Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739.

Bild:
<< vorherige Seite
(o)

so unstreitig ist auch das gemeine Sprichwort:

"Lust und Liebe zum Dinge
"Macht all' Arbeit geringe,

Wenn demnach auch gleich die Erde so beschafen
wäre, daß wir nicht einmahl, um unsern Hunger zu
stillen, Eicheln und wilde Aepfel, und, zu Löschung
unsers Durstes, Wasser finden könnten, ohne eine Be-
mühung, die ungleich grösser, als diejenige ist, welche
der Ackerbau erfordert, so könnte sie doch, nach des Hn.
Prof. Manzels Meinung, ein Paradieß genennet
werden, wenn nur der Mensch diese Arbeit mit Lust
verrichtete. Da nun, wann dieses nicht geschicht,
die Schuld dem Menschen, und nicht der Erde bey-
zumessen ist: So siehet man klärlich, daß die Erde, dar-
um, daß sie nicht alles, was wir brauchen, ohne unsere
Bemühung hervorbringet, auch nach des Hrn. Man-
zels Meinung nicht aufhöre, ein Paradiß zu seyn, wie
sie, nach der Absicht GOttes hat seyn sollen. Daß
wir in diesem Paradise nicht vergnügter leben, als wir
thun, das haben wir niemand, als uns selbst zu dan-
cken. Laß es seyn, daß wir vor diesem vergnügter ge-
wesen: Die Ursache, daß wir ietzo so vielem Verdruß
unterworfen sind, ist nicht in einer Veränderung der
Erde zu suchen: Es müste auf solchen Fall unsere eige-
ne Natur verändert seyn. Dieses glaubt der Hr.
Pr. Manzel: Allein ich weiß nicht, ob er diese in uns
vorgegangene Veränderung durch eine Verschlim-
merung der Erde, die er noch nicht bewiesen hat, und
die selbst mit seinen eigenen Sätzen streitet, beweisen
kan?

Der Hr. Prof. Manzel fügt den Gründen,
von welchen ich bißhero gehandelt habe, noch einige

andere
(o)

ſo unſtreitig iſt auch das gemeine Sprichwort:

„Luſt und Liebe zum Dinge
„Macht all’ Arbeit geringe,

Wenn demnach auch gleich die Erde ſo beſchafen
waͤre, daß wir nicht einmahl, um unſern Hunger zu
ſtillen, Eicheln und wilde Aepfel, und, zu Loͤſchung
unſers Durſtes, Waſſer finden koͤnnten, ohne eine Be-
muͤhung, die ungleich groͤſſer, als diejenige iſt, welche
der Ackerbau erfordert, ſo koͤnnte ſie doch, nach des Hn.
Prof. Manzels Meinung, ein Paradieß genennet
werden, wenn nur der Menſch dieſe Arbeit mit Luſt
verrichtete. Da nun, wann dieſes nicht geſchicht,
die Schuld dem Menſchen, und nicht der Erde bey-
zumeſſen iſt: So ſiehet man klaͤrlich, daß die Erde, dar-
um, daß ſie nicht alles, was wir brauchen, ohne unſere
Bemuͤhung hervorbringet, auch nach des Hrn. Man-
zels Meinung nicht aufhoͤre, ein Paradiß zu ſeyn, wie
ſie, nach der Abſicht GOttes hat ſeyn ſollen. Daß
wir in dieſem Paradiſe nicht vergnuͤgter leben, als wir
thun, das haben wir niemand, als uns ſelbſt zu dan-
cken. Laß es ſeyn, daß wir vor dieſem vergnuͤgter ge-
weſen: Die Urſache, daß wir ietzo ſo vielem Verdruß
unterworfen ſind, iſt nicht in einer Veraͤnderung der
Erde zu ſuchen: Es muͤſte auf ſolchen Fall unſere eige-
ne Natur veraͤndert ſeyn. Dieſes glaubt der Hr.
Pr. Manzel: Allein ich weiß nicht, ob er dieſe in uns
vorgegangene Veraͤnderung durch eine Verſchlim-
merung der Erde, die er noch nicht bewieſen hat, und
die ſelbſt mit ſeinen eigenen Saͤtzen ſtreitet, beweiſen
kan?

Der Hr. Prof. Manzel fuͤgt den Gruͤnden,
von welchen ich bißhero gehandelt habe, noch einige

andere
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0778" n="686"/>
          <fw place="top" type="header">(<hi rendition="#aq">o</hi>)</fw><lb/>
          <p>&#x017F;o un&#x017F;treitig i&#x017F;t auch das gemeine Sprichwort:</p><lb/>
          <lg type="poem">
            <l>&#x201E;Lu&#x017F;t und Liebe zum Dinge</l><lb/>
            <l>&#x201E;Macht all&#x2019; Arbeit geringe,</l>
          </lg><lb/>
          <p>Wenn demnach auch gleich die Erde &#x017F;o be&#x017F;chafen<lb/>
wa&#x0364;re, daß wir nicht einmahl, um un&#x017F;ern Hunger zu<lb/>
&#x017F;tillen, Eicheln und wilde Aepfel, und, zu Lo&#x0364;&#x017F;chung<lb/>
un&#x017F;ers Dur&#x017F;tes, Wa&#x017F;&#x017F;er finden ko&#x0364;nnten, ohne eine Be-<lb/>
mu&#x0364;hung, die ungleich gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;er, als diejenige i&#x017F;t, welche<lb/>
der Ackerbau erfordert, &#x017F;o ko&#x0364;nnte &#x017F;ie doch, nach des Hn.<lb/>
Prof. Manzels Meinung, ein Paradieß genennet<lb/>
werden, wenn nur der Men&#x017F;ch die&#x017F;e Arbeit mit Lu&#x017F;t<lb/>
verrichtete. Da nun, wann die&#x017F;es nicht ge&#x017F;chicht,<lb/>
die Schuld dem Men&#x017F;chen, und nicht der Erde bey-<lb/>
zume&#x017F;&#x017F;en i&#x017F;t: So &#x017F;iehet man kla&#x0364;rlich, daß die Erde, dar-<lb/>
um, daß &#x017F;ie nicht alles, was wir brauchen, ohne un&#x017F;ere<lb/>
Bemu&#x0364;hung hervorbringet, auch nach des Hrn. Man-<lb/>
zels Meinung nicht aufho&#x0364;re, ein Paradiß zu &#x017F;eyn, wie<lb/>
&#x017F;ie, nach der Ab&#x017F;icht GOttes hat &#x017F;eyn &#x017F;ollen. Daß<lb/>
wir in die&#x017F;em Paradi&#x017F;e nicht vergnu&#x0364;gter leben, als wir<lb/>
thun, das haben wir niemand, als uns &#x017F;elb&#x017F;t zu dan-<lb/>
cken. Laß es &#x017F;eyn, daß wir vor die&#x017F;em vergnu&#x0364;gter ge-<lb/>
we&#x017F;en: Die Ur&#x017F;ache, daß wir ietzo &#x017F;o vielem Verdruß<lb/>
unterworfen &#x017F;ind, i&#x017F;t nicht in einer Vera&#x0364;nderung der<lb/>
Erde zu &#x017F;uchen: Es mu&#x0364;&#x017F;te auf &#x017F;olchen Fall un&#x017F;ere eige-<lb/>
ne Natur vera&#x0364;ndert &#x017F;eyn. Die&#x017F;es glaubt der Hr.<lb/>
Pr. Manzel: Allein ich weiß nicht, ob er die&#x017F;e in uns<lb/>
vorgegangene Vera&#x0364;nderung durch eine Ver&#x017F;chlim-<lb/>
merung der Erde, die er noch nicht bewie&#x017F;en hat, und<lb/>
die &#x017F;elb&#x017F;t mit &#x017F;einen eigenen Sa&#x0364;tzen &#x017F;treitet, bewei&#x017F;en<lb/>
kan?</p><lb/>
          <p>Der Hr. Prof. Manzel fu&#x0364;gt den Gru&#x0364;nden,<lb/>
von welchen ich bißhero gehandelt habe, noch einige<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">andere</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[686/0778] (o) ſo unſtreitig iſt auch das gemeine Sprichwort: „Luſt und Liebe zum Dinge „Macht all’ Arbeit geringe, Wenn demnach auch gleich die Erde ſo beſchafen waͤre, daß wir nicht einmahl, um unſern Hunger zu ſtillen, Eicheln und wilde Aepfel, und, zu Loͤſchung unſers Durſtes, Waſſer finden koͤnnten, ohne eine Be- muͤhung, die ungleich groͤſſer, als diejenige iſt, welche der Ackerbau erfordert, ſo koͤnnte ſie doch, nach des Hn. Prof. Manzels Meinung, ein Paradieß genennet werden, wenn nur der Menſch dieſe Arbeit mit Luſt verrichtete. Da nun, wann dieſes nicht geſchicht, die Schuld dem Menſchen, und nicht der Erde bey- zumeſſen iſt: So ſiehet man klaͤrlich, daß die Erde, dar- um, daß ſie nicht alles, was wir brauchen, ohne unſere Bemuͤhung hervorbringet, auch nach des Hrn. Man- zels Meinung nicht aufhoͤre, ein Paradiß zu ſeyn, wie ſie, nach der Abſicht GOttes hat ſeyn ſollen. Daß wir in dieſem Paradiſe nicht vergnuͤgter leben, als wir thun, das haben wir niemand, als uns ſelbſt zu dan- cken. Laß es ſeyn, daß wir vor dieſem vergnuͤgter ge- weſen: Die Urſache, daß wir ietzo ſo vielem Verdruß unterworfen ſind, iſt nicht in einer Veraͤnderung der Erde zu ſuchen: Es muͤſte auf ſolchen Fall unſere eige- ne Natur veraͤndert ſeyn. Dieſes glaubt der Hr. Pr. Manzel: Allein ich weiß nicht, ob er dieſe in uns vorgegangene Veraͤnderung durch eine Verſchlim- merung der Erde, die er noch nicht bewieſen hat, und die ſelbſt mit ſeinen eigenen Saͤtzen ſtreitet, beweiſen kan? Der Hr. Prof. Manzel fuͤgt den Gruͤnden, von welchen ich bißhero gehandelt habe, noch einige andere

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Die Verlagsangabe wurde ermittelt (vgl. http://op… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/778
Zitationshilfe: [Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 686. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/778>, abgerufen am 05.05.2024.