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[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739.

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(o)
grösser als vor diesem, und es ist glaublich, das Adam
wenig fröhlige Stunden in seinem Ehe-Stande wür-
de gehabt haben, wenn seine Gemahlin, die so wenig
Meister von sich selbst war, den Versuchungen un-
terworfen gewesen wäre die ietzo eine junge Dame an
einem Hofe, da es nur etwas lustig hergehet, auszu-
stehen hat. Jhre Aufführung machet, daß man ihr
wenig Gutes zutrauen kan:

"Car bien qu' Adam faut jeune & vigoureux
"Bien fait de corps & d'esprit agreable
"Elle aima mieux, pour s'en faire conter,
"Prester l'oreille aux fleuretes du Diable,
"Qve d' estre femme & ne pas coquetter.
(5)

Jch weiß wohl, daß dieses nur ein poetischer Ein-
fall ist: Allein, die Wahrheit zu sagen, das, was Eva
im Paradieß gethan hat, ihre grosse Neugierigkeit,
und ihr unordentlicher Appetit, den selbst die Dro-
hungen ihres Schöpfers, von dessen Macht und
Wahrhaftigkeit sie mehr als zu viel überzeuget
war, nicht mäßigen konnten, macht, daß ich be-
fürchte, sie würde, wenn man sie mit aller ihrer Heilig-
keit und Vollkommenheit, so wie sie von GOtt aus
der Ribbe des schlafenden Adams verfertiget wor-
den, in die Umstände, darinn sich eine junge Hof-Da-
me befindet, setzen könnte, sich so aufführen, daß die
Vertheidiger ihrer unbegreiflichen Vollkommenheit
nichts, als Schimpf von ihr haben wurden: Wenig-
stens würde sie es nicht besser machen, als unser, in
Sünden empfangen und gebohrnes, Frauenzimmer.
Jndessen thun wir ihr die Ehre, und glauben, sie habe
Tugenden und Vollkommenheiten besessen, die nach-

mahls
(5) S. les Poesies de Sarrasin p. 61.
T t 2

(o)
groͤſſer als vor dieſem, und es iſt glaublich, das Adam
wenig froͤhlige Stunden in ſeinem Ehe-Stande wuͤr-
de gehabt haben, wenn ſeine Gemahlin, die ſo wenig
Meiſter von ſich ſelbſt war, den Verſuchungen un-
terworfen geweſen waͤre die ietzo eine junge Dame an
einem Hofe, da es nur etwas luſtig hergehet, auszu-
ſtehen hat. Jhre Auffuͤhrung machet, daß man ihr
wenig Gutes zutrauen kan:

„Car bien qu’ Adam fût jeune & vigoureux
„Bien fait de corps & d’eſprit agreable
„Elle aima mieux, pour ſ’en faire conter,
„Prêſter l’oreille aux fleuretes du Diable,
„Qve d’ eſtre femme & ne pas coquetter.
(5)

Jch weiß wohl, daß dieſes nur ein poetiſcher Ein-
fall iſt: Allein, die Wahrheit zu ſagen, das, was Eva
im Paradieß gethan hat, ihre groſſe Neugierigkeit,
und ihr unordentlicher Appetit, den ſelbſt die Dro-
hungen ihres Schoͤpfers, von deſſen Macht und
Wahrhaftigkeit ſie mehr als zu viel uͤberzeuget
war, nicht maͤßigen konnten, macht, daß ich be-
fuͤrchte, ſie wuͤrde, wenn man ſie mit aller ihrer Heilig-
keit und Vollkommenheit, ſo wie ſie von GOtt aus
der Ribbe des ſchlafenden Adams verfertiget wor-
den, in die Umſtaͤnde, darinn ſich eine junge Hof-Da-
me befindet, ſetzen koͤnnte, ſich ſo auffuͤhren, daß die
Vertheidiger ihrer unbegreiflichen Vollkommenheit
nichts, als Schimpf von ihr haben wurden: Wenig-
ſtens wuͤrde ſie es nicht beſſer machen, als unſer, in
Suͤnden empfangen und gebohrnes, Frauenzimmer.
Jndeſſen thun wir ihr die Ehre, und glauben, ſie habe
Tugenden und Vollkommenheiten beſeſſen, die nach-

mahls
(5) S. les Poëſies de Sarraſin p. 61.
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[659/0751] (o) groͤſſer als vor dieſem, und es iſt glaublich, das Adam wenig froͤhlige Stunden in ſeinem Ehe-Stande wuͤr- de gehabt haben, wenn ſeine Gemahlin, die ſo wenig Meiſter von ſich ſelbſt war, den Verſuchungen un- terworfen geweſen waͤre die ietzo eine junge Dame an einem Hofe, da es nur etwas luſtig hergehet, auszu- ſtehen hat. Jhre Auffuͤhrung machet, daß man ihr wenig Gutes zutrauen kan: „Car bien qu’ Adam fût jeune & vigoureux „Bien fait de corps & d’eſprit agreable „Elle aima mieux, pour ſ’en faire conter, „Prêſter l’oreille aux fleuretes du Diable, „Qve d’ eſtre femme & ne pas coquetter. (5) Jch weiß wohl, daß dieſes nur ein poetiſcher Ein- fall iſt: Allein, die Wahrheit zu ſagen, das, was Eva im Paradieß gethan hat, ihre groſſe Neugierigkeit, und ihr unordentlicher Appetit, den ſelbſt die Dro- hungen ihres Schoͤpfers, von deſſen Macht und Wahrhaftigkeit ſie mehr als zu viel uͤberzeuget war, nicht maͤßigen konnten, macht, daß ich be- fuͤrchte, ſie wuͤrde, wenn man ſie mit aller ihrer Heilig- keit und Vollkommenheit, ſo wie ſie von GOtt aus der Ribbe des ſchlafenden Adams verfertiget wor- den, in die Umſtaͤnde, darinn ſich eine junge Hof-Da- me befindet, ſetzen koͤnnte, ſich ſo auffuͤhren, daß die Vertheidiger ihrer unbegreiflichen Vollkommenheit nichts, als Schimpf von ihr haben wurden: Wenig- ſtens wuͤrde ſie es nicht beſſer machen, als unſer, in Suͤnden empfangen und gebohrnes, Frauenzimmer. Jndeſſen thun wir ihr die Ehre, und glauben, ſie habe Tugenden und Vollkommenheiten beſeſſen, die nach- mahls (5) S. les Poëſies de Sarraſin p. 61. T t 2

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Zitationshilfe: [Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 659. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/751>, abgerufen am 25.11.2024.