stelle des Himmels befinden, die über 41 Millionen Meilen von dem Punkte entfernt ist, wo sich die Erde am Anfange jenes Semesters befand, und eine so gewal- tige Entfernung wird ohne Zweifel auf die, aus diesen beiden Stellungen der Erde sichtbaren Gestirne und ihre Lage am Him- mel, einen sehr deutlichen Einfluß äußern. Dadurch wäre uns also ein ganz anderer Maßstab, die Räume des Universums aus- zumessen, gegeben, der gegen 24.000mal größer ist, als jener erste, und für den daher auch wohl jene kleinen Winkel, die in Bezie- hung auf den Halbmesser der Erde für unsere Sinne gänzlich verschwinden, da sie nun nahe in demselben Verhältnisse oder 24.000mal vergrößert werden, sich unseren Beobachtungen nicht weiter entziehen werden. Wir wollen diesen glücklichen Umstand, in welchen uns die Bewegung unserer Erde versetzt, und durch welchen unser Gesichtskreis am Himmel so bedeutend erweitert werden soll, sogleich näher betrachten.
Zuerst wird es zweckmäßig seyn, sich von der eigentlichen Größe dieser neuen Standlinie von 41 Millionen Meilen einen uns angemessenen sinnlichen Begriff zu machen zu suchen. Sie ist nahe 100.000 mal größer als die Entfernung Wiens von Paris. Sie verhält sich zu einer Meile, wie die Zeit von einem Jahre
Parallaxen u. Entfernungen d. Geſtirne von d. Erde.
uns entfernt iſt, würde eine Parallaxe von 0,0002 einer Secunde oder eine ſo geringe Größe haben, daß ſie wohl nie für ein menſch- liches Auge bemerkbar ſeyn wird, welches auch die Verbeſſerungen ſeyn mögen, deren in der Folgezeit unſere Inſtrumente ſich noch erfreuen können.
§. 68. (Jährliche Parallaxe der Fixſterne.) Wenn aber die jährliche Bewegung der Erde um die Sonne, die wir in dem vor- hergehenden Kapitel betrachtet, und aus den dort angeführten Gründen bereits ſehr wahrſcheinlich gefunden haben, in der That wahr ſeyn ſollte, ſo würde uns dadurch zugleich nicht nur die gewünſchte größere Baſis, ſondern auch noch zugleich einer der ſchönſten Beweiſe für dieſe jährliche Bewegung der Erde ſelbſt ge- geben ſeyn. Denn, wenn die Erde ſich in der That in jedem Jahre in einem Kreiſe bewegt, deſſen Halbmeſſer gleich der Ent- fernung derſelben von der Sonne oder gleich 20.658.000 M. iſt, ſo werden wir uns auf dieſem unſerem Weltſchiffe am Ende eines jeden halben Jahres an einer Stelle des Himmels befinden, die über 41 Millionen Meilen von dem Punkte entfernt iſt, wo ſich die Erde am Anfange jenes Semeſters befand, und eine ſo gewal- tige Entfernung wird ohne Zweifel auf die, aus dieſen beiden Stellungen der Erde ſichtbaren Geſtirne und ihre Lage am Him- mel, einen ſehr deutlichen Einfluß äußern. Dadurch wäre uns alſo ein ganz anderer Maßſtab, die Räume des Univerſums aus- zumeſſen, gegeben, der gegen 24.000mal größer iſt, als jener erſte, und für den daher auch wohl jene kleinen Winkel, die in Bezie- hung auf den Halbmeſſer der Erde für unſere Sinne gänzlich verſchwinden, da ſie nun nahe in demſelben Verhältniſſe oder 24.000mal vergrößert werden, ſich unſeren Beobachtungen nicht weiter entziehen werden. Wir wollen dieſen glücklichen Umſtand, in welchen uns die Bewegung unſerer Erde verſetzt, und durch welchen unſer Geſichtskreis am Himmel ſo bedeutend erweitert werden ſoll, ſogleich näher betrachten.
Zuerſt wird es zweckmäßig ſeyn, ſich von der eigentlichen Größe dieſer neuen Standlinie von 41 Millionen Meilen einen uns angemeſſenen ſinnlichen Begriff zu machen zu ſuchen. Sie iſt nahe 100.000 mal größer als die Entfernung Wiens von Paris. Sie verhält ſich zu einer Meile, wie die Zeit von einem Jahre
<TEI><text><body><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0171"n="159"/><fwplace="top"type="header">Parallaxen u. Entfernungen d. Geſtirne von d. Erde.</fw><lb/>
uns entfernt iſt, würde eine Parallaxe von 0,<hirendition="#sub">0002</hi> einer Secunde<lb/>
oder eine ſo geringe Größe haben, daß ſie wohl nie für ein menſch-<lb/>
liches Auge bemerkbar ſeyn wird, welches auch die Verbeſſerungen<lb/>ſeyn mögen, deren in der Folgezeit unſere Inſtrumente ſich noch<lb/>
erfreuen können.</p><lb/><p>§. 68. (Jährliche Parallaxe der Fixſterne.) Wenn aber die<lb/>
jährliche Bewegung der Erde um die Sonne, die wir in dem vor-<lb/>
hergehenden Kapitel betrachtet, und aus den dort angeführten<lb/>
Gründen bereits ſehr wahrſcheinlich gefunden haben, in der That<lb/>
wahr ſeyn ſollte, ſo würde uns dadurch zugleich nicht nur die<lb/>
gewünſchte größere Baſis, ſondern auch noch zugleich einer der<lb/>ſchönſten Beweiſe für dieſe jährliche Bewegung der Erde ſelbſt ge-<lb/>
geben ſeyn. Denn, wenn die Erde ſich in der That in jedem<lb/>
Jahre in einem Kreiſe bewegt, deſſen Halbmeſſer gleich der Ent-<lb/>
fernung derſelben von der Sonne oder gleich 20.658.000 M. iſt,<lb/>ſo werden wir uns auf dieſem unſerem Weltſchiffe am Ende eines<lb/>
jeden halben Jahres an einer Stelle des Himmels befinden, die<lb/>
über 41 Millionen Meilen von dem Punkte entfernt iſt, wo ſich<lb/>
die Erde am Anfange jenes Semeſters befand, und eine ſo gewal-<lb/>
tige Entfernung wird ohne Zweifel auf die, aus dieſen beiden<lb/>
Stellungen der Erde ſichtbaren Geſtirne und ihre Lage am Him-<lb/>
mel, einen ſehr deutlichen Einfluß äußern. Dadurch wäre uns<lb/>
alſo ein ganz anderer Maßſtab, die Räume des Univerſums aus-<lb/>
zumeſſen, gegeben, der gegen 24.000mal größer iſt, als jener erſte,<lb/>
und für den daher auch wohl jene kleinen Winkel, die in Bezie-<lb/>
hung auf den Halbmeſſer der Erde für unſere Sinne gänzlich<lb/>
verſchwinden, da ſie nun nahe in demſelben Verhältniſſe oder<lb/>
24.000mal vergrößert werden, ſich unſeren Beobachtungen nicht<lb/>
weiter entziehen werden. Wir wollen dieſen glücklichen Umſtand,<lb/>
in welchen uns die Bewegung unſerer Erde verſetzt, und durch<lb/>
welchen unſer Geſichtskreis am Himmel ſo bedeutend erweitert<lb/>
werden ſoll, ſogleich näher betrachten.</p><lb/><p>Zuerſt wird es zweckmäßig ſeyn, ſich von der eigentlichen<lb/>
Größe dieſer neuen Standlinie von 41 Millionen Meilen einen<lb/>
uns angemeſſenen ſinnlichen Begriff zu machen zu ſuchen. Sie iſt<lb/>
nahe 100.000 mal größer als die Entfernung Wiens von Paris.<lb/>
Sie verhält ſich zu einer Meile, wie die Zeit von einem Jahre<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[159/0171]
Parallaxen u. Entfernungen d. Geſtirne von d. Erde.
uns entfernt iſt, würde eine Parallaxe von 0,0002 einer Secunde
oder eine ſo geringe Größe haben, daß ſie wohl nie für ein menſch-
liches Auge bemerkbar ſeyn wird, welches auch die Verbeſſerungen
ſeyn mögen, deren in der Folgezeit unſere Inſtrumente ſich noch
erfreuen können.
§. 68. (Jährliche Parallaxe der Fixſterne.) Wenn aber die
jährliche Bewegung der Erde um die Sonne, die wir in dem vor-
hergehenden Kapitel betrachtet, und aus den dort angeführten
Gründen bereits ſehr wahrſcheinlich gefunden haben, in der That
wahr ſeyn ſollte, ſo würde uns dadurch zugleich nicht nur die
gewünſchte größere Baſis, ſondern auch noch zugleich einer der
ſchönſten Beweiſe für dieſe jährliche Bewegung der Erde ſelbſt ge-
geben ſeyn. Denn, wenn die Erde ſich in der That in jedem
Jahre in einem Kreiſe bewegt, deſſen Halbmeſſer gleich der Ent-
fernung derſelben von der Sonne oder gleich 20.658.000 M. iſt,
ſo werden wir uns auf dieſem unſerem Weltſchiffe am Ende eines
jeden halben Jahres an einer Stelle des Himmels befinden, die
über 41 Millionen Meilen von dem Punkte entfernt iſt, wo ſich
die Erde am Anfange jenes Semeſters befand, und eine ſo gewal-
tige Entfernung wird ohne Zweifel auf die, aus dieſen beiden
Stellungen der Erde ſichtbaren Geſtirne und ihre Lage am Him-
mel, einen ſehr deutlichen Einfluß äußern. Dadurch wäre uns
alſo ein ganz anderer Maßſtab, die Räume des Univerſums aus-
zumeſſen, gegeben, der gegen 24.000mal größer iſt, als jener erſte,
und für den daher auch wohl jene kleinen Winkel, die in Bezie-
hung auf den Halbmeſſer der Erde für unſere Sinne gänzlich
verſchwinden, da ſie nun nahe in demſelben Verhältniſſe oder
24.000mal vergrößert werden, ſich unſeren Beobachtungen nicht
weiter entziehen werden. Wir wollen dieſen glücklichen Umſtand,
in welchen uns die Bewegung unſerer Erde verſetzt, und durch
welchen unſer Geſichtskreis am Himmel ſo bedeutend erweitert
werden ſoll, ſogleich näher betrachten.
Zuerſt wird es zweckmäßig ſeyn, ſich von der eigentlichen
Größe dieſer neuen Standlinie von 41 Millionen Meilen einen
uns angemeſſenen ſinnlichen Begriff zu machen zu ſuchen. Sie iſt
nahe 100.000 mal größer als die Entfernung Wiens von Paris.
Sie verhält ſich zu einer Meile, wie die Zeit von einem Jahre
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 1. Stuttgart, 1834, S. 159. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem01_1834/171>, abgerufen am 06.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.