Natur nicht standesmäßig gehalten. Wir sind elend. Das ist wahr; Aber laßt uns dieses Elend durch et- was anders, als durch süsse Träume von einer verlohr- nen Vortreflichkeit, zu versussen suchen. Wir thun klüger, wenn wir mit unserm Zustande zufrieden sind, und uns bemühen, denselben so erträglich zu ma- chen, als es möglich ist.
Es ist kein Thier in der Welt, daß nicht mit eben so gutem Grunde, als wir, das vortreflichste zu seyn verlangen, und also sein Elend, darinn es sich befin- det, als etwas ausserordentliches, und aus einem Versehen seiner Vorfahren herrührendes, ansehen könnte. Auch die Thiere haben ihre Noth; und wenn sonst nichts wäre, darüber sie sich zu beklagen, und allerhand Gedancken zu machen Ursache hätten, so wäre es gewiß die Grausamkeit des Menschen, und alles, das Böse, so sie von diesem artigen Thiere erdulden müssen.
Sie könnten also alles dasjenige, was der Herr Prof. Manzel zum Beweiß der ursprünglichen Vol- lenkommenheit und Glückseeligkeit des Menschen vorgebracht hat, vor sich anführen. Jch glaube wohl, wir würden sie auslachen: Allein womit wol- ten wir sie wiederlegen? Gewiß nicht aus der Ver- nunft. Die ist nicht vor uns. Sie siehet unsere Vortreflikeit nicht, wofern sie nicht das Vergrös- serungs-Glaß eines thörichten Hochmuths gebrau- chet.
Es würde lächerlich seyn, wenn wir unsere Zu- flucht zur Ofenbahrung nehmen, und ihnen darinn unsere Vorzüge weisen wolten. Denn dieses würde bey den Thieren wenig verfangen. Sie würden un-
sere
(o)
Natur nicht ſtandesmaͤßig gehalten. Wir ſind elend. Das iſt wahr; Aber laßt uns dieſes Elend durch et- was anders, als durch ſuͤſſe Traͤume von einer verlohr- nen Vortreflichkeit, zu verſuſſen ſuchen. Wir thun kluͤger, wenn wir mit unſerm Zuſtande zufrieden ſind, und uns bemuͤhen, denſelben ſo ertraͤglich zu ma- chen, als es moͤglich iſt.
Es iſt kein Thier in der Welt, daß nicht mit eben ſo gutem Grunde, als wir, das vortreflichſte zu ſeyn verlangen, und alſo ſein Elend, darinn es ſich befin- det, als etwas auſſerordentliches, und aus einem Verſehen ſeiner Vorfahren herruͤhrendes, anſehen koͤnnte. Auch die Thiere haben ihre Noth; und wenn ſonſt nichts waͤre, daruͤber ſie ſich zu beklagen, und allerhand Gedancken zu machen Urſache haͤtten, ſo waͤre es gewiß die Grauſamkeit des Menſchen, und alles, das Boͤſe, ſo ſie von dieſem artigen Thiere erdulden muͤſſen.
Sie koͤnnten alſo alles dasjenige, was der Herr Prof. Manzel zum Beweiß der urſpruͤnglichen Vol- lenkommenheit und Gluͤckſeeligkeit des Menſchen vorgebracht hat, vor ſich anfuͤhren. Jch glaube wohl, wir wuͤrden ſie auslachen: Allein womit wol- ten wir ſie wiederlegen? Gewiß nicht aus der Ver- nunft. Die iſt nicht vor uns. Sie ſiehet unſere Vortreflikeit nicht, wofern ſie nicht das Vergroͤſ- ſerungs-Glaß eines thoͤrichten Hochmuths gebrau- chet.
Es wuͤrde laͤcherlich ſeyn, wenn wir unſere Zu- flucht zur Ofenbahrung nehmen, und ihnen darinn unſere Vorzuͤge weiſen wolten. Denn dieſes wuͤrde bey den Thieren wenig verfangen. Sie wuͤrden un-
ſere
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0759"n="667"/><fwplace="top"type="header">(<hirendition="#aq">o</hi>)</fw><lb/>
Natur nicht ſtandesmaͤßig gehalten. Wir ſind elend.<lb/>
Das iſt wahr; Aber laßt uns dieſes Elend durch et-<lb/>
was anders, als durch ſuͤſſe Traͤume von einer verlohr-<lb/>
nen Vortreflichkeit, zu verſuſſen ſuchen. Wir thun<lb/>
kluͤger, wenn wir mit unſerm Zuſtande zufrieden ſind,<lb/>
und uns bemuͤhen, denſelben ſo ertraͤglich zu ma-<lb/>
chen, als es moͤglich iſt.</p><lb/><p>Es iſt kein Thier in der Welt, daß nicht mit eben<lb/>ſo gutem Grunde, als wir, das vortreflichſte zu ſeyn<lb/>
verlangen, und alſo ſein Elend, darinn es ſich befin-<lb/>
det, als etwas auſſerordentliches, und aus einem<lb/>
Verſehen ſeiner Vorfahren herruͤhrendes, anſehen<lb/>
koͤnnte. Auch die Thiere haben ihre Noth; und<lb/>
wenn ſonſt nichts waͤre, daruͤber ſie ſich zu beklagen,<lb/>
und allerhand Gedancken zu machen Urſache haͤtten,<lb/>ſo waͤre es gewiß die Grauſamkeit des Menſchen,<lb/>
und alles, das Boͤſe, ſo ſie von dieſem artigen Thiere<lb/>
erdulden muͤſſen.</p><lb/><p>Sie koͤnnten alſo alles dasjenige, was der Herr<lb/>
Prof. Manzel zum Beweiß der urſpruͤnglichen Vol-<lb/>
lenkommenheit und Gluͤckſeeligkeit des Menſchen<lb/>
vorgebracht hat, vor ſich anfuͤhren. Jch glaube<lb/>
wohl, wir wuͤrden ſie auslachen: Allein womit wol-<lb/>
ten wir ſie wiederlegen? Gewiß nicht aus der Ver-<lb/>
nunft. Die iſt nicht vor uns. Sie ſiehet unſere<lb/>
Vortreflikeit nicht, wofern ſie nicht das Vergroͤſ-<lb/>ſerungs-Glaß eines thoͤrichten Hochmuths gebrau-<lb/>
chet.</p><lb/><p>Es wuͤrde laͤcherlich ſeyn, wenn wir unſere Zu-<lb/>
flucht zur Ofenbahrung nehmen, und ihnen darinn<lb/>
unſere Vorzuͤge weiſen wolten. Denn dieſes wuͤrde<lb/>
bey den Thieren wenig verfangen. Sie wuͤrden un-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">ſere</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[667/0759]
(o)
Natur nicht ſtandesmaͤßig gehalten. Wir ſind elend.
Das iſt wahr; Aber laßt uns dieſes Elend durch et-
was anders, als durch ſuͤſſe Traͤume von einer verlohr-
nen Vortreflichkeit, zu verſuſſen ſuchen. Wir thun
kluͤger, wenn wir mit unſerm Zuſtande zufrieden ſind,
und uns bemuͤhen, denſelben ſo ertraͤglich zu ma-
chen, als es moͤglich iſt.
Es iſt kein Thier in der Welt, daß nicht mit eben
ſo gutem Grunde, als wir, das vortreflichſte zu ſeyn
verlangen, und alſo ſein Elend, darinn es ſich befin-
det, als etwas auſſerordentliches, und aus einem
Verſehen ſeiner Vorfahren herruͤhrendes, anſehen
koͤnnte. Auch die Thiere haben ihre Noth; und
wenn ſonſt nichts waͤre, daruͤber ſie ſich zu beklagen,
und allerhand Gedancken zu machen Urſache haͤtten,
ſo waͤre es gewiß die Grauſamkeit des Menſchen,
und alles, das Boͤſe, ſo ſie von dieſem artigen Thiere
erdulden muͤſſen.
Sie koͤnnten alſo alles dasjenige, was der Herr
Prof. Manzel zum Beweiß der urſpruͤnglichen Vol-
lenkommenheit und Gluͤckſeeligkeit des Menſchen
vorgebracht hat, vor ſich anfuͤhren. Jch glaube
wohl, wir wuͤrden ſie auslachen: Allein womit wol-
ten wir ſie wiederlegen? Gewiß nicht aus der Ver-
nunft. Die iſt nicht vor uns. Sie ſiehet unſere
Vortreflikeit nicht, wofern ſie nicht das Vergroͤſ-
ſerungs-Glaß eines thoͤrichten Hochmuths gebrau-
chet.
Es wuͤrde laͤcherlich ſeyn, wenn wir unſere Zu-
flucht zur Ofenbahrung nehmen, und ihnen darinn
unſere Vorzuͤge weiſen wolten. Denn dieſes wuͤrde
bey den Thieren wenig verfangen. Sie wuͤrden un-
ſere
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 667. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/759>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.