"Lust und Liebe zum Dinge "Macht all' Arbeit geringe,
Wenn demnach auch gleich die Erde so beschafen wäre, daß wir nicht einmahl, um unsern Hunger zu stillen, Eicheln und wilde Aepfel, und, zu Löschung unsers Durstes, Wasser finden könnten, ohne eine Be- mühung, die ungleich grösser, als diejenige ist, welche der Ackerbau erfordert, so könnte sie doch, nach des Hn. Prof. Manzels Meinung, ein Paradieß genennet werden, wenn nur der Mensch diese Arbeit mit Lust verrichtete. Da nun, wann dieses nicht geschicht, die Schuld dem Menschen, und nicht der Erde bey- zumessen ist: So siehet man klärlich, daß die Erde, dar- um, daß sie nicht alles, was wir brauchen, ohne unsere Bemühung hervorbringet, auch nach des Hrn. Man- zels Meinung nicht aufhöre, ein Paradiß zu seyn, wie sie, nach der Absicht GOttes hat seyn sollen. Daß wir in diesem Paradise nicht vergnügter leben, als wir thun, das haben wir niemand, als uns selbst zu dan- cken. Laß es seyn, daß wir vor diesem vergnügter ge- wesen: Die Ursache, daß wir ietzo so vielem Verdruß unterworfen sind, ist nicht in einer Veränderung der Erde zu suchen: Es müste auf solchen Fall unsere eige- ne Natur verändert seyn. Dieses glaubt der Hr. Pr. Manzel: Allein ich weiß nicht, ob er diese in uns vorgegangene Veränderung durch eine Verschlim- merung der Erde, die er noch nicht bewiesen hat, und die selbst mit seinen eigenen Sätzen streitet, beweisen kan?
Der Hr. Prof. Manzel fügt den Gründen, von welchen ich bißhero gehandelt habe, noch einige
andere
(o)
ſo unſtreitig iſt auch das gemeine Sprichwort:
„Luſt und Liebe zum Dinge „Macht all’ Arbeit geringe,
Wenn demnach auch gleich die Erde ſo beſchafen waͤre, daß wir nicht einmahl, um unſern Hunger zu ſtillen, Eicheln und wilde Aepfel, und, zu Loͤſchung unſers Durſtes, Waſſer finden koͤnnten, ohne eine Be- muͤhung, die ungleich groͤſſer, als diejenige iſt, welche der Ackerbau erfordert, ſo koͤnnte ſie doch, nach des Hn. Prof. Manzels Meinung, ein Paradieß genennet werden, wenn nur der Menſch dieſe Arbeit mit Luſt verrichtete. Da nun, wann dieſes nicht geſchicht, die Schuld dem Menſchen, und nicht der Erde bey- zumeſſen iſt: So ſiehet man klaͤrlich, daß die Erde, dar- um, daß ſie nicht alles, was wir brauchen, ohne unſere Bemuͤhung hervorbringet, auch nach des Hrn. Man- zels Meinung nicht aufhoͤre, ein Paradiß zu ſeyn, wie ſie, nach der Abſicht GOttes hat ſeyn ſollen. Daß wir in dieſem Paradiſe nicht vergnuͤgter leben, als wir thun, das haben wir niemand, als uns ſelbſt zu dan- cken. Laß es ſeyn, daß wir vor dieſem vergnuͤgter ge- weſen: Die Urſache, daß wir ietzo ſo vielem Verdruß unterworfen ſind, iſt nicht in einer Veraͤnderung der Erde zu ſuchen: Es muͤſte auf ſolchen Fall unſere eige- ne Natur veraͤndert ſeyn. Dieſes glaubt der Hr. Pr. Manzel: Allein ich weiß nicht, ob er dieſe in uns vorgegangene Veraͤnderung durch eine Verſchlim- merung der Erde, die er noch nicht bewieſen hat, und die ſelbſt mit ſeinen eigenen Saͤtzen ſtreitet, beweiſen kan?
Der Hr. Prof. Manzel fuͤgt den Gruͤnden, von welchen ich bißhero gehandelt habe, noch einige
andere
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0778"n="686"/><fwplace="top"type="header">(<hirendition="#aq">o</hi>)</fw><lb/><p>ſo unſtreitig iſt auch das gemeine Sprichwort:</p><lb/><lgtype="poem"><l>„Luſt und Liebe zum Dinge</l><lb/><l>„Macht all’ Arbeit geringe,</l></lg><lb/><p>Wenn demnach auch gleich die Erde ſo beſchafen<lb/>
waͤre, daß wir nicht einmahl, um unſern Hunger zu<lb/>ſtillen, Eicheln und wilde Aepfel, und, zu Loͤſchung<lb/>
unſers Durſtes, Waſſer finden koͤnnten, ohne eine Be-<lb/>
muͤhung, die ungleich groͤſſer, als diejenige iſt, welche<lb/>
der Ackerbau erfordert, ſo koͤnnte ſie doch, nach des Hn.<lb/>
Prof. Manzels Meinung, ein Paradieß genennet<lb/>
werden, wenn nur der Menſch dieſe Arbeit mit Luſt<lb/>
verrichtete. Da nun, wann dieſes nicht geſchicht,<lb/>
die Schuld dem Menſchen, und nicht der Erde bey-<lb/>
zumeſſen iſt: So ſiehet man klaͤrlich, daß die Erde, dar-<lb/>
um, daß ſie nicht alles, was wir brauchen, ohne unſere<lb/>
Bemuͤhung hervorbringet, auch nach des Hrn. Man-<lb/>
zels Meinung nicht aufhoͤre, ein Paradiß zu ſeyn, wie<lb/>ſie, nach der Abſicht GOttes hat ſeyn ſollen. Daß<lb/>
wir in dieſem Paradiſe nicht vergnuͤgter leben, als wir<lb/>
thun, das haben wir niemand, als uns ſelbſt zu dan-<lb/>
cken. Laß es ſeyn, daß wir vor dieſem vergnuͤgter ge-<lb/>
weſen: Die Urſache, daß wir ietzo ſo vielem Verdruß<lb/>
unterworfen ſind, iſt nicht in einer Veraͤnderung der<lb/>
Erde zu ſuchen: Es muͤſte auf ſolchen Fall unſere eige-<lb/>
ne Natur veraͤndert ſeyn. Dieſes glaubt der Hr.<lb/>
Pr. Manzel: Allein ich weiß nicht, ob er dieſe in uns<lb/>
vorgegangene Veraͤnderung durch eine Verſchlim-<lb/>
merung der Erde, die er noch nicht bewieſen hat, und<lb/>
die ſelbſt mit ſeinen eigenen Saͤtzen ſtreitet, beweiſen<lb/>
kan?</p><lb/><p>Der Hr. Prof. Manzel fuͤgt den Gruͤnden,<lb/>
von welchen ich bißhero gehandelt habe, noch einige<lb/><fwplace="bottom"type="catch">andere</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[686/0778]
(o)
ſo unſtreitig iſt auch das gemeine Sprichwort:
„Luſt und Liebe zum Dinge
„Macht all’ Arbeit geringe,
Wenn demnach auch gleich die Erde ſo beſchafen
waͤre, daß wir nicht einmahl, um unſern Hunger zu
ſtillen, Eicheln und wilde Aepfel, und, zu Loͤſchung
unſers Durſtes, Waſſer finden koͤnnten, ohne eine Be-
muͤhung, die ungleich groͤſſer, als diejenige iſt, welche
der Ackerbau erfordert, ſo koͤnnte ſie doch, nach des Hn.
Prof. Manzels Meinung, ein Paradieß genennet
werden, wenn nur der Menſch dieſe Arbeit mit Luſt
verrichtete. Da nun, wann dieſes nicht geſchicht,
die Schuld dem Menſchen, und nicht der Erde bey-
zumeſſen iſt: So ſiehet man klaͤrlich, daß die Erde, dar-
um, daß ſie nicht alles, was wir brauchen, ohne unſere
Bemuͤhung hervorbringet, auch nach des Hrn. Man-
zels Meinung nicht aufhoͤre, ein Paradiß zu ſeyn, wie
ſie, nach der Abſicht GOttes hat ſeyn ſollen. Daß
wir in dieſem Paradiſe nicht vergnuͤgter leben, als wir
thun, das haben wir niemand, als uns ſelbſt zu dan-
cken. Laß es ſeyn, daß wir vor dieſem vergnuͤgter ge-
weſen: Die Urſache, daß wir ietzo ſo vielem Verdruß
unterworfen ſind, iſt nicht in einer Veraͤnderung der
Erde zu ſuchen: Es muͤſte auf ſolchen Fall unſere eige-
ne Natur veraͤndert ſeyn. Dieſes glaubt der Hr.
Pr. Manzel: Allein ich weiß nicht, ob er dieſe in uns
vorgegangene Veraͤnderung durch eine Verſchlim-
merung der Erde, die er noch nicht bewieſen hat, und
die ſelbſt mit ſeinen eigenen Saͤtzen ſtreitet, beweiſen
kan?
Der Hr. Prof. Manzel fuͤgt den Gruͤnden,
von welchen ich bißhero gehandelt habe, noch einige
andere
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 686. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/778>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.