den Stand der Unschuld, so wie er uns in der Schrift beschrieben wird, zum Grunde des Rechts der Natur geleget hat: Vielleicht weil nicht alle Menschen die Schrift annehmen, oder weil es übel stehet, die Ofen- bahrung in die Weltweißheit zu mengen: Aber war- um legt er dann in seinem Sistemate Juris Naturae seine eigene, und guten Theils unwahrscheinliche, Muthmassungen zum Grunde? Mich deucht, der un- streitig wahre Bericht eines von GOTT getriebenen Mannes ist allen, auch den wahrscheinlichsten Einfäl- len, die wir, nach unserer Vernunft, vom Zustande des ersten Menschen haben können, weit vorzuziehen. Wird er gleich von den Heyden nicht als göttlich angenommen, so gilt er doch bey Christen: Da her- gegen die Vernunft eines Christen so wohl, als eines Heiden und Türcken wieder die Muthmassungen des Hn. Manzels sehr vieles einzuwenden hat. Hält er aber darum die albertische Methode vor ungereimt, weil dadurch die Ofenbahrung in die Weltweißheit gemischet wird, so hätte er sich dieser Vermi- schung auch enthalten sollen. Allein wie oft fasset er nicht die Hörner des Altars?
Es mag indessen der Hr. Prof. Manzel von dem guten Alberti so weit entfernet seyn, als er immer will: Er mag seinen Stand der Unschuld aus der Schrift oder aus der Vernunft erweisen: So sehe ich doch nicht, was er in dem Stande der Unschuld vor ein be- sonders Jus Naturae finden will, oder was uns dieses Jus Naturae, falls er eines findet, helfen soll. Jch will hier nicht wiederhohlen, was ich schon von dem Zu- stande des ersten Menschen geschrieben habe. Jch ha- be gewiesen, daß derselbe von unserm heutigen
Zustan-
(o)
den Stand der Unſchuld, ſo wie er uns in der Schrift beſchrieben wird, zum Grunde des Rechts der Natur geleget hat: Vielleicht weil nicht alle Menſchen die Schrift annehmen, oder weil es uͤbel ſtehet, die Ofen- bahrung in die Weltweißheit zu mengen: Aber war- um legt er dann in ſeinem Siſtemate Juris Naturæ ſeine eigene, und guten Theils unwahrſcheinliche, Muthmaſſungen zum Grunde? Mich deucht, der un- ſtreitig wahre Bericht eines von GOTT getriebenen Mannes iſt allen, auch den wahrſcheinlichſten Einfaͤl- len, die wir, nach unſerer Vernunft, vom Zuſtande des erſten Menſchen haben koͤnnen, weit vorzuziehen. Wird er gleich von den Heyden nicht als goͤttlich angenommen, ſo gilt er doch bey Chriſten: Da her- gegen die Vernunft eines Chriſten ſo wohl, als eines Heiden und Tuͤrcken wieder die Muthmaſſungen des Hn. Manzels ſehr vieles einzuwenden hat. Haͤlt er aber darum die albertiſche Methode vor ungereimt, weil dadurch die Ofenbahrung in die Weltweißheit gemiſchet wird, ſo haͤtte er ſich dieſer Vermi- ſchung auch enthalten ſollen. Allein wie oft faſſet er nicht die Hoͤrner des Altars?
Es mag indeſſen der Hr. Prof. Manzel von dem guten Alberti ſo weit entfernet ſeyn, als er immer will: Er mag ſeinen Stand der Unſchuld aus der Schrift oder aus der Vernunft erweiſen: So ſehe ich doch nicht, was er in dem Stande der Unſchuld vor ein be- ſonders Jus Naturæ finden will, oder was uns dieſes Jus Naturæ, falls er eines findet, helfen ſoll. Jch will hier nicht wiederhohlen, was ich ſchon von dem Zu- ſtande des erſten Menſchen geſchrieben habe. Jch ha- be gewieſen, daß derſelbe von unſerm heutigen
Zuſtan-
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(o)
den Stand der Unſchuld, ſo wie er uns in der Schrift
beſchrieben wird, zum Grunde des Rechts der Natur
geleget hat: Vielleicht weil nicht alle Menſchen die
Schrift annehmen, oder weil es uͤbel ſtehet, die Ofen-
bahrung in die Weltweißheit zu mengen: Aber war-
um legt er dann in ſeinem Siſtemate Juris Naturæ
ſeine eigene, und guten Theils unwahrſcheinliche,
Muthmaſſungen zum Grunde? Mich deucht, der un-
ſtreitig wahre Bericht eines von GOTT getriebenen
Mannes iſt allen, auch den wahrſcheinlichſten Einfaͤl-
len, die wir, nach unſerer Vernunft, vom Zuſtande des
erſten Menſchen haben koͤnnen, weit vorzuziehen.
Wird er gleich von den Heyden nicht als goͤttlich
angenommen, ſo gilt er doch bey Chriſten: Da her-
gegen die Vernunft eines Chriſten ſo wohl, als eines
Heiden und Tuͤrcken wieder die Muthmaſſungen des
Hn. Manzels ſehr vieles einzuwenden hat. Haͤlt er
aber darum die albertiſche Methode vor ungereimt,
weil dadurch die Ofenbahrung in die Weltweißheit
gemiſchet wird, ſo haͤtte er ſich dieſer Vermi-
ſchung auch enthalten ſollen. Allein wie oft faſſet er
nicht die Hoͤrner des Altars?
Es mag indeſſen der Hr. Prof. Manzel von dem
guten Alberti ſo weit entfernet ſeyn, als er immer will:
Er mag ſeinen Stand der Unſchuld aus der Schrift
oder aus der Vernunft erweiſen: So ſehe ich doch
nicht, was er in dem Stande der Unſchuld vor ein be-
ſonders Jus Naturæ finden will, oder was uns dieſes
Jus Naturæ, falls er eines findet, helfen ſoll. Jch will
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[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 718. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/810>, abgerufen am 22.11.2024.
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