Argument, das er darauf gebauet hat, platt umzukeh- ren. Wenn die Erde, sage ich demnach, hat ein schö- nes Paradiß seyn sollen, so müste sie es auch seyn: Sie ist es aber nicht. Ergo. Wolte man hier auf ant- worten: Es habe sich etwas begeben, welches GOtt bewogen, seine Absicht zu ändern; so würd ich sagen, daß dieser Zufall, wodurch GOtt soll bewogen wor- den seyn, sich zu bedencken, die Veränderung, welche die Erde erlitten haben soll, nicht beweisen kan, weil man ja eben aus dieser Veränderung beweisen will, daß er sich zugetragen hat.
Jch könnte weiter gehen: Allein ich will zum Ueber- fluß noch anmercken, daß es, nach des Hrn. Manzels eigenen Sätzen, nicht wahr seyn könne, daß die Erde verändert sey, und ihre paradisischen Eigenschaften verlohren habe. Er sagt ja (§. 28.) "die Erde sey, wie "wir sie ietzo sehen, mit der Abwechselung der Jahrs- "Zeiten, mit den unterschiedenen Himmels-Gegen- "den, und den hieraus fliessenden ungleichen Graden "von Hitze und Kälte erschafen worden. Er sagt. §. 31. "Alle Länder könnten ein Paradiß abgeben, wenn nur, "kurtz zu sagen, die Menschen der Himmels-Gegend "unter welcher sie leben, gewohnt, und mit dem, was "ihr Erdboden trägt, zufrieden wären.
Wird nun nichts anders zu einem Paradiß erfor- dert, so ist die Erde noch was sie gewesen seyn soll. Die Kälte in Nova Zembla benimmt dieser Jnsel ihre paradisischen Eigenschaften nicht; So wenig als die Hitze der Wüsten Saara die ihrigen raubet: Und ein Grönländer, der mit seinen verfaulten Fischen und mit seinem stinckenden Trahn zufrieden, lebt so wohl im Paradiß als ein Jtaliäner, der unter der besten
Him-
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Argument, das er darauf gebauet hat, platt umzukeh- ren. Wenn die Erde, ſage ich demnach, hat ein ſchoͤ- nes Paradiß ſeyn ſollen, ſo muͤſte ſie es auch ſeyn: Sie iſt es aber nicht. Ergo. Wolte man hier auf ant- worten: Es habe ſich etwas begeben, welches GOtt bewogen, ſeine Abſicht zu aͤndern; ſo wuͤrd ich ſagen, daß dieſer Zufall, wodurch GOtt ſoll bewogen wor- den ſeyn, ſich zu bedencken, die Veraͤnderung, welche die Erde erlitten haben ſoll, nicht beweiſen kan, weil man ja eben aus dieſer Veraͤnderung beweiſen will, daß er ſich zugetragen hat.
Jch koͤnnte weiter gehen: Allein ich will zum Ueber- fluß noch anmercken, daß es, nach des Hrn. Manzels eigenen Saͤtzen, nicht wahr ſeyn koͤnne, daß die Erde veraͤndert ſey, und ihre paradiſiſchen Eigenſchaften verlohren habe. Er ſagt ja (§. 28.) „die Erde ſey, wie „wir ſie ietzo ſehen, mit der Abwechſelung der Jahrs- „Zeiten, mit den unterſchiedenen Himmels-Gegen- „den, und den hieraus flieſſenden ungleichen Graden „von Hitze und Kaͤlte erſchafen worden. Er ſagt. §. 31. „Alle Laͤnder koͤñten ein Paradiß abgeben, wenn nur, „kurtz zu ſagen, die Menſchen der Himmels-Gegend „unter welcher ſie leben, gewohnt, und mit dem, was „ihr Erdboden traͤgt, zufrieden waͤren.
Wird nun nichts anders zu einem Paradiß erfor- dert, ſo iſt die Erde noch was ſie geweſen ſeyn ſoll. Die Kaͤlte in Nova Zembla benimmt dieſer Jnſel ihre paradiſiſchen Eigenſchaften nicht; So wenig als die Hitze der Wuͤſten Saara die ihrigen raubet: Und ein Groͤnlaͤnder, der mit ſeinen verfaulten Fiſchen und mit ſeinem ſtinckenden Trahn zufrieden, lebt ſo wohl im Paradiß als ein Jtaliaͤner, der unter der beſten
Him-
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Argument, das er darauf gebauet hat, platt umzukeh-
ren. Wenn die Erde, ſage ich demnach, hat ein ſchoͤ-
nes Paradiß ſeyn ſollen, ſo muͤſte ſie es auch ſeyn: Sie
iſt es aber nicht. Ergo. Wolte man hier auf ant-
worten: Es habe ſich etwas begeben, welches GOtt
bewogen, ſeine Abſicht zu aͤndern; ſo wuͤrd ich ſagen,
daß dieſer Zufall, wodurch GOtt ſoll bewogen wor-
den ſeyn, ſich zu bedencken, die Veraͤnderung, welche
die Erde erlitten haben ſoll, nicht beweiſen kan, weil
man ja eben aus dieſer Veraͤnderung beweiſen will,
daß er ſich zugetragen hat.
Jch koͤnnte weiter gehen: Allein ich will zum Ueber-
fluß noch anmercken, daß es, nach des Hrn. Manzels
eigenen Saͤtzen, nicht wahr ſeyn koͤnne, daß die Erde
veraͤndert ſey, und ihre paradiſiſchen Eigenſchaften
verlohren habe. Er ſagt ja (§. 28.) „die Erde ſey, wie
„wir ſie ietzo ſehen, mit der Abwechſelung der Jahrs-
„Zeiten, mit den unterſchiedenen Himmels-Gegen-
„den, und den hieraus flieſſenden ungleichen Graden
„von Hitze und Kaͤlte erſchafen worden. Er ſagt. §. 31.
„Alle Laͤnder koͤñten ein Paradiß abgeben, wenn nur,
„kurtz zu ſagen, die Menſchen der Himmels-Gegend
„unter welcher ſie leben, gewohnt, und mit dem, was
„ihr Erdboden traͤgt, zufrieden waͤren.
Wird nun nichts anders zu einem Paradiß erfor-
dert, ſo iſt die Erde noch was ſie geweſen ſeyn ſoll. Die
Kaͤlte in Nova Zembla benimmt dieſer Jnſel ihre
paradiſiſchen Eigenſchaften nicht; So wenig als die
Hitze der Wuͤſten Saara die ihrigen raubet: Und ein
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mit ſeinem ſtinckenden Trahn zufrieden, lebt ſo wohl
im Paradiß als ein Jtaliaͤner, der unter der beſten
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[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 683. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/775>, abgerufen am 22.11.2024.
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