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[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739.

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(o)
die, ohne ihre Folgen betrachtet, närrisch., und,
von der Lust abgesondert, eckelhaft ist. Es ist
vielmehr zu glauben, daß, wenn GOtt nicht dem
Menschen

"Die Hertz-erquickenden Vermehrungs-Triebe
eingepflantzet, und die That, durch welche diese Trie-
be vergnüget werden, mit einer seltsam-süssen Lust ver-
knüpfet hätte, die Mutter aller Lebendigen ihre Jung-
frauschaft mit ins Grab genommen, und also weder
der Hr. Prof. Manzel seine Dissertation, noch ich die-
sen Brief geschrieben haben würden.

Da nun die Lust, welche der Mensch im Beyschla-
fe empfindet, zur Fortpflantzung des menschlichen Ge-
schlechts so nothwendig ist, so möchte ich wohl wissen,
warum man die Empfindung derselben unter diejeni-
gen Dinge rechnet, davon der Mensch im Stande sei-
ner Vollkommenheit frey seyn müssen. Diejenigen,
welche dieses behaupten, glauben vermuhtlich, daß
der erste Mensch Hunger und Durst empfunden: Sie
glauben, daß der Mensch sich dieser verdrießlichen Em-
pfindungen zu entledigen gesucht; und folglich, in dem
er sie durch Speise und Tranck vertrieben, eine Lust em-
pfunden habe: Sie werden vermuthlich auch nicht
leugnen, daß die ersten Menschen schmecken können.
Folglich sind einige Dinge ihrem Geschmack ange-
nehm andere verdrießlich gewesen; Es ist also gar
glaublich, daß ihnen jene, wenn sie dieselbe gekostet, ei-
ne Lust, und diese eine wiedrige Empfindung erwecket
haben. Wer wolte ihnen dieses aber zur Sünde deuten?

Nicht alles, was der Mensch geniesset, wird in sein
Wesen verwandelt. Es bleibt also in dem Cörper et-
was unnützes übrig, das demselben nur zur Last ist.

Der

(o)
die, ohne ihre Folgen betrachtet, naͤrriſch., und,
von der Luſt abgeſondert, eckelhaft iſt. Es iſt
vielmehr zu glauben, daß, wenn GOtt nicht dem
Menſchen

„Die Hertz-erquickenden Vermehrungs-Triebe
eingepflantzet, und die That, durch welche dieſe Trie-
be vergnuͤget werden, mit einer ſeltſam-ſuͤſſen Luſt ver-
knuͤpfet haͤtte, die Mutter aller Lebendigen ihre Jung-
frauſchaft mit ins Grab genommen, und alſo weder
der Hr. Prof. Manzel ſeine Diſſertation, noch ich die-
ſen Brief geſchrieben haben wuͤrden.

Da nun die Luſt, welche der Menſch im Beyſchla-
fe empfindet, zur Fortpflantzung des menſchlichen Ge-
ſchlechts ſo nothwendig iſt, ſo moͤchte ich wohl wiſſen,
warum man die Empfindung derſelben unter diejeni-
gen Dinge rechnet, davon der Menſch im Stande ſei-
ner Vollkommenheit frey ſeyn muͤſſen. Diejenigen,
welche dieſes behaupten, glauben vermuhtlich, daß
der erſte Menſch Hunger und Durſt empfunden: Sie
glauben, daß der Menſch ſich dieſer verdrießlichen Em-
pfindungen zu entledigen geſucht; und folglich, in dem
er ſie duꝛch Speiſe und Tꝛanck vertꝛieben, eine Luſt em-
pfunden habe: Sie werden vermuthlich auch nicht
leugnen, daß die erſten Menſchen ſchmecken koͤnnen.
Folglich ſind einige Dinge ihrem Geſchmack ange-
nehm andere verdrießlich geweſen; Es iſt alſo gar
glaublich, daß ihnen jene, wenn ſie dieſelbe gekoſtet, ei-
ne Luſt, und dieſe eine wiedrige Empfindung erwecket
haben. Weꝛ wolte ihnen dieſes abeꝛ zur Suͤnde deutẽ?

Nicht alles, was der Menſch genieſſet, wird in ſein
Weſen verwandelt. Es bleibt alſo in dem Coͤrper et-
was unnuͤtzes uͤbrig, das demſelben nur zur Laſt iſt.

Der
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[746/0838] (o) die, ohne ihre Folgen betrachtet, naͤrriſch., und, von der Luſt abgeſondert, eckelhaft iſt. Es iſt vielmehr zu glauben, daß, wenn GOtt nicht dem Menſchen „Die Hertz-erquickenden Vermehrungs-Triebe eingepflantzet, und die That, durch welche dieſe Trie- be vergnuͤget werden, mit einer ſeltſam-ſuͤſſen Luſt ver- knuͤpfet haͤtte, die Mutter aller Lebendigen ihre Jung- frauſchaft mit ins Grab genommen, und alſo weder der Hr. Prof. Manzel ſeine Diſſertation, noch ich die- ſen Brief geſchrieben haben wuͤrden. Da nun die Luſt, welche der Menſch im Beyſchla- fe empfindet, zur Fortpflantzung des menſchlichen Ge- ſchlechts ſo nothwendig iſt, ſo moͤchte ich wohl wiſſen, warum man die Empfindung derſelben unter diejeni- gen Dinge rechnet, davon der Menſch im Stande ſei- ner Vollkommenheit frey ſeyn muͤſſen. Diejenigen, welche dieſes behaupten, glauben vermuhtlich, daß der erſte Menſch Hunger und Durſt empfunden: Sie glauben, daß der Menſch ſich dieſer verdrießlichen Em- pfindungen zu entledigen geſucht; und folglich, in dem er ſie duꝛch Speiſe und Tꝛanck vertꝛieben, eine Luſt em- pfunden habe: Sie werden vermuthlich auch nicht leugnen, daß die erſten Menſchen ſchmecken koͤnnen. Folglich ſind einige Dinge ihrem Geſchmack ange- nehm andere verdrießlich geweſen; Es iſt alſo gar glaublich, daß ihnen jene, wenn ſie dieſelbe gekoſtet, ei- ne Luſt, und dieſe eine wiedrige Empfindung erwecket haben. Weꝛ wolte ihnen dieſes abeꝛ zur Suͤnde deutẽ? Nicht alles, was der Menſch genieſſet, wird in ſein Weſen verwandelt. Es bleibt alſo in dem Coͤrper et- was unnuͤtzes uͤbrig, das demſelben nur zur Laſt iſt. Der

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Zitationshilfe: [Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 746. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/838>, abgerufen am 22.11.2024.