nicht aus seiner ursprünglichen Beschafenheit, son- dern aus einem gewaltsamen Zufall, herrühren könn- te. Ein Thier, das mit einem Verlangen nach Lust, und mit einem Abscheu vor Verachtung und Man- gel begabet ist, kan leicht dieses Verlangen, und diesen Abscheu so hoch treiben, daß es sich selbst schadet. Die Empfindung des Vergnügens ist eben darum, weil sie angenehm, sehr verführisch, und der Abscheu vor Verachtung und Mangel kan leicht in eine Be- gierde nach Ehre und Reichthum verwandelt wer- den. Diese Begierde ist aber die Mutter aller Unge- rechtigkeit und folglich alles Unglücks, welches das menschliche Geschlecht drücket. Man darf also die Ursache dieses Unglücks nicht ausser der Natur des Menschen suchen.
Alles nun was man wieder das, was ich hier sage, einwenden kan, ist dieses: Daß entweder der erste Mensch die Neigungen, welche ich als eine Quelle un- sers Verderbens ansehe, nicht an sich, oder doch we- nigstens die Kräfte gehabt habe, dieselbe in gebühren- den Schrancken zu halten.
Auf den ersten Einwurf würde ich antworten: daß es auf solchen Fall unbegreiflich sey, woher der Mensch diese Neigungen bekommen. Sich selbst konnte er sie so wenig, als seine Würcklichkeit geben: Daß sie ihm aber von dem, der ihn erschafen, einge- blasen worden, kan einer, der mir diesen Einwurf macht, nicht sagen: und von einem andern Dinge, welches das Geschöpfe der allerhöchsten Kraft hätte ändern können, ist uns nichts bekannt.
Auf den andern Einwurf ist dieses meine Ant- wort: Daß es nicht minderschwer zu begreifen, wer
dann
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(o)
nicht aus ſeiner urſpruͤnglichen Beſchafenheit, ſon- dern aus einem gewaltſamen Zufall, herruͤhren koͤnn- te. Ein Thier, das mit einem Verlangen nach Luſt, und mit einem Abſcheu vor Verachtung und Man- gel begabet iſt, kan leicht dieſes Verlangen, und dieſen Abſcheu ſo hoch treiben, daß es ſich ſelbſt ſchadet. Die Empfindung des Vergnuͤgens iſt eben darum, weil ſie angenehm, ſehr verfuͤhriſch, und der Abſcheu vor Verachtung und Mangel kan leicht in eine Be- gierde nach Ehre und Reichthum verwandelt wer- den. Dieſe Begierde iſt aber die Mutter aller Unge- rechtigkeit und folglich alles Ungluͤcks, welches das menſchliche Geſchlecht druͤcket. Man darf alſo die Urſache dieſes Ungluͤcks nicht auſſer der Natur des Menſchen ſuchen.
Alles nun was man wieder das, was ich hier ſage, einwenden kan, iſt dieſes: Daß entweder der erſte Menſch die Neigungen, welche ich als eine Quelle un- ſers Verderbens anſehe, nicht an ſich, oder doch we- nigſtens die Kraͤfte gehabt habe, dieſelbe in gebuͤhren- den Schrancken zu halten.
Auf den erſten Einwurf wuͤrde ich antworten: daß es auf ſolchen Fall unbegreiflich ſey, woher der Menſch dieſe Neigungen bekommen. Sich ſelbſt konnte er ſie ſo wenig, als ſeine Wuͤrcklichkeit geben: Daß ſie ihm aber von dem, der ihn erſchafen, einge- blaſen worden, kan einer, der mir dieſen Einwurf macht, nicht ſagen: und von einem andern Dinge, welches das Geſchoͤpfe der allerhoͤchſten Kraft haͤtte aͤndern koͤnnen, iſt uns nichts bekannt.
Auf den andern Einwurf iſt dieſes meine Ant- wort: Daß es nicht minderſchwer zu begreifen, wer
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nicht aus ſeiner urſpruͤnglichen Beſchafenheit, ſon-
dern aus einem gewaltſamen Zufall, herruͤhren koͤnn-
te. Ein Thier, das mit einem Verlangen nach Luſt,
und mit einem Abſcheu vor Verachtung und Man-
gel begabet iſt, kan leicht dieſes Verlangen, und dieſen
Abſcheu ſo hoch treiben, daß es ſich ſelbſt ſchadet.
Die Empfindung des Vergnuͤgens iſt eben darum,
weil ſie angenehm, ſehr verfuͤhriſch, und der Abſcheu
vor Verachtung und Mangel kan leicht in eine Be-
gierde nach Ehre und Reichthum verwandelt wer-
den. Dieſe Begierde iſt aber die Mutter aller Unge-
rechtigkeit und folglich alles Ungluͤcks, welches das
menſchliche Geſchlecht druͤcket. Man darf alſo die
Urſache dieſes Ungluͤcks nicht auſſer der Natur des
Menſchen ſuchen.
Alles nun was man wieder das, was ich hier ſage,
einwenden kan, iſt dieſes: Daß entweder der erſte
Menſch die Neigungen, welche ich als eine Quelle un-
ſers Verderbens anſehe, nicht an ſich, oder doch we-
nigſtens die Kraͤfte gehabt habe, dieſelbe in gebuͤhren-
den Schrancken zu halten.
Auf den erſten Einwurf wuͤrde ich antworten:
daß es auf ſolchen Fall unbegreiflich ſey, woher der
Menſch dieſe Neigungen bekommen. Sich ſelbſt
konnte er ſie ſo wenig, als ſeine Wuͤrcklichkeit geben:
Daß ſie ihm aber von dem, der ihn erſchafen, einge-
blaſen worden, kan einer, der mir dieſen Einwurf
macht, nicht ſagen: und von einem andern Dinge,
welches das Geſchoͤpfe der allerhoͤchſten Kraft haͤtte
aͤndern koͤnnen, iſt uns nichts bekannt.
Auf den andern Einwurf iſt dieſes meine Ant-
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[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 709. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/801>, abgerufen am 25.11.2024.
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